Protocol of the Session on May 22, 2025

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Wir reden hier über die Industrie. Die gesamte Industrie ist bedroht. Es geht um Zehntausende tarifgebundene Arbeitsplätze, nur hier in Berlin, um das Rückgrat der gesamten deutschen Wirtschaft. Das ist unser Problem. Und ich sage nicht, dass der Senat oder die Wirtschaftssenatorin jede Betriebsschließung verhindern kann. Ich sage auch ausdrücklich, dass Sie bei Stadler gut agiert haben. Das will ich ausdrücklich loben. Ich will ja nicht nur meckern.

[Beifall von Franziska Leschewitz (LINKE) – Zuruf von der CDU: Das ist ja mal was ganz Neues!]

Wir haben es hier mit privaten Unternehmen zu tun. Da kann man nicht immer alles verhindern. Wir haben mit weltweiten Problemen zu kämpfen, Transformation, Digitalisierung, Trump und so weiter. Man kann nicht alles verhindern, aber es muss vom Senat wenigstens Antworten und Gegenkonzepte geben. Davon sehe ich überhaupt nichts. Es kann doch nicht sein, dass hier schöngeredet wird und teilweise sogar Jubelbotschaften verkündet werden, während in Berlin reihenweise Betriebe dichtmachen, und darüber nicht geredet wird. Das ist genau die Politik, die die Menschen nach rechts treibt.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und bei der AfD]

Die Realität sieht folgendermaßen aus: Die Arbeitslosigkeit in Berlin steigt seit drei Jahren. Auch dazu habe ich nichts gehört. Wir brauchen endlich ein Wirtschaftswachstum, das dagegenhält. Wir brauchen ein Wirtschaftswachstum, das bei den Menschen ankommt und das in der Breite für Einkommen und Wohlstand sorgt. Wir wollen keine wirtschaftliche Entwicklung wie zum

Beispiel in London. Da werden Milliarden gemacht, da gibt es Fintech-Banker, da gibt es Start-up-Unternehmer, die machen Milliarden. Und für die normalen Leute gibt es einfach keine Jobs mehr. Die können Milliardären vielleicht dann noch als Lieferando-Kuriere die Pizza bringen und den Einkauf vorbeibringen. Das ist etwas, was wir in Berlin nicht brauchen. Wir brauchen wirtschaftlichen Wachstum in der Breite.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Und wie bekommen wir eine solche wirtschaftliche Entwicklung, die bei den Menschen wirklich ankommt? – Wir brauchen Wertschöpfung hier in der Stadt. Die muss hier gehalten werden; die muss hier ausgebaut werden. Wenn jetzt auf dem Messegelände irgendein Fintech- Investor mit einem Gründer einen 500-Millionen-Deal abschließt, dann ist das schön – das will ich gar nicht kritisieren –, aber davon hat unsere Stadt noch gar nichts gewonnen, keinen einzigen Arbeitsplatz.

Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass innovative Ideen und Produkte hier nicht nur gehandelt und vielleicht entwickelt werden, sondern die müssen hier in Berlin umgesetzt und produziert werden. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Unternehmen und die Beschäftigten dort auch in der Lage sind, solche innovativen Produkte zu produzieren. Wir müssen dafür sorgen, dass sie mit der Digitalisierung und der Transformation Schritt halten können und dass sie ihre Leute, ihre Beschäftigten auch entsprechend qualifizieren können. Dazu habe ich bisher in der Debatte vor allem von den Kolleginnen und Kollegen der Koalition nichts gehört. Dazu höre ich auch von dem Senat viel zu wenig – im Gegenteil. Eigentlich werden die Projekte, die Instrumente, die wir bisher hatten, eher zusammengekürzt. Für die Reallabor-Projekte zum Beispiel, die genau dafür da sind, innovative Ideen auf die Straße zu bringen, kann man schon lange keine Förderanträge mehr stellen. Das Instrument ProValid für Forschungsprojekte von Berliner Hochschulen und das Projekt ProNTI zur Förderung von nicht technischen Innovationen in kleinen und mittelständischen Unternehmen sind momentan ausgesetzt. Der Coachingbonus für Gründerinnen und Gründer sowie Unternehmen wird zu Ende 2025 eingestellt, und kein Mensch weiß, was bei der Wirtschaftsförderung noch alles den Haushaltskürzungen zum Opfer fällt. Das ist die Situation, die wir haben, und das ist beileibe keine Wirtschaftspolitik auf der Höhe der Zeit. Das ist genau das Gegenteil.

