Mit dieser Reform lösen wir das politische Versprechen ein, das wir mit dem Koalitionsvertrag gemeinsam gege
ben haben. Es ist eine Reform, auf die die Polizei Berlin schon so lange gewartet hat. Wir passen die Befugnisse der Polizei den tatsächlichen Herausforderungen an, wir machen die Polizei stärker und geben ihr mehr Rechte. Unsere Polizei Berlin wird künftig das Gewaltmonopol des Staates noch besser sichern können.
Andere Bundesländer haben schon längst auf die veränderte Sicherheitslage in Deutschland reagiert. Berlin tut das jetzt auch, und zwar sehr entschlossen. Wir stärken nachhaltig den Opferschutz. Wir sorgen dafür, dass die Polizei Berlin technisch auf die Höhe der Zeit kommt und uns die Kriminellen nicht mehr an der Nase herumführen, weil sie, fast schon selbstverständlich, wie das Beispiel WhatsApp zeigt, oftmals einen technischen Vorsprung vor der Polizei Berlin haben.
Wir führen zum Beispiel auch klare Leitplanken für den Einsatz künstlicher Intelligenz ein. Was wir hier beraten, ist mehr als das ASOG. Es ist ein Artikelgesetz, mit dem wir zusätzlich unter anderem auch punktuelle, verfassungskonforme Anpassungen am Berliner Neutralitätsgesetz vornehmen. Außerdem nehmen wir Änderungen am Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwangs, am Berliner Datenschutzgesetz und am Gesetz über das Verfahren der Berliner Verwaltung vor.
Dieser Entwurf ist natürlich nicht das Werk eines oder einer Einzelnen. Es ist das Ergebnis gemeinsam übernommener politischer Verantwortung in dieser Koalition. Viele haben sich eingebracht, in meinem Haus, hier im Abgeordnetenhaus, bei den Sicherheitsbehörden, um nur einige zu nennen. Sie haben ihre Expertise eingebracht mit Sachverstand, Erfahrung, klugen Anmerkungen und kritischen Hinweisen. Es wurde intensiv diskutiert, aber auch kompromissbereit gearbeitet. Ihnen allen sage ich ein herzliches Danke.
Bevor ich auf zentrale Neuerungen im ASOG eingehe, möchte ich daran erinnern, dass wir wichtige erste Schritte für mehr Sicherheit in dieser Stadt getan haben. Schon kurz nach der Wahlwiederholung haben wir umgehend mit der Arbeit am ASOG begonnen und erste Änderungen bereits umgesetzt. Im Dezember 2023 haben wir die Höchstdauer des Unterbringungsgewahrsams von zwei auf bis zu fünf Tage verlängert. Der Einsatz von Bodycams wurde entfristet und technisch verbessert. Das Pre-Recording wurde auf 60 Sekunden ausgeweitet. 3 000 neue Bodycams wurden angeschafft, und wir haben das Einsatzmittel Taser im Gesetz zur Anwendung unmittelbaren Zwangs erstmals ausdrücklich geregelt, sodass die Distanz-Elektroimpulsgeräte rechtssicher auf den Abschnitten eingesetzt werden können. Auch die ersten Waffen- und Messerverbotszonen als Teil unserer Stra
tegie gegen Messerkriminalität waren ein wichtiger Schritt zur Erhöhung der Sicherheit, den die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt von uns erwarten.
Diesen Kurs setzen wir mit der umfassenden Modernisierung des ASOG fort. Mit dieser Novelle erhöhen wir auch die Sicherheit für Bürgerinnen und Bürger im öffentlichen Raum. So machen wir die Videoüberwachung an kriminalitätsbelasteten Orten möglich. Das sind Orte in dieser Stadt, an denen sich unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger am wenigsten sicher fühlen und an denen viele Delikte registriert werden. Deshalb ist es wichtig, hier der Polizei mehr Möglichkeiten für die effektive Überwachung zu geben. Das wirkt präventiv, verbessert aber auch die Möglichkeit zur Strafverfolgung. Wir werden im Zusammenhang mit der Videoüberwachung an kriminalitätsbelasteten Orten auch den Einsatz von künstlicher Intelligenz im ASOG ermöglichen.
