Protocol of the Session on June 26, 2025

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen! Dieser Antrag hat bei mir ein paar Fragen ausgelöst. Erstens: Warum bringen Sie jetzt im Juni anlässlich des Frauentages zum Thema Entgeltgleichheit zum zweiten Mal einen Antrag als Priorität ein? Zweitens: Wir haben diesen Antrag beraten. Er hat von den Oppositionsfraktionen auch viel Kritik bekommen. Warum haben Sie an diesem Antrag nichts verändert, nichts verbessert?

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Und drittens: Hat die Koalition wirklich nichts Neues mehr zu bieten? Ich kann aber meine Argumente, auch aus der Ausschussberatung, hier gern noch einmal wiederholen, und auch aus der letzten Rederunde, die wir ja im März hatten: Mir reicht dieser Antrag nicht. Der Gender-Pay-Gap ist ein Problem, mit dem wir uns befassen müssen. Es ist aber doch ein strukturelles Problem und keines, das durch eine kleine Sensibilisierungskampagne, die ein paar Menschen in Berlin erreicht, irgendwie gelöst wird, keines, was der Frau hilft, die bemerkt, in ihrem Unternehmen bekommt sie für die gleiche Arbeit weniger Geld als ihr Kollege. Sie wendet sich an die Geschäftsführung, und die bleibt untätig. Wo hilft Ihr Antrag da?

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Wie wollen Sie den Menschen bei der derzeitigen Haushaltslage – Kürzungen im Bildungsbereich, bei der Jugend und bei der Kultur – vermitteln, dass Sie jetzt Geld in eine Sensibilisierungskampagne stecken? Ich finde das

nicht vermittelbar. Wie kann ich Ihre Kampagne in Bezug zu der bereits seit Jahren erfolgreichen Kampagne der Business und Professional Women – BPW – setzen, die bereits eine tolle Webseite haben, die tolle Aktionen machen, eine tolle Aufklärungskampagne machen? Ist Ihr Antrag ein Beispiel von Ignoranz dieser Arbeit? Ist Ihr Antrag ein Konkurrenzantrag zu dieser aus der Zivilgesellschaft entstandenen und erfolgreichen Arbeit?

Wir Grüne haben einen Antrag eingebracht, der sogar fast kein Geld kostet – auf jeden Fall weniger –, denn wir wollen die Strukturen – denn darum geht es ja –, die in der Berliner Verwaltung sind, sichtbar machen, denn nur mit dem Wissen, mit Daten, haben wir eine Basis für Veränderungen und können daraus Maßnahmen für mehr Entgeltgleichheit generieren. Frau Golm, Sie haben ja gesagt, Sie wollen aktiv werden. Warum übernehmen Sie diesen Antrag dann nicht, und warum lassen Sie Berlin nicht mit gutem Beispiel vorangehen?

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Wenn Sie wirklich konkrete Schritte, wie es in Ihrem Antrag steht, zur Schließung des Gender-Gaps gehen wollen: Sie stellen doch im Bund die Regierungskoalitionen CDU und SPD. Warum wirken Sie nicht im Bund mit voller Kraft darauf hin, dass die EU-Entgelttransparenzrichtlinie, die in Deutschland umgesetzt werden muss, endlich umgesetzt wird? Das wäre ein großer Schritt für mehr Entgeltgleichheit in unserem Land.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Wir Grüne, Linke und SPD sind doch eigentlich die Parteien für die Frauen. Senatorin Kiziltepe und ihre Staatssekretärin Micha Klapp machen hier engagierte Arbeit in ihrer Gleichstellungsverwaltung, aber die Koalitionsfraktionen haben nicht mehr zu bieten. Dieser schwarz-roten Koalition merkt man halt an, dass mit der CDU eben nicht mehr geht. Schade!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Dann folgt für die CDU-Fraktion die Kollegin Niemczyk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute möchte ich erneut das Thema des Gender-Pay-Gaps in den Mittelpunkt stellen, eine Herausforderung, die uns als Gesellschaft seit Jahren begleitet und die wir gemeinsam lösen müssen. Bereits vor einigen Monaten habe ich dazu das Wort ergriffen. Wir sind auf dem Weg. Ich will das Bewusstsein für diese strukturelle Ungleichheit wachhalten und konkrete Schritte diskutieren.

