Protocol of the Session on February 3, 2000

Zum Teil fehlen an den beruflichen Schulen zwischen 10 und 15 % der wissenschaftlichen Lehrer; an manchen beruflichen Schulen sind es sogar bis zu 30 % der technischen Lehrer. Und wider besseres Wissen – das sage ich klipp und klar – behauptet die Ministerin schlichtweg frech, dass Baden-Württemberg im Vergleich zu den anderen Bundesländern am besten dastehe, wohl wissend, dass es überhaupt keine vergleichenden Darstellungen und Untersuchungen gibt.

(Abg. Rapp REP: Ja, was behaupten Sie?)

Allerdings gibt es amtliche Vergleichszahlen unter den Bundesländern. Hier liegt Baden-Württemberg mit Ausnahme der Sonderschulen auch bei den Klassengrößen in der unteren Tabellenhälfte. Bei der Unterrichtsversorgung je Schüler an den Grundschulen belegt Baden-Württemberg gar den letzten Platz aller 16 Bundesländer.

Baden-Württemberg bildet das Schlusslicht der Länder, wenn es um die verlässliche Halbtagsschule geht und damit auch um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, für die garantierte Öffnungs- und Betreuungszeiten eine zentrale Voraussetzung sind.

Es ist skandalös, dass Sie, Frau Ministerin, und die CDUFDP/DVP-Koalition bisher nicht bereit sind, im jetzt zu beschließenden Doppelhaushalt 2000/01 die notwendigen Stellen einzurichten, um die verlässliche Halbtagsschule zu Beginn des neuen Schuljahrs flächendeckend einzuführen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt wurde von Frau Schavan – gestern, in aller Hektik – ein neuer Erlass präsentiert, mit dem wohl der berüchtigte Schulleiterbrief vom Dezember revidiert werden sollte, nachdem dagegen massive Kritik von allen Seiten laut geworden ist. Es ist bezeichnend für die rückwärts gewandte und familienfeindliche Bildungspolitik der Kultusministerin, dass sie immer erst dann reagiert, wenn der Druck von außen zu groß wird. Eine verantwortungsbewusste Ministerin hätte sich längst an die Spitze der Bewegung gestellt und dafür gesorgt, dass die von den Eltern so sehr gewünschte Einführung der verlässlichen Halbtagsschule so rasch wie möglich erfolgt.

(Zuruf des Abg. König REP)

Aber Sie lassen sich treiben, statt selbst zu handeln.

(Beifall bei der SPD)

Es ist auch ein gefährliches Spiel, das Sie mit unseren Grundschulen treiben. Noch immer haben Sie kein Konzept, sage ich Ihnen, für die verlässliche Halbtagsgrundschule, bei dem ein rhythmisierter Unterricht von vier bzw. fünf Zeitstunden garantiert wird.

Was Frau Schavan unter dem Begriff der Halbtagsschule verkauft, ist nichts weiter als die Ausweitung der bisher bestehenden Kernzeitenregelung auf weitere Schulen und damit ein schlichter Etikettenschwindel. Sie schieben den schwarzen Peter den Grundschulen zu, weil Sie sich weigern, die erforderlichen zusätzlichen Stellen zu schaffen, und Sie belasten die Familien, weil die Landesregierung weiterhin daran festhält, die Eltern an den Kosten für die verlässliche Grundschule zu beteiligen.

Dies ist für die SPD völlig inakzeptabel. Denn es bedeutet nichts anderes als die Einführung von Schulgeld durch die Hintertür. Wir werden diese familienfeindliche Politik daher entschieden bekämpfen.

(Beifall bei der SPD)

Bleiben Sie nicht in Ihren Ankündigungen stecken – das sage ich deutlich –, und stimmen Sie unserem Antrag zu, 600 zusätzliche Stellen für die Grundschulen und Sonderschulen zu schaffen, damit landesweit zu Beginn des neuen Schuljahrs die verlässliche Halbtagsschule so eingeführt werden kann, dass sie diese Bezeichnung auch tatsächlich verdient.

