Und wenn es jetzt zu einer Schlichtung kommen sollte, dann, sage ich mal, wäre Gregor Gysi wahrscheinlich eine gute Wahl. Er hat ja schon vor 20 Jahren beim Tarifstreit bei der Berliner S-Bahn vermittelt.
Apropos S-Bahn: Was macht eigentlich die S-Bahn-Ausschreibung? Man musste schon sehr den Kopf schütteln über die Begründung für die siebte Verschiebung der Abgabefrist für die neuen S-Bahn-Fahrzeuge. Da war doch die Rede davon, dass Berlin und Brandenburg wieder darüber debattieren, ob die neuen Fahrzeuge von 750 Volt auf 1 500 Volt umrüstbar sein müssen.
Die Entscheidung dazu ist getroffen worden. Man kann sie gut oder schlecht finden, es gibt Vor- und Nachteile, das streite ich gar nicht ab. Aber keine Regierung, weder die in Berlin noch die in Brandenburg, kann es sich leisten, diese Debatte neu vom Zaun zu brechen, es sei denn, sie will die Ausschreibung bewusst noch bis zu den nächsten Abgeordnetenhauswahlen verschieben, weil sie mit einem Scheitern rechnet. Der Zustand der alten SBahn-Fahrzeuge wird damit allerdings nicht besser.
Das mag vielleicht auch noch mal ein kleiner Hinweis an Herrn Kraft sein: Wenn Sie jetzt ausführen, was Sie alles machen und dafür sorgen würden, dass Dinge nicht verzögert werden – hier ist das Ihre ureigene Verantwortung, hier verzögern Sie ganz klar. Das kann man ganz klar nachweisen.
Und wenn diese S-Bahn-Fahrzeuge nicht ersetzt werden, dann lässt 2009 grüßen, wie der Fahrgastverband richtig schreibt. Die damalige S-Bahn-Krise hatte die Deutsche Bahn zu verantworten. Eine bald nicht mehr abzuwendende Fahrzeugkrise ab 2030 werden dann die Länder Berlin und Brandenburg zu verantworten haben, denn es ist übersichtlich: Wenn nicht gehandelt wird, ist die Situation so: 2029 werden zehn Fahrzeuge abgestellt, ein Jahr später weitere zehn, 2031 weitere 19 –
Lassen Sie mich zusammenfassen: Dieser Senat muss dringend in den Erhalt dieser Infrastruktur investieren und in den öffentlichen Nahverkehr.
Daran werden wir Sie messen. Wir werden Ihnen nicht durchgehen lassen, dass Sie in absurde Verkehrs- und Prestigeprojekte investieren wollen anstatt in das, was Berlin am Laufen hält und das Funktionieren der Stadt sicherstellt. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zunächst erst mal sehr froh darüber, dass die Autobahn GmbH durch die umfangreichen und dauerhaften Untersuchungen rechtzeitig auf die Zustandsveränderung der Rissbildung der Ringbahnbrücke reagieren konnte. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn die Brücke unter Volllast nachgegeben hätte und auf die darunter liegenden Bahngleise gestürzt wäre.
Ich denke in diesem Zusammenhang nicht an die Carolabrücke in Dresden, sondern in erster Linie an den Einsturz der Autobahnbrücke 2018 in Italien, in Genua, mit 43 Toten. Dann würden wir hier heute im Plenum über ein ganz anderes Thema sprechen.
Wir stehen nun also vor großen verkehrlichen Herausforderungen. Das wurde gestern sowohl auf der Pressekonferenz als auch im Ausschuss für Mobilität und Verkehr sehr deutlich. Deshalb ist das Gebot der Stunde, dass alle Akteure in Verantwortung handeln und nicht in Zuständigkeiten denken. Es muss Hand in Hand gearbeitet werden, und es müssen tragfähige und langfristige Lösungen gefunden werden, gemeinsam. Diese erforderlichen Schritte wurden in den letzten Tagen eingeleitet und mit Hochdruck vorangetrieben. Auf der gestrigen Pressekonferenz, aber auch im Ausschuss haben wir erfahren, dass der Schwer- und Wirtschaftsverkehr weiterhin eine große Herausforderung darstellt. Dabei geht es nicht nur um den Transit, sondern vor allem um die Versorgung unserer
Stadt. Der Senat muss nun schauen, wie sich das Nahumfahrungskonzept und die Vorbehaltsrouten einspielen und inwieweit es tatsächlich zu einer Entlastung vor Ort führt.
Auch wenn aus der Vollsperrung inzwischen eine Teilsperrung geworden ist – auf der Straße kommt natürlich keine Freude auf. Die Situation bleibt angespannt für alle, für die, die mit dem Auto unterwegs sind, und auch für jene, die derzeit damit beschäftigt sind, Lösungskonzepte zu entwickeln und zu erarbeiten. Auch das wurde gestern im Ausschuss für Mobilität und Verkehr sehr deutlich.
Mit der Vorstellung des Verkehrskonzepts wurde gestern Mittag ein weiterer wichtiger Schritt getan. Natürlich macht es mehr Freude, neue Bauwerke zu eröffnen und einzuweihen und Bändchen durchzuschneiden, aber das Land Berlin steht in Verantwortung für 867 Brückenbauwerke. Hier haben wir einen Sanierungsstau – Kollege Kraft hat es angesprochen – in Höhe von 1 Milliarde Euro, und bei den U-Bahn-Tunneln im Westteil der Stadt haben wir einen Sanierungsstau in Höhe von 3 Milliarden Euro. Hier müssen wir jetzt die Prioritäten setzen und die bestehende Infrastruktur mit einem durchdachten Sanierungskonzept auf Vordermann bringen. Die hierfür benötigten Finanzmittel müssen wir, das Parlament – das sind wir –, zur Verfügung stellen. Da haben wir eine gemeinsame Aufgabe, eine Hausaufgabe. Das 500-MilliardenEuro Sondervermögen unter anderem für die Infrastruktur ist ein richtiges und wichtiges Signal. Für uns ist aber auch klar, dass Berlin als Bundeshauptstadt und als Wirtschaftsstandort weitere finanzielle Zuschüsse erhalten muss.
