Für die gemeinsame Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. In der Runde der Fraktionen beginnt die Fraktion der CDU und hier der Kollege Stettner. – Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für Berlin! Ein guter Tag deswegen, weil wir Berlin und das Leben in Berlin ganz grundsätzlich besser machen werden, denn es nervt uns doch alle, wenn wir durch unsere wirklich lebendige, großartige Stadt fahren, gehen oder laufen, wirtschaftlich tätig sind oder Verwaltungsdienstleistungen brauchen. Wir haben doch alle zusammen den Eindruck, dass dieses Berlin sich wie Gulliver gefesselt auf dem Boden befindet, nahezu bewegungslos, gefesselt von Bürokratie, von Zuständigkeitschaos, endlosen Detailfragen – voller Kraft, aber nahezu bewegungslos. Als würde Berlin durch einen dichten Verkehr aus Vorschriften und Zuständigkeitschaos manövriert werden. Es bewegt sich aber oft, viel zu oft, leider im Stop-and-Go-Modus.
Dabei wünschen wir uns doch alle nur, dass es leichter läuft, dass es schneller geht und dass Berlin funktioniert. Berlin kann so viel, wenn wir es ihm nur leichter machen. Dinge müssen schneller gehen, Bescheide automatisch kommen. Wir wollen Baustellen schneller bearbeitet sehen. Wie oft höre ich, wenn man am Morgen durch Berlin fährt und vor Baustellen steht: Wer arbeitet denn da? Ich sehe keine Bauarbeiter. – Wie oft höre ich das im Gespräch mit dem Bürger, und wie oft erleben wir das auch im übertragenen Sinn bei den Baustellen unserer Stadt. Mit der Verwaltungsreform bereiten wir den Boden für ein funktionierendes Berlin!
Für ein Berlin, in dem Aufgaben wieder Hand in Hand erledigt werden, und für ein Berlin, in dem beispielsweise ohne Hürden und ohne Frust eine Urkunde beantragt, ein Dokument beglaubigt werden kann, Eltern schnell und verlässlich die Informationen für die Bildungsangebote ihrer Kinder bekommen, Hilfsleistungsempfänger diskriminierungsfrei, schnell und verlässlich ihre Leistungen erhalten und Gewerbetreibende unkompliziert und schnell Genehmigungen erhalten. Kurz: Wir schaffen das Fundament für eine Verwaltung, die für die Menschen da ist: schnell, klar und modern.
Denn so kann Berlin sein, und dafür schaffen wir heute die Grundlage. Unser Ziel ist, dass Bürgerinnen und Bürger – und das ist echt eine Änderung des Mindsets – gern mit unserer Verwaltung zu tun haben, weil die Abläufe schnell, die Wege kurz und die Antworten schnell da sind. Dafür brauchen wir aber mehr als Sonntagsreden und irgendwelche Digitalisierungsversprechen. Wir brauchen konkrete Veränderungen, und genau das leiten wir zusammen heute hier ein.
Wir beenden heute den wichtigsten Schritt eines Prozesses, der viel länger als zwei Jahre gedauert hat. In den letzten zwei Jahren hat er unter der Ägide des immer optimistischen Vorantreibers, unseres Berlin-Machers Kai Wegner, stattgefunden.
Ohne diesen Regierenden Bürgermeister, lieber Kai Wegner, gäbe es heute keine Verwaltungsreform. Chapeau! Herzlichen Glückwunsch!
Aber auch schon davor war ein Prozess im Gange, denn auch unter Rot-Grün-Rot wurde darüber nachgedacht, wie man diesen Koloss Berlin von den Hindernissen befreien kann. Bis heute haben wir alle, abgesehen von der AfD, den Mut gehabt, zusammenzuarbeiten, um diesem Koloss Berlin wieder Beine zu machen,
und um diese Hindernisse, diese Stricke, die uns binden, die uns daran hindern, aufzustehen, wieder schnell zu werden und Berlin voranzutreiben, endlich zu durchschlagen. Das machen wir heute gemeinsam!