Dann gibt es noch die großspurige Ankündigung des Fremdsprachenunterrichts an der Grundschule. Das ist ein wirkliches Trauerspiel, sage ich Ihnen. Hier wird ein heilloses Chaos produziert und sehr viel Konfusion unter den Eltern und Lehrern angerichtet. Auch hier gibt es nur vollmundige Ankündigungen und Luftblasen. Im Jahr 2001 wollen Sie angeblich beginnen, offenbar, wie zu hören ist, an einigen wenigen Schulen. Keine einzige zusätzliche Stelle wird dafür zur Verfügung gestellt, obwohl Sie selbst

zugeben mussten, dass pro zusätzlicher Doppelstunde und Jahrgang 400 Deputate notwendig sind.

Vor der Landtagswahl sollen Nebelkerzen geworfen werden, aber ich sage Ihnen klar und deutlich: Die Schulen und Eltern durchschauen Ihre Trickserei.

Dasselbe gilt für die Unterrichtsversorgung. Trotz Ihrer radikalen Kürzungen im Ergänzungsbereich konnten Sie die Unterrichtsversorgung nicht sicherstellen. Ich kann Ihnen sagen: Zum Beispiel sind im Zuständigkeitsbereich des Oberschulamts Freiburg in diesem Schuljahr, also im Schuljahr 1999/2000, zusätzlich 65 Klassen an den Gymnasien entstanden. Zusätzlich sind aber ganze drei Lehrer für die Gymnasien eingestellt worden. Das ist der Beleg dafür, wie Sie hier mit Unterricht und Unterrichtsversorgung umgehen.

Angesichts dieser gravierenden Unterrichtsausfälle und der weiterhin steigenden Schülerzahlen – allein in diesem Schuljahr wächst die Zahl um 30 000 – brauchen wir weit mehr zusätzliche Stellen zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung, als von Ihnen geplant war.

Wir haben unser Versprechen vom Sommer letzten Jahres gehalten, in dem wir angekündigt haben, für das Jahr 2000 und das Jahr 2001 insgesamt zusätzlich 2 500 Stellen zu schaffen, und zwar auf einer soliden finanziellen Basis.

(Zuruf des Abg. König REP)

Lassen Sie mich anmerken: Damals standen wir mit unserem Vorstoß zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung so ziemlich allein auf weiter Flur. Sie, Frau Schavan, haben erst jetzt zugegeben, dass es in Baden-Württemberg massive Löcher in der Unterrichtsversorgung gibt, was von Ihnen über lange Zeit vehement bestritten wurde. Eltern, Schulleitungen und Bildungspolitiker sind von Ihnen, Frau Schavan, übel beschimpft worden, wenn sie gegen die Misere protestiert haben.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Jetzt aber!)

Sie versprühten bislang eine Vorstellung von einer heilen Schulwelt, die der Wirklichkeit nicht standhält. Den von Ihnen in einem völlig überstürzten Verfahren eingeschlagenen Weg, mehr Mittel für zeitlich befristete Aushilfskräfte im Haushalt bereitzustellen, halten wir für wenig geeignet. Dies dient weder den Interessen der Kinder und Jugendlichen an einer pädagogisch sinnvollen Unterrichtskontinuität, noch verbessert es die Kooperation in den Lehrerkollegien, wenn in einem ständigen Hire-and-fire-Verfahren befristete Zeitverträge, stundenweise Minijobs und kurzfristige Aushilfsarbeiten an den Schulen üblich werden.

Besser ist es, wie von uns vorgeschlagen, jetzt bei den steigenden Schülerzahlen die Lehrerstellen an den einzelnen Schularten spürbar aufzustocken, einen landesweiten Reservepool für fest Angestellte als Krankheitsvertretungen zu schaffen und diese zusätzlich eingerichteten Stellen dann in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts wieder abzubauen, wenn die Schülerzahlen rückläufig sind und übrigens auch viele Lehrerinnen und Lehrer altershalber ausscheiden.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)

Im Übrigen konnte für die Privatschulen – maßgeblich auf Druck der SPD hin – erreicht werden, dass die von der Regierung beabsichtigten Kürzungspläne gestoppt wurden und die Zuschussgelder 2000/2001 gegenüber dem Haushaltsentwurf der Regierung sogar um insgesamt 42,2 Millionen DM erhöht wurden.

