Protocol of the Session on January 31, 2001

Ein weiterer Punkt: Ich befasse mich seit mehreren Wochen, ja seit Monaten mit dem Entwurf des fortgeschriebenen Landesentwicklungsplans. Ich habe gedacht – wie bei dieser Antwort –, ich fände, wenn ich ihn in die Hand nehme, dort die Konzepte für den ländlichen Raum.

(Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen: Fehl- anzeige!)

Fehlanzeige! Wieder 100 Seiten umsonst gelesen, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Ansätzen angedeutet, aber keinesfalls Konzepte dargelegt, keinesfalls Konzepte ausgeführt! Eine große Chance vertan!

Das Besondere an dem Landesentwicklungsplan ist ja die Tatsache, dass die Gemeinden in dem Maße, wie sie bisher über ein formales Anhörungsverfahren beteiligt worden sind – gerade auch die Gemeinden im ländlichen Raum –, mit ihren Anliegen, mit ihren Vorstellungen von Entwicklungen von Ihnen bisher überhaupt nicht gehört worden sind. Ein weiterer Schritt wird wohl der sein, dass die Lan

desregierung – ich hoffe inbrünstig, dass das eine andere Landesregierung sein wird –,

(Beifall des Abg. Teßmer SPD – Abg. Teßmer SPD: Wir auch!)

die abschließend über den Landesentwicklungsplan zu beraten hat, in diesen dann auch Konzepte hineinschreibt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich darf Ihnen einmal sagen, woran man die Konzepte festmachen muss. Ich hätte eigentlich erwartet, dass die Landesregierung die Entwicklungen im Landesentwicklungsplan und auch in dieser Großen Anfrage aufgreift. Ich finde aber keine Ausführungen zur demographischen Entwicklung und keine sich daran anschließenden Infrastrukturkonzepte, die natürlich, wenn die Bevölkerung zurückgeht, anders aussehen müssen, als wenn die Bevölkerung in den nächsten 50 Jahren weiter wächst.

Weiter möchte ich die Auswirkungen der neuen Medien auf den ländlichen Raum nennen. Welche Veränderungen erfährt die Arbeitswelt dadurch und welche die Verkehrsstruktur? Das alles sind Themenbereiche, die meines Erachtens einer konzeptionellen Überlegung und Darlegung bedürfen und zutiefst eine Aufgabe der Landespolitik sind. Aber im Landesentwicklungsplan Fehlanzeige und in der Großen Anfrage Fehlanzeige. Ich kann also wirklich nur zu dem Ergebnis kommen, dass die Landesregierung solche Konzepte nicht hat.

Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen. Wie sieht es denn in anderen Ländern aus? Wir hören von der Landesregierung bei jedem Themenbereich immer den Vergleich mit den anderen. Ich möchte nur zwei Länder als Beispiel nehmen. Zunächst Nordrhein-Westfalen,

(Abg. Kiefl CDU: Bremen!)

um ein rot-grün geführtes Land zu nehmen. Dort gibt es einen Luftverkehrsplan, dort gibt es einen ÖPNV-Bedarfsplan, und dort gibt es einen Agendaprozess auf Landesebene.

(Abg. Hauk CDU: Das ist wahr!)

Wo sind solche Pläne und solche Prozesse in diesem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen?

(Zurufe von der CDU – Unruhe)

Wir finden sie nirgends, weder im Landesentwicklungsplan noch in Ihren Redebeiträgen.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Ich verweise noch auf Bayern.

(Abg. Hauk CDU: Heiße Luft ist das! – Abg. Traub CDU: Das ist Luft!)

Die Bayern haben etwas Intelligentes gemacht. Kollege Traub, hören Sie gut zu! Da können Sie von Ihren bayerischen Kollegen noch etwas lernen. Sie schreiben ihr Landesentwicklungsprogramm auch fort. Sie schreiben es aber auch für den ländlichen Raum fort, aber nicht von oben

herab. Vielmehr veranstalten Sie Zukunftswerkstätten zu den Themen, die ich vorhin genannt habe: Infrastrukturmaßnahmen, neue Medien etc. pp.

(Abg. Hauk CDU: Ich weiß gar nicht, worüber Sie reden! Sie haben sich mit der Thematik offensicht- lich nicht beschäftigt!)

