Viele haben in den vergangenen Tagen auch gefragt: Braucht es wirklich eine Verfassungsänderung? Müssen wir für die Neuaufstellung der Verwaltung wirklich auch noch die Verfassung ändern? – Nicht ohne Grund gibt es für eine Verfassungsänderung hohe Hürden. Nicht ohne Grund ist dafür eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Ich sage: Ja, wir brauchen eine große Lösung! Wir brauchen auch die Verfassungsänderung, denn wir wollen diese Verwaltungsreform nicht für uns hier im Parlament, wir wollen eine grundlegende Neuordnung der Verwaltung in der Berliner Verfassung verankern, um Berlin damit für die Zukunft fest und gut aufzustellen. Wir wollen diese Verwaltungsreform in der Verfassung verankern, damit sie auch für zukünftige Generationen wirkt, denn auch für sie machen wir das, für unsere Kinder und Enkel, für nachfolgende Generationen.
Ich sage es ganz deutlich: Es ist unser aller Pflicht. Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, Berlin für die kommenden Generationen zukunftsfest aufzustellen.
Sie alle wissen, dass es mir als Regierendem Bürgermeister von Anfang an sehr wichtig war, diese Stadt im Miteinander und nicht im Gegeneinander zu führen. Auseinandersetzung, ja, sie gehört zu einer lebendigen Demokratie
Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle bei Ihnen allen sehr herzlich bedanken, zuallererst bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Berliner Verwaltung, in der Hauptverwaltung und auch in den Bezirken. Ich möchte mich bei den Bezirksbürgermeisterinnen und Bezirksbürgermeistern bedanken, die unabhängig davon, welcher Partei sie angehören, von Beginn an konstruktiv mit ihren Ideen mitgewirkt haben. Ich möchte mich bei den Abgeordneten der demokratischen Fraktionen, der demokratischen Parteien hier im Abgeordnetenhaus bedanken, die sich intensiv eingebracht haben, und ich möchte mich ganz herzlich bei den zehn Senatsverwaltungen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, die wichtige Hinweise und Vorschläge gemacht haben, um diese Verwaltungsreform weiterzuentwickeln. Ich möchte mich auch – ich sehe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Senatskanzlei auf der Tribüne – ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Senatskanzlei bedanken und insbesondere bei unserer Staatssekretärin für Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung Martina Klement, die diesen Prozess begleitet hat. Ich bin mir ganz sicher, dieser Prozess wäre nicht so effektiv und intensiv verlaufen, wenn sie das Ganze nicht mit so viel Herzblut vorangetrieben hätte. – Vielen Dank, liebe Martina Klement!
[Beifall bei der CDU, der SPD und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Dr. Kristin Brinker (AfD)]
Ich möchte mich aber auch bei den vielen Vertreterinnen und Vertretern der Stadtgesellschaft bedanken, von der IHK, Handwerkskammer, VBKI, UVB, DGB, dbb, bei der Stiftung Zukunft Berlin, lieber Herr Knoch, und bei vielen anderen mehr, die sich schon lange mit einer Verwaltungsreform beschäftigen und uns in den vergangenen zwei Jahren so toll unterstützt haben.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich ganz ausdrücklich bei Ihnen, bei den Abgeordneten der Oppositionsfraktionen Grüne und Linke bedanken. Es ist beileibe keine Selbstverständlichkeit, dass Oppositionsparteien ein Vorhaben einer Regierung so konstruktiv begleiten und daran mitarbeiten. – Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit!
Das zeigt doch aber etwas ganz Grundsätzliches: Wenn demokratische Parteien über politische Unterschiede hinweg gemeinsam an einem Strang ziehen, um unsere Demokratie handlungsfähiger, ja, besser zu machen,
dann ist das ein Wert an sich, und es ist auch ein starkes Signal an diejenigen, die unsere Demokratie abschaffen wollen.
[Zuruf von der AfD: So ein Blödsinn! – Heiko Melzer (CDU): Fühlen Sie sich angesprochen? – Zuruf von Thorsten Weiß (AfD)]
Die Erwartungshaltung der Berlinerinnen und Berliner ist hoch. Sie schauen auf uns, und sie erwarten von uns, dass wir das Behördenpingpong endlich beenden und die Verwaltung in Berlin modernisieren.
Ich bin überzeugt, dass es selten einen solchen Beteiligungsprozess wie bei dieser Verwaltungsreform gab. Das ist auch für andere große Vorhaben beispielgebend, wie ich finde, und es zeigt, dass es geht: Wenn wir wollen, können wir als demokratische Parteien gemeinsam wichtige Vorhaben zu einem Erfolg führen. Lassen Sie mich auch sagen, ich glaube, genau so können und werden wir das Vertrauen der Menschen in die Politik der demokratischen Parteien wieder zurückgewinnen. Auch dafür ein herzliches Dankeschön!
