Protocol of the Session on January 31, 2001

(Zuruf des Abg. Dr. Hildebrandt Bündnis 90/Die Grünen)

Einfluss von außen müsse kommen, von außen müsse über das Wohl und Wehe von Firmen bestimmt werden. Das ist das glatte Gegenteil von dem, was wir wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Sie können doch nicht über die berechneten Zahlen hinweggehen und sagen, hier würden Horrorszenarien aufgebaut, wenn Ihnen eindeutig nachgewiesen wird, dass die kleinen und mittleren Betriebe mit zusätzlichen Kosten in Milliardenhöhe belastet werden, ohne dass sie irgendeinen Vorteil davon hätten.

Warum wehren sich die Liberalen, warum wehrt sich die Landesregierung dagegen? Weil wir hier einen Anschlag auf die unternehmerische Freiheit sehen, weil wir vor allem sehen – –

(Abg. Schmiedel SPD: Oh!)

Ja, das ist für Sie ein Fremdwort. Das ist mir schon klar.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Wir sehen auch, dass vor allem die kleinen Handwerksbetriebe

(Zuruf des Abg. Bebber SPD)

mit bis zu 50 Beschäftigten mit zusätzlichen Kosten in Höhe von 3 Milliarden DM belastet werden. Die Handwerksbetriebe im Land Baden-Württemberg haben im Durchschnitt weniger als zehn Beschäftigte. All diese wollen Sie mit Ihrem neuen Betriebsverfassungsgesetz

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Beglücken!)

beglücken. Das wird nur Nachteile bringen. Ich stelle mir einmal vor, was bei den Freiberuflern „abgeht“ – in den Kanzleien, in den Praxen –, wenn Sie jetzt mit Ihren grandiosen Vorschlägen kommen. Sie bringen nur Nachteile.

Es ist weder Ihnen, Herr Nagel, noch Ihnen, Herr Hildebrandt, auch nur im Ansatz gelungen, deutlich zu machen, welche unternehmerische Entscheidung, die sich zum Vorteil der dort Beschäftigten, zum Vorteil des Betriebs auswirken soll, nach Ihren Vorstellungen in eine positive Richtung laufen könnte.

Es handelt sich um ein Hauruckverfahren. Es beschädigt die Wirtschaft, es beschädigt den Mittelstand in noch nie da gewesener Art und Weise. Deswegen nehmen wir von unserer Seite aus hoffentlich noch Einfluss darauf, dass Sie Ihre Vorstellungen nicht nur korrigieren, sondern vom Tisch nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Es ist auch nicht so, dass man sagen könnte: „Wir ändern hier und dort ein bisschen.“ Ziehen Sie das Ganze zurück!

Die Mitbestimmungsmodelle der Bundesrepublik Deutschland – Herr Nagel, Sie haben das über Jahrzehnte verfolgt – sind nach meinem Eindruck nicht zum Exportschlager geworden. Wir haben nach wie vor Regelungen, die einmalig sind, die an anderen Stellen so gar nicht aufgenommen werden. Natürlich spielen sie auch bei Investitionsentscheidungen eine Rolle.

Deswegen ist doch auch richtig, dass jemand sagt – wenn Sie es uns nicht glauben, dann glauben Sie es einem anderen; Sie wissen, wen ich meine –, man solle erhebliche Bedenken gegenüber dem von Riester geplanten obligatorischen Konzernbetriebsrat haben. Dies würde, so sagt der Herr Bundeswirtschaftsminister, die Verlagerung von Konzernspitzen ins Ausland geradezu provozieren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Dagegen kann man nichts sagen. Das alles stellen Sie so hin, als ob es sich um Horrorszenarien handeln würde, die da aufgebauscht würden. Das ist eben nicht der Fall.

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

(Minister Dr. Döring)

Vielmehr sehen wir eine massive Bedrohung der heimischen Wirtschaft und des Mittelstands.

Wir wären mehr daran interessiert – ich bin mir auch sicher, dass wir in dieser Hinsicht wesentlich mehr positive Ergebnisse erreichen würden –, dass die betrieblichen Gestaltungsmöglichkeiten ausgeweitet werden, Möglichkeiten, die vor allem kleinen und mittleren Unternehmen schnelle und flexible Anpassungen erlauben, und dass, abweichend von der tarifvertraglichen Vereinbarung, die Zulassung erweitert wird.

Herr Hildebrandt, dies hat ein früherer Fraktionskollege von Ihnen geäußert. Ihre abfällige Handbewegung gerade richtet sich gegen Herrn Schlauch, weil er sich einmal erlaubt hat, ein paar Ideen mehr zu haben als Sie.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wieser CDU: Sehr gut, Herr Minister!)

Und schon sind Sie über ihn hergefallen. Peinlich bis dort hinaus!