[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von der AfD]
Dabei werden wir natürlich heute nicht in jedem einzelnen Politikfeld, in jedem einzelnen Problemfeld alle Zuständigkeiten genau zuordnen können. Wir werden nicht die Finanzierung jeder einzelnen Aufgabe festlegen, und wir werden auch jetzt und hier nicht jede Doppelzuständigkeit abschaffen. Deswegen ist es auch nicht so, dass die Arbeit heute endet – ganz im Gegenteil: Sie wird intensiv weitergehen. Aber ohne unsere heutige Entscheidung, ohne die Arbeit der letzten Jahre und ohne unseren gemeinsamen Mut, diese Verwaltungsreform durchzu
Ich möchte darüber hinausgehen: Wir ändern heute die Spielregeln Berlins. Wir werden dafür Sorge tragen, dass Menschen, die eine Leistung von ihrer Verwaltung brauchen, diese rasch, beständig und im besten Fall sogar autoaktiv bekommen. Wir schaffen die Grundlagen dafür, dass wir uns schneller in unserer Stadt bewegen können, weil die Abläufe besser funktionieren. Wir sorgen dafür, dass jeder weiß, was eigentlich seine Zuständigkeit ist, und was auch nicht seine Zuständigkeit ist, welche Aufgabe er oder sie für Bürger und Unternehmen zu erfüllen hat und welche auch nicht.
Das machen wir alles, indem wir dafür heute den gesetzlichen Rahmen schaffen. Mit diesem werden wir dann in der Folge die Zuständigkeiten umorganisieren sowie die Finanzierung und personelle Ausgestaltung dieser Aufgaben im Rahmen des sogenannten Konnexitätsprinzips sogar in der Landesverfassung festschreiben. Diese Konnexität sorgt dafür, dass die Ebene, die die konkrete Aufgabe zu erfüllen hat, auch die notwendigen Ressourcen dafür bekommt. Wir sichern die Finanzierung dafür und auch das Personal. Das ist etwas, das wir auch vom Bund fordern. Konnexität muss auch zwischen Bund und Land bestehen. Was der Bund bestellt, muss er dem Land auch bezahlen.
Die Beschlüsse, die die MPK, die Ministerpräsidentenkonferenz, in dieser Woche gefasst haben, stehen für eine neue Qualität der Zusammenarbeit zwischen Bund, Land und Kommunen sowie für eine gute Zukunft, und das sollte auch die Normalität dieser Zukunft werden.
Dabei ist das, was wir heute hier machen, tatsächlich kein parlamentarischer Alltag. Es ist nicht normal, dass die Opposition bereit ist, einem Gesetz der Regierung zuzustimmen. Lustigerweise hat der Senat diesen Entwurf am 1. April 2025 beschlossen,
aber das war erfreulicherweise kein böses Omen. Es ist aber gute parlamentarische Sitte, dass vernunftbegabte Parlamentarierinnen und Parlamentarier in konstruktiv für die Bevölkerung arbeitenden Fraktionen in den großen Dingen zusammenarbeiten. Das passiert ganz oft außerhalb der Öffentlichkeit. Heute tun wir das gemeinsam mitten im Licht der Öffentlichkeit, und wir machen das deswegen gemeinsam, weil wir alle zusammen wollen, dass Berlin wieder vernünftig funktioniert.
Wir schaffen mit dieser Reform die Voraussetzungen für schlanke, klare und verlässliche Abläufe zum Wohl aller Berlinerinnen und Berliner. Wir geben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Verwaltung auch Vertrauen und Freiheit, Entscheidungen zu treffen, denn gute Verwaltung braucht nicht nur Regeln, sondern gute Verwaltung braucht auch Freiheit und das Rückgrat, auch Fehler zuzulassen. Wer keine Fehler machen darf, macht irgendwann gar nichts mehr. Ich habe den Eindruck, dass wir 130 000 wild entschlossene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Verwaltungen haben, die für Berlin effizient und gut und schnell arbeiten wollen. Sie nervt es genauso wie uns außerhalb der Amtsstuben, dass die Verfahren, die Abläufe zu lange dauern. Deswegen sind wir alle zusammen zu Recht genervt und wollen das ändern, weil es unsere gemeinsame Entwicklung behindert. Wenn wir gemeinsam dafür sorgen, dass Verwaltung wieder eine Möglichmacherin ist, dann stärkt das unser Wachstum, wirtschaftlich, gesellschaftlich und menschlich, denn ein leistungsfähiger Staat ist die Basis dafür, dass wir auch in Zukunft soziale Gerechtigkeit sichern, kulturelle Vielfalt fördern und Chancengleichheit ermöglichen können. Unsere Bürgerinnen und Bürger sollen doch bitte die Zeit dafür haben, das zu tun, was wirklich wichtig ist und was ihnen Spaß macht, und nicht so viele Behördengänge.