(Mirjam Golm)

[Anne Helm (LINKE): Konkrete Schritte diskutieren, finde ich gut!]

Frauen verdienen im Durchschnitt weniger als Männer mit weitreichenden Folgen. Ihre Rentenansprüche sind geringer, was das Risiko erhöht, im Alter in Armut leben zu müssen. Wir wissen, dass diese Lohnungleichheit nicht nur ein individuelles, sondern das Ergebnis vielfältiger gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Mechanismen ist. Von Vorurteilen könnte ich aus meiner eigenen Erfahrung berichten. Eine genauso wichtige Rolle spielt aber auch beispielsweise die ungleiche Verteilung von CareArbeit. Dies alles gipfelt in einer geringeren Präsenz von Frauen in Führungspositionen. Wir müssen da gar nicht weit blicken. Im Bundestag ist der Anteil der Frauen gesunken.

[Anne Helm (LINKE): An welchen Fraktionen liegt denn das?]

Wenn Frauen fehlen, fehle die Hälfte der Perspektive, sagte auch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, und sie hat recht.

Es geht um Sichtbarkeit und Wirksamkeit. Diese Sichtbarkeit wollen wir mit der vorgeschlagenen Kampagne erreichen.

[Beifall von Mirjam Golm (SPD)]

Sie kann helfen, diese Mechanismen ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, Vorurteile abzubauen und den gesellschaftlichen Diskurs über Geschlechtergerechtigkeit zu intensivieren. Ich halte das für sehr wichtig.

Wissenschaftlich fundierte Best-Practice-Beispiele von Unternehmen und Institutionen zeigen uns, dass es möglich ist, den Gender-Pay-Gap zu verringern. Die wirtschaftlichen Argumente sprechen für eine Schließung des Gender-Pay-Gaps. Unternehmen, die auf Geschlechterdiversität und faire Lohnstrukturen setzen, sind wirtschaftlich erfolgreicher.

Wir müssen das jetzt nur auf den Weg bringen. Schätzungen zeigen, dass eine Reduktion des Gender-PayGaps Milliarden Euro an zusätzlichem Bruttosozialprodukt generieren könnte. Wir sollten dieses Potenzial nicht ungenutzt lassen.

Ich möchte an dieser Stelle auch ehrlich sein. Wir haben es bislang nicht geschafft, den Gender-Pay-Gap in Berlin und darüber hinaus nachhaltig zu verringern. Das ist eine ernüchternde Feststellung.

Frau Kollegin! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Helm beantworten wollen.

Nein, danke schön!

Nein.

Aber sie ist zugleich ein Ansporn, unsere Anstrengungen zu verstärken und neue Wege zu gehen. Wir müssen weiterhin gemeinsam daran arbeiten, die Rahmenbedingungen zu verbessern und alle gesellschaftlichen Akteure mit ins Boot nehmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Dann folgt für die Fraktion Die Linke die Kollegin Helm. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als der Koalition im Frühjahr auffiel, dass auch in diesem Jahr wieder ein Internationaler Frauenkampftag ist und der am 8. März ist, wollten Sie schnell noch eine gleichstellungspolitische Initiative einbringen. Das hat zwar nicht ganz rechtzeitig geklappt, aber das würde ich Ihnen jetzt überhaupt nicht zum Vorwurf machen, denn ich finde es persönlich wichtiger, dass man eine gut durchdachte, schlagkräftige Initiative startet, anstatt nur ein Symbol an einem Jahrestag zu nutzen. Deswegen hätte ich damit überhaupt gar kein Problem, wann auch immer das eingebracht wird.

