Protocol of the Session on May 22, 2025

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Hier stellt auch niemand die Berliner Landesverfassung infrage. Es wird infrage gestellt, Herr Senator Gaebler, ob der Artikel 28 wirklich dazu ausreicht, dass Berlin in dieser Frage ein höheres öffentliches Interesse für den Wohnungsbau hat als ein Eisenbahn-Bundesamt. Das ist der Punkt, um den es geht, und ich finde es schade, dass wir hier jetzt wieder so eine Bauklotzdebatte führen: Wer will bauen, wer nicht, wer, wo, wie, was? – Eigentlich geht es doch darum, dass wir alle diesen Beschluss des Eisenbahn-Bundesamts ernst nehmen sollten,

[Christian Gräff (CDU): Das ist kein Beschluss!]

weil er uns Hinweise und konkrete Schritte zeigt, wie wir insgesamt – nicht nur beim Wohnungsbau, sondern eben auch beim Schutz der Mieterinnen und Mieter – gemeinsam wirklich vorangehen können und eben nicht mehr dem Bundesmietrecht ohnmächtig ausgesetzt sind. Um diese Frage geht es.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Es ist in unserer Stadt nun einmal so, dass die Zahl der Eigenbedarfskündigungen steigt und dass die immer öfter vorgetäuscht sind. Es gibt ja noch nicht einmal eine Statistik, weil das Land Berlin das nicht will. Wir haben immer mehr auslaufende und immer mehr fehlende Sozialwohnungen – oder auch Sozialwohnungen, die dann

einfach mal von ZIEGERT und Co als Anlageobjekt zweckentfremdet werden. Wir haben faktisch illegale Mieterhöhungen durch erfundene Wohnwertmerkmale, und die Mieterinnen und Mieter, die sich dagegen wehren, werden dann von Vonovia und Co verklagt.

Es werden in unserer Stadt intakte Wohnungen abgerissen, und wir haben auch eine steigende Zahl bei Zwangsräumungen und Kündigungen. Über das möblierte Wohnen auf Zeit will ich jetzt gar nicht reden, aber auch gegen den Milieuschutz wird permanent verstoßen. Wir haben Hausverkäufe in der Stadt zu überhöhten Kaufpreisen, die dann eben zum Herausmodernisieren von Mieterinnen und Mietern führen. Das sind doch Punkte, über die wir hier einmal sprechen müssen. All diese Beispiele verdeutlichen, dass es in der Wohnungspolitik wirklich fünf vor zwölf ist und dass die bisherigen Instrumente eben nicht reichen, Herr Senator.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von Christian Gräff (CDU)]

Ich will die Gelegenheit hier auch einmal nutzen, um ganz kurz zu sagen: In Berlin zahlen wir schon jetzt jedes Jahr 1,7 Milliarden Euro für die Kosten der Unterkunft, für Miet- und Heizkostenzuschüsse, 80 Millionen Euro jedes Jahr für das Wohngeld. Das sage ich nicht, weil ich dagegen bin, diesen Menschen zu helfen, aber es führt doch in die wohnungspolitische Sackgasse, Herr Senator, wenn wir immer mehr staatliche Mietzuschüsse nutzen und den Landeshaushalt belasten, nur damit sich bestimmte Investoren und Spekulanten immer weiter die Taschen vollmachen können. Das ist doch absurd, und da sind wir uns als Demokratinnen und Demokraten doch einig. Das ist nicht Wohnungspolitik, wie Berlin sie braucht.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat übrigens am Dienstag bei einer Bustour durch Berlin auch noch einmal ganz dramatisch festgestellt, dass die Notunterkünfte und Trägerwohnungen schon lange nicht mehr mit dem Bedarf in Berlin mithalten können. Wir haben ein verstopftes System, das kurz vorm Kollabieren ist. Wir haben 55 000 wohnungslose Menschen, die jetzt schon untergebracht werden müssen, und wenn das so weitergeht, sind wir 2030 bei 114 000 Menschen, sechsstellig, das sagt selbst der Senat. Das kann es doch wirklich nicht sein. Es muss doch um genau die Frage gehen, welche Lösungen wir als Berliner Landespolitik auf Lager haben.

Der Beschluss des Eisenbahn-Bundesamts bestätigt klar, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat.

[Beifall von Elif Eralp (LINKE)]

Nein, seit 2006 haben wir sie sogar nicht gemacht, weil wir nämlich seitdem für das Wohnungswesen zuständig sind. Und auch seit 2021 haben wir sie nicht gemacht. Das sage ich auch selbstkritisch als Rot-Grün-Rot-Fan,

dass wir den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Mietendeckel nicht ausreichend genutzt haben.

