Ich verhehle nicht, dass die Herausforderungen, vor denen wir dabei stehen, gewaltig sind aus unterschiedlichen Gründen und im Übrigen nicht ideologischen, wie Sie vermuten. Ich habe die Demografie als eine der größten Herausforderungen dargestellt. Das ist es aber nicht allein. Natürlich stellt uns auch die Entwicklung der fiska
lischen Rahmenbedingungen vor enorme Herausforderungen, setzt uns unter ganz enormen Druck. Ich will das mal für eine Kommune, wie Berlin es ist, verdeutlichen. Wir hatten jüngst eine Umfrage unter den 100 größten Städten in Deutschland kurz vor der Bundestagswahl, die die aktuelle Haushaltslage sehr deutlich dokumentiert hat. Das Ergebnis war, dass 95 Prozent der Kommunen in Deutschland, 95 Prozent dieser 100 größten Städte, die dort befragt waren, sich in einer dramatischen Haushaltslage befinden. Es ist nicht Berlin allein. Es ist ein Problem, das die Kommunen in Deutschland teilen. Ich wünschte mir, dass dieses Thema im Vorfeld der Bundestagswahl eine größere Rolle gespielt hätte.
Ich glaube, viel, was wir von Vertrauensverlust in Demokratie im Moment erleben und erleiden, hat auch damit zu tun, dass die Menschen zunehmend Vertrauen in die Funktions- und Zukunftsfähigkeit von Staat verlieren. Darauf müssen wir gemeinsam Antworten geben. Ich will Ihnen mal sehr deutlich sagen: Es wird immer davon gesprochen, dass wir vor allem ein Einnahmenproblem haben. Ich glaube, wir haben durchaus ein Ausgabenproblem, aber es greift zu kurz nur zu sagen, die Ausgabe an sich ist das Problem. Unser Ausgabenproblem als Kommunen ist ein Aufgaben- und Auflagenproblem. Wenn der Staat zunehmend überfrachtet wird mit Anforderungen, die wir am Ende nicht mehr erfüllen können, dann liegt das größte Potenzial nicht nur zur Entlastung von Verwaltung und zur Stärkung der Leistungsfähigkeit von Verwaltung allein in Digitalisierung von Prozessen und allein in Personalgewinnungsanstrengungen, die wir alle miteinander unternehmen, sondern auch darin, mal die Frage zu beantworten: Wann eigentlich macht man sich ehrlich – da adressiere ich auch an die künftige Bundesregierung, eine künftige Koalition – im Umgang mit unseren Kommunen, mit Ländern und Kommunen, die sich sämtlich in angespannter, wenn nicht dramatischer Haushaltslage befinden und die sich allein nicht daraus werden befreien können, wenn nicht auf Bundesebene die Frage beantwortet wird: Was sind die Kernaufgaben staatlicher Daseinsvorsorge, auf die unsere Kommunen sich zu konzentrieren haben, und wie statte ich sie dafür mit den notwendigen Spielräumen, mit den notwendigen Mitteln aus?
Und ja, das beinhaltet gleichzeitig die Frage: Was sind die Dinge, von denen ich meine Kommunen künftig entlaste? Das kostet nämlich gar kein Geld. Das sind mutige politische Entscheidungen, die dafür erforderlich sind. Aber wenn ich Gefahr laufe, dass das gesamte Aufgabenvolumen unserer Kommunen, unsere staatlichen Strukturen, unsere öffentliche Verwaltung zu überfordern droht, wenn wir perspektivisch, wenn wir nicht entschieden gegensteuern, auch Dysfunktionalität befürchten müssen, dann liegt der Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage nicht, wie Sie vermuten, in der Beseitigung ideologischer Vorbehalte und Streitigkeiten in Berlin, sondern darin, dass die Bundesgesetzgebung sich der Realität in den
Kommunen anzupassen hat oder die Realität in den Kommunen, insbesondere finanziell, der Bundesgesetzgebung anzupassen ist. Das ist im Moment nicht der Fall, und ich glaube, es ist eine der größten Aufgaben der neuen Bundesregierung in dieser Legislaturperiode, hier zu einer Stärkung der Kommunen zu kommen. Denn es entscheidet sich in den Kommunen, ob die Menschen Vertrauen in den Staat behalten. Es entscheidet sich die Zukunft unserer Demokratie eher auf der kommunalen als auf anderen politischen Ebenen. Ich glaube, sich dem zu stellen, wird eine der großen politischen Aufgaben der künftigen Koalition. Ich wünsche mir, dass das auch in der Wahrnehmung eine größere Rolle spielt, als ich es bisher erlebe.
