Protocol of the Session on January 31, 2001

ich zitiere, lieber Herr Dr. Witzel; das ist wichtig, damit Sie es auch begreifen; das muss ich dann schon wortwörtlich sagen –:

(Beifall bei der FDP/DVP)

durch Veränderung von Grenzzahlen (Schwellenwer- ten) wie beispielsweise durch die Umstellung der 20Arbeitnehmer-Grenze für das Eingreifen der Mitbestimmung in den §§ 99 und 111 vom Betrieb auf das Unternehmen.

Meine Damen und Herren, in Teilen des Verfahrens soll hier eine Entdemokratisierung eingeführt werden, nicht mehr Demokratie, wie Sie behaupten. Wie bereits mehrfach gesagt, werden die Wahlverfahren im Hauruckverfahren durchgezogen. Die schweigende Mehrheit, die sich möglicherweise auch über eine Briefwahl äußern möchte, kommt überhaupt nicht mehr zu Wort.

Meine Damen und Herren, die Betriebsausschüsse werden in Zukunft erheblich erweiterte Mitbestimmungsmöglichkeiten haben. Die Ausschüsse dürfen in alle bisher geheim gehaltenen und dem Datenschutz unterliegenden Unterlagen Einsicht nehmen. Darüber hinaus werden Unterlagen teilweise nur noch über den Betriebsrat abgerufen werden können.

Frau Kollegin Fauser, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Kretschmann?

(Abg. Schmiedel SPD: Gerade die wäre so interes- sant gewesen!)

Zugleich darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Vielen Dank für den Hinweis, Herr Präsident.

Meine Damen und Herren, es ist zu hoffen, dass Herr Wirtschaftsminister Müller sich in Berlin

(Abg. Bebber SPD: Lange in der Regierung bleibt!)

ein Stück weit durchsetzen kann, um die schlimmsten Auswüchse des von Herrn Riester vorgebrachten Gesetzentwurfs abzuändern.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Pfister FDP/ DVP: Gut! – Abg. Kretschmann Bündnis 90/Die Grünen: Ich habe eine Frage an Sie!)

An mich können Sie hier keine Frage richten. Frau Kollegin Fauser hat es abgelehnt, Ihre Frage zu beantworten.

(Abg. Deuschle REP zu Abg. Kretschmann Bünd- nis 90/Die Grünen: Die will mit Ihnen nicht schwätzen!)

Herr Abg. Kurz, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Nagel, nach Ihrer Wortmeldung stelle auch ich mir die Frage, warum –

(Abg. Deuschle REP: Warum diese Debatte?)

aber nicht, warum wir heute dieses Thema diskutieren, sondern warum der Gesetzentwurf in dieser Weise eingebracht wird.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich habe die Vermutung, dass die Bundesregierung eben erkannt hat, dass durch ihre so genannten Steuerentlastungen, insbesondere auch im Paket mit der Rentenreform, die soziale Balance etwas durcheinander geraten ist

(Abg. Rosely Schweizer CDU: Jawohl!)

und dass die Bundesregierung einen Ausgleich braucht, um unter den Partnern das Einvernehmen und den politischen Frieden wiederherzustellen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das ist der Punkt!)