Es ist doch sinnvoll, sich über die Frage Gedanken zu machen: Wie kann man gemeinsam zu Ergebnissen kommen, wenn es um Arbeitsplatzsicherung geht? Da gäbe es nach Ihren Vorstellungen eine hohe Hürde. 75 % müssten trotzdem zustimmen, wenn man – natürlich nur mit dem Ziel der Arbeitsplatzsicherung begründet – unter Tarif gehen würde. Ich meine, das wären sinnvollere Vorschläge als das, was Sie jetzt machen. Es läuft wirklich in eine falsche Richtung. Ich meine, man sollte am Bewährten festhalten und auch mehr Öffnungsklauseln einfügen, damit diejenigen, die in Verantwortung für ihre Betriebe stehen, diese auch wahrnehmen können. Man sollte in Deutschland nicht alles verregeln und „verriestern“. Dies ist für die Unternehmen von Schaden, und das ist vor allem für die Arbeitnehmer von Schaden. Deswegen lehnen wir den Entwurf rundum ab.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erhält Frau Abg. Fauser.

Lieber Herr Nagel,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Es ist alles geschwätzt!)

zur Vereinfachung des Steuerrechts muss ich gar nicht eine Aussage von mir zitieren, sondern kann ich eine Aussage des verehrten Herrn Kollegen Metzger von den Grünen anführen,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Oh ja! Das habe ich auch gelesen!)

der zugestand, dass die Steuergesetze wirklich eine enorme Verkomplizierung beinhaltet haben, die einem Quantensprung gleichkomme. Sie haben glücklicherweise einige Dinge bereits wieder zurückziehen müssen wie etwa die unselige Regelung, dass künftig für ein Kfz, das in Firmenbenutzung ist, die Mehrwertsteuer nicht mehr abgesetzt werden kann oder dass zum Beispiel die Mehrwertsteuer für die berufsbedingte Übernachtung eines Arbeitnehmers

nicht in Abzug gebracht werden kann. Das ist lauter Unfug, der glücklicherweise von den Gerichten wieder zurückgenommen wird.

Meine Damen und Herren, die Entlastung der Wirtschaft und gerade des Mittelstands durch die Steuerreform ist minimal. Ich möchte die Bevölkerung darauf hinweisen, dass wegen der Progression bis zum Jahr 2005 160 Milliarden DM mehr bezahlt werden müssen und dass die Entlastung bis 2005 gerade einmal 60 Milliarden DM beträgt.

(Abg. Schmiedel SPD: Zum Thema, Frau Kolle- gin!)

Ich kann Ihnen sagen, dass die Politik in Berlin unter aller Kritik ist.

(Abg. Schmiedel SPD: Außer jeder Kritik, sehr gut!)

Das Betriebsverfassungsgesetz muss heute dringendst diskutiert werden, weil es tatsächlich eine Katastrophe in Bezug auf zukünftige Anreize für Jungunternehmer ist, gerade für kleine Unternehmen, die oft mit hohem Risiko und Fremdkapital in die Verantwortung gehen. Wenn Sie sich heute einmal die Eigenkapitalquoten der Firmen anschauen und dann die Verfügungsgewalt, die Sie hier einbringen möchten, dann werden Sie sich nur wundern.

Bevor hier allgemeines Geplauder über diese neuen Regelungen stattfindet, möchte ich Ihnen doch einiges zitieren, damit Sie einfach begreifen, worum es geht und worum wir uns hier streiten. Meine Damen und Herren, ich zitiere:

Schon die Behauptung des Betriebsrats, eine geplante Maßnahme des Arbeitgebers erfülle den Tatbestand einer Veränderung des Arbeitsplatzes, wird künftig arbeitsmedizinische, arbeitswissenschaftliche und sicherheitstechnische Prüfungen durch den Arbeitgeber auslösen.

Anschließend ist wieder mit dem Betriebsrat zu verhandeln. Das alles kostet Geld und Zeit. Am Ende soll eine Einigungsstelle stehen. Meine Damen und Herren, wenn ich heute schnell auf bestimmte Herausforderungen des Marktes reagieren soll, kann ich nicht monatelang mit einer Einigungsstelle verhandeln, wie die Dinge zu regeln sind.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie künftig verantworten wollen, dass die Freude, in Deutschland zu investieren – – Nachdem sich die Abwanderung in den letzten Monaten tatsächlich etwas beruhigt hat, darf man diesen Aufschwung wirklich nicht mit solchen Dingen quasi niederwalzen.

Die betriebliche Berufsbildung wird ausgebaut. Die Feststellung des Berufsbildungsbedarfs wird in Zukunft vom Betriebsrat übernommen. Ich nenne die Beschäftigungssicherung und die erweiterten Maßnahmen. Die Mitbestimmungserweiterung gerade bei kleinen Betrieben ist ganz erheblich. Ich möchte Ihnen das gerade zitieren, damit Sie das wissen:

Darüber hinaus finden sich Mitbestimmungsausweitungen noch an vielen Stellen, zum Beispiel beim Umweltschutz,

(Abg. Dr. Witzel Bündnis 90/Die Grünen: Frau Fauser, bitte freie Rede!)

ich zitiere, lieber Herr Dr. Witzel; das ist wichtig, damit Sie es auch begreifen; das muss ich dann schon wortwörtlich sagen –: