Inhaltliche Gründe haben die Kollegin KühnemannGrunow, aber auch der Kollege Omar genannt. In der Tat: Berlin und Tel Aviv verbindet viel, gerade vor allem, dass beide Städte ein Zufluchts- und Sehnsuchtsort für die queeren Communitys nah und fern sind. Das, finde ich, hat eine gemeinsame Tradition, die wir gemeinsam pflegen sollten.
Wenn ich mir den Antrag aber ansehe, dann muss ich sagen: Meine Herren! Der Antrag hat einen Satz – und man hätte ihn noch kürzer machen können.
Jetzt aber wirklich! Ich erinnere mich: 2023 war der Regierende Bürgermeister bei uns im Ausschuss und hat für diese Städtepartnerschaft geworben. Bei den meisten Mitgliedern des Ausschusses traf das auf Gegenliebe. Angekündigt war, dass Ende 2023 nach den dann geplanten Kommunalwahlen in Tel Aviv diese Städtepartnerschaft abgeschlossen werden sollte. Nun sind diese Wahlen 2023 aufgrund des Terroranschlags der Hamas auf letztes Jahr verschoben worden. Sie haben im letzten Jahr stattgefunden, und in der Tat, die Kollegin KühnemannGrunow verwies darauf, hat die Koalition „Ein Tel Aviv“ dort eine überwältigende Mehrheit errungen – eine Koalition, die für eine Zweistaatenlösung eintritt. Das ist auch
Jetzt ist es in der Tat angesagt, diese Städtepartnerschaft dann auch tatsächlich umzusetzen, und Herr Regierender Bürgermeister, wenn Sie diesen Auftrag des Abgeordnetenhauses brauchen, dann sollen Sie ihn erteilt bekommen. Ich finde, den bräuchte es eigentlich nicht. Insofern: Nehmen Sie unser Wohlwollen zu dieser Städtepartnerschaft entgegen, wir werden dem Antrag auch zustimmen, aber ich finde, der Senat hätte das auch selbst tun können, und das steht eher dafür, dass die Koalition vor den wichtigen Fragen dieser Stadt wegläuft und sich mit Städtepartnerschaftsanträgen in der Priorität hier versucht,
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der schwarz-roten Koalition wird gern über ungelegte Eier geredet. So ist es auch bei der ins Auge gefassten Städtepartnerschaft mit Tel Aviv der Fall. Im Koalitionsvertrag wurde die Städtepartnerschaft bereits erwähnt. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, Herr Regierender Bürgermeister: Einen Tag nach Ihrer Vereidigung waren Sie auf dem Israeltag am Wittenbergplatz und haben dort die Städtepartnerschaft angekündigt, was dort auf großen Applaus gestoßen war. Im September 2023 hieß es dann, dass Sie nach Tel Aviv fahren, um die Städtepartnerschaft zu vereinbaren. Aber was ist geschehen, seit Sie im Februar 2024 in Tel Aviv waren und mit Bürgermeister Ron Huldai gesprochen haben? Bislang gab es dazu, zumindest theoretisch, zwei denkbare Erklärungen, die ich jetzt einmal Szenario eins und Szenario zwei nennen will.
Szenario eins: Die Gespräche zwischen beiden Seiten laufen auf Hochtouren, und wir stehen – möglicherweise jetzt zum 60. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel – kurz vor der Ankündigung der Städtepartnerschaft.
Oder aber Szenario zwei: Es passiert nach großen Ankündigungen substanziell herzlich wenig, und die Sache hängt bereits ein zweites Mal in der Luft, nachdem ein erster Anlauf vor gut zehn Jahren unter dem damaligen Regierenden Bürgermeister Müller ebenfalls im Sande verlaufen war. Müller war damals aus Anlass des fünfzig
jährigen Jubiläums der deutsch-israelischen Beziehungen in Tel Aviv und hatte auch einige konkrete Abmachungen im Gepäck. Außerdem ist ihm dann seine Staatssekretärin Chebli mit einer Delegation vom Rütli-Campus gefolgt – aber viel mehr ist damals auch nicht passiert.