An der Ringbahnbrücke wurden erste Maßnahmen umgesetzt oder befinden sich in der Realisierung. Der Senat, die Autobahn GmbH, die DEGES, die Deutsche Bahn, die S-Bahn und die Bezirke stehen jetzt miteinander im Austausch. Gleichwohl mein Appell an die Senatorin: Das Orchester ist vollständig und hat seine Plätze eingenommen. Jetzt liegt es an Ihnen als Dirigentin, dass alles ineinandergreift und alle Beteiligten gemeinsam spielen.
Schiefe Töne, schräge Töne dürfen wir uns jetzt in dieser Situation, bei diesen Herausforderungen, vor denen wir stehen, nicht leisten.
Die Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Rück- und Ersatzneubau müssen mit Priorität und Hochdruck beschleunigt und umgesetzt sowie perspektivisch die Fachkräfte, Planer und Ingenieure gebunden werden. Nur so gelingt es, den Verkehr in Berlin wieder in die Spur zu bringen.
Das bringt mich zur BVG. Unsere Verkehrsbetriebe sind ein großartiges Unternehmen, aber dort läuft es seit drei, vier Jahren nicht mehr so geräuschlos wie früher. Im
Vergleich zu anderen europäischen Metropolen haben wir nach wie vor einen exzellenten ÖPNV, der aktuell jedoch auf hohem Niveau schwächelt, sowohl beim Komfort und bei der Zuverlässigkeit als auch bei der Zufriedenheit der Beschäftigten. Dieser Realität muss sich die BVG stellen und sich anpassen, das bedeutet: Wer Qualität will, muss Qualität zahlen. Wenn das zu erwartende Einkommen potenzielle Beschäftigte davon abhält, für die BVG tätig zu werden beziehungsweise im Unternehmen zu bleiben, dann muss an dieser Stellschraube gedreht werden. Dabei muss klar sein: Es sind vor allem die Fahrerinnen und Fahrer der BVG, die unsere Stadt in Bewegung halten. Neben einem leistungsfähigen, robusten und modernen ÖPNV sind sie es, die dazu beitragen, dass die Verkehrswende in Berlin gelingt.
[Beifall bei der SPD – Beifall von Stefan Häntsch (CDU), Heiko Melzer (CDU) und Stephan Schmidt (CDU)]
Ich hoffe, dass die Tarifverhandlungen dazu beitragen, die BVG im bundesweiten Vergleich attraktiver zu machen als bisher. Denken wir an die Lebenshaltungskosten in unserer Stadt, dann wird klar, dass sich das auch im Portemonnaie der Beschäftigten widerspiegeln muss.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Catrin Wahlen (GRÜNE) und Christoph Wapler (GRÜNE)]
Was seitens des Senats darüber hinaus nötig ist, damit die BVG die verkehrlichen Bedarfe der Stadt wieder erfüllen kann, ist ja hinreichend bekannt. Das hat mir die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt in ihrer Antwort auf meine Schriftliche Anfrage mitgeteilt: eine Erleichterung beim Erwerb der Berufskraftfahrerqualifikation, die Senkung des Mindestalters für Busfahrerinnen und Busfahrer, die Anerkennung ausländischer Führerscheine, eine Digitalisierung bei der Führerscheinausbildung, die Klassifizierung von Fahrerinnen und Fahrern als Mangelberufe und vieles mehr.
Inwieweit, Frau Bonde, haben Sie als Senatorin diese Prozesse bereits angestoßen? Welche Bundesratsinitiativen haben Sie unternommen? Welche Vorschläge haben Sie in der Verkehrsministerkonferenz unterbreitet?
Darauf muss sich die BVG jetzt konzentrieren, und hier ist auch der Senat gefordert. Und Sie, Frau Bonde, müssen das in Ihrem Haus zur Chefinnensache machen.
Neben der Infrastruktur ist auch die Beschleunigung – das hat der Kollege Ronneburg angesprochen – des
ÖPNV von großer Wichtigkeit. Weil das nach wie vor in Berlin nicht gelingt, zahlen wir aktuell jedes Jahr 5 Millionen Euro für circa 100 zusätzliche Fahrerinnen und Fahrer, und das nur, um den Takt annähernd konstant zu halten. Dabei reden wir nicht über Taktverdichtungen, wir reden nicht über irgendwelche Angebotserweiterungen. Dieser Quatsch muss endlich aufhören.
Da muss endlich Druck auf den Kessel gemacht werden. Die Lichtsignalanlagen sind auf ÖPNV-Beschleunigung anzupassen, und die Bussonderfahrstreifen sind endlich anzuordnen.
Seit Freitag, Frau Senatorin, haben Sie alle Möglichkeiten dieser Welt. Nutzen Sie diese. Handeln Sie!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es eingangs gesagt: In herausfordernden Zeiten ist es richtig, in Verantwortung zu handeln und nicht in Zuständigkeiten zu denken. Nur so kommen wir in Berlin voran. Die Unterstützung, meine Unterstützung und die meiner Fraktion, Frau Senatorin, die kann ich Ihnen hierbei zusichern. – Vielen Dank!
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Ario Ebrahimpour Mirzaie (GRÜNE)]