Zentral ist aber die Erkenntnis: Bezahlbarer Wohnraum hat eben keinen Verfassungsrang. Das ist der Punkt. Berlin kann und muss das Wohnungswesen selbst regulieren. Dafür müssen wir eine gesetzliche Grundlage schaffen. – Herr Senator, ich biete Ihnen auch an, dass wir das noch einmal gemeinsam mit Berliner Mietervereinen und anderen Expertinnen und Experten juristisch durchgehen und Ihnen das noch einmal genau erklären.

[Zuruf von Senator Christian Gaebler]

Ich finde aber, es gibt auch eine erfreuliche Nachricht in dieser komischen Rederunde heute: SPD, Linke und Grüne arbeiten gemeinsam an einer Konzeption für die Schaffung und Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum als öffentliche Daseinsvorsorge. Wir alle wollen, dass wieder der Grundsatz gilt: Eigentum verpflichtet – oder, Herr Senator?

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Nicken von Senator Christian Gaebler]

Das Bundesverfassungsgericht hat, wie gesagt, auch gesagt, dass wir in privatautonome Mietverträge eingreifen können. Wir können das Mietrecht überlagern, wenn wir den Wohnungsmarkt umfassend selbst regeln. Das bedeutet, der Senat kann Wohnungsunternehmen zwingen, WBS-fähigen Wohnraum für breite Schichten zur Verfügung zu stellen, und zwar ohne Geld auszugeben. Und ja, der Senat kann den Abriss von Wohnraum verbieten und den Schutz der darin wohnenden Mieterinnen und Mieter rechtlich verankern. Der Senat kann verhindern, dass Menschen aus ihren Wohnungen geräumt beziehungsweise verdrängt werden, und der Senat kann Wohnungsunternehmen vorschreiben, dass sie ihren Instandhaltungspflichten auch nachkommen müssen, statt neue Problemimmobilien zu produzieren.

Das geht aber auch nur, wenn wir eine gesetzliche Grundlage schaffen. Die Koalition selbst hat ja auch ein Wohnraumsicherungsgesetz angekündigt, auf das wir sehnsüchtig warten. Es braucht aber eben auch den politischen Willen des Senats und des Senators, sich mit diesem landesrechtlichen Spielraum auseinanderzusetzen statt das einfach nur wegzuwischen.

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte. Ihre Redezeit ist vorbei.

Wir Grüne haben das getan, und wir werden auch ein Gesetz vorlegen, das nicht nur dem Prinzip „Eigentum verpflichtet“ folgt, sondern endlich auch dafür sorgt, dass Eigentümer, die sich partout nicht an Regeln halten wollen, oder Aktiengesellschaften, die ihre Profite auf Kosten

der Berlinerinnen und Berliner lieber an die Anleger ausschütten, statt für faire Mieten zu sorgen, damit nicht davonkommen.

Frau Kollegin, bitte kommen Sie jetzt zum Schluss!

Wir sind der Meinung, dass solche Eigentümer auf dem Berliner Wohnungsmarkt nichts mehr verloren haben. Ich freue mich auf die fachliche Debatte. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Aydin das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine ungewohnte Situation: Der Senator hat vor mir gesprochen. Das macht aber nichts.

Berlin braucht dringend bezahlbaren Wohnraum. Daran gibt es auch überhaupt keinen Zweifel. Anstatt aber gemeinsam an praktikablen Lösungen für die Menschen in unserer Stadt zu arbeiten, versucht Die Linke hier, anhand einer fragwürdigen Begründung einer Entscheidung des Eisenbahn-Bundesamtes zum Güterbahnhof Köpenick ein Wohnraumbewirtschaftungsgesetz zu begründen.

[Beifall von Sven Meyer (SPD) – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Werner Graf (GRÜNE) und Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Das überzeugt weder rechtlich noch politisch, weil die behauptete Dringlichkeit aus meiner Sicht etwas konstruiert ist.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Jetzt komme ich zum Fall des Güterbahnhofs Köpenick. Ja, das Eisenbahn-Bundesamt hat die Entwicklung der Bahnfläche am Güterbahnhof Köpenick abgelehnt. Das ist für die Stadtentwicklung eine missliche Situation: Wir brauchen die 850 Wohnungen. Ein Landesgesetz, wie es Die Linke jetzt fordert, würde kurzfristig aber gar nichts an der Situation ändern.

