Protocol of the Session on January 31, 2001

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Rosely Schweizer CDU)

Die betriebliche und die Unternehmensmitbestimmung sind ein Standortvorteil für die Bundesrepublik Deutschland.

(Abg. Brechtken SPD: Sehr richtig!)

So hat es vor wenigen Wochen Edzard Reuter, bestimmt kein Gewerkschaftsvertreter, öffentlich gesagt. Er fordert die Sozialdemokraten ausdrücklich auf, sich da nicht von Kreisen der Wirtschaft beeinflussen zu lassen, die bei der Mitbestimmungsdiskussion 1972 genau das ausgemalt haben, Herr Kurz, Frau Fauser, Herr Döring, was Sie jetzt hier gesagt haben.

(Abg. Rosely Schweizer CDU: Ein typischer Mit- telständler! – Gegenruf des Abg. Brechtken SPD: Nach Ihren Begriffen schon! – Abg. Deuschle REP: Was hat er aus Daimler gemacht? – Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Frau Fauser, Sie haben gesagt, in der globalisierten Wirtschaft bedürfe es schneller Entscheidungen und die Arbeitgeber, die Unternehmer, auch die Mittelständler könnten es sich nicht erlauben, immer über Einigungsstellen Entscheidungen herbeiführen zu müssen. Das ist überhaupt nicht richtig. Denn 95 % aller Einigungsstellenverfahren in der Bundesrepublik Deutschland sind anberaumt worden wegen Verfehlungen und Gesetzesverstößen von Arbeitgebern.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Übrigens sind es ohnehin nur 0,3 % aller Auseinandersetzungen. Auch hier zeigt sich, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertreter sehr pflichtbewusst mit der Mitbestimmung umgehen.

(Abg. Brechtken SPD: Sehr gut!)

Der letzte Punkt: Sie haben gesagt, es gehe letztendlich nicht darum, Rechte von Mitarbeitern, von Arbeitnehmern zu beachten, sondern es gehe um mehr Macht für die Ge

werkschaften. Da liegen Sie völlig falsch. Denn die Vorschlagsrechte des Einzelnen im Betrieb sollen ausgebaut werden. Der Betriebsrat soll Arbeitsgruppen bilden dürfen, an die er bestimmte Aufgaben delegiert. Er kann in Zukunft sachkundige Arbeitnehmer zu Betriebsratssitzungen hinzuziehen und in die Arbeit des Einzelnen mit einbeziehen. Was Sie hier von Machtzuwachs der Gewerkschaften behaupten, ist völlig an den Haaren herbeigezogen und schlichtweg falsch.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen, damit ich meine Redezeit nicht überziehe. Sie rennen – ich verstehe ja Ihre Notlage, bei Ihnen klappt ja auf Bundesebene überhaupt nichts mehr –

(Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Schmiedel SPD: So ist es!)

umsonst mit rot-grünen Benzinkanistern herum. Kein Mensch spricht mehr darüber. Die Steuerreform ist über die Bühne gegangen. Die Menschen merken, dass sie davon profitieren.

(Widerspruch bei der CDU)

Auch vernünftige Unternehmer profitieren davon.

Sie versuchen, Ihren mangelnden Sachverstand, beispielsweise in der Rentendiskussion, und Ihr fehlendes Sachprogramm – – Das ist schon Autismus, was Sie betreiben. Sie haben versucht, fehlenden Sachverstand durch unmögliche und widerliche Plakatierung zu ersetzen. Ihr Schatzmeister, Herr Cartellieri, der ehemalige Vorstand der Deutschen Bank – entnommen dem „Handelsblatt“, keiner Gewerkschaftszeitung –, hat dem gestrigen „Handelsblatt“ zufolge Ihr innerhalb eines Tages wieder zurückgezogenes Plakat als „Katastrophe“ bezeichnet und gesagt, in der Wirtschaft werde die Opposition in Berlin als nicht regierungsfähig angesehen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Brechtken SPD: Wo er Recht, hat er Recht!)

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Meine Damen und Herren, Sie werden, wie bei den anderen Gesetzesvorhaben der letzten Zeit üblich, bei der Verhinderung des Betriebsverfassungsgesetzes wieder einmal mit abgesägten Hosen dastehen.

Weil vorhin auch Sie, Herr Döring, gesagt haben, die Gewerkschaft und die Gewerkschafter seien der Untergang der mittelständischen Wirtschaft, der Industrie, des Handwerks: Ich habe mir zur Feier des Tages eine Medaille angelegt. Es ist die Verdienstmedaille der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar für meine Bemühungen und für meine Erfolge im Bereich der Wirtschaft.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD – Abg. Brechtken SPD: Der Döring kriegt seine Medaille später! Heute Mittag! Gell, Walter, du kriegst die Medaille heute Mit- tag!)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Hildebrandt.

Aber immer die Medaille wechseln, Kollege Nagel, damit das Revers nicht so voll wird.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister Döring, was wollten Sie eigentlich entlarven? Das ist mir völlig unverständlich geblieben. Was ist denn bei der Entlarvung herausgekommen? Aber allein, dass Sie schon in der Haltung des Entlarvers hier auftreten wollen, noch dazu, indem Sie eine Ihrer hervorragendsten Eigenschaften nach vorne bringen, nämlich die Arroganz, ist eine Art und Weise, wie Sie mit der Sache nicht umgehen sollten. Wer entlarvt, der kommt nämlich schließlich zu dem, was er immer schon gewusst und gesagt hat, aber er kommt nicht in das Zentrum der Debatte.