All das beginnen wir heute. Wir schaffen die Grundlage dafür, dass Berlin nicht nur funktioniert, sondern dass Berlin vorangeht: ein Berlin, das vorne ist, innovativ ist, Spaß macht. Wir starten heute Berlin 2.0. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Jarasch das Wort.
Sehr geehrte Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Dank beginnen: Danke an alle, die im Senat, in den Senatsverwaltungen, in der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und in den demokratischen Fraktionen dieses Parlaments an der Reform der Verwaltung, die wir heute beschließen, mitgearbeitet haben! Wir haben gemeinsam gezeigt, dass wir das Wohlergehen der Menschen in unserer Stadt über unsere jeweiligen Parteiinteressen stellen können.
Danke auch an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner! Sie waren offen genug, die demokratische Opposition einzubeziehen, ohne die diese Reform nicht zustande gekommen wäre, und Sie waren klug genug, auf
Beschlüssen der Vorgängerregierung aufzubauen, statt alles auf null zu setzen. Danke, weil wir Berlin gemeinsam einen Schritt vorangebracht haben!
Herr Wegner! Sie haben immer wieder öffentlich betont, dass es nicht selbstverständlich sei, dass die Opposition so konstruktiv an einem Regierungsprojekt mitarbeitet. Ich sage Ihnen, weshalb wir das getan haben: Weil die Berlinerinnen und Berliner es verdient haben, dass ihr Alltag leichter wird, dass sie auf dem Amt rasch und ohne Behördenpingpong das erledigen können, was sie brauchen, und dass sie nie wieder hören: Dafür sind wir nicht zuständig. – Weil die Beschäftigten in der Verwaltung nicht weiter an ihren Jobs verzweifeln sollen. Es ist nämlich kein Vergnügen, Kundenservice zu leisten, wenn die Schlange immer länger wird und die Kundinnen und Kunden immer genervter. Es ist auch kein Vergnügen, Kundinnen und Kunden bitten zu müssen, doch bitte alle ihre Daten in dreifacher Ausfertigung im Aktenordner vorbeizubringen, obwohl sie wissen, dass die Daten an anderer Stelle längst vorliegen. Weil es bezeichnend ist, dass mit der Neuordnung der Zuständigkeiten die Zahl der Aufgaben von 4 000 auf 4 800 gewachsen ist und für 800 dieser Aufgaben bislang niemand offiziell zuständig war oder sein wollte, und weil für jede Verwaltungsaufgabe, für die die Berliner Verwaltung nicht klar die Verantwortung übernimmt, irgendjemand in Berlin geradestehen muss. Dann, weil wir lieber unsere eigenen Geschichten über Berlin erzählen, statt weiter Markus Söders Spott über die dysfunktionale Hauptstadt zu ertragen, aber vor allem, weil für die Menschen in Berlin die Verwaltung der Staat ist. Die Bürgerämter, die Sozialämter, das LEA, das LABO: Hier erleben sie, ob der Staat funktioniert, und wenn auf dem Amt mal wieder nichts geht, dann leidet das Vertrauen in die Verwaltung, in die Handlungsfähigkeit des Staates, in die Demokratie.
In Zeiten wie diesen, in denen rechte Populisten alles tun, um die Demokratie und ihre Institutionen verächtlich zu machen, müssen wir diesem Vertrauensverlust entgegenwirken. Wir müssen alle gemeinsam zeigen, dass Demokratinnen und Demokraten Probleme anpacken und lösen können. Dafür legen wir heute wichtige Grundlagen, und deshalb sind wir dabei.
