Protocol of the Session on February 2, 2000

Das Wort erhält Herr Abg. Bender für eine sehr kurze Restredezeit.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wenn die Zeit schon vorangeschritten ist, meine ich, dass der Strafvollzug im Lande doch unsere besondere Aufmerksamkeit verdient. Er leistet einen schwierigen Dienst und einen wichtigen Dienst für unsere Gesellschaft, für den Schutz und die Sicherheit unserer Bürger. Ich möchte zwei Punkte herausgreifen, und zwar zunächst die Situation der Haftplätze.

Vorab: Die Situation in unseren Vollzugsanstalten, Herr Kollege Schlierer, ist nicht von Missständen gekennzeichnet, wie Sie sagen, sondern es gibt einzelne Vorgänge, die aufgrund des Fehlverhaltens einzelner Bediensteter passieren. Aber man kann nicht generell von Missständen in unseren Vollzugsanstalten reden.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Doch!)

Worüber wir reden müssen, ist die Überbelegung unserer Haftanstalten. Bei der Lösung dieses Problems sind wir ja auf einem richtigen Weg. Im Doppelhaushalt für die Jahre 2000 und 2001 ist festgehalten, 480 zusätzliche Haftplätze zu schaffen. Darüber hinaus sind in den nächsten Jahren weitere rund 400 Haftplätze vorgesehen, um die Überbelegung vollständig abzubauen. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt, den ich besonders herausgreifen möchte, ist die Personalsituation. Im Strafvollzug haben wir, beginnend schon am 1. Oktober des letzten Jahres, durch die Hebung der Stellenobergrenzen für den allgemeinen Vollzugsdienst und den Werkdienst, in vier Jahrestranchen Beförderungsmöglichkeiten für den mittleren Vollzugsdienst eröffnet. Es geht um die Beförderung von insgesamt über 800 Bediensteten. Das ist ein kräftiger Schritt voran. Er wird auch von den angesprochenen Bediensteten als eine Anerkennung ihrer Leistungen erkannt.

Des Weiteren wird für den Doppelhaushalt eine Beförderung der Vollzugsdienstleiter und Werkdienstleiter in großen Vollzugsanstalten vorgesehen, die von der Besoldungsgruppe A 10 zur Besoldungsgruppe A 11 wechseln werden. Es sind insgesamt 23 Beförderungsstellen. Auch das ist ein weiteres Stück voran auf dem richtigen Weg.

Zuletzt: Was die Personalsituation im Werkdienst insgesamt betrifft, haben wir, die CDU-Fraktion wie auch die FDP/DVP-Fraktion, schon erkannt, nicht zuletzt aus aktuellem Anlass des Ausbruchs in Bruchsal, bei dem ja auch der Werkdienst unmittelbar involviert war, dass wir hier etwas tun müssen. Wir werden in den nächsten zwei Jahren je zehn zusätzliche Stellen im Werkdienst für die Vollzugsanstalten im Land vorsehen.

Meine Damen und Herren, wir sind hier auf dem richtigen Weg. Dennoch wird es noch viel zu tun bzw. vorzusehen geben. Ich denke, dass wir uns in der nächsten Zeit besonders sorgfältig um die Situation im Verwaltungsdienst im Strafvollzug kümmern müssen. Dies ist aber nicht Thema des Doppelhaushalts heute.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Kluck FDP/DVP: Du hast gut gesprochen!)

Das Wort erhält Herr Justizminister Dr. Goll.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst danke ich Ihnen für die Geduld, mit der Sie hier ausharren. Ich will auch nicht viele Worte machen, Hauptsache, wir haben die Mittel

(Abg. Pfister FDP/DVP: Der Mann gefällt mir! – Lachen des Abg. Bebber SPD)

für den Bestand und die Fortentwicklung der Justiz, und die Mittel sind ganz beachtlich. Das muss man doch deutlich sagen.

Ich verstehe ja die Reden der Opposition. Ich habe ja selbst schon solche gehalten. Ich habe einmal nachgeguckt. Vor ein paar Jahren habe ich genau an der Stelle gesagt: Man hat es jahrelang mit Gesundbeten versucht, man hat die Justiz als Sparbüchse benutzt, man hat den Deckel draufgetan und gesagt: Es wird schon von selbst wieder anders werden.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Oppositionsabgeordneter Goll vor acht Jahren!)