Transformation und Dekarbonisierung – darüber habe ich gerade schon gesprochen – sind nicht nur Gefahren, sondern sind auch große Chancen für unsere Unternehmen. Damit diese Transformation aber gelingt, sind massive Investitionen nötig in die Infrastruktur, aber eben auch in die Betriebe. Deshalb muss die Schuldenbremse weg. Das 500-Millionen-Sondervermögen des Bundes

[Bürgermeisterin Franziska Giffey: Milliarden!]

ist natürlich vorne und hinten nicht ausreichend, aber es gibt uns als Bundesland gewisse Möglichkeiten. Es ist die Aufgabe des Senats, dafür zu sorgen, dass mit diesen Mitteln nicht nur in die Infrastruktur investiert wird, sondern dass auch Innovation und Transformation in Berliner Unternehmen gefördert wird.

Wir haben als Linksfraktion dafür schon lange konkrete Vorschläge gemacht. Wir sagen: Es ist wichtig, dass die Beauftragung und Investitionen so weit wie möglich nicht nur an die Unternehmen ausgezahlt werden, sondern an konkrete Standortzusagen der Unternehmen gebunden werden, an Transformationspläne und an konkrete Qualifizierungsvereinbarungen dieser Unternehmen für ihre Beschäftigten. Es kann nicht sein, dass sie einfach nur Geld bekommen, ohne für Gute Arbeit zu sorgen oder sogar mit Drohungen, ihre Leute auf die Straße zu setzen.

[Beifall bei der LINKEN]

Stadler in Pankow ist ein warnendes Beispiel. Ich will noch mal in Erinnerung rufen, was da passiert ist. Dort sollen bis zu 1 500 U-Bahnen gebaut werden. Das Gesamtauftragsvolumen beträgt bis zu 3 Milliarden Euro. Wir können also sagen, das Land Berlin ist der wichtigste Kunde. Trotzdem hat dieses Unternehmen damit gedroht, hier in Berlin an ihrem Werk die Beschäftigten auf die Straße zu setzen. Das ist eine Situation, die kann sich nicht wiederholen. Da müssen wir gegensteuern.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Uns antworten Unternehmensvertreter oft, wenn man sie fragt, was ihr größtes Problem ist, dass das der Fachkräftemangel ist. Dazu kann man viel sagen. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns vor Augen führen, dass der Fachkräftemangel in Berlin auch dadurch verschärft wird, dass Fachkräfte hier nicht herziehen können, weil sie einfach keine bezahlbare Wohnung finden, oder sie finden keinen akzeptablen Kita- oder Schulplatz für ihre Kinder. Das bedeutet: Das totale Versagen des Senats bei der Wohnungspolitik und das Kaputtsparen der Bildungseinrichtungen ist nicht nur schlimm für die Menschen, die hier leben, das ist inzwischen auch eine riesige Gefahr für unsere Wirtschaft und für den Wirtschaftsstandort Berlin.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Thorsten Weiß (AfD): Woran liegt denn das? Das habt ihr doch zu verantworten!]

Wenn es um Fachkräfte geht, versagt der Senat ganz besonders heftig beim Thema Ausbildung. Denn wenn wir über Fachkräfte reden, dann müssen wir natürlich nicht nur darüber reden, wer von außen zu uns kommen kann, sondern wir müssen natürlich vor allem darüber reden, wie wir es schaffen, unsere eigenen jungen Menschen hier in Berlin auszubilden und zu qualifizieren. Das Rumgeeiere des Senats bei der Ausbildungsplatzumlage ist unerträglich und ein absolutes Armutszeugnis.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Der Senat zelebriert im Moment seinen internen Streit auf dem Rücken der jungen Menschen, die in unserer Stadt keinen Ausbildungsplatz finden. Das darf so nicht weitergehen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Es kann doch nicht sein, dass die ganze Stadt über Fachkräftemangel jammert, und gleichzeitig Tausende Bewerber und ausbildungsfähige Jugendliche auf der Straße sitzen, weil ihnen nicht genug Ausbildungsplätze angeboten werden. Das ist ein Missstand, der so schnell wie möglich behoben werden muss. Da kann man nicht mit irgendwelchen Zahlen jonglieren oder auf irgendwelche freiwilligen Maßnahmen verweisen, da muss so schnell wie möglich gehandelt werden.