Doch innerhalb der schwarz-roten Koalition scheint man sich uneins zu sein, wie man mit diesem gemeinsamen Erfolg jetzt umgehen will. Während der Cheffinanzer der SPD, Torsten Schneider, mit diesem ganzen gesunden Optimismus, den wir so von ihm kennen,
das Jahr 2026 zum Jahr des funktionierenden Berlins ausgerufen hat, hat sein Fraktionskollege Martin Matz,
der hier weiter hinten sitzt, die Reform umgehend zum Reförmchen erklärt, das keines der Probleme löst, sondern lediglich, ich zitiere, einige „kleinere Korrekturen“ anbringt. Das zeigt vor allem eins: Das große Miteinander der Verwaltungsreform gibt es in dieser Koalition eben nicht. Das besorgt mich. Denn uns allen muss doch klar sein: Mit dem Beschluss der Reform beginnt die eigentliche Arbeit erst.
Wir verankern heute das Konnexitätsprinzip in der Verfassung des Landes. Das bedeutet: Neuen Aufgaben muss auch Geld und Personal folgen. Wir begrüßen das, und wir erwarten, dass der Finanzsenator noch in diesem Jahr das entsprechende Konnexitätsgesetz vorlegt. Die Verankerung in der Verfassung ändert aber nichts daran, dass die Ressourcen endlich sind. Deshalb folgt aus dem Konnexitätsprinzip auch: Wo die Ressourcen für eine neue Aufgabe fehlen, müssen andere Aufgaben gestrichen werden, und das muss dann für die Bürgerinnen und Bürger auch transparent gemacht werden.
Damit sind wir bei einer der vielleicht größten Herausforderungen, der Aufgabenkritik. Denn mal ehrlich, mit jeder Aufgabe, die gestrichen wird, wird den Menschen eine Serviceleistung genommen. Bei jeder Aufgabe gibt es einen Grund, warum wir hier in diesem Parlament einmal dachten, dass sie nötig ist; umso wichtiger, dass es gelungen ist, für Konflikte zwischen Senat und Bezirken über die Verteilung der Aufgaben eine Einigungsstelle einzurichten. Das sage ich jetzt hier ganz ausdrücklich einmal für das Protokoll: Wir alle hoffen, dass die Einigungsstelle nur selten gebraucht wird. Wenn sie aber Beschlüsse fällt, dann binden diese auch den Senat. Aufheben kann der Senat diese Beschlüsse nur dann, wenn er begründete rechtliche Bedenken hat. So ist es vereinbart, und so beschließen wir es heute. Ohne plausible rechtliche Bedenken sind auch erhebliche Gesamtinteressen des Senats eben kein Grund, Beschlüsse der Einigungsstelle aufzuheben.
Was sich die Berlinerinnen und Berliner vor allem wünschen, ist eine Verwaltung, die sie unterstützt, die ihren Alltag leichter macht, die den Menschen vielleicht proaktiv zuschickt, was sie nach einem Umzug, nach der Geburt eines Kindes oder auch nach der Gründung eines Unternehmens brauchen. Und wenn schon ein Termin bei einer Behörde nötig ist, dann wollen wir alle unsere Anliegen auf einen Rutsch erledigen können. Warum sollen wir beim Termin im Jobcenter nicht auch gleich den Personalausweis verlängern können? Das Zauberwort dafür heißt Digitalisierung. Um die ist es aber nicht gut bestellt, Herr Stettner. Die Budgets dafür werden gerade überall heruntergefahren.
Der Regierende hat auch die Digitalisierung zur Chefsache erklärt; passiert ist viel zu wenig. Das ist ein
Problem. Denn Digitalisierung kann helfen, mit weniger Mitarbeitenden mehr zu schaffen. Sie ändert aber nichts daran, dass es in Berlin derzeit fast 7 000 offene Vollzeitstellen gibt, die in der Verwaltung unbesetzt sind. Wir müssen also als Arbeitgeber attraktiv werden, und dazu wird ein echter Kulturwandel benötigt. Nicht das Dienstalter, sondern die Führungsqualität muss zählen. Wann kommen wir endlich davon weg, dass das Studium der Verwaltungswissenschaft zu einer Laufbahn in der Verwaltung befähigt, und öffnen mehr Karrierewege auch für die vielen Quereinsteiger und Quereinsteigerinnen?