Vielen Dank! – Dann will ich noch mal daran erinnern, dass schon die Fragen so gefasst sein sollen, dass sie eine kurze Beantwortung ermöglichen. Und der erste, der sich jetzt neu daran versuchen darf, ist der Kollege Wapler von der Fraktion Bündnis 90/Grüne. – Bitte schön!
Dann muss die Antwort auch kurz sein. Entgegen nämlich aller wortreichen Bekenntnisse zur Vielfalt haben wir die massive strukturelle Diskriminierung innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes. Sie haben von Entgegenwirken gesprochen. Die Frage ist, wie? Was tun Sie konkret, damit Diskriminierung nicht mehr stattfindet, benachteiligte Gruppen einen Job finden und in Führungspositionen aufsteigen? Die Lage ist nicht besser geworden, und ich habe von Ihnen nichts Konkretes gehört, was Sie dagegen tun wollen.
Senatorin Cansel Kiziltepe (Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung):
Vielen Dank, Herr Präsident! – Vielen Dank, Herr Abgeordneter, für die Frage! Vielen Dank auch an Stefan Evers! Wir arbeiten Hand in Hand. Wir haben letztes Jahr Ende Januar eine Umfrage gestartet, eine anonyme und freiwillige Umfrage, zum Migrationshintergrund in der öffentlichen Verwaltung. Das ist im Übrigen auch so im Partizipationsgesetz vorgesehen. Das heißt, wir setzen das Partizipationsgesetz um. Wir halten uns an das Gesetz. Es war eine wichtige Umfrage, auch oder trotz anfänglicher Schwierigkeiten, weil wir eine geringe Beteiligung hatten. Das hatte natürlich einen Grund. Weil sich Rechtsextreme in Potsdam getroffen hatten und über Remigrationspläne sprachen, hatten viele Angst, auch auf irgendwelchen Listen zu landen.
Das heißt, wir mussten auch noch mal aufklären. Wir haben den Umfragezeitraum verlängert, und wir haben letztendlich eine repräsentative Umfrage und repräsentative Ergebnisse erzielen können, die durch das Landesamt für Statistik auch ausgewertet wurden.
Ergebnis ist, dass 21,7 Prozent der Mitarbeitenden im unmittelbaren Landesdienst einen Migrationshintergrund oder Migrationsgeschichte haben. Das ist uns deutlich zu wenig. Finanzsenator Evers hat deutlich gemacht, dass es uns wichtig ist, dass wir die Vielfalt, die Potenziale einer vielfältigen Stadt auch in der öffentlichen Verwaltung sehen möchten. Das heißt, wir möchten auch den Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte im Landesdienst erhöhen. Das ist das Ziel dabei. Jetzt prüfen wir gemeinsam mit dem Finanzsenator, der auch zuständig für Personal hier in der öffentlichen Verwaltung ist, wie wir das machen können, wie wir als Arbeitgeber attraktiver werden können für alle Gruppen in Berlin. Sofern wir das dann abschließend auch bearbeitet haben, werden wir auch Vorgaben für die Verwaltungen im öffentlichen Dienst haben, um diesen Anteil zu erhöhen. – Vielen Dank!
Dann geht die nächste Frage an die Kollegin Dr. Haghanipour von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: Ist die Bildungsverwaltung mit BIG, der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen, darüber im Gespräch, wie der gesamte Verein unterstützt werden kann, um seine Existenz zu sichern, die aufgrund der Einsparungen der Präventionsarbeit von BIG gefährdet ist.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Dr. Haghanipour! Alle unsere Träger, das möchte ich einmal ganz klar sagen, sind bereits im Dezember letzten Jahres darüber informiert worden, dass ihnen gegebenenfalls weitere Kürzungen bevorstehen. Mit dem Ausreichen von Vorschussbescheiden, die ausschließlich für das erste Quartal rausgegangen sind, nämlich bis zum 31. März, sind alle Zuwendungsempfänger darüber informiert worden, dass sie de facto gekürzt beziehungsweise auch vollständig eingestellt werden könnten nach dem 31. März. Das sage ich deshalb, weil hier immer suggeriert wird, dass mit den Trägern seit Ende letzten Jahres, als dieses Parlament den Dritten
Mit den Zuwendungsempfängern, die jetzt nach dem 31. März entweder von weiteren Kürzungen beziehungsweise kompletten Kürzungen betroffen sind, ist sehr wohl im Vorfeld gesprochen worden. Alle Abteilungen haben mit ihren Referatsleitungen, Sachbearbeitern, die auch in den letzten Jahren zuständig waren für die jeweiligen Zuwendungsempfänger, sowohl telefoniert, dann sind EMails rausgegangen und selbstverständlich ist auch auf dem postalischen Weg der jeweilige Zuwendungsempfänger, damit das auch rechtlich seine Form hat, informiert worden.