[Beifall bei der LINKEN]

Sie wissen das. Es gibt ein Instrument, das nachweislich für zusätzliche Ausbildungsplätze sorgt, und das ist die Ausbildungsplatzumlage. In der Bauwirtschaft ist sie eingeführt worden und hat innerhalb von drei Jahren zu einer Verdreifachung der Ausbildungsquote geführt. In der Pflege, bei den Schornsteinfegern, überall wird das Instrument gelobt, und es werden weitere Handwerksbranchen folgen. Und was macht der Senat? Es gibt ein umsetzbares Konzept von uns seit 2020 zur Ausbildungsplatzumlage. Das muss man nur umsetzen. Statt es umzusetzen, diskutiert der Senat seit zwei Jahren über irgendwelche Zahlen herum, diskutiert über irgendwelche freiwilligen Maßnahmen, die doch am Grundproblem überhaupt nichts ändern. Deswegen darf jetzt nicht noch mehr Zeit verloren gehen, sondern es muss so schnell wie möglich für junge Menschen in Berlin und für unsere Wirtschaft eine Ausbildungsplatzumlage eingeführt werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Hansel das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Berlin – diese unsere großartige Stadt steht, auch wenn es viele noch nicht wirklich wahrhaben wollen, kurz vor dem wirtschaftlichen und sozialen Abgrund. Und nein, wir malen nicht schwarz, weil wir Berlin schlechtreden wollen. Nein, wir nehmen nur die Realität zur Kenntnis, sehen, was ist, und sagen, es wird unter Wert regiert. So kann es nicht bleiben.

(Damiano Valgolio)

[Beifall bei der AfD]

Genau deswegen erhalten wir auch jeden Tag mehr Zustimmung bei den Wählern, nicht, weil wir schwarzmalen oder schlechte Stimmung verbreiten, sondern weil die Stimmung schlecht ist, weil die Realität für die Menschen zunehmend bitter ist und sie echte Änderungen erwarten. Wir sind dafür ihr Resonanzboden. Die Leute wollen den echten Politikwechsel. Den erwartet der mit zu hohen Energiekosten bestrafte Mieter, die er sich nicht mehr leisten kann oder will. Das erwartet aber auch der hier noch investitionswillige Unternehmer, der keine Lust hat, sich mit noch höherer Abgabenlast auspressen zu lassen. Die Leute erwarten und wollen eine echte Chance auf einen echten Aufschwung. Das ist unsere Mission, und das erwarten die Menschen von uns, von Ihnen, den anderen Parteien, zunehmend eben nicht mehr.

[Beifall bei der AfD]

Wir erleben es jeden Tag, die marode Infrastruktur, die uns ausbremst, die Energiepreise, die explodieren, die Wirtschaft, die stagniert, die Bürokratie, die lähmt, die Schulen, die versagen, die Sicherheitslage, die sich zunehmend verschärft. Das sind alles für die Wirtschaft negative Standortfaktoren, die Investitionswillige aus dem In- und Ausland eher abschrecken als anlocken. Dabei ist das kein Naturereignis. Es ist das Ergebnis jahrzehntelanger Fehlentscheidungen. Und es ist vor allem, Herr Stroedter, vermeidbar.

