Der Dringlichkeit haben Sie bereits eingangs zugestimmt. In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und hier der Kollege Krüger. – Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Berlinerinnen und Berliner! Was bedeutet es für uns als Parlament, wenn wir uns nicht mehr darauf
verlassen können, dass der Senat uns wahrheitsgemäß antwortet? Im Kontext der Diskriminierungs- und Mobbingvorfälle gegen die Lehrkraft Oziel Inácio-Stech behauptete die Senatorin Katharina Günther-Wünsch am 5. Juni 2025 im Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie, dass ihr der an sie gerichtete Brief der Lehrkraft vom 4. Dezember 2024 nicht persönlich vorgelegen habe. Diese Behauptung wiederholte sie auf Nachfrage des Kollegen Wesener in der Plenarsitzung am 12. Juni 2025. Wie die Senatorin am 20. Juni in einer Erklärung an die Presse einräumen musste, handelte es sich dabei um eine Falschaussage. Das ist kein Missgeschick oder „Blöd gelaufen“. Die Senatorin hat mit der Falschaussage eine persönliche Verantwortung abgestritten, wie jetzt klar ist, fälschlicherweise; eine Verantwortung übrigens, der sie bis heute in keiner Weise nachgekommen ist und von der sie auch eine Entschuldigung nicht entbindet.
Wie gehen wir nun also damit um? – Wir müssen ein klares Zeichen setzen. Wenn in diesem Haus die Unwahrheit gesagt wird, können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Das ist kein Antrag der Opposition gegen die Regierung.
Hier geht es um die Frage, wie ernst wir als Parlament die auf uns von den Bürgerinnen und Bürgern übertragene Verantwortung und die damit einhergehenden Rechte und Pflichten nehmen. Um die parlamentarische Kontrolle über den Senat gewissenhaft ausüben zu können, sind wir darauf angewiesen, dass der Senat uns gegenüber umfassend und wahrheitsgemäß antwortet. Die Falschaussage ist damit nicht nur eine Missachtung des Parlaments – und damit meine ich sowohl jeden einzelnen hier im Raum genauso wie das Parlament als Konstrukt unserer Verfassung –, nein, es ist auch eine Missachtung aller Berlinerinnen und Berliner und unserer demokratischen Grundsätze. Als Vertreterinnen und Vertreter der Berlinerinnen und Berliner und der Demokratie müssen wir dies missbilligen.
Was die Falschaussage der Senatorin angeht, haben wir nun Klarheit. Vieles andere im Zusammenhang mit den Vorgängen um die Beschwerde von Oziel Inácio-Stech wurde bis heute nicht vernünftig aufgearbeitet. Am Montag werden wir uns nun endlich mit den weiteren Details des Falls beschäftigen können. Eine abschließende Beurteilung inklusive der möglichen Konsequenzen können und werden wir natürlich erst dann vornehmen. Aber auch die Akteneinsicht steht durch die Falschaussage unter einem anderen Stern. Kann ich die Einladung der Senatorin als Zeichen von Offenheit und Transparenz interpretieren, oder handelt es sich dabei nur um eine sorgfältig ausgelegte Finte? Sie sehen, was es bedeutet, Vertrauen zu verlieren; Vertrauen, das auch Oziel Inácio
Stech verloren hat, der sich in tiefster Not an seine Vorgesetzten gewandt hat und dabei im Stich gelassen wurde,
der sich gegen Diskriminierung und Mobbing wehrt und dabei nicht den Fehler macht, selbst zu diskriminieren, indem er alle Schülerinnen und Schüler aufgrund ihrer Religion über einen Kamm schert. Denn das Problem ist natürlich nicht der Islam.
Das Problem ist Queerfeindlichkeit, und die gibt es überall, besonders da drüben, und sie wird immer stärker.
Was bedeutet es also für queere Beschäftigte, wenn sie sich nicht darauf verlassen können, dass ihre Dienstherrin sie schützt? Das können wir uns nicht erlauben. Deswegen bin ich der Senatorin Kiziltepe dankbar, dass sie sich zu einem persönlichen Gespräch mit Oziel Inácio-Stech getroffen hat. Das verloren gegangene Vertrauen kann aber nicht die Senatorin Kiziltepe mit einem einzelnen Gespräch wiederherstellen und nicht einmal die Senatorin Günther-Wünsch mit ihrer Entschuldigung, schon gar nicht, wenn sie erst auf Druck und nicht aus eigenen Stücken erfolgt.
