Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 65. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste, die Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Medienvertreterinnen und Medienvertreter sehr herzlich.
Besonders begrüßen darf ich auch heute wieder Polizeidienstkräfte. Herzlich willkommen im Berliner Abgeordnetenhaus und vielen Dank für Ihre Arbeit!
Als Geschäftliches habe ich Folgendes mitzuteilen: Der Regierende Bürgermeister hat die Abgabe einer Erklärung zum Thema „Neustart: Mit der Verwaltungsreform machen wir Berlin gemeinsam zukunftsfest“ angekündigt. Die Fraktionen haben daher vereinbart, dass heute keine Aktuelle Stunde erfolgt. Somit werde ich gleich diese Regierungserklärung mit anschließender Besprechung unter dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufen. Vorgesehen ist eine Verbindung mit dem Tagesordnungspunkt 17. Das sind die beiden Gesetzesvorhaben zur Verwaltungsreform.
Dann darf ich auf die Ihnen zur Verfügung gestellte Dringlichkeitsliste verweisen. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die dort verzeichneten Vorgänge unter den Tagesordnungspunkten 13 A sowie 32 und 47 A bis 47 D in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich gehe davon aus, dass den zuvor genannten Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Widerspruch zur Dringlichkeitsliste höre ich nicht. Dann ist die dringliche Behandlung dieser Vorgänge so beschlossen.
Zwischenzeitlich wurde auch Einvernehmen über die Dringlichkeit des Antrags der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 19/2382 „Temporäres Denkmal am zukünftigen Standort des deutsch-polnischen Hauses“ erzielt. – Widerspruch dazu höre ich ebenfalls nicht. Dann ist auch diesem Antrag die dringliche Behandlung zugebilligt, und er wird als Tagesordnungspunkt 47 E in die Tagesordnung aufgenommen. Die Fraktion der CDU hat den Antrag als Priorität angemeldet. Unsere heutige Tagesordnung ist damit so beschlossen.
Auf die Ihnen zur Verfügung gestellte Konsensliste darf ich ebenfalls hinweisen und stelle fest, dass dazu kein Widerspruch erfolgt. Die Konsensliste ist damit ebenfalls so angenommen.
Dann darf ich Ihnen noch die Entschuldigungen des Senats mitteilen: Herr Senator Chialo ist aus familiären Gründen heute abwesend.
Bevor wir nun in die Tagesordnung eintreten, komme ich noch zu folgender Parlamentsangelegenheit und bitte hierfür um Ihre Aufmerksamkeit: Am Ende der letzten Plenarsitzung, in der Debatte zum Tagesordnungspunkt 39 A – Dringlicher Antrag auf Annahme einer Entschließung der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD „Solidarität mit den demokratischen Kräften in unserer Partnerstadt Istanbul“ – sind zwei Ordnungsmaßnahmen gegen Abgeordnete der AfD-Fraktion ergangen. Während und insbesondere nach dem Redebeitrag des Abgeordneten Dr. Bronson kam es zu erheblicher Unruhe und diversen Zwischenrufen, die sodann zu Ordnungsmaßnahmen von Frau Vizepräsidentin Dr. Haghanipour gegen die Abgeordneten Eschricht und Laatsch führten. Konkret hat der Abgeordnete Eschricht wegen des Zwischenrufs „Ihr seid die Heuchler“ einen Ordnungsruf nach § 76 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses erhalten. Herr Abgeordneter Laatsch wurde nach mehreren Hinweisen der Vizepräsidentin in Richtung der AfD-Fraktion aufgrund nachhaltiger Kritik an der Sitzungsleitung nach § 78 Absatz 1 Satz 1 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von der Sitzung ausgeschlossen. Die Abgeordneten Eschricht und Laatsch haben gegen diese Ordnungsmaßnahmen, also den Ordnungsruf und den Sitzungsausschluss, jeweils Einspruch erhoben. Ich hatte als Präsidentin über diese Einsprüche zu entscheiden.
