Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Landeswahlleiter Bröchler! Bei der Durchführung der Wahlen 2021 hat sich Berlin wahrlich nicht von seiner besten Seite gezeigt. Falsche Stimmzettel, lange Schlangen vor den Wahllokalen, teilweise bis weit nach 18 Uhr. Allen hier im Haus ist klar, ein solches Wahlchaos darf sich nicht wiederholen. So weit haben Sie sogar recht, Herr Schlüsselburg! Das Wahlrecht ist das Fundament der Demokratie, doch wenn es in Berlin genügend Prozesse gibt, die nicht funktionieren bei den Wahlen, dann müssen sie funktionieren. Daher war auch die Einrichtung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe eine richtige Weichenstellung. Ich möchte betonen, wir haben zwischen den demokratischen Fraktionen konstruktiv zusammengearbeitet. Dafür gilt mein besonderer Dank an dieser Stelle den Kollegen Dörstelmann, Herrmann, Schlüsselburg und Schrader.
Doch leider ist die Koalition kurz vor Ende von einem interfraktionellen Gesetzentwurf abgesprungen und hat die Ergebnisse der Arbeitsgruppe ganz für sich reklamiert. Ich bedauere das wirklich, denn gerade das Wahlrecht gewinnt seine Legitimation nicht allein durch die regierende Mehrheit, sondern vor allem dann, wenn es von der Breite unseres Parlaments getragen wird. Es ist daher auch schade, dass Sie unter dem Vorwand der Eilbedürftigkeit keine Vorschläge aus der Sachverständigenanhörung mehr aufgenommen haben. Meine lieben Kollegen der Koalition! Ich bin Ihre Beratungsresistenz ja aus dem Innenausschuss gewohnt, an der Stelle wäre allerdings deutlich mehr drin gewesen.
Unsere Zustimmung als Fraktion machen wir daher von unserem eingebrachten Änderungsantrag abhängig. In der Sachverständigenanhörung wurde angeregt, die Landeswahlleitung anstatt vom Senat vom Abgeordnetenhaus wählen zu lassen ebenso wie ein Vortragsrecht gegenüber unserem Haus zu gewähren. Wir greifen sogar die Forderung des Bezirksstadtrats aus Charlottenburg-Wilmersdorf, wohlgemerkt CDU, auf, dass auch die Bezirkswahlleitungen eine angemessene Entschädigung erhalten sollen. Gerade diese essenzielle Aufgabe, die oftmals von den Rechtsamtsleitungen als Zugleichaufgabe wahrgenommen wird, hätte eine zusätzliche Wertschätzung verdient.
Wo die Innenverwaltung stur geblieben ist und auch den Koalitionsfraktionen leider keinen Spielraum gelassen hat, das ist das Durchgriffsrecht des Senats auf die Wahlorgane, die sogenannte Rute im Fenster der Innenverwaltung gegenüber dem Landeswahlleiter. Ich muss an der Stelle ehrlich sagen, dieses Verständnis irritiert mich. Gerade die Unabhängigkeit der Wahlorgane ist entscheidend, damit die Integrität der Wahlorganisation und
-durchführung gesichert ist. Denn stellen Sie sich vor, bei Frau Spranger habe ich da keine Sorge, was eine Route in der Hand von Autokraten für ein Chaos anrichten könnte!
Herr Kollege! Bevor Sie zur Rute kommen, könnten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Schlüsselburg aus der SPD-Fraktion beantworten, wenn Sie möchten.
Das ist ja biblisch. Vielen Dank, Herr Kollege Franco, für die Zulassung der Zwischenfrage! Weil Sie gerade den einen Teil des Regelungsgehalts Ihres Änderungsantrags ansprechen und das mit dem Wort der Rute im Fenster illustriert haben, wollte ich Sie fragen: Sind Sie sich bewusst, dass schon alleine aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben der Unabhängigkeit der Wahlorgane, die eine selbstorganisierte, freie Wahl der Bürgerinnen und Bürger sozusagen organisieren und zu verantworten haben, das von Ihnen angesprochene, im Konfliktfall möglicherweise bestehende Weisungs- und Durchgriffsrecht nur auf den Teil der Bezirksverwaltung verfassungsrechtlich überhaupt beziehen kann, dem eben nicht die Aufgabe der unabhängigen Wahlbehörde in dem Moment innewohnt, sondern das sich auf den bezirksverwaltungsrechtlichen Teil der vielleicht Unterstützungsleistungen bezieht, überhaupt nur beziehen kann?