Die Senatorin wäre ja heute gar nicht hier gewesen. Nein, dieses Vertrauen können nur wir als Parlament wiederherstellen, indem wir entsprechend unseres verfassungsgemäßen Auftrags handeln und unseren Anspruch auf wahrheitsgemäße Beantwortung unserer Fragen mit der Missbilligung gegenüber der Senatorin behaupten. – Vielen Dank!
[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von Torsten Schneider (SPD) und Martin Trefzer (AfD)]
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe eigentlich gedacht, der Antrag der Grünen ist nur ein tiefer Griff in die Mottenkiste der Opposition, und wir könnten gemeinsam feststellen, die Grünen sind jetzt endgültig in der Opposition angekommen, und weiter im Text gehen. Aber wenn ich mir anhöre, was der Vorredner hier gesagt hat, eine Mischung aus völlig überzogenem Pathos und Unwahrheiten, dann lohnt es sich tatsächlich, darüber intensiver zu reden und diese Aussprache auch zu führen.
Zu der Tradition von Missbilligungsanträgen gehört dann auch hier im Parlament, dass das Ritual erfolgt, dass es ausreicht, dass für die Koalition mit einer Stimme nur ein Redner spricht.
Nein. Ich will viel lieber und viel mehr darauf hinaus, dass die Grünen – und das haben Sie ja gerade noch mal mit Ihrem Spielchen vorgetragen – das Thema Mobbing und Antidiskriminierung aufgreifen. Wirklich erstaunlich für eine Partei, die mit einer Gelbhaar-Affäre in den eigenen Reihen nicht klar kommt und dann aber mit erhobenem Zeigefinger durch diese Stadt geht.
In aller Ernsthaftigkeit möchte ich sagen: Es ist die Aufgabe von uns allen, aller Abgeordneten, sehr ernsthaft alle Anträge zu prüfen, auch Missbilligungsanträge. Sachgerecht müssen sie sein und inhaltlich korrekt. Wir sind als Koalition dieser Aufgabe nachgekommen.
Deshalb werden wir auch nicht über das Stöckchen springen, über diesen Antrag mit Ihnen gemeinsam abzustimmen. Wir werden am Ende Ihren Antrag ablehnen. Die Schulsenatorin hat weiterhin die Rückendeckung der Koalition aus CDU und SPD.
Herr Melzer, kann ich Ihren Ausführungen entnehmen, dass Sie das akzeptabel und richtig finden, wenn eine
Senatorin dem Parlament die Unwahrheit sagt? Oder finden Sie, dass das einer Missbilligung würdig ist?
Sehen Sie, Frau Gebel, und genau das ist der Punkt, wie Sie mit den Worten operieren. Ihr Antrag ist unwahr, er ist ungenau und kommt zur Unzeit. Ich will Ihnen das auch gern begründen. Sie sprechen von Falschbehauptungen und Falschaussagen.
Sie haben das gerade noch mal konnotiert, und Ihr Redner hat es in seiner Rede auch noch mal gesagt. Mit solchen Unterstellungen sagen Sie letztlich: Ein Senatsmitglied lügt das Parlament an.
Sie unterstellen der Senatorin, bewusst gelogen zu haben. Da will ich Sie fragen: Für wie blöd halten Sie die Leute hier eigentlich, dass Sie über ihren Posteingangskorb bewusst lügen? – Nein, es war keine Lüge. Es war entgegen Ihres Antragstextes weder eine Falschbehauptung noch eine Falschaussage. Es handelte sich um einen Fehler. Dieser Fehler wurde zugestanden, dieser Fehler wurde in der Öffentlichkeit aufgenommen, und dafür hat sich die Senatorin entschuldigt. Heute hat sich die Senatorin vor dem Abgeordnetenhaus ebenfalls entschuldigt. Es war die erste Möglichkeit, hier im Plenum dazu Stellung zu nehmen, und die erste Gelegenheit hat sie ergriffen.
Insofern: Es stimmt einfach nicht, wenn Sie sagen, es sind Falschbehauptungen und Falschaussagen. Es gab einen Verfahrensfehler, und jetzt ist entscheidend: Wie geht man mit Fehlern um? Da können Sie sich auch selber noch mal vor der eigenen Haustür prüfen.
Wie geht man mit den eigenen Fehlern um? – Na ja, mit Selbstreflexion, mit der Fähigkeit, dann auch um Entschuldigung zu bitten, und, ohne Weiteres dazu zu sagen, vielleicht müssen sich auch Abläufe ändern. Genau das hat die Schulsenatorin gemacht. Es handelte sich um einen Fehler ohne Absicht, ohne hässliche Hintergedanken. Deswegen bitte ich Sie auch sehr herzlich von der Grünenfraktion, nicht permanent zu versuchen, diese Hintergedanken hineinzuinterpretieren.