Ich war selbst nicht im Plenarsaal, als sich das Geschehen ereignete, habe mich aber im Nachgang lange mit dem Sachverhalt beschäftigt und unter anderem das Protokoll ausgewertet sowie mich mit meinem Haus intensiv beraten. Schlussendlich bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass ich beiden Einsprüchen nicht abgeholfen habe. Meine Ablehnungen, aus denen auch die Inhalte der Einsprüche hervorgehen, sind Ihnen gestern zugegangen.
Ich möchte Ihnen kurz erläutern, aus welchen Erwägungen heraus ich zu diesen Entscheidungen gekommen bin. Der Zwischenruf „Ihr seid die Heuchler“ des Abgeordneten Eschricht ist ehrabschneidend und verstößt eindeutig gegen die parlamentarische Ordnung. Der Einspruch kann daher keinen Erfolg haben, und der Ordnungsruf wird aufrechterhalten.
Auch der Sitzungsausschluss gegen Herrn Abgeordneten Laatsch hat im Ergebnis Bestand. Ich sage aber zunächst ganz deutlich, es handelt sich bei dieser Ordnungsmaßnahme um einen sehr schwerwiegenden Eingriff in die Abgeordnetenrechte, als dessen Voraussetzung die Geschäftsordnung bewusst und richtigerweise eine grobe Ordnungsverletzung vorsieht. Es muss sich dabei immer um die Ultima Ratio handeln und darf nicht leichtfertig ausgesprochen werden.
In der letzten Plenarsitzung ist insbesondere nach dem Ordnungsruf gegen den Abgeordneten Eschricht eine sehr chaotische, hektische und unübersichtliche Situation
entstanden. Insbesondere wurde lautstark und nachhaltig Kritik an der Entscheidung der Sitzungsleitung zu diesem Ordnungsruf geäußert. Nach mehrmaliger Intervention hat die Vizepräsidentin einen Sitzungsausschluss ausgesprochen. Die Entscheidung der Vizepräsidentin ist eine ungewöhnlich harte Sanktion, und sie ist nur in der Gesamtschau aller Umstände, der chaotischen Gesamtsituation, der Nachhaltigkeit der Kritik an der Sitzungsleitung, der spontanen Entscheidung der Vizepräsidentin und dem sehr baldigen Sitzungsende juristisch haltbar. Am Ende ist die Ordnungsmaßnahme zwar hart, aber nach gründlicher Abwägung aller Interessen in dieser speziellen Konstellation noch vertretbar.
Nach § 80 Satz 3 unserer Geschäftsordnung entscheidet nunmehr das Abgeordnetenhaus ohne Beratung über die Einsprüche. Wer dem Einspruch des Abgeordneten Eschricht gegen den Ordnungsruf stattgeben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die AfD-Fraktion und ein fraktionsloser Abgeordneter. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen aller weiteren Fraktionen – Enthaltungen? – und bei Enthaltung eines weiteren fraktionslosen Abgeordneten ist der Einspruch abgelehnt.
Nun kommen wir zum Einspruch gegen den Sitzungsausschluss von Herrn Abgeordneten Laatsch. Wer dem Einspruch des Abgeordneten Laatsch stattgeben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die AfD-Fraktion und ein fraktionsloser Abgeordneter. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen aller anderen Fraktionen – Enthaltungen? – und Enthaltung eines weiteren fraktionslosen Abgeordneten ist der Einspruch ebenfalls abgelehnt.
Erklärung des Regierenden Bürgermeisters gemäß Artikel 49 Absatz 3 VvB zum Thema „Neustart: Mit der Verwaltungsreform machen wir Berlin gemeinsam zukunftsfest“
Ich eröffne die erste Lesung der beiden Gesetzesvorlagen. – Bitte sehr, Herr Regierender Bürgermeister, Sie haben das Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Heute ist ein wichtiger, heute ist ein besonderer Tag in Berlin, denn heute bringen wir die Gesetze für eine umfassende Verwaltungsreform in Berlin ein.