Es geht nicht darum, Personen zu identifizieren, sondern um das Erkennen von Verhaltensmustern. So können Polizeidienstkräfte schneller Maßnahmen zur Intervention oder sogar Vermeidung von Straftaten ergreifen, wenn sie entsprechende Situationen auf Monitoren sehen. Die Berliner Verkehrsbetriebe dürfen Videoaufzeichnungen statt wie bislang – ich habe es vorhin gesagt – nur 48 Stunden jetzt länger vornehmen, nämlich 72 Stunden. Das ist ein echter und spürbarer Gewinn für die Opfer, wie mein Beispiel eingangs schon gezeigt hat. Es gibt ihnen mehr Zeit, das Geschehene zu verarbeiten und eine Anzeige zu erstatten, für die es dann noch Videoaufnahmen auch als Beweismittel gibt. Denn die Praxis zeigt, dass Videoaufnahmen einen wichtigen Beitrag leisten, um Tatverdächtige zu identifizieren und Tathergänge zu rekonstruieren.
Des Weiteren werden wir ein Pilotprojekt im Kiez rund um den Kurfürstendamm oder die Kurfürstenstraße mit einer stationären polizeilichen Notrufsäule mit integrierter Videotechnik starten. Damit sollen Personen, die den Notruf auslösen, besser vor Angriffen geschützt werden, denn am anderen Ende der Videoverbindung sitzt direkt die Polizei Berlin, die sofort sieht, was passiert und die zum Beispiel auch Verletzungssituationen schon beim Notruf erfassen können.
Mit der Modernisierung des ASOG modernisieren wir des Weiteren auch die technischen Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden. Die Antwort auf die verschlüsselte WhatsApp Nachricht oder die verschlüsselten WhatsAppAnrufe des Gefährders ist die sogenannte Quellen-TKÜ. Mit der Quellen-TKÜ ermöglichen wir rechtlich den Zugriff der Polizei auf das Kommunikationsgerät, also beispielsweise das Smartphone des Gefährders. Nur so können wir die Kommunikation erfassen, bevor sie verschlüsselt wird. Das ist ein tiefer Eingriff. Das ist mir bewusst. Deshalb gelten dafür enge Voraussetzungen, nämlich der Richtervorbehalt und die strikte Wahrung der
Verhältnismäßigkeit. Die Quellen-TKÜ-Maßnahme verhindert schwere Straftaten und ist auch nur dafür zulässig.
Gleiches gilt für die Onlinedurchsuchung, die wir ebenfalls ausschließlich zur Verhütung terroristischer Straftaten und besonders schwerer OK-Delikte ermöglichen werden. Diese beiden von mir vorgestellten Maßnahmen sind übrigens bereits heute in der Strafprozessordnung bundesweit vorgesehen, nur bislang nicht im Gefahrenabwehrrecht von Berlin. Das holen wir jetzt nach.
Wir werden die Berlinerinnen und Berliner auch künftig nicht mit Überwachungsmaßnahmen überziehen – um auch das klar zu sagen.
Denn wer sich die Mühe macht, die einschlägigen Statistiken zu lesen, lernt, dass dieses Instrument bundesweit mit äußerster Zurückhaltung angewandt wird. Auch wenn ich davon ausgehe, dass es in Berlin wenige Fälle sein werden, braucht die Polizei für eine effektive, schnelle Arbeit diese Möglichkeiten. Unser Anspruch muss sein, schwere Verbrechen schon im Vorfeld gezielt abwehren zu können. Zur besseren Bekämpfung vor allem der organisierten Kriminalität erhält die Polizei zudem die Möglichkeit, Kryptowährungen wie Bitcoin und andere virtuelle Währungen zu beschlagnahmen, und zwar schon gefahrenabwehrend, das heißt, zur Verhinderung von Straftaten. Wir treffen damit die organisierte Kriminalität noch besser an der Stelle, an der es ihr wirklich wehtut, nämlich beim Geld, beim Vermögen. Und das heißt heutzutage immer öfter auch Bitcoin und Co.
Sie werden sich sicherlich noch an den Fall Daniela Klette erinnern. Hier wurde es einmal heute schon gesagt: Journalisten hatten mithilfe von KI schon früher Informationen zu der seit Jahren gesuchten mutmaßlichen RAF Terroristin gewonnen, als die Ermittler sie auf Bildern eines Capoeira Vereins identifiziert hatten. Während die Fahnder mangels rechtlicher Möglichkeiten mühselig Daten auswerteten, haben andere längst schneller Erkenntnisse erhalten.
Was ist das für ein Signal an die Öffentlichkeit, wenn die Polizei Berlin mit ihren rechtlichen und technischen Möglichkeiten so eklatant hinterherhinkt?
Deshalb bringen wir die Polizei Berlin auch in diesem Kontext auf die Höhe der Zeit. Künftig darf sie zur Aufklärung schwerer Straftaten auch öffentlich zugängliche digitale Informationen nutzen, etwa Bilder aus dem Netz, und diese KI-gestützt mit vorhandenen Daten abgleichen.
Die Recherche, die heute oft Tage oder Wochen dauert, wird so in kürzester Zeit zu Ergebnissen führen.