Meine Damen und Herren, die zunehmende Überalterung der Lehrkörper wirft eine Reihe von Problemen an unseren Schulen auf. Dies ist heute nicht mehr zu übersehen. Zwei Drittel aller Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg sind älter als 45 Jahre, und der Altersdurchschnitt insgesamt liegt mittlerweile bei 50 Jahren mit rapide steigender Tendenz. Deshalb haben wir neben der Forderung nach den 2 500 neuen Stellen für junge Pädagogen ein Gesetz zur Verbesserung der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst vorgelegt, das sich weitgehend an den bereits erfolgreich praktizierten bayerischen Regelungen orientiert.

Ich habe in den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 29. Januar gelesen, Frau Schavan, dass Sie gesagt haben: „Wir sind die Bayern der CDU!“ Ich sage Ihnen: Beweisen Sie das an dieser Stelle. Zeigen Sie, dass Sie an dieser Stelle die Bayern in der CDU sind.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Abg. Maurer SPD: Das war aber ganz anders gemeint)

Es ist völlig unverständlich, dass Sie sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, die Altersteilzeit für den Schulbereich zu übernehmen, die in 14 von 16 Bundesländern inzwischen eingeführt wurde und überall zu zusätzlichen Neueinstellungen junger Leute geführt hat. Offenkundig sind der Herr Ministerpräsident – wir haben es gestern gehört – und der Herr Finanzminister stärker daran interessiert, dies nicht zu machen und auch im Übrigen ein Bündnis für Arbeit in Baden-Württemberg an diesem Punkt scheitern zu lassen.

Einen weiteren wichtigen Schwerpunkt der Haushaltsberatungen sehen wir in der Notwendigkeit, den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien, der bisher nur schleppend vorankommt, zu forcieren. Wir wollen die neuen Medien zu einem Instrument machen, mit dem soziale Unterschiede bei den Bildungschancen ausgeglichen werden. Alle Kinder und Jugendlichen müssen unabhängig vom Einkommen der Eltern den Zugang zum Computer und zum Internet haben.

Gewiss haben viele kommunale Schulträger in den letzten Jahren einiges zur Verbesserung der Situation im Multimediabereich beigetragen. Dafür wollen wir uns auch bedanken. Aber im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn ist das Ergebnis eher spärlich. Gegenüber den insgesamt 50 Millionen DM, mit denen das Land Baden-Württemberg in den Jahren 1997 bis 2001 den Einsatz von Computern an den Schulen fördern will, geben beispielsweise die Holländer mit ein bisschen mehr Einwohnern, als wir haben, 15,5 Millionen Einwohnern, in den nächsten Jahren jährlich 900 Millionen DM aus. Daran wird deutlich, dass dort eben ein Schwerpunkt auf die Kommunikationstechnologien gelegt wird.

Angesichts dieser Relation von 50 Millionen DM zu 3,6 Milliarden DM kann man sich ausmalen, wie schnell sich

der Abstand in die Zukunft hinein vergrößern wird, wenn wir unsere Innovationsanstrengungen nicht forcieren. Daher haben wir zusätzlich 40 Millionen DM in unserem Haushalt für eine Medienoffensive an unseren Schulen beantragt, mit der wir vor allem auch die Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit den neuen Medien beschleunigen wollen und ausbauen wollen.

Im Übrigen: Die regelmäßige Lehrerfortbildung hat für die Qualität des Unterrichts und die Arbeit an der Schule und auch über den aktuellen Bereich der Informationstechnologien hinaus zentrale Bedeutung. Deshalb hat sich meine Fraktion für eine deutliche Aufstockung der Haushaltsmittel und für eine größere Verbindlichkeit der Fortbildung für die Lehrer eingesetzt.