Vielen Dank, Herr Kollege Schlüsselburg! Das gibt mir tatsächlich die Zeit, auf den Punkt einzugehen. Die Unabhängigkeit der Wahlorgane zweifelt zumindest unter den Demokratinnen und Demokraten niemand an. Das ist auch explizit im Gesetzentwurf, den wir erarbeitet haben, als Grundvoraussetzung genannt. Die Frage ist aber: Wie stark sind diese Regelungen auch rechtlich abgesichert? Wenn wir genau auf diesen Punkt eingehen, haben wir bereits in diesem Gesetzentwurf ein Schlichtungsverfahren eingebaut beziehungsweise ein Verfahren, das bis vor den Verfassungsgerichtshof führen kann, sollten sich der Landeswahlleiter, die Bezirkswahlleitungen und beispielsweise die Innenverwaltung in einer Sache nicht einig sein. Das ist an der Stelle aus meiner Sicht ausreichend und abschließend geregelt, genauso wie Sie bereits für die reinen Verwaltungstätigkeiten einen Verweis auf § 8 AZG, die bezirkliche Fachaufsicht, mit drin haben. Deshalb braucht es diese angesprochene Regelung mit dem Durchgriffsrecht nach § 13a AZG einfach schlichtweg nicht. Darauf hätte man in diesem Gesetz verzichten können.
Sie sprechen einen wichtigen Punkt an, es ist ja gut und richtig, dass die Unabhängigkeit auch verfassungsrechtlich und am Ende verfassungsgerichtlich abgesichert ist. Wir als Gesetzgeber könnten aber auch Gesetze schreiben, aus denen das ganz eindeutig und klar hervorgeht. Ich glaube, es braucht es da nicht, damit wir genau das haben, was Sie gesagt haben, nämlich eine unabhängige, von Bürgerinnen und Bürgern organisierte Wahl, bei der die Exekutive zurücktritt, so auch die Sachverständigen im Innenausschuss. Damit wäre das mit der Rute im Fenster noch mal genauer erklärt für alle, die die tief juristische Diskussion interessiert.
Ich glaube, unabhängig davon, dass das jetzt in dem Gesetz stehen wird, sind wir alle da in der Pflicht, dass das Wahlrecht auch im Worst Case funktionieren muss. Ich persönlich hoffe, dass diese Schwachstelle nie ausgenutzt wird. Da sind wir alle in der Pflicht, der Senat, aber dann auch wir als Parlament, welches die Regierung kontrolliert. In diesem Sinne, in diesem Gesetz steht auch viel Gutes. Wir werden uns nur enthalten können, aber wir hoffen, dass das mit den Wahlen dann auch besser klappt.
Liebe Frau Spranger! Einen letzten Satz habe ich trotzdem noch: Erinnern Sie sich noch, als Stefan Evers im Jahr 2023 täglich gefragt hat, ist Herr Geisel noch im Amt? – Da hat nämlich die Innenverwaltung gesagt, mit der Wahlorganisation und -durchführung haben wir gar nichts zu tun. Sie sprechen hier gleich. Damit sollte aber auch klar sein, die Innenverwaltung hat die politische Verantwortung für erfolgreiche Wahlen, aber auch dann, wenn sie nicht so erfolgreich verlaufen. In diesem Sinne, ich wünsche es uns allen, viel Glück, Frau Spranger! – Vielen Dank!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier vor Ort, Herr Professor Bröchler in Person, und natürlich auch liebe Zuhörer, Zuschauer daheim an den Empfangsgeräten! Lieber Kollege Franco! Jetzt kann man sich am Ende eines Prozesses – – Und es war ein langwieriger Prozess, es war ein konstruktiver Prozess. Ich möchte mich ausdrücklich bei der Präsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses und ihren Mitarbeitern für die Einberufung und Durchführung der AG Wahlen bedanken, natürlich auch an die Expertenkommission, stellvertretend jetzt in Person von Herrn Professor Bröchler, und natürlich auch am Ende bei der Innenverwaltung, bei unserer Innensenatorin Iris Spranger für den konstruktiven Weg, für die gute Begleitung dieses Weges!
Das hätte dann auch der Punkt sein können, lieber Kollege Franco, bei allem Verständnis für die Oppositionsrolle, zu sagen, wir haben gemeinsam etwas geschafft, wir haben das Fundament unserer Demokratie gestärkt, wir haben aus den Fehlern, aus den Ergebnissen der Expertenkommission gelernt, und wir haben diese Punkte eingebracht. Ich möchte an der Stelle einem Narrativ, das Sie im Ausschuss und jetzt eben in Ihrer Rede unbedingt noch mal bedienen mussten, dass wir auf dem letzten Meter als Koalition irgendwo quasi fast dolchstoßlegendenartig gesagt hätten,
mit Ihnen spielen wir nicht – – Nein, das ist totaler Quatsch, lieber Kollege! Der Kollege Dörstelmann und ich haben ganz am Anfang des Prozesses, bevor wir uns zusammengesetzt haben, gesagt: Klar ist, am Ende wird es ein Antrag der Koalition. – Für uns war aber auch klar, wir reden über das Fundament unserer Demokratie, wir wollen gerne gemeinsam mit Ihnen daran arbeiten, dass es gute Ergebnisse werden. Wir wollen Ihre Punkte aufnehmen. Wir wollen Ihre Big Points, wie es der Kollege Schlüsselburg eben skizziert hat, aufnehmen, und wir haben sie aufgenommen. Wir haben also Wort gehalten.