[Beifall von Sven Meyer (SPD) – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Der Bescheid des Eisenbahn-Bundesamtes stellt zwar fest, dass Berlin sich auf kommunale Selbstverwaltung nur berufen kann, wenn es das auf diesem Gebiet im Gesetzgebungswege Mögliche getan hat, aber was das konkret heißt, welche Gesetze oder Regelungen das sein sollen, bleibt der Beschluss schuldig. Anscheinend hat

(Katrin Schmidberger)

das Eisenbahn-Bundesamt auch nicht in die Verfassung von Berlin geschaut; da kann man anderer Meinung sein. Die Linke hat wahrscheinlich auch nicht in Artikel 28 nachgesehen – dann wäre Ihnen ja aufgefallen, dass die Schaffung von angemessenem Wohnraum insbesondere für Menschen mit geringerem Einkommen sogar Verfassungsziel ist.

Wenn sich Die Linke jetzt also auf diese Begründung des Eisenbahn-Bundesamtes stützt, dann scheint sie dieser Verwaltungsentscheidung mehr Gewicht zuzumessen als der Verfassung von Berlin.

[Lachen von Anne Helm (LINKE) – Niklas Schenker (LINKE): Nur, weil man es dreimal wiederholt, wird es nicht richtig!]

Auch die Annahme, dass mit einem schnellen Landesgesetz sofort der Weg für den Wohnungsbau freigemacht werden könnte, führt in die Irre, denn der Bescheid sagt nichts darüber, ob das Eisenbahn-Bundesamt die Fläche dann freigeben würde. Die Frage, ob ein überragendes öffentliches Interesse an Wohnraum tatsächlich gegenüber dem Bahnbetriebszweck überwiegt, bleibt offen. – Und noch etwas: Die juristische Prüfung, ob das Eisenbahn-Bundesamt die Verknüpfung zwischen Eisenbahnrecht und Landeswohnungsrecht überhaupt zu Recht herstellt, läuft noch. Die Widerspruchsfrist ist nicht einmal abgelaufen. Wer hier dann von Dringlichkeit spricht, ignoriert schlicht die Tatsachen.

Ich fand es außerdem erstaunlich, dass sich Die Linke hier nun auf einmal zur Retterin der Wohnungen am Güterbahnhof Köpenick machen will.

[Beifall von Sven Meyer (SPD) – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wenn wir zurückschauen auf die Haushaltsverhandlungen für den aktuellen Doppelhaushalt, kann man den Protokollen entnehmen, dass die Linken in diesem Haus vor gerade mal anderthalb Jahren eine Kürzung der Mittel für die Entwicklung des Güterbahnhofs von fast 15 Millionen Euro beantragt hatten.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Hört, hört!]

Das passt nicht zusammen, sorry!

Nun komme ich zum geforderten Wohnraumbewirtschaftungsgesetz. Dabei möchte ich nur auf einige Punkte eingehen. Ja, wir müssen den Wohnungsmarkt in Berlin stärker sozial ausrichten. Wir Sozialdemokratinnen und -demokraten kämpfen seit Jahren genau dafür, für mehr kommunalen und genossenschaftlichen Neubau, eine soziale Boden- und Wohnungspolitik, den Ausbau der landeseigenen Wohnungsunternehmen, ein kommunales Förderprogramm und den gezielten Einsatz des Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten. Wir machen längst aktive sozial ausgerichtete Daseinsvorsorge.

Die Verschärfung von Vorschriften zu Abriss, Zweckentfremdung und Instandhaltung unterstützen wir grundsätzlich. Berlin hat hier in den letzten Jahren auf Landesebene bereits wirksame Regeln eingeführt. Wir sollten die vorhandenen Instrumente weiter ausschöpfen und zum Beispiel möbliertes Wohnen in Milieuschutzgebieten verbieten. Daran arbeiten wir ja. Wir haben als Fraktion schon angekündigt, dass wir an einem Wohnraumsicherungsgesetz arbeiten. Um aber die steigenden Angebotsmieten einzudämmen, brauchen wir dringend eine Mietpreisbremse ohne Schlupflöcher, die Absenkung der Kappungsgrenze sowie eine Reform des Mietwucherparagrafen auf Bundesebene, und dafür werden wir uns als Sozialdemokraten weiterhin einsetzen.

[Beifall bei der SPD]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Berlin braucht mehr bezahlbaren und dauerhaft gesicherten Wohnraum, aber der Weg dorthin muss rechtssicher, finanzierbar und praktisch umsetzbar sein. Statt Symbolpolitik braucht Berlin eine soziale, kluge und verantwortungsvolle Wohnungspolitik. Genau dafür steht die SPD-Fraktion.