Jetzt lade ich Sie zu einem Experiment ein, die Kolleginnen und Kollegen, die schreibende Zunft, die Berlinerinnen und Berliner: Stellen wir uns einmal vor, die Alternative für Deutschland, die AfD, hätte seit 2016 mit ihrem Ersteinzug ins Landesparlament, flankiert von einer seit 2013 geführten AfD-Bundesregierung, die politische Verantwortung in dieser Stadt getragen. Lösen Sie sich einfach einmal von Ihrem verblendeten Feindbild, von der von uns gezeichneten medialen Karikatur, sondern sehen Sie die AfD

[Zuruf von Lars Düsterhöft (SPD)]

beim Einzug ins Abgeordnetenhaus 2016 neutral als gestaltende Kraft. Was wäre heute anders? – Wir hätten nach einem echten Kassensturz andere Prioritäten gesetzt und den massiven Investitionsstau nicht verwaltet, sondern abgebaut. Berlin hätte heute ein modernes Straßennetz inklusive einer ausgebauten A100,

[Beifall bei der AfD]

sanierte Brücken, funktionierende Bahnen und Bahnhöfe. Schulneubauten, Polizeistationen und Verwaltungsgebäude wären zügig und effizient umgesetzt worden mit Fokus auf Funktionalität, Haltbarkeit und Bürgernutzen. Wir hätten zehn Jahre dafür gehabt und hätten es umgesetzt. Statt privates Kapital zu verteufeln, hätten wir es mobilisiert – keine dunkelrot-grünen Enteignungsfantasien, keine künstlichen Hürden, sondern eine echte Willkommenskultur für Investoren; Herr Gräff hat es ein

bisschen versucht anzusprechen. Wir sagen: Kommen Sie nach Berlin! Wir wollen bauen, bauen, bauen.

Das ICC, Frau Giffey, wäre unter unserer Verantwortung längst international ausgeschrieben, vergeben und saniert worden. Berlin hätte heute neben dem City-Cube – das ist ein Erfolg, ja – wieder ein modernes internationales Kongresszentrum mit neuem Betreiber und wirtschaftlichem Impuls für den für Berlin so wichtigen Wirtschaftszweig Tourismus und für die Gastronomie. Die City-Tax hätten wir sofort abgeschafft. Sie haben sie ausgeweitet und erhöht.

Im Standortfaktor Wohnungswesen – der Kollege hat es angesprochen, nur halt mit den falschen Lösungen – hätten wir auch ganz anders gearbeitet und hätten geliefert, viel mehr viel schneller gebaut und mit Substanz, Herr Wegner. Eine bereits 2017 von uns geforderte Verwaltungsreform wäre 2021 erfolgreich umgesetzt. Mit klaren Zuständigkeiten und schnellen Genehmigungsverfahren hätten wir dafür gesorgt, dass gebaut wird und nicht nur geplant.

[Beifall bei der AfD]

Wir hätten viele Berliner durch gezielte Eigentumsförderung aus der Mietknechtschaft befreit. Tausende wären heute Eigentümer ihrer Wohnung; ein aktiver Schutz vor Altersarmut statt ein Leben in Abhängigkeit.

[Anne Helm (LINKE): Das glaubt Ihnen kein Mensch! Ist ja irre!]

Eigenverantwortung und Initiative – damit drehen Sie Berlin in die richtige Richtung.

[Zuruf von der AfD: Genau!]

Wir hätten Investitionssicherheit geschaffen, statt Unternehmen mit Misstrauen und Belastungen zu konfrontieren. Der Mittelstand hätte, flankiert von einer wirtschaftsfreundlichen Bundesregierung, von steuerlicher Entlastung, verlässlichen Rahmenbedingungen und echtem Bürokratieabbau profitiert.

Und wir hätten die wirtschaftliche Souveränität Berlins auch gegenüber der EU gestärkt, statt uns immer weiter in Brüsseler Vorschriften und – noch schlimmer – Transferunionen zu begeben.

[Zuruf von Lars Düsterhöft (SPD)]

Apropos: Das wirtschaftsfeindliche Berliner Vergabegesetz – Sie haben es angesprochen –, vor dem die Wirtschaft und ihre Funktionäre gewarnt haben – Sie damals auch – wäre mit uns nie gekommen; auch kein Lieferkettengesetz, weder auf Bundes- noch auf Landesebene.