Aber das Betriebsverfassungsgesetz ist als Äquivalent für den Frieden zwischen der Bundesregierung und den sie tragenden Gruppen gänzlich ungeeignet.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Dann möchte ich noch etwas zu Ihnen sagen, Herr Dr. Hildebrandt. Machen wir es doch so, bleiben wir bei der Formel: Die unternehmerischen Kompetenzen bleiben bei den Unternehmern. Über alles andere kann man dann reden. Hier aber wird versucht, zu einer Mischkompetenz zu kommen: Jeder ist für alles zuständig. Damit sind Fehlentscheidungen in den Unternehmen vorprogrammiert. Das ist nicht der richtige Weg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Frau Fauser, ich muss Ihnen in dem Punkt, was die Bürokratiekosten in den Unternehmen ausmachen, insbesondere in den kleinen Unternehmen, Recht geben. Dazu gibt es wissenschaftliche Untersuchungen. In der Tat ist es so, dass bereits die bestehende Bürokratie die Kleinunternehmen mit etwa 4 500 DM pro Beschäftigtem belastet. In den Großunternehmen liegen die Bürokratiekosten pro Beschäftigtem nur bei bis zu 200 DM. Die Kosten für Betriebsratstätigkeit in Kleinunternehmen erreichen das Zehnfache als im Großbetrieb. Es gibt Schätzungen, die bis rund 8 % der Lohnsumme reichen. Beim Konzernbetrieb sind dies 0,8 %. Auch darin liegt doch ein Grund dafür, dass wir eine so gewaltige Konzentration in der Wirtschaft haben: weil die Wettbewerbsvoraussetzungen so unterschiedlich geworden sind.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Eines muss Ihnen doch zu denken geben: Zehn Mitgliedsstaaten der Europäischen Union lehnen eine weiter gehende Mitbestimmung, lehnen das Modell Deutschlands völlig ab. Selbst die Niederlande, Belgien oder Österreich, deren Lösungen mit unserem Modell eng verwandt sind, lehnen jede weitere Vertiefung der Mitbestimmung aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Warum soll die Kluft zwischen nationalen Regelungen und der europäischen Regelung weiter auseinander getrieben werden? Die EU ist ein Wirtschaftsraum; wir stehen in der gleichen Wettbewerbssituation. Das Ziel muss sein, die Wettbewerbsbedingungen anzugleichen und sie nicht stärker auseinander zu treiben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wenn uns dies nicht gelingt, dann werden wir – insbesondere die kleinen Unternehmen – die Herausforderung bahnbrechender Veränderungen nicht bestehen. Unser Anliegen muss sein, Arbeitsplätze zu schaffen, indem wir die Flexibilität der Unternehmen stärken, und diese als anpassungsfähige und zukunftssichere Einheiten im Markt zu integrieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Nagel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Herr Wirtschaftsminister hat von einem merkwürdigen Menschenbild gesprochen, das wir hätten.

(Abg. Kiesswetter FDP/DVP: Das stimmt auch!)

Ich glaube, es ist eher ein merkwürdiges Menschenbild, wenn Sie Arbeitnehmern in den Betrieben nicht zutrauen, im Interesse ihres Betriebs und damit auch im Interesse ihrer Arbeitsplätze zu handeln.

(Abg. Schmiedel SPD: Ein Misstrauen! Das ist un- glaublich! Eine Beleidigung erster Güte!)

Die Arbeitnehmer haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie verantwortungsbewusst für ihren Betrieb handeln, und das wird auch in Zukunft so sein.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben hier verschiedene Behauptungen aufgestellt. Ich werde versuchen, in der kurzen Zeit, die mir noch zur Verfügung steht, darauf einzugehen.

Herr Kurz, Sie haben jetzt wieder behauptet, Deutschland habe bereits den höchsten Mitbestimmungsstandard innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Fakt ist, dass sich die Standards der betrieblichen und der Unternehmensmitbestimmung in Europa langsam, aber stetig angleichen. Die Regelungen sind sehr unterschiedlich. Die Behauptung, dass die Bundesrepublik an der Spitze liege, ist einfach nicht richtig. Es gibt eine weiter gehende wirtschaftliche Mitbestimmung beispielsweise in Belgien und in Frankreich. In Holland und in Frankreich bestehen wesentlich höhere Freistellungsansprüche für Betriebsräte. Auch die gewerkschaftlichen Rechte gehen in vielen Ländern wesentlich weiter als in der Bundesrepublik.

(Zuruf des Abg. Kurz CDU)

Zum Beispiel sind in Frankreich und in Italien politische Streiks erlaubt. All dies finden Sie in unserer Betriebsverfassung nicht, und das wird auch nicht gefordert.

Sie haben ferner gesagt, eine weiter gehende Mitbestimmung würde den Standortwettbewerb und damit die deutsche Wirtschaft benachteiligen. Mehr Rechte für die Beschäftigten und ihre Betriebsräte und die Mitbestimmung bei der kontinuierlichen Verbesserung von Arbeitsabläufen und der Organisation haben Betriebe in der Vergangenheit fitter gemacht und werden sie auch in Zukunft fitter machen. Die Arbeitnehmer kennen sehr genau ihren Betrieb und wissen, was dort notwendig ist.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Es ist notwendig, verstärkt auf diesen Sachverstand zurückzugreifen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Rosely Schweizer CDU)