Und wir haben am Ende all die Punkte, die die Expertenkommission aufgeführt hat, mit einfließen lassen, damit das Funktionieren von Wahlen auch wieder eine Selbstverständlichkeit wird. Wir haben mit dem vorliegenden Gesetz, mit der Änderung, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine Organisationsstruktur mit klarer Abgrenzung der Verantwortlichkeiten und Aufsicht geschaffen.
Ich bin überzeugt, dass wir damit auch das Vertrauen in Wahlen gemeinsam wiederherstellen können. Deswegen schließe ich mich dem Appell meines Kollegen Schlüsselburg ausdrücklich an: Geben Sie sich heute einen Ruck! Lassen Sie uns das gemeinsam Erarbeitete auch gemeinsam verabschieden! Lassen Sie uns damit ein starkes Zeichen für demokratische Wahlen aussenden!
Ich möchte schließen mit zwei Zitaten von Herrn Prof. Bröchler aus der Ausschusssitzung. Sie haben oben gesagt, das, was wir aus der Anhörung mitgenommen haben, ist alles gar nicht berücksichtigt worden. – Ich möchte dem zwei Zitate von Prof. Bröchler entgegenstellen:
„Aus meiner Sicht sind die zentralen Handlungsempfehlungen der Expertenkommission in der Novelle aufgenommen worden. … Wir haben in den letzten anderthalb Jahren einen Kommunikationsstil auf Augenhöhe etabliert, der sich, glaube ich, wirklich bewährt hat und auch in Zukunft Bestand haben wird. Deshalb befürworte ich
Insofern: Lassen Sie uns diesen Gesetzesentwurf heute hier gemeinsam beschließen und dieses Signal aussenden – Berlin kann Wahlen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will hier gar nicht die ganze Diskussion um die Genese der Änderung des Landeswahlgesetzes wiedergeben. Die Diskussion haben wir schon mehrmals geführt. Ich glaube, wir sind uns einig, es steht viel Richtiges in der Vorlage drin. Ein Teil der Anregungen, die wir eingebracht haben, ist im Laufe des fraktionsübergreifenden Prozesses eingeflossen. Ich glaube, da wurden viele richtige Lehren gezogen aus der Wahl von 2021 und auch aus der Wiederholungswahl. Ich denke schon, dass die Wahlorganisation nach dieser Gesetzesänderung besser sein wird. Ich glaube, Herr Bröchler, wir können auf Sie zählen. Das wird funktionieren.
Einiges hätten wir dennoch anders gemacht. Ich habe das in der ersten Lesung gesagt. Das will ich hier jetzt auch nicht wiederholen. Den wichtigsten Punkt haben wir aber als Änderungsantrag eingebracht. Ich will es noch mal sagen: Nach wie vor gibt es keine Möglichkeit des Rechtsschutzes, wenn ein Wahlergebnis besonders knapp ist, der Antrag auf Nachzählung aber abgelehnt wird. So, und da eröffnen wir den Weg zum Verfassungsgerichtshof. Und damit das nicht inflationär passiert – das wurde uns auch vorgeworfen –, haben wir da eine Schwelle eingeführt. Es muss hinreichend knapp sein, damit das überhaupt passieren kann: 0,5 Prozent waren es, 0,5 Prozent Stimmendifferenz entweder beim Erststimmenergebnis, bei der Wahl im Wahlkreis, oder 0,5 Prozent Abstand zur Fünf-Prozent-Hürde beim Zweitstimmenanteil. Das ist die Hürde. Wenn wir das machen, würden wir wirklich eine Rechtsschutzlücke schließen, und damit würden wir auch das Vertrauen in demokratische Wahlen stärken.
Dafür bitte ich um Ihre Zustimmung. – Herr Herrmann! Ich sage es mal in Ihren Worten: Geben Sie sich einen Ruck!
Ich will aber auch die Gelegenheit nutzen, um noch ein bisschen weiter nach vorne zu schauen. Wir fänden es richtig, dass, nachdem jetzt die wahlorganisatorischen Regelungen überarbeitet und neu gefasst wurden, wir wieder etwas grundsätzlicher schauen, wie wir das Wahl
recht weiterentwickeln können, und auch darüber gemeinsam reden. Wir fänden es richtig. – Gucken Sie sich mal in unseren Reihen um! Das Abgeordnetenhaus hat einen Frauenanteil von 39 Prozent. Damit sind wir im Vergleich der Landesparlamente sogar noch ganz gut. Aber es ist immer noch beschämend niedrig.
Und deswegen sagen wir: Wir haben in unseren Parlamenten in Deutschland eine riesige Repräsentationslücke, und dem kann man mit dem Wahlrecht abhelfen. Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD steht übrigens:
Das ist auch nicht das einzige Demokratiedefizit. Ein Viertel der erwachsenen Berlinerinnen und Berliner haben kein Wahlrecht, weil sie nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben.
Sie sind aber von unseren Entscheidungen betroffen. Und auch hier sagen wir: Es kann nicht sein, dass so viele Menschen von demokratischer Teilhabe ausgeschlossen sind. Deshalb fordern wir das Wahlrecht für alle,