Protocol of the Session on December 14, 2000

Das Wort hat Herr Abg. Fleischer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine sehr geehrten Herren! Über dieses Thema haben wir nicht nur im Ausschuss, sondern auch hier im hohen Hause schon ausgiebig diskutiert. Deswegen kann ich es für meine Person relativ kurz machen.

Wir haben eigentlich weniger über das diskutiert, was in diesem Gesetz geregelt wird, als darüber, was in diesem Gesetz nicht geregelt wird. Insbesondere ist darüber gesprochen worden, inwieweit das barrierefreie Bauen angegangen werden soll. Wir haben im Ausschuss die Auffassung vertreten, dass dieses Thema jetzt nicht hinzugenommen werden soll, weil es umfangreiche Erörterungen mit den Behinderteneinrichtungen und mit den Behindertenverbänden zur Voraussetzung hat. Es war uns bewusst, dass das, was heute geltendes Recht ist und was nicht von der Verwaltung, sondern von uns geschaffen wurde, in vielen Bereichen mehr hinderlich als förderlich auch für die Behinderten ist. Außerdem wirkt es kontraproduktiv für unsere mittelständische Wirtschaft und für die Sportvereine.

(Abg. Brechtken SPD: Oh Gott! Das sind meistens Außenbereichsvorhaben, wo dieses Thema gar nicht besteht!)

Die Diskussion im Ausschuss hat ergeben, dass wir in unserem Bemühen um den Einsatz von Aufzügen, beispielsweise in Sportlerheimen, neuerdings erfreulicherweise Unterstützung erfahren von dem zwischenzeitlich neu zu uns gekommenen Abgeordneten Moser, der für die SPD erklärt hat, er sehe dieses Anliegen genauso. Darüber freuen wir uns sehr,

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Das war schon immer ein vernünftiger Mann!)

weil die SPD dazu vorher eine etwas andere Position hatte. Dies darf ich sehr positiv vermerken. Wir freuen uns darauf, dass wir in der neuen Legislaturperiode – denn dann müssen wir dieses Problem gleich angehen – in diesem Punkt gemeinsam an einem Strang ziehen werden.

Ansonsten ist festzuhalten, dass nunmehr auf Dauer ein unbefristetes Wahlrecht zwischen Kenntnisgabeverfahren und normalem Baugenehmigungsverfahren eingeräumt wird.

Das ist richtig, das wird von allen Beteiligten so gewünscht. Ich meine, dass damit unter eine lang andauernde Diskussion, die bereits seit 1995 geführt wird, nunmehr ein endgültiger Schlussstrich gezogen werden kann. Alles andere in diesem hohen Hause nach der Landtagswahl.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Witzel.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Diesem Haus liegen zwei Gesetzentwürfe vor. Beide haben das gleiche Thema zum Inhalt. Es geht um die Frage, ob bei einer Baumaßnahme eine Baugenehmigung oder ein Kenntnisgabeverfahren erforderlich ist oder ob man zwischen beiden Verfahren frei wählen kann. Im März dieses Jahres wurde der Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgelegt. Er fordert ein dauerhaftes Wahlrecht zwischen beiden Verfahren. Im Oktober, also gut ein halbes Jahr später, brachte die Landesregierung ihren Gesetzentwurf ein. Sie fordert ein unbefristetes Wahlrecht zwischen beiden Verfahren. In der Sache besteht also große Übereinstimmung.

Die Landesregierung hat in ihrem Entwurf noch einige kleinere Regelungen hinzugefügt, sodass er, formal gesehen, der weiter gehende Entwurf ist. Über ihn wird dann zuerst abgestimmt. Das ist ein Verfahren, das sicherlich darauf zurückgeht, dass die Koalitionsfraktionen einem Gesetzentwurf der Grünen nur schwerlich in unveränderter Fassung hätten zustimmen können.

