Zweitens: Andere Städte leben mit Hitze, und zwar souverän. Werfen wir mal einen Blick nach Europa oder darüber hinaus!
Madrid, eine Stadt, die ich gut kenne, erlebt regelmäßig Sommertage mit über 38 Grad. Die Spitzenwerte liegen bei über 40 Grad, ganz normal im Juli und August. Und dennoch bleiben die Madrileños gelassen. Man geht spät einkaufen, meidet die Mittagshitze – das nennt man Sies
ta –, nutzt Parks und Innenräume, die klimatisch angepasst sind. Es gibt kein tägliches Hitzesorgenbulletin, keine Schattenpatenschaften, keine Trinknapfkampagnen.
Sevilla, die heißeste Stadt Europas, verzeichnet jeden Sommer 60 Tage über 35 Grad, mit historischen Spitzen über 46 Grad. Auch dort gibt es keine hitzebürokratischen Notfallpläne, sondern eine ganz einfache Stadtstruktur, Siesta, eine Überdachung der Einkaufsmeilen und gesunden Menschenverstand. – Und dann: Doha, Katar, eine Wüstenstadt mit täglichen Sommerwerten zwischen 42 und 48 Grad – die Antwort dort lautet: keine symbolpolitischen Gießsäcke, sondern Hightechstadtplanung. In Doha entstehen klimatisierte Fußwege, intelligente Beschattungssysteme – die brauchen wir auch, Frau Vierecke, da haben Sie völlig recht –, eine Wasserarchitektur im urbanen Raum. Das kann man alles machen; sollten Sie sich mal angucken!
Wer Hitze ernst nimmt, plant Städte eben hitzeresilient, und wer sie nur als die tödliche Bedrohung beklagt, wie Sie, produziert Anträge wie diesen.
Dieser Antrag ist Symbolpolitik mit der Gießkanne. Das ist keine Klimapolitik, das ist wettergetriebener Paternalismus. Nein, wir brauchen Stadtverstand. Richtige Stadtentwicklung heißt: funktionierende Wasserinfrastruktur. Natürlich brauchen wir die Funktionstüchtigkeit aller öffentlichen Trinkbrunnen. Das ist doch logisch; haben wir aber längst beantragt, ist in der Mache.
Wir brauchen gut gepflegte Grünflächen – selbstverständlich, was denn sonst? Wir brauchen Wasserachsen, Schattenspenderarchitektur, öffentliche Räume, die auch bei Wärme nutzbar sind, ohne Mikroregulierung, sondern durch gute Planung.
Denn das Entscheidende ist doch: Die Berliner wissen, wie man mit Hitze umgeht. Sie brauchen keine staatlichen Verhaltensregeln für Zierbrunnen, Hundetröge und Warm-ups. In meinem Kiez haben jedes Restaurant und jeder Laden so einen Hundetrog. Mein Hund geht dort nämlich auch immer etwas trinken, und natürlich springt mein Hund am Viktoria-Luise-Platz in den Springbrunnen, übrigens mit Wissen und so der Berliner Wasserbetriebe. Das ist auch völlig normal.
Wir brauchen eine funktionierende Stadt, im Winter und im Sommer. Und wenn Sie mir jetzt moralisch hier die Keule entgegenschmeißen, nach dem Motto: Wer jetzt nicht handelt, riskiert Hitzetote –, dann sage ich Ihnen mal Folgendes: Ja, es gibt statistisch mehr Todesfälle während Hitzewellen, insbesondere bei älteren, kranken oder vereinsamten Menschen, aber der Begriff Hitzetod
ist keine medizinisch eindeutige Todesursache, sondern ein statistisches Konstrukt auf Basis von Übersterblichkeitsmodellen;
möglicherweise, Herr Kollege, als hitzebedingt geführt, aber es bleibt eine Wahrscheinlichkeitszurechnung, keine unmittelbare Kausalität.
Sonst hätten wir nämlich ein Massensterben im europäischen urbanen Süden, und das findet nicht statt.
Wer also wirklich Hitzepläne machen oder Hitzetote verhindern will, der muss endlich Pflegeheime sanieren, Notaufnahmen stärken und allen Menschen im fünften Stock ohne Aufzug, alten Menschen eine Perspektive bieten.
Nicht die Hitze macht den Menschen Sorgen und bringt sie in Wallung, sondern Ihr politisches Versagen. Aber das wollen Sie mit diesem Grünenantrag ja ablehnen. – Das geht nicht nur an die Grünen, sondern auch an die SPD, an die Roten, die hier gemeinsam viel zu lange in der Regierungsverantwortung waren.
Herr Präsident! – Ich weiß, Sie haben es nicht so sehr mit Fakten, aber ich probiere es trotzdem noch mal.
Sie kommen ja immer gerne mit Sevilla, auch im Ausschuss, dass es da schön warm ist, und Urlaubsfeeling und dergleichen. Auch Sevilla beklagt schon Hitzetote. Da ist nämlich die Hitze auch gravierend.
Gerade gab es eine Studie, die zwölf Städte in Europa untersucht hat aus den letzten Tagen nur im Juni und im Juli allein, und stellt 1 500 Hitzetote in diesen zwölf Städten fest. Davon besonders betroffen: Spanien und Italien, überdurchschnittlich. Es kann ja sein, dass es am Meer noch einigermaßen erträglich ist. Die Studie sagt auch, dass genau dann, wenn die Städte nicht mehr am Meer sind,
sie noch größere Probleme haben mit dem Thema Hitze. Ich sage Ihnen jetzt etwas ganz Klares: Berlin liegt nicht am Meer.
Was Sie auch gerne sagen, ist, dass dieser Kampf um Klimaneutralität alles Quatsch sei und man das gar nicht machen müsse, weil man sich ja nur anpassen müsse an den Klimawandel, und dann hätten wir es alle so schön im Urlaub und so. – Entschuldigung! Das ist einfach falsch; das können Ihnen sehr viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestätigen.
denn schon jetzt hat die Erderhitzung Folgen, die wir spüren. Schwächere, ältere Menschen und Kinder spüren das am meisten. Es kann ja wohl nicht die Aussage sein, die wir hier treffen, dass man nicht mehr vor die Tür gehen kann, nur um sich zu schützen. So möchte ich mein Berlin zumindest nicht haben.
Unsere Aufgabe ist es, uns anzupassen, ganz klar, aber gleichzeitig alles zu tun, damit die Erderwärmung nicht noch größer wird, also in dem Sinne auch gleichzeitig ein Kampf um die Klimaneutralität.