Aber auch beim KI-Einsatz ziehen wir klare Grenzen. Wir schließen die biometrische Fernidentifizierung bei der Livevideoüberwachung ganz klar aus. Das heißt, es wird keine KI-gestützte Personenerkennung bei Videoüberwachung geben.
Genauso schaffen wir mit der Reform die rechtliche Grundlage für die Einführung verfahrensübergreifender Recherche- und Analysesysteme. Stellen Sie sich das vor wie eine Suchmaschine der Polizei, die über alle internen Datenbanken hinweg suchen kann. Dass so eine technische Lösung sinnvoll und wichtig ist, haben alle Länder gerade erst auf der IMK bekräftigt. Wohlgemerkt geht es hierbei nicht um neue Befugnisse zur Datenerhebung, sondern um die schnellere und bessere Auswertung und Nutzung von bereits vorhandenen und rechtmäßig gespeicherten Daten. Schnelligkeit ist eine Kernfähigkeit, wenn es um die Verhinderung von Straftaten geht.
Auch der Einsatz von Drohnen wird mit dem neuen ASOG geklärt. Übersichtsaufnahmen, auch mit Drohnen, sind nun klar geregelt für die Polizei Berlin und die Berliner Feuerwehr. Genauso klar geregelt ist nun die Abwehr von Drohnen, wenn sie eine Gefahr darstellen können, das heißt, schon im Vorfeld einer absehbaren Gefahr.
Außerdem regeln wir den Bereich der Informationsgewinnung bei Telekommunikation und Telemediennutzung neu. Hier geht es um die Ermöglichung der Bestandsdatenauskunft, die seit Langem zum bewährten Standard aller anderen Polizeigesetze gehört: die Erhebung von Verkehrs- und Nutzungsdaten sowie die Funkzellenabfrage. Warum sind Funkzellenabfragen so wichtig? – Stellen Sie sich vor, eine unbekannte Person hält sich wiederholt und ohne erkennbaren Grund in unmittelbarer Nähe zu einer Grundschule auf, und es gibt schon erste Berichte über ein Ansprechen einzelner Schulkinder durch diese unbekannte Person. Hier kann bei wiederholter Sichtung der Person in einem eingegrenzten Zeitraum eine Funkzellenabfrage aller eingewählten Mobilgeräte entscheidende Ansätze zur Identifizierung der unbekannten Person und somit zur Verhütung einer von dieser mutmaßlich ausgehenden Gefährdung von Leib, Leben oder sexueller Selbstbestimmung betroffener Kinder liefern.
Und wir haben in Berlin endlich eine ausdrückliche Regelung für den finalen Rettungsschuss. Alle anderen Bundesländer haben das schon in ihren Polizeigesetzen. Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass sich Einsatzkräfte in Extremlagen im rechtlichen Sinn alleingelassen fühlen. Wir stellen mit der neuen Regelung klar, dass die Polizei als Institution handelt. Es ist aber nicht der erste Beamte, der ungewollt und schicksalhaft in eine Extremsituation
Gleichzeitig schaffen wir eindeutigere Regelungen für den polizeilichen Schusswaffengebrauch. Es gilt dabei die bewährte Formel: Die Schusswaffe darf eingesetzt werden, wenn eine gegenwärtige Lebensgefahr oder eine gegenwärtige Gefahr einer schwerwiegenden Körperverletzung besteht.
Das ASOG ist mehr als ein Polizeigesetz. Es ist auch ein Gesetz, das Opfer besser schützt. Mit der Reform wird sehr viel mehr Raum für Prävention und Intervention zum Opferschutz geschaffen. Was heißt das konkret? – Die Polizei wird künftig die Möglichkeit haben, Kontaktdaten von Betroffenen oder Tatverdächtigen direkt an Beratungsstellen zu übermitteln. Hier stand bislang der Datenschutz dem Opferschutz im Weg. So trägt das Gesetz dazu bei, dass Beratungsstellen schneller helfen können. Fallkonferenzen, bei denen sich Polizei und andere Stellen austauschen, erhalten eine klare polizeirechtliche Grundlage. Die Polizei kann sich aktiv einbringen und Informationen rechtssicher teilen. Das ist im Grunde eine Sache des gesunden Menschenverstands. Leider stand es bislang nicht im Gesetz. Jetzt schließen wir diese Lücke und schaffen damit Rechtssicherheit.
Zum Schutz vor häuslicher und geschlechtsbezogener Gewalt wollen wir neue Maßstäbe setzen. Künftig können Wohnungsverweisungen bis zu 28 Tage verlängert werden. Das ist eine Verdopplung und eine große Entlastung für die betroffenen Frauen. Es sind vor allem Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt oder Partnerschaftsgewalt sind. Die davon Betroffenen erhalten deutlich mehr Zeit, um beim Familiengericht aktiv zu werden.