Wir können das schaffen, gemeinsam, und deswegen noch einmal herzlichen Dank und Glückauf bei den Beratungen! Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Berlin endlich wieder besser funktioniert! – Herzlichen Dank!
[Beifall bei der CDU und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von Thorsten Weiß (AfD)]
Vielen Dank, Herr Regierender Bürgermeister! – Wir kommen zur Aussprache mit einer Redezeit von bis zu 15 Minuten pro Fraktion. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und hier der Kollege Graf. – Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Kein Termin beim Bürgeramt, eine Wahl, die teilweise, eine Wahl, die sogar ganz wiederholt werden musste, 18 Verfahrensschritte für einen Zebrastreifen auf der Straße oder bildlich gesprochen dafür, dass man etwas Farbe auf die Straße pinseln will: Beispiele, die jede Berlinerin und jeder Berliner kennt; Beispiele, die dafür stehen, dass Berlin nicht so funktioniert, wie es sollte; Beispiele, von
denen jeder Berliner und jede Berlinerin endlos weitere ergänzen könnte. Dass wir jahrelang hier in Berlin um einen Zaun streiten, erweckt eher das Gefühl, im Vorstand eines Kleingartenvereins zu sein, als Politik für eine internationale Metropole zu machen.
Verzeiht, liebe Kleingärtnerinnen und Kleingärtner! Ihr hättet natürlich keine fünf Minuten gebraucht, um uns zu sagen, wer wo wie welchen Zaun bauen darf und wie hoch.
Berlin weiß das leider immer noch nicht so genau. Dass das so ist, dass wir mehr darum streiten, wer wann wo zuständig ist als um die großen Linien der Politik, dass es das Land nicht lassen kann, auch im kleinsten Mikromanagement in die Bezirke hineingreifen zu wollen, und dass sich einige darin richtig eingerichtet, ja es sich regelrecht gemütlich gemacht haben, mit dem Finger auf den anderen zu zeigen, all das zeigt, wie bitter nötig es ist, dass wir Berlins Verfasstheit, dass wir Berlins Maschinenraum nun gründlich aufräumen, neu verkabeln und zum Laufen bringen;
und das mit einer klaren und transparenten Aufgabenverteilung zwischen Land und Bezirken, mit einer eindeutigen Trennung zwischen steuernden und operativen Aufgaben und mit einer Finanzpolitik, in der die Zuteilung einer Aufgabe auch mit Ressourcen und finanziellen Mitteln unterlegt wird.
Das nun vorliegende Landesorganisationsgesetz und die Änderungen der Berliner Verfassung sind Meilensteine für ein besseres Berlin. Wir aus der Opposition heraus unterstützen diesen Weg ausdrücklich und sind gern konstruktiv mit an Bord, denn es ist unser aller gemeinsamer Auftrag, Berlin wieder auf ein besseres Fundament zu stellen. Wir brauchen eine Reparatur, die auch über den nächsten Regierungswechsel hinaus hält. Deshalb und an dieser Stelle meinen großen Dank für den bisher so partizipativen und guten Weg, der bis in die Zivilgesellschaft breit getragen wurde. Danke für die Einbindung auf Augenhöhe und für die vielen, vor allem in der Sache geprägten Runden und Diskussionen! Mein Dank gilt natürlich Kai Wegner. Als Regierender Bürgermeister trägt er dafür die Hauptverantwortung. Aber auch Franziska Giffey hat als Regierende schon erste Grundlagen für diese Verwaltungsreform gelegt. Aber verzeiht mir bitte, wenn ich an dieser Stelle einer anderen Frau besonders danken will. Liebe Martina Klement, was Sie bisher für Berlin geleistet haben, ist wirklich sehr beeindruckend, und wie lösungsorientiert Sie den Prozess gestaltet haben, wie Sie sich erst informiert und dann gehandelt haben, ist vorbildlich. Dafür Ihnen und Ihrem ganzen Team: Danke!
In Zeiten wie diesen, in denen die Demokratie so sehr unter Beschuss steht, ist es wohltuend zu erleben, dass wir von der Spitzenrunde bis hin zu den kleinsten Workshops immer in der Sache diskutiert und gerungen haben. So gut wie immer war es möglich, Formelkompromisse, Deals oder sachfremde Kopplungen zu vermeiden. Leider haben wir es am Ende doch nicht ganz geschafft, alle Einigungen durchzutragen. Eben nicht alles entspricht den bisherigen Vereinbarungen mit den Bezirken und den demokratischen Fraktionen. Es wird nun an uns im Parlament liegen, dies zu korrigieren.
Lasst uns alle, die wir hier sitzen und für Berlin Verantwortung tragen, die parteipolitischen Spielchen, das breitbeinige Machtgetöse für einen Moment zur Seite legen und nicht wieder alles mit allem vermischen und sachfremd herumdealen. Lasst uns auf den letzten Metern für Berlin in der Sache zu guten Lösungen kommen!