In der Sache bedeutet das aber: Das, was jetzt beschlossen wird, ist eine Zustimmung zu dem Anliegen, das wir schon vor drei Jahren hier im Parlament vorgebracht haben. Für den Bauherrn soll nämlich die volle Wahlmöglichkeit gelten. Er soll zwischen dem Baugenehmigungsverfahren, das mit etwas höheren Kosten, aber auch mit einer höheren Sicherheit verbunden ist, und dem Kenntnisgabeverfahren, das ihm eine gewisse Freiheit und in gewissen Punkten auch eine Beschleunigung bringt, wählen können. Ich hoffe – ich will hier keinen Popanz aufbauen –, dass wir unter diese Frage hier endgültig einen Schlusspunkt setzen und dieses Thema dann erledigt ist.

Das, was Herr Fleischer sagte, muss noch um einiges ergänzt werden.

Bei der Ersten Beratung unseres Gesetzentwurfs im April dieses Jahres sagte Herr Fleischer: „Diesem Gesetzentwurf kann man noch nicht zustimmen. Wir müssen noch einiges klären, unter anderem auch die Frage des barrierefreien Bauens.“

(Abg. Fleischer CDU: Richtig!)

Das ist richtig. Das hat Herr Fleischer auch heute hier noch einmal bestätigt. In dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf sieht man davon aber nichts mehr. Zwischenzeitlich hatten wir den „Tag behinderter Menschen“ im Landtag. Wir haben Gespräche geführt. Ihre Äußerung, Herr Fleischer, die Regelungen zur Barrierefreiheit seien mehr hinderlich als förderlich, möchte ich hier im Namen der behinderten Menschen klar und eindeutig zurückweisen.

(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen – Abg. Fleischer CDU: Gehen Sie einmal in die Sportvereine!)

Nach Ansicht von uns Grünen muss bei den Ausführungsbestimmungen möglicherweise noch etwas geändert werden. Aber in der Sache besteht nach wie vor ein Defizit. Das barrierefreie Bauen im allgemeinen Wohnungsbau findet noch nicht statt und hat noch keinen Eingang in die geltende Landesbauordnung gefunden.

(Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Das ist ein Defizit, dessen Beseitigung wir hiermit anmahnen. Der Antrag, den wir dazu eingebracht haben, ist hier abgelehnt worden. Es gab jetzt einen Gesetzentwurf vonseiten der SPD, der einen ersten Schritt hätte bedeuten können. Leider hat die SPD diesen Gesetzentwurf bei den Beratungen zurückgezogen.

(Abg. Brechtken SPD: Wir wollen eine Lösung er- reichen!)

Wir bedauern das etwas, Herr Brechtken, aber wir sind ja tolerant

(Abg. Moser SPD: Ihr müsst es auch bleiben!)

und warten jetzt einfach ab. Nach der Wahl gehen wir dieses Thema, vielleicht mit anderen Mehrheiten, neu an und wollen dann die Defizite, die im Bereich des barrierefreien Bauens bestehen, wieder aufgreifen.

Es liegt noch ein Änderungsantrag von den Republikanern vor. Dazu so viel: Dieser Antrag ist noch nicht einmal handwerklich korrekt gemacht. Ich darf Ihnen dazu einen Satz aus der Begründung vorlesen – bitte achten Sie genau auf die Sprache –:

Der Gesetzentwurf des Landesregierung kann Käufer von geteilten bebauter Grundstücke schlechter stellen als bisher.

So viele Fehler in einem Satz habe ich selten gesehen.

(Heiterkeit – Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Fleischer CDU: Note 6!)

Das Wort hat Herr Abg. Moser.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden dem Gesetzentwurf der Landesregierung zustimmen, auch was die Verfahren anbelangt.

Ich möchte doch noch einige Worte zum barrierefreien Bauen sagen. Ich verweise auf die Drucksache 12/5769 und bitte Sie, den Bericht zu lesen. Es ist nämlich ein sehr interessanter Bericht, der eine ernsthafte Diskussion wiedergibt, bei der, wie ich glaube, alle Beteiligten nicht danach geschielt haben, ob morgen der Wahlkampf beginnt oder nicht. Wir haben alle gesagt, und dabei bleiben wir auch, dass wir barrierefreies Bauen generell wollen und dass wir in den nächsten Jahren eine spürbare Anhebung der Zahl barrierefreier Wohnungen erreichen wollen. Wir wollen dies aber mit einem vernünftigen Preis verbinden.

Die Landesregierung hat unsere Anregung aufgenommen, einmal einen Wettbewerb auszuschreiben, um endlich da

hin zu kommen, dass man beweisen kann – ich glaube, man kann es –, dass man im Grunde genommen mit den gleichen Kosten, die der Bau einer „normalen“ Wohnung erfordert, auch barrierefrei bauen kann.

(Beifall bei der SPD)

Dies muss möglich sein; das ist unser Ziel. Dann kommen wir auch viel schneller zu einem größeren Anteil barrierefreier Wohnungen als bisher. Dass wir das brauchen, wenn etwa 10 % der Bevölkerung in irgendeiner Form gehindert ist, sich im üblichen, nicht barrierefreien Bereich zu bewegen, ist unbestritten und wird anerkannt.

Wir haben auch über Ausnahmen geredet. Ich sage es noch einmal: Eine Ausnahme muss eine Ausnahme bleiben. Das war nämlich ein Punkt, an dem viele sagten: Über die Ausnahme wird dann der Einstieg zu einem generellen Ausstieg gemacht. Das wollen wir nicht. Bei der Unterstützung Behinderter geht es insgesamt um ein Verfassungsziel. Dieses Verfassungsziel, das im Grundgesetz steht, ist klar formuliert. Wir wollen aber dort, wo es vernünftig, richtig und mit dem Einverständnis der Behindertenorganisationen möglich ist, zu Lösungen kommen, die auch finanziell vertretbar sind.

Wir haben im Ausschuss zum ersten Mal Zahlen zu diesen Ausnahmen genannt bekommen – dass der Rechtsrahmen sehr eng ist, das wissen wir auch –: 20 % der Bausumme. Das erste Mal überhaupt kam dort der Treppenlift zur Sprache. Der Treppenlift für Behinderte böte nämlich auch im Sportbereich die Möglichkeit, einiges zu tun. Dass dies jetzt einmal irgendwo steht und dass wir die technischen Möglichkeiten nutzen wollen, um auch kostengünstig weiterzumachen, halte ich für einen Fortschritt.

Wir haben auch über den gewerblichen Bereich diskutiert. Auch in kleinsten Unternehmungen, wo die Arbeitsplätze im Normalfall gar nicht mit körperlich Behinderten besetzt werden könnten, könnten zum Beispiel im Erdgeschoss Büroarbeitsplätze eingerichtet werden, die barrierefrei zugänglich sind.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es!)

Das muss eine Möglichkeit sein, aufeinander zuzugehen.

All dies wollen wir in der nächsten Legislaturperiode angehen. Deshalb habe ich dann auch zugestimmt, dass unser Gesetzentwurf auf Eis gelegt und zurückgenommen wird, weil ich immer noch daran glaube – manchmal tritt es ja auch ein; ich bin ja auch schon lange genug im Parlament –, dass Zusagen der Fraktionen für die nächste Legislaturperiode gelten.

(Beifall der Abg. Ursula Haußmann SPD – Abg. Brechtken SPD: Soll vorkommen, Herr Kollege!)

Das ist festgehalten, wir haben uns das zugesichert. Ich gehe davon aus, dass dem so sein wird. Deswegen werden wir dem Gesetzentwurf der Landesregierung zustimmen und den anderen Gesetzentwurf konsequenterweise ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Hofer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bauherr hat, wenn wir diese Landesbauordnung verabschieden, die Möglichkeit, zwischen dem Kenntnisgabeverfahren und dem herkömmlichen Baugenehmigungsverfahren zu wählen.

(Abg. Brechtken SPD: Deregulierung!)

Das ist eine alte Forderung von uns. Wir halten das für gut. Doppelt gut ist, dass man auch die Erfahrungen, die man aufgrund der Praxis hat, aufgreift und danach entscheidet. Beachtlich ist auch, dass die SPD-Fraktion nun zustimmt und das Kenntnisgabeverfahren nicht mehr als das allein selig machende Verfahren ansieht.