Das sind die Aufgaben, die die Landesregierung im ländlichen Raum hat. All dies, Herr Kollege Hauk, sind Sie bisher schuldig geblieben. Sie können schreien, so laut Sie wollen, das ändert daran nichts. Ich bin der Meinung, die Landesregierung hat wirklich quasi eine Bankrotterklärung ihrer Landesentwicklungsinitiativen vorgelegt.

(Lachen bei der CDU – Beifall beim Bündnis 90/ Die Grünen und der Abg. Birgit Kipfer SPD)

Es ist höchste Zeit, dass wir Konzepte für den ländlichen Raum bekommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Traub CDU: Herr Kollege Oelmayer, was Sie da erzählt haben, glauben Sie ja selbst nicht! – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Herr Kollege Oel- mayer kann bei diesen Worten nur schwer das La- chen unterdrücken!)

Das tut weh, das verstehe ich; aber das muss es.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Drautz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Wettbewerbsfähigkeit des ländlichen Raumes konnte in dieser Legislaturperiode merklich verbessert werden. Dies wird deutlich, wenn man sich die Strukturdaten einmal genauer ansieht. Die Bevölkerungszunahme im Zeitraum von 1985 bis 1998 war im ländlichen Raum mit 16,1 % etwa doppelt so hoch wie in den Verdichtungsräumen.

(Abg. Teßmer SPD: Stimmt!)

Die Steuerkraftsumme, Herr Kollege Teßmer, hat sich im gleichen Zeitraum im ländlichen Raum mit 63,4 % stärker als im restlichen Land mit im Durchschnitt 47,3 % erhöht.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Entscheidend dabei sind die Beschäftigtenzahlen, die sich im ländlichen Raum sensationell positiv entwickelt haben.

(Abg. Traub CDU: Das ist richtig! – Zuruf des Abg. Göbel CDU)

Allein im Dienstleistungssektor konnten wir in den letzten 15 Jahren einen Zuwachs an neuen Arbeitsplätzen von 40 % verzeichnen.

(Abg. Göbel CDU: Das hat Herr Oelmayer nicht mitbekommen, weil er aus der Stadt kommt!)

Seit 1995 hat das Land Baden-Württemberg im Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum 740 Millionen DM für die Förderung bereitgestellt. Damit, meine Damen und Herren, sind Investitionen von 5 Milliarden DM ausgelöst

worden, die zur Schaffung von knapp 10 000 Arbeitsplätzen geführt haben.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU – Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist doch ein Wort!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Beispiele anhand meiner Heimatregion aufzählen. Wie keine andere Region im Land hat sich die Region Franken in den letzten Jahren besonders positiv entwickelt. In dieser Region ist es gelungen, den Anteil an der Wertschöpfung des Landes von 7 % auf 7,2 % zu steigern. Die Arbeitsmarktstatistik ist bei diesen Rahmendaten natürlich auch sensationell positiv ausgefallen, meine Damen und Herren.

Bei der verkehrlichen Entwicklung ist zum Beispiel der Hohenlohekreis im Land an der Spitze. Obwohl der ÖPNV in diesem Kreis vorbildlich ist und landesweit eine Spitzenposition einnimmt,

(Abg. Teßmer SPD: Das war ja auch ein Millio- nenprojekt!)

kommen dort durchschnittlich 621 Autos auf 1 000 Einwohner. Zum Vergleich: Der Landesschnitt liegt bei 497 Pkws pro 1 000 Einwohner.

(Zuruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grü- nen)

Meine Damen und Herren, in Zeiten von BSE und des Verfalls

(Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen: Der Landesregierung! – Heiterkeit bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen)

der Marktpreise für landwirtschaftliche Produkte

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Wo sind denn da die Konzepte, Kollege?)

müssen wir die Situation unserer Landwirte sowie der gesamten Landwirtschaft besonders im Auge haben, wenn wir über die Zukunft des ländlichen Raums reden wollen.

Obwohl unsere Landwirtschaft stets leistungsfähiger geworden ist, ist sie von der allgemeinen Einkommenssituation, meine Damen und Herren, abgekoppelt. So verdient ein Landwirt heute rund 40 % weniger als eine Fachkraft in der freien Wirtschaft, und das bei durchschnittlich 60 Stunden in der Woche.

(Abg. Teßmer SPD: Das ist aber dann keine Er- folgsbilanz!)