Man muss von den Reden der Opposition bekanntlich ja immer etwas abziehen, von meinen Reden von damals übrigens auch.

(Abg. Bebber SPD: Aber der Rechnungshof ist schon hart!)

Aber vor allem, lieber Herr Bebber, muss man eines sehen: Die Situation hat sich natürlich total gewandelt. Aber Sie wollen das nicht zur Kenntnis nehmen; ich verstehe das schon. Nur: Die Situation hat sich total gewandelt. Der Anteil der Justiz am Haushalt ist in den letzten Jahren kräftig gestiegen. Es wird in die Justiz investiert wie noch nie zuvor. Es ist tatsächlich so, dass wir Ihnen im Finanzausschuss mit sanften Worten ausreden mussten, uns 6 bis 10 Millionen DM mehr zu geben für einen Bereich, in dem wir sie in der Tat gar nicht vernünftig ausgeben könnten. Das ist Ihnen aber egal. Übrigens ist Ihr Vormann dann am nächsten Tag trotzdem vor die Presse getreten und hat ge

(Minister Dr. Ulrich Goll)

sagt, wir sparten nicht und Sie sparten. Das ist natürlich schon kurios.

(Abg. Bebber SPD: Wir haben zusätzliche Einnah- men gehabt!)

Sie übersehen dabei, dass wir in diesem Zeitraum 37 Millionen DM in die EDV investieren und zusammen mit dem, was 1999 passiert ist, 50 Millionen DM. Verzeihung, irgendwann einmal kann man nicht vernünftig mehr Geld ausgeben, weil zum Beispiel noch nicht alle Gebäude verkabelt sind. Sie brauchen für die Software die Spezialisten. Sie können im Grunde genommen vernünftig nicht mehr tun, als jetzt geschieht. Wenn Sie sagen, dass die Leute draußen lachen, wenn Sie ihnen das erzählen, dann mag es sein, dass der eine oder andere draußen in der Praxis noch gar nicht gemerkt hat, was mit dem angesprochenen neuen Outsourcing-Konzept auf die Justiz an Positivem zukommt.

Jetzt kann man natürlich die Frage stellen, warum dies nicht früher passiert ist. Ich frage: Warum eigentlich nicht noch früher? Denn zum Beispiel hätten Sie das auch in der vorherigen Legislaturperiode machen können.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Bebber SPD: Nein, Schäuble!)

Stattdessen, lieber Herr Bebber, haben Sie Stellenabbauprogramme für die Justiz beschlossen. Das ist die Hinterlassenschaft der großen Koalition. Das nur mal am Rande.

(Zurufe von der FDP/DVP: Aha! – Abg. Dr. Schlierer REP: Sehr bedenklich!)

Mit der Unterstützung beider die Regierung tragenden Fraktionen – ich bedanke mich außerordentlich dafür – wurde in der härtesten Zeit mit Programmen für die Justiz begonnen, die eine Menge Geld kosten. Ich habe Ihnen die 50 Millionen DM genannt, die wir in dieser Legislaturperiode in die EDV stecken. Es wird getan, was angemessen und was notwendig ist, um die hohe Leistungsfähigkeit der Justiz zu erhalten und zu verbessern.

Das Ganze machen wir im Rahmen eines Gesamtkonzepts. Wer dieses Gesamtkonzept kennen lernen möchte, braucht sich nur die Antwort auf die Große Anfrage der FDP/DVP betreffend die Lage der Justiz hier im Land anzuschauen. Dieser Bericht wird mittlerweile bundesweit angefordert. Insofern ist natürlich manches, was Sie über den Stand der Justiz hier gesagt haben, nicht nur ungerecht gegenüber den Betroffenen, sondern weitab von jeder Realität.

Wir wissen schon, warum dieser Bericht bundesweit so oft abgefragt wird:

(Abg. Bebber SPD: Die können das nicht glau- ben!)

Die Leute schauen auf die baden-württembergische Entwicklung, weil hier Dinge passieren, die woanders so nicht passieren.

Beispiele hierfür habe ich Ihnen schon genannt, das Strukturprogramm Justiz, die Verbesserung der EDV-Infrastruktur bei Gerichten, Staatsanwaltschaften und Notariaten, das Outsourcing-Konzept. Man muss die Zahl noch einmal

nennen: In den kommenden drei Jahren geht es um 7 300 Arbeitsplätze. Alle Arbeitsplätze in der Gerichtsbarkeit werden mit modernster Technik ausgestattet sein. Sie versuchen jetzt, durch Ihr Beispiel von der EDV in den Vollzugsanstalten den Eindruck zu erwecken, dass wir vielleicht da auch falsch liegen könnten. Aber das Beispiel von der EDV in den Vollzugsanstalten ist leider dreimal unfair.

Es ist schon deswegen unfair, weil man dabei außer Acht lässt, wie die EDV in den Vollzugsanstalten zunächst einmal auf die Beine gestellt wurde, wie so etwas bei uns überhaupt gemacht wird. Jeder private Betrieb – dieser Vergleich ist angestellt worden – stellt sich dafür ein paar Spezialisten ein, die ein Konzept machen. Wir können das gar nicht. Wir müssen das alles mit dem vorhandenen Personal auf die Beine bringen.

(Abg. Bebber SPD: Das stimmt gar nicht!)

Dass die Erstausstattung im Vollzug dürftig war, dass hier Fehler gemacht wurden, leugnet ja gar niemand. Aber eine solche Feststellung ist trotzdem gegenüber den Betroffenen, die sich damals bemüht haben, etwas Gutes zu machen, etwas unfair.

Nachdem man gesehen hat, dass das nicht das Gelbe vom Ei ist, haben wir in bestem Einvernehmen die Sache durch den Rechnungshof untersuchen lassen. Es ist vorhin ein bisschen so angeklungen, als sei der Rechnungshof der natürliche Feind der Verwaltung. Ich halte das für einen großen Unsinn. Für uns, die wir wenig Geld für Gutachten oder Ähnliches haben, ist der Rechnungshof ein ganz, ganz wichtiger Verbündeter.

(Beifall des Abg. Kluck FDP/DVP)

Wir lassen den Rechnungshof gerne dort suchen, wo wir das Gefühl haben, dass er uns eine Untersuchung liefern kann, die uns hilft.

(Abg. Marianne Erdrich-Sommer Bündnis 90/Die Grünen: Der Rechnungshof kann nicht beauftragt werden! Der beauftragt sich selbst!)

Diese Untersuchung hat uns geholfen. Deswegen sage ich: Es ist zweimal unfair. Das ist das richtige Vorgehen. Gerade wenn man von Management redet, ist das genau das richtige Vorgehen.

Außerdem sind diese Dinge heute größtenteils schon umgesetzt. Die Justizvollzugsanstalten haben im Zuge des Jahrtausendwechsels eine komplett neue Hardware bekommen. Das haben Sie lässig verschwiegen. Die Hardware ist komplett neu. Die Organisation der Betreuung ist komplett neu, in Umsetzung der Vorschläge.

(Abg. Bebber SPD: Ich habe beanstandet, dass das so lange schief gelaufen ist!)

Im kommenden Jahr wird die Software stückweise neu gestaltet, auch für die Vollzugsanstalten. Sie haben da ein völlig anderes Bild gezeichnet, als die Realität mittlerweile aussieht.

(Abg. Bebber SPD: Es ist zu lange schief gelau- fen!)

(Minister Dr. Ulrich Goll)

Der dritte Grund, warum die Kritik eigentlich nicht ganz fair ist, ist die nebulöse Verallgemeinerung. In dem Moment, wo wir ein hochmodernes Konzept der EDV-Ausstattung auf die Beine bringen, versuchen Sie, den Rechnungshofbericht zu diesem Punkt in einer Weise zu interpretieren, die nicht besonders seriös ist.

(Abg. Bebber SPD: Ich habe ihn wörtlich zitiert! Was reden Sie denn da für einen Unsinn?)

Aber damit genug zur EDV. Wir investieren nicht nur dort. Wir investieren natürlich auch in die innere Sicherheit. Verbesserungen bei der Polizei am Anfang des Prozesses sind wichtig, aber sie allein nützen natürlich nichts, wenn man am Ende des Prozesses im Vollzug die Plätze nicht hat.

Auch der Strafvollzug wird auf verschiedene Arten gestärkt. Das ist angesprochen worden. Wir sind in der Lage, in den kommenden Jahren 1 000 Plätze dazuzubauen. Dann wird in Baden-Württemberg von Überbelegung nicht mehr geredet werden können. Immerhin – das brauche ich fast nicht hinzuzufügen – kann kein anderes Bundesland in dieser Weise von sich sagen, dass es komplett wie wir die Lücke schließt.