Auch polizeiliche Kontakt- und Näherungsverbote werden nun ausdrücklich gesetzlich geregelt. Wir regeln weiterhin nicht nur die gerichtliche Anordnung sogenannter elektronischer Fußfesseln, wir führen zudem auch die Möglichkeit des spanischen Modells ein. Es wurde heute schon mehrfach erläutert. Das spanische Modell wird auch Zweikomponentenmodell genannt – Sie kennen es –, denn auch das Opfer kann hier – natürlich freiwillig und auf eigenen Wunsch – ein Warnsystem mit sich führen. Dieses Warnsystem hat den großen Vorteil, dass es Alarm schlägt, wenn sich der Gefährder der zu schützenden Person nähert. Mit der elektronischen Fußfessel nach dem spanischen Modell wird aus einem schwer zu überwachenden Näherungsverbot in der Praxis ein effektiver Opferschutz.
Bei all diesen Maßnahmen achten wir die Rechte der Bürgerinnen und Bürger. Auch im Kontext mit der Polizei genießt jede und jeder den Schutz durch die Grundrechte. Mit der ASOG-Novelle machen wir das nochmal
besonders deutlich. Dazu gehört der Schutz vor Diskriminierung. Es wird daher ein ausdrückliches Verbot des Racial Profiling in das ASOG aufgenommen. Das ist natürlich eine Selbstverständlichkeit, auch das möchte ich hier sagen, die sich schon aus dem Grundgesetz und der Verfassung von Berlin ergibt. Ich verteidige immer wieder unsere Kolleginnen und Kollegen der Polizei gegen pauschale Vorwürfe. Natürlich sind solche Praktiken bereits heute verboten. Das ist den Einsatzkräften sehr bewusst. Aber damit es wirklich keinen Zweifel gibt, finde ich es richtig, diese Selbstverständlichkeit in das ASOG aufzunehmen.
Außerdem werden wir den sogenannten Grundrechtsschutz durch Verfahren bei den eingriffsintensiven, verdeckten Maßnahmen zur Informationsgewinnung wesentlich verbessern. Wir setzen dabei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konsequent um. So muss die Polizei künftig bei noch mehr verdeckten Informationsgewinnungsmaßnahmen zur Straftatenverhütung eine vorherige richterliche Anordnung einholen. Das betrifft zum Beispiel die längerfristige Observation oder den verdeckten Einsatz von Kameras oder Mikrofonen gegenüber Gefährdern. Auch werden Benachrichtigungspflichten der Polizei gegenüber Maßnahmebetroffenen erweitert.
Auch die Regelungen für die Datenverarbeitung im ASOG werden umfassend modernisiert, um die Grundrechte zu wahren. Es gilt der Grundsatz: Von der Polizei erhobene Daten dürfen nur für Zwecke genutzt werden, für die sie erhoben wurden. Wer im Rahmen der polizeilichen Terrorverhütung ein privates Gespräch abhört, darf diese Information also nicht zur Aufklärung eines einfachen Taschendiebstahls verwenden.
Als langjährige Abgeordnete möchte ich hier auch die wichtige parlamentarische Kontrolle erwähnen. Wir erweitern mit der Novelle die Berichtspflichten an das Abgeordnetenhaus. So wird Ihnen künftig jährlich umfassend über die eingriffsintensiven, verdeckten Datenerhebungen berichtet. Dass künftig auch die kriminalitätsbelasteten Orte durch Rechtsverordnung festgelegt oder aufgehoben werden, ist ein echter Zugewinn an Transparenz und demokratischer Kontrolle. Auch Rechtsverordnungen zur Einrichtung von Waffen- und Messerverbotszonen nach dem Waffengesetz werden unter einen Zustimmungsvorbehalt des Abgeordnetenhauses gestellt.
Lassen Sie mich bitte noch auf einen Teil dieses Artikelgesetzes eingehen. Ich spreche von der Änderung des Berliner Neutralitätsgesetzes. Ich hatte es anfangs schon erwähnt. Der Berliner Senat hat sich darauf verständigt, das Neutralitätsgesetz so anzupassen, dass es der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht. In der Praxis setzt die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie diese Rechtsprechung schon um.
Konkret heißt das: Das Tragen religiöser Symbole an Schulen wird nur dann untersagt, wenn eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität besteht.
Diese Regelung hat sich bewährt, hat aber aktuell nur empfehlenden Charakter. In das Neutralitätsgesetz nehmen wir nun eine klarstellende Ergänzung speziell für den Schulbereich auf, um rechtliche Sicherheit zu schaffen.