Ja, Berlin schreibt Zukunft. Es geht um nicht weniger als einen Neustart für Berlin. 25 Jahre lang, ein Vierteljahrhundert, ist in Berlin darüber diskutiert worden, wie man die Verwaltung besser aufstellen kann, wie man sie modernisieren kann, wie man die Zusammenarbeit zwischen Senat und den zwölf Bezirken professionalisieren kann, wie man effizienter, ja, und vor allem schneller werden kann – mit dem klaren Ziel, das Leben der Berlinerinnen und Berliner einfacher, schneller und besser zu machen. Darum geht es, damals wie heute.
Ein Vierteljahrhundert lang ist darüber debattiert worden – im Senat, mit den Bezirken oder ohne sie, in diversen Kommissionen, im Abgeordnetenhaus oder auch in Verbänden und Organisationen. Ich bin mir sicher: Alle, ja alle, haben es ernsthaft versucht. Doch es gab, und das wissen Sie in diesem Hohen Haus am besten, immer neue Fragen. Es gab politische Hindernisse, es gab auch Befürchtungen, teils Angst, vor zu viel Veränderung.
Deshalb bin ich sehr froh, dass wir alle gemeinsam vor zwei Jahren diesen Prozess noch einmal neu beginnen konnten und wir uns alle gemeinsam auf einen Weg gemacht haben. Ich bin Ihnen allen sehr dankbar, dass Sie sich auf dieses Experiment eingelassen haben. Zwei Jahre lang haben wir als demokratische Parteien an einer grundlegenden Reform der Berliner Verwaltung gearbeitet. Es war ein intensiver, auch an mancher Stelle mühevoller Prozess, aber es hat sich gelohnt. Viele haben daran mitgearbeitet, sich bei Klausurtagungen, bei politischen Spitzenrunden, bei Berichterstattergesprächen, in kleineren oder größeren Formaten eingebracht und um die besten Ergebnisse gerungen.
Wir haben uns mit der Neuaufstellung der Verwaltung nicht beschäftigt, damit wir uns mit uns selbst beschäftigen können, sondern weil wir gemeinsam ein Ziel haben: Die Verwaltung in Berlin muss gut, ja, sie muss schnell funktionieren.
Dafür brauchen wir klare Zuständigkeiten. Das heißt auch, dass die Zuständigkeiten für alle transparent sein
müssen. Jede Berlinerin und jeder Berliner hat das Recht zu wissen: Wer ist für was zuständig? Der Senat oder der Bezirk? Wir brauchen dementsprechend auch eine klare Aufgabenverteilung zwischen Senat und Bezirken. Deshalb haben wir die Themen in übersichtliche Bereiche gegliedert und klar festgelegt, welches Senatsressort wofür zuständig ist.
Wir schaffen Ordnung in der Berliner Verwaltung. Künftig wird niemand mehr Themen aus einem Politikfeld herauslösen können, nur weil es in Koalitionsverhandlungen politisch opportun erscheint. Wir beenden diese zersplitterte, politisierte Zuständigkeitslogik. Das bedeutet: Was zusammengehört, bleibt auch zusammen.
Derzeit entsteht der neue Aufgabenkatalog, und anschließend stellen wir konsequent auch die Frage: Was davon braucht Berlin wirklich? Alles, was nicht notwendig ist, kommt dann auf den Prüfstand, denn gute Verwaltung heißt auch, sich von Ballast zu befreien. Das ist Bürokratieabbau, der seinen Namen verdient. Wir bringen Ordnung ins System, Verfahren werden vereinheitlicht, Abläufe gestrafft, Prozesse entwirrt – damit Berlin endlich schneller wird.