Jedenfalls, was die Unklarheit über Szenario eins oder Szenario zwei bei Ihrem erneuten Anlauf, Herr Wegner, auf die Städtepartnerschaft anbelangt, haben wir dank Ihres Antrags jetzt seit einer Woche Klarheit. Es läuft, wen wundert es, wieder einmal Szenario zwei. Das heißt: Die Dinge kommen erneut nicht voran. Da frage ich mich schon, warum das der Fall ist, Herr Wegner. Wäre es anders, hätte Ihr Senat nämlich, wahrscheinlich in diesen Tagen oder spätestens zum 60. Jubiläum im Mai, eine Ankündigung gemacht. Stattdessen heißt es jetzt mit niederschmetternder Deutlichkeit in Ihrem eigenen Antrag:
Mit anderen Worten, ich übersetze das einmal in Alltagssprache: Allzu viel ist da nicht gelaufen, jetzt wird es Zeit, die Ärmel hochzukrempeln, damit das überhaupt noch was wird – ein Armutszeugnis, das Sie sich mit diesem Antrag selbst ausstellen.
Aber sei es, wie es sei: Wir unterstützen Sie gern dabei, die Sache jetzt endlich ernsthaft in Angriff zu nehmen,
denn eine Städtepartnerschaft Berlins mit einer israelischen Stadt und hier insbesondere mit Tel Aviv – es wurde gesagt – würde Berlin sehr gut zu Gesicht stehen.
Übrigens: Die letzte Städtepartnerschaft zwischen Tel Aviv und einer deutschen Stadt wurde 2015 mit Freiburg im Breisgau verabredet. Ich kann dem Senat nur raten, sich den damaligen Vorlauf und auch die heutige Intensität der Städtepartnerschaft zwischen Freiburg und Tel Aviv anzuschauen – mit dem Besuch zahlreicher Delegationen, Austauschprogrammen von Schulen, der Handwerkskammern, von Chören und Orchestern, gemeinsamen Konzerten in beiden Städten jedes Jahr und so weiter und so fort. Da zeigt sich, was auch für Berlin möglich wäre.
Vor einer Sache möchte ich Sie aber ausdrücklich warnen, lieber Herr Cywinski, und zwar der symbolischen und historischen Überfrachtung einer solchen Städtepartnerschaft, wie sie im ersten Absatz der Begründung Ihres Antrags unübersehbar anklingt. Wenn CDU und SPD von, Zitat, „unserer Hilfe für Israel und die israelischen Städte“ sprechen, dann klingt das nicht so, als ginge es um eine Städtepartnerschaft auf Augenhöhe, sondern das klingt eher, als käme man auf einen Bittsteller zu, der um Almosen bittet.
Das ist wirklich absurd. Glauben Sie wirklich, dass aus dieser Beschreibung eine positive Vision für eine Partnerschaft hervorgehen kann? Diese gönnerhafte Herangehensweise wird bei einer so selbstbewussten, erfolgreichen und vitalen Stadt wie Tel Aviv sicherlich nicht funktionieren. Es sind übrigens vor allem wir, die von dieser Partnerschaft einiges von unseren israelischen Freunden lernen können. Was meines Erachtens auch nicht geht, ist, dass die Städtepartnerschaft jetzt als Feigenblatt für Ihr Versagen beim Kampf gegen den Antisemitismus hierzulande herhalten muss.
Genau das klingt auch im ersten Absatz an. Da müssen Sie sich schon etwas anderes einfallen lassen, Herr Wegner, denn über die Tatsache, dass Sie beim Kampf gegen den Antisemitismus, etwa bei der Antisemitismusklausel, auf halber Strecke oder schon davor stecken geblieben sind, kann auch eine noch so gut gemeinte Städtepartnerschaft nicht hinwegtäuschen. Trotz all dieser Schwächen werden wir selbstverständlich gern diesen Antrag und die dahinterstehende Idee einer Partnerschaft mit Tel Aviv unterstützen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordnete Dr. King einen Redebeitrag angemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wichtig, und ich bin natürlich auch dafür, so wie offensichtlich alle hier, dass die deutsche Hauptstadt eine israelische Partnerstadt bekommt. Es stimmt auch: Es ist wirklich höchste Zeit. Gerade Tel Aviv hat natürlich viele Verbindungen zu Deutschland und zu Berlin: künstlerische und städtebauliche – Stichwort „Weiße Stadt“, die von jüdischen deutschen Architekten aufgebaut wurde, die vor den Nazis geflohen sind, darunter auch Berliner Architekten. Menschliche, biografische und historische Bezüge gibt es sowieso.