Wir brauchen eine gute und tragfähige Lösung für die Einigungsstelle, denn hier wird sich entscheiden, ob eine klare und transparente Aufgabenzuteilung in Zukunft überhaupt möglich und ob sie auf Dauer durchzuhalten ist. Dafür müssen wir, so glaube ich, mit einer doch für alle sehr überraschenden Erkenntnis starten: Auch Senatorinnen und Senatoren sind Menschen, ganz normale Menschen mit Stärken und Schwächen, ganz menschlich eben, mal besser, mal schlechter, aber eben Menschen.
Und natürlich wissen sie, genauso wie ich, genauso wie jede und jeder andere hier im Plenum, es auch mal besser und dann sogar auch mal besser als die Bezirke. Dann ist es ganz normal und ganz menschlich, dass man eingreifen will, dass man das machen will, von dem man überzeugt ist, dass es das Richtige ist. Aber nun kann dies eine grundsätzliche Sache sein oder eben Mikromanagement. Ist es das Grundsätzliche, dann ist es eine gesamtstädtische Steuerung, und dann gehört es auch hier ins Land. Aber wenn es Mikromanagement ist, dann eben nicht. Dann brauchen wir ein System, das uns vor dieser menschlichen Neigung schützt, auch im kleinsten Mikromanagement mitmischen zu wollen. Haben wir das nicht, so werden wir zusehen können, wie die klare Aufgabenverteilung jeden Tag ein kleines bisschen unklarer wird. Genau das müssen wir vermeiden.
Also lassen Sie uns in den nächsten Tagen hier Lösungen finden, indem wir uns an anderen Prozessen orientieren oder das Parlament mit einbinden. Ich glaube, Ideen gibt es dafür genug.
Wir müssen den Mut und die Kraft haben loszulassen. Haben wir den Mut, Aufgaben entweder ganz bei den Bezirken oder ganz im Land anzusiedeln! Es gibt vieles, das bei den Bezirken besser ist, das sie vor Ort besser wissen. Wo ein Spielplatz, eine Bank, eine Verkehrsberuhigung Sinn macht, das wissen sie oft vor Ort besser als wir. Und auch, wo eher ein Seniorentreff und wo eine Krabbelgruppe nötiger ist, auch das wissen sie oft besser vor Ort.
All das wissen die Verantwortlichen vor Ort, die näher an den Bürgerinnen und Bürgern sind, besser als eine Verwaltung, die vielleicht am anderen Ende der Stadt ist und noch nie vor Ort sein konnte. Aber lassen Sie uns im Gegenzug dazu auch Punkte ganz auf das Land ziehen, wo das mehr Sinn macht. Ein Beispiel könnte hier die Kältehilfe sein, denn gerade hier wäre ein stadtweites, gleiches und strukturiertes Vorgehen sehr sinnvoll. Ich betone dies so deutlich, denn mit dem vorliegenden Landesorganisationsgesetz und der Verfassungsänderung haben wir die Verwaltungsmodernisierung noch lange nicht geschafft, ganz im Gegenteil. Das Hausaufgabenheft ist noch ziemlich voll, und zwar mit großen Brocken. Erstens: Aufgabenverteilung, zweitens: Einführung einer politikfeldbezogenen Budgetierung und drittens: Vorlage eines Konnexitätsgesetzes.
Was heißt das? – Erstens: Die Aufgaben müssen wir noch den jeweiligen Politik- und Querschnittsfeldern zuweisen. Über 4 000 Aufgaben, die wir sortieren und gliedern müssen: Welches Politikfeld? Ist es steuernd oder organisatorisch? Ist es im Bezirk, oder ist es im Land? Schon die Sammlung der Aufgaben war erhellend: über 400 Aufgaben, die niemandem zugeordnet wurden. Manche wurden einfach irgendwie gemacht, manche blieben liegen und bei den meisten: bisschen machen – bisschen liegen lassen. Diese Zuteilung, die noch vor uns liegt, wird auch darüber entscheiden, ob die Beharrungskräfte doch noch gewinnen oder wir wirklich einen Schritt nach vorne kommen. Aufgaben neu zuzuordnen, das heißt: an einer Stelle Aufgaben wegzunehmen, um sie an einer anderen Stelle inhaltlich passend zu bündeln.
Ein Beispiel: Dass die Wärme- und Energieplanung in mehreren Senatshäusern angesiedelt ist, ist falsch und verkompliziert eine gesamtstädtische Steuerung. Wenn wir es aber an einer Stelle zusammenführen, müssen wir Aufgaben, und ja, auch Ressourcen, an einer anderen Stelle entziehen. Das mag niemand gern, aber genau das muss jetzt passieren.
Dass wir jetzt schon wieder zu viele zu kleinteilige Politikfelder haben, macht mir hierbei auch etwas Sorgen. Wir müssen Einheiten bauen, die dauerhaft zusammenarbeiten und nicht ständig zwischen den Senatsverwaltungen hin- und hergeschoben werden.