(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sie müssten sich einmal selber sehen, wenn Sie von Arroganz reden!)

Übrigens, Frau Fauser, Steuern senken: Was hat die FDP in ihren 16 Regierungsjahren an Steuern gesenkt? Sie hat den Spitzensteuersatz nicht gesenkt, was diese Regierung gemacht hat, sie hat den Eingangssteuersatz erhöht, und sie hat die Mineralölsteuer erhöht, und zwar heftig.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Sie ist blockiert worden! Sie wissen doch, wer schuld war! Reden Sie doch nicht so einen Blödsinn! Wer hat denn blockiert? – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Die CDU!)

So viel zu der Glistrup-Partei FDP mit der Steuersenkung.

Aber jetzt kommen wir noch einmal zu den entscheidenden Fragen. Sie haben sich bei Ihrem Vorwurf, es gehe um die Macht von außen, nicht der Mühe unterzogen, genau zu gucken. Sie haben weder das berücksichtigt, was ich gesagt habe, noch das, was in dem Gesetz steht. Es geht darum, dass zum Beispiel Vertretungsrechte des Betriebsrats auf innerbetriebliche Arbeitsgruppen übertragen werden können. Warum? Um diese in den unterschiedlichen Beschäftigungssituationen, in den unterschiedlicher gewordenen Betriebsstrukturen in die Lage zu versetzen, selber tätig zu werden. Es kann mehr Sachverstand bereitgestellt werden durch Hinzuziehung von Arbeitnehmern innerhalb des Betriebes.

Das heißt, dieses Betriebsverfassungsgesetz stärkt nicht einfach die Kollektivrechte der Vertretung, und es ist schon gar nicht ein Diktat der Gewerkschaften, sondern es stärkt die einzelnen individuellen Arbeitnehmer und geht besonders auf die neuen Unternehmen, gerade auf die kleinen Unternehmen und ihre Betriebswirklichkeiten, ein. Das ist der entscheidende Punkt.

(Abg. Deuschle REP: Tut es aber doch nicht! Da scheitert es doch!)

Hinzu kommt noch eine erleichterte Beiziehung von Sachverständigen bei Betriebsveränderungen – sonst überhaupt

nicht – zur Stärkung der Betriebsratsarbeit und nicht zu etwas anderem.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Glauben Sie selber den Unsinn, den Sie hier erzählen?)

Nun müsste man sich die Mühe machen, darauf einzugehen. Es ist immer leichter, so aufzutreten, wie das hier der Wirtschaftsminister getan hat. Nachdem wir jetzt das Urteil haben, dass in Berlin die Opposition nicht regierungsfähig ist, wäre zu fragen, ob jeder, der schon in einer Regierung ist, auch regierungsfähig ist.

(Zurufe des Ministers Dr. Döring – Abg. Schmie- del SPD: Ruhe auf der Regierungsbank!)

Lassen Sie uns mal auf einen entscheidenden Punkt kommen, Herr Minister.

(Zuruf des Ministers Dr. Döring – Glocke des Prä- sidenten)

Das ist schon besser.

Herr Minister, bitte keine Zwischenrufe von der Regierungsbank.

(Erneuter Zuruf des Ministers Dr. Döring – Glocke des Präsidenten)

Das ist hervorragend, Herr Minister.

Einen Augenblick, Herr Abg. Dr. Hildebrandt.

Herr Minister, bitte keine Zwischenrufe von der Regierungsbank.

Herr Abg. Dr. Hildebrandt, bitte fahren Sie fort.

Herr Präsident, falls es Ihnen entgangen sein sollte: Der Ausdruck „blöd“ ist auch nicht parlamentsfähig.

Aber kommen wir zum zentralen Punkt der Auseinandersetzung: Wenn es darum geht, die Tarifverträge zu flexibilisieren oder Entscheidungen als Ausnahmefälle von Regelungen in Tarifverträgen zu ermöglichen, dann brauchen wir eine Stärkung der Betriebsvertretungen. Sie können sich doch nicht hier hinstellen und sagen: „Wir brauchen dringend eine Unterschreitung der Bestimmungen des Tarifvertrags“, wenn wir uns nicht gleichzeitig Sorgen und Gedanken darüber machen, wie die Betriebsvertretungen selbst überhaupt in die Lage versetzt werden, mit den Unternehmen entsprechende Abkommen zu schließen.

Die Überlegung, die Betriebsvertretung im Betriebsrat zu stärken, sie überhaupt in Betrieben zu schaffen, wäre eine Ergänzung zu der Forderung: „Wir können die Tarifverträge in flächendeckend gleichen Bestimmungen so nicht mehr aufrechterhalten“. Das wäre eine vernünftige Überlegung. Dann könnten wir uns darüber unterhalten. Dann wäre eine Diskussion darüber möglich, wie dies überhaupt gesetzlich gestaltet werden kann. Dies tut dieser Gesetzesvorschlag.

Ich bin überhaupt nicht so aufgetreten, als sei dies endgültig. Ich weiß doch selbst, dass dieser Entwurf der Diskussion unterliegt. Ich werde mich nicht auf etwas versteifen, was meine Regierung drei Wochen später wieder kassiert. Darin habe ich doch Erfahrung.