Aber das, was uns jetzt vorgelegt worden ist, was der Koalition eingefallen ist, ist eine Werbekampagne zum Gender-Pay-Gap, keine einzige Maßnahme zur Beseitigung von eben diesem. Auch wenn es in der Überschrift drinsteht, steht in diesem mageren Antrag nicht eine einzige Maßnahme. Auch die Kolleginnen hier haben keine einzige aktive Maßnahme vorgestellt, mit der sie gedenken, diesen Gender-Pay-Gap zu schließen. Ich finde das ziemlich peinlich.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Auch seit wir hier im Frühjahr die erste Lesung zu diesem Antrag hatten, gab es nicht eine einzige parlamentarische Initiative der Koalition in der Gleichstellungspolitik. Darum wird das jetzt erneut in der zweiten Lesung unverändert noch mal zur Priorität gemacht. Es ist wirklich nichts weiter als die Aufforderung an den Senat, eine PR-Kampagne zu starten.

Also ich weiß nicht. Während die Berlinerinnen morgens ihre Kinder zur Kita bringen, vorausgesetzt, dass die Kita nicht gerade wieder wegen Krankheit geschlossen ist, sollen sie an der Bushaltestelle auf Werbeplakaten darüber aufgeklärt werden, dass sie 16 Prozent weniger verdienen als die Männer. Währenddessen dürfen sie sich

(Aldona Maria Niemczyk)

dann von der schwarz-roten Bundesregierung permanent beschimpfen lassen, dass sie viel zu faul seien.

Schwarz-Rot wickelt im Bund historische Errungenschaften wie den Achtstundentag ab, und jetzt will man auch noch den gesetzlichen Mindestlohn unterminieren. Von all dem sind Frauen überproportional betroffen. Sie werden sich für diese Werbeplakate herzlich bedanken. Dafür bekommen Sie bestimmt eine Menge Applaus.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Mirjam! Du hast gerade gesagt, du fändest, dass die Kampagne trotzdem notwendig sei, weil es nach wie vor die Meinung gebe, es liege an individuellen Entscheidungen und nicht an strukturellen Problemen, dass es einen Gender-Pay-Gap gebe. Deswegen sei es hilfreich für junge Frauen, darüber aufgeklärt zu werden, damit sie bessere Lebensentscheidungen treffen könnten. Merkst du den Widerspruch eigentlich selbst? – Es braucht strukturelle Maßnahmen, es braucht substanzielle Verbesserungen, und dafür sind wir als Gesetzgeberinnen auch da!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Eine feministische Arbeitsmarktpolitik wären: armutsfeste Mindestlöhne und Mindestrenten sowie ein Rechtsanspruch auf Rückkehr aus Teilzeit in Vollzeit; und das patriarchale Relikt Ehegattensplitting muss abgeschafft werden,

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

damit Frauen endlich finanziell unabhängig werden von ihren Männern und dadurch auch besser vor Altersarmut geschützt sind.

Kampagnen über Missstände kann die feministische Bewegung tatsächlich selbst sehr erfolgreich organisieren, wie wir am Beispiel MeToo eindrücklich erlebt haben. Von der Politik erwartet sie aber zu Recht, dass sie die Verhältnisse ändert und sie nicht nur bejammert. Das muss auch der Anspruch an unsere eigene Arbeit sein.

Liebe Mirjam! Ich gehe davon aus, dass es nicht an deiner Ideenlosigkeit liegt und auch nicht an deiner mangelnden Leidenschaft für gleichstellungspolitische Themen. Aber wenn mit dieser Koalition nicht mehr möglich ist als das, dann wird es doch höchste Zeit, andere Mehrheiten in dieser Stadt zu organisieren, damit Frauenrechte hier endlich mal zur Durchsetzung kommen! Gerade in Zeiten, in denen reaktionäre Kräfte Frauenrechte international immer weiter unter Druck setzen, wäre es dafür allerhöchste Zeit.

Ich schlage vor: Im nächsten Jahr zum Frauentag haben wir eine Gesetzesvorlage, zum Beispiel für ein Paritätsgesetz. Das wäre ein echter Fortschritt. Das können wir gerne zusammen organisieren. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Dann hat die Kollegin Golm aus der SPD-Fraktion das Wort für eine Zwischenbemerkung.

Sie haben mich jetzt so oft ganz konkret angesprochen, und deshalb will ich vielleicht noch mal ein bisschen was klarstellen. Vielleicht habt ihr es nicht so richtig verstanden.