Wir geben der Stadt eine klare gesamtstädtische Steuerung – nicht gegen, sondern mit den Bezirken gemeinsam. Uns eint auch das: Ja, wir wollen ein starkes Berlin, und wir wissen, dass es ein starkes Berlin nur mit starken Bezirken gibt. Deshalb stärken wir die Bezirke nicht nur auf dem Papier, sondern in ihrer alltäglichen Arbeit, indem wir ihre Expertise von Anfang an einbinden, indem wir mit der Einigungsstelle ein faires, verbindliches Instrument schaffen, um Streit nicht eskalieren zu lassen, sondern zu lösen, und vor allem, indem wir mit der Konnexitätsregel ein Versprechen in die Verfassung schreiben, das längst überfällig ist: Wer den Bezirken neue Aufgaben gibt, muss auch die Mittel dafür bereitstellen – so einfach und so gerecht.
Diese Regel gibt den Bezirken Planungssicherheit. Sie stärkt das Vertrauen, und sie sorgt dafür, dass staatliche Aufgaben nicht an Geld oder an Zuständigkeiten scheitern. Das ist nicht nur ein Fortschritt in der Verwaltung, das ist ein neuer Umgang miteinander – ein echtes Miteinander von Senat und Bezirken, von dem am Ende alle Berlinerinnen und Berliner profitieren.
Diese Verwaltungsreform, die der Senat heute dem Abgeordnetenhaus mit dem Landesorganisationsgesetz und den Verfassungsänderungen vorschlägt, ist neudeutsch gesagt ein echter Gamechanger. Künftig wird es kein Behördenpingpong mehr geben, weil die Zuständigkeiten klar sind. Dann herrscht keine Unsicherheit mehr, wer eigentlich verantwortlich ist. Dann kann auch keiner
Natürlich weiß ich auch, dass die neuen Regeln erst noch gelernt und umgesetzt werden müssen, dass eine solch umfassende Verwaltungsreform ein fortdauernder Prozess ist. Sie sehen mich hier heute aber sehr zuversichtlich und sehr optimistisch, denn ich habe in den vergangenen Monaten und Wochen verfolgen können, wie sehr Sie alle, mit welch beeindruckendem Elan die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in der Verwaltung an der Reform mitgewirkt haben – weil wir alle das Beste für Berlin wollen, weil wir mit einer gut funktionierenden Verwaltung auch erreichen, dass Berlin für die Berlinerinnen und Berliner wieder besser funktioniert, bei Behördengängen oder im Bürgeramt, bei Bauanträgen, Baugenehmigungen und beim Bau neuer Wohnungen, bei der Verkehrsplanung und der Sanierung von Straßen und Brücken, in der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Forschung. Wenn wir die Verwaltung fit für die Zukunft machen, machen wir Berlin zukunftsfest, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Deshalb bin ich überzeugt, dass nach Ihren Beratungen und nach dem Beschluss des Abgeordnetenhauses diese, ja, unsere gemeinsame Verwaltungsreform auch wirken wird. Ich bin mir sicher, dass wir an der Umsetzung weiterarbeiten und den Prozess zusammen gestalten werden.
Viele haben in den vergangenen Tagen auch gefragt: Braucht es wirklich eine Verfassungsänderung? Müssen wir für die Neuaufstellung der Verwaltung wirklich auch noch die Verfassung ändern? – Nicht ohne Grund gibt es für eine Verfassungsänderung hohe Hürden. Nicht ohne Grund ist dafür eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Ich sage: Ja, wir brauchen eine große Lösung! Wir brauchen auch die Verfassungsänderung, denn wir wollen diese Verwaltungsreform nicht für uns hier im Parlament, wir wollen eine grundlegende Neuordnung der Verwaltung in der Berliner Verfassung verankern, um Berlin damit für die Zukunft fest und gut aufzustellen. Wir wollen diese Verwaltungsreform in der Verfassung verankern, damit sie auch für zukünftige Generationen wirkt, denn auch für sie machen wir das, für unsere Kinder und Enkel, für nachfolgende Generationen.