Internationale Beziehungen sind nicht nur Sache der Regierungen, sondern der Menschen. Darüber haben wir jetzt gerade vorgestern auf unserer Delegationsreise mit Abgeordneten unserer Partnerstadt Brüssel gesprochen. Das ist ganz wichtig, und Städtepartnerschaften können diesen hohen Anspruch einlösen, wenn es richtig gemacht ist. Im Moment erleben wir das auch mit unserer Partnerstadt Istanbul. Viele Menschen in Berlin unterstützen die Proteste der Istanbuler Bürger gegen die Absetzung und Verhaftung ihres gewählten Bürgermeisters. Tausende demonstrieren in Istanbul und viele zugleich hier in Berlin. Hierzu gibt es nachher auch noch eine Debatte. Die Präsidentin hat auch Richtiges dazu gesagt.
Mit Tel Aviv entscheiden wir uns für eine hoffentlich künftige Partnerstadt in einem Land, das sich im Krieg befindet, einem Land, das am 7. Oktober 2023 von der Terrororganisation Hamas überfallen wurde, mit vielen Opfern – das wurde dargestellt –, und das seither, und derzeit wieder verstärkt, Krieg in Gaza führt – ein Krieg, das wollen wir nicht vergessen, der das Leben Tausender Zivilisten gekostet hat, darunter auch Angehörige Berliner Familien, ein Krieg, in dem erst wieder vor drei Tagen zwei Journalisten gezielt ermordet wurden, ein Krieg, mit dem viele Menschen in Israel, gerade auch in Tel Aviv, nicht einverstanden sind und der die Gesellschaft dort spaltet.
Von dieser Städtepartnerschaft, wenn sie denn kommt, müssen deshalb Friedensimpulse ausgehen, auch schon in der Anbahnung. In Berlin leben nach Schätzungen rund 30 000 Israelis und um die 40 000 Palästinenser. Das ist doch eine große Chance, um eine solche Städtepartnerschaft mit Tel Aviv mit Leben zu füllen und auch als Brücke zu verstehen zwischen den Berliner Palästinensern und Israelis und Israelis und Palästinensern in Tel Aviv und Israel.
Die Vorzeichen könnten allerdings besser stehen. Anfang Februar wurden die Berichterstatterin der Vereinten Nationen für Gaza, Albanese, und der israelische Autor Weizman von der Freien Universität ausgeladen, wo sie einen Vortrag halten wollten, ausgeladen auf Druck unter anderem des Regierenden Bürgermeisters. Das ist ein einmaliger Vorgang und auch kein guter Vorgang. Denn Cancel Culture, Auftrittsverbote, Generalverdacht gegen alle, die sich gegen den Gazakrieg einsetzen, sind keine guten Voraussetzungen für eine lebendige Partnerschaft. Das sind eher die Zutaten einer angstbesetzten, von politischer Korrektheit erstickten Politik.
Unsere israelischen Partner haben anderes verdient. Sie selbst gehen jeden Tag gegen ihre Regierung und gegen den Krieg und für die Heimkehr der Geiseln auf die Straße, gerade in Tel Aviv. Sie wollen Frieden, und wir sollten es auch wollen.
Ein schlechtes Beispiel – weil vorhin ja auch gesagt wurde, Städtepartnerschaften sollten nicht nur Symbolpolitik sein – für so etwas ist das Hickhack in Neukölln um die Benennung von Sitzungssälen im Rathaus Neukölln – von Ihrer Partei, Herr Omar, initiiert. Da wurde jetzt ein Sitzungssaal, der nach der russischen Partnerstadt von Neukölln, Pawlowsk-Puschkin, benannt war, aus politischen Gründen umbenannt. Der soll jetzt den Namen der Neuköllner Partnerstadt Bat Jam in Israel tragen, übrigens ein Vorort von Tel Aviv.
Ich finde, das ist so läppisch, so sollte man wirklich nicht mit den Verbindungen, die man zu den Menschen an anderen Orten der Welt geknüpft hat, umgehen. Das wird weder den Menschen in Pawlowsk-Puschkin noch denen
in Bat Jam gerecht. Das ist dann wirklich nur noch Symbolpolitik und vielleicht ein Beispiel, an dem man lernen kann, wie man es nicht machen sollte. – Danke!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien. – Widerspruch höre ich dazu nicht. Dann verfahren wir so.
Alle Opfer in den Reihen der Nachfolgestaaten der Sowjetunion beim Gedenken an den 8. Mai berücksichtigen
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 8. Mai dieses Jahres jährt sich der Tag des Endes des Zweiten Weltkrieges, der Tag der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zum 80. Mal.