Allerdings sind wir der Auffassung, dass die Fortbildungsmaßnahmen vorrangig in der so genannten unterrichtsfreien Zeit stattfinden müssen und in die Verantwortung der Schulen übertragen werden sollen. Nach unserer Auffassung sollen die Schulen bei der Ausarbeitung von solchen Fortbildungskonzepten auch die Entscheidung über die Maßnahmen treffen können und mehr Möglichkeiten zur eigenen Gestaltung bekommen. Vor Ort muss es im Rahmen der staatlichen Vorgaben eine hohe Gestaltungsmöglichkeit für die Schulen geben. Diese Gestaltungsfreiheit ist ein Weg zur stärkeren Identifikation der Schule.

Es ist bezeichnend für das bildungspolitische Konzept der Kultusministerin, dass bislang nahezu alle Reformvorschläge der SPD zur Stärkung der Schulautonomie von der CDU-Mehrheit im Landtag abgelehnt wurden. Früher hat im Übrigen, Herr Kollege Pfister, die FDP/DVP immer noch mitgezogen.

(Zuruf des Abg. Behringer CDU)

Es ist offensichtlich auch ein veraltetes Denken in starren bürokratischen Strukturen, fragwürdigen Elitekategorien, dem Sie, Frau Schavan, nachhängen und das Ihnen jeden Zugang zu modernen und offen angelegten Bildungsvorgaben verbaut.

Ich bin der festen Überzeugung, meine Damen und Herren, dass ein modernes und zukunftsfähiges Bildungssystem viel stärker dezentral und eigenverantwortlich aufgebaut sein wird, dass es differenzierter und auf die speziellen Bedürfnisse, auf die Stärken und Schwächen des Einzelnen einzugehen hat, dass es insgesamt offener und durchlässiger sein muss und dass modulare Elemente und Bildungsabschlüsse besser aufeinander aufbauen müssen und sich ergänzen müssen. Wir werden dezentral handelnde Netzwerke erhalten, in denen sich Schulen ergänzen, ihre Angebote beispielsweise in der Region aufeinander abstimmen und sich gegenseitig zugänglich machen. Weshalb eigentlich soll ein Realschüler nicht nachmittags an einer Spanisch-AG teilnehmen können, die an einem Gymnasium angeboten wird, oder umgekehrt?

Mit der Verlagerung von Entscheidungen auf die Schulen selbst, auf kommunale oder regionale Ebenen werden sich auch die Bedeutung und die Aufgaben der Elternvertretungen wandeln. Wir halten es für wichtig, dass die Einflussmöglichkeiten und die Rechte der Elternvertreter ausgebaut werden. Soweit erforderlich, sollten die Elternvertreter bei

Bedarf auch entsprechende Fortbildungsangebote anfordern können und sich auf ihre anspruchsvolle und verantwortungsvolle Tätigkeit vorbereiten; denn Eltern, meine Damen und Herren, sind ein wichtiger Bestandteil der Schule, die sich als eine lernende Schule immer wieder neu auf den Wandel und auf Veränderungen einzustellen hat. Dies konnten wir im Übrigen sehr eindrucksvoll letzten Samstag hier bei unserem Elterntag erleben.

Lassen Sie sich abschließend, meine Damen und Herren, noch etwas zur Sportförderung sagen. Wir sind froh, dass die Regierung die bisherige Blockadehaltung aufgegeben und die Deckelung der Wettmittel angehoben hat. Wir hätten uns im Interesse des Sports und vor allem im Interesse der vielen ehrenamtlichen Übungsleiterinnen und Übungsleiter zwar einen größeren Schritt vorstellen können – wir haben ja auch entsprechende Anträge zur Erhöhung der Mittel im Landessportplan gestellt –, aber das vorliegende Ergebnis ist gut. Wir haben die Entscheidung mitgetragen, dass die empfindlichen Kürzungen der Sportmittel aus den vergangenen Jahren jetzt Stück für Stück zurückgenommen werden.

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte auch ich den Dank an die vielen engagierten Lehrerinnen und Lehrer aussprechen, an die vielen engagierten Eltern und auch an jene engagierten Menschen, die zum Gelingen einer guten Schule beitragen.

(Zuruf der Abg. Dr. Eva Stanienda CDU)

Ich will ausdrücklich die Jugendsozialarbeiter an den Schulen, die Hausmeister und auch Polizeibeamte, die sich hier sehr engagiert einbringen, einbeziehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Frau Abg. Rastätter.