Und ja, gerade dort, wo wir nur Teilkürzungen vorgenommen haben, Frau Dr. Haghanipour, sprechen wir mit den Zuwendungsempfängern, was das bedeutet sowohl in der Angebotsdichte als auch gegebenenfalls für einzelne Projekte. Das sind aber sehr individuelle Gespräche und Entscheidungen. Aber um Ihre Frage zu beantworten – auch wenn mir gerade keiner zuhört –: Wir haben mit allen Zuwendungsempfängern, in dem Fall dann auch mit BIG, gesprochen. – Vielen Dank!
Dann frage ich die Kollegin Dr. Haghanipour, ob sie nachfragen möchte. – Das ist offenbar der Fall. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Vielen Dank an die Senatorin für die Beantwortung! Die letzte Bildungssenatorin hat ja den Landesaktionsplan zur Istanbul-Konvention gegen häusliche Gewalt mit unterzeichnet. Was gedenkt denn die jetzige Bildungssenatorin Günther-Wünsch zu tun, nachdem ein Präventionsprojekt in ihrem Ressort gestrichen wurde, um die Istanbul-Konvention umzusetzen, die ja auch Aufwüchse bedarf im Bildungsbereich?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Dr. Haghanipour! Das, was ich vorhin sagte, wiederhole ich gerne: BIG war nicht das einzige Projekt, das der Gewaltprävention dient und das die Bildungsverwaltung vorhält, um tatsächlich im Bildungsbereich, in Jugendfreizeiteinrichtungen, Familienzentren Angebote zu machen im Sinne der Gewaltprävention.
Das Thema häusliche Gewalt wird aber auch nicht ausschließlich – und so hat es ja auch Senatorin Kiziltepe
gesagt – über die Bildungsverwaltung gestützt, finanziert oder protektiert. Deshalb kann ich nur sagen, selbstverständlich haben wir weitere Projekte, mit denen wir der Verpflichtung, der Verantwortung und damit auch der Prävention, die im Zusammenhang mit der IstanbulKonvention steht, gerecht werden.
Gleichzeitig – Sie sprechen von Aufwüchsen, Frau Dr. Haghanipour – möchte ich eines noch mal ganz deutlich sagen; da ist die Bildungsverwaltung übrigens nicht alleine, das betrifft alle Verwaltungen, auch Sozialverwaltung, Kulturverwaltung und alle, wie sie hier im Raum sind: Wir werden im nächsten Doppelhaushalt 2026/27 keine Aufwüchse generieren können. Wir haben einen geringeren Eckwert als aktuell zur Verfügung. Das heißt, ich werde weitere Entscheidungen treffen müssen, wie ich die finanziellen Ressourcen für die Bildungsverwaltung verteile. In jeglichen Zusammenhängen von Aufwüchsen für einzelne Projekte zu sprechen, bedeutet, für andere Projekte weitere Kürzungen vorzunehmen. Das sagen die Finanzen und die Ressourcen – Sie alle kennen auch den Eckwertebeschluss, der im Senat vorgestellt worden ist – ganz deutlich, sodass ich immer ganz sensibel zumindest damit kommuniziere, wo wir tatsächlich von Aufwüchsen sprechen.
Gleichwohl ich Ihre Einschätzung teile, dass das Thema häusliche Gewalt ein sehr virulentes in dieser Stadt ist, wiederhole ich mich: Es ist nicht alleine die Aufgabe der Bildungsverwaltung, dieses zu meistern. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Da in der Bildungsverwaltung ja nur eine Auswahl von Trägern gekürzt oder gestrichen wurde und unterjährig sogar noch neue Projekte in die Förderung aufgenommen wurden, frage ich, welche fachlichen Kriterien zur Entscheidung in Bezug auf den Träger BIG e. V. geführt haben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Krüger! Diese Frage haben Sie im Bildungsausschuss ebenfalls gestellt. Ich habe Ihnen damals § 7 Landeshaushaltsordnung zitiert, nach dem jede Verwaltung an zwei Prinzipien gebunden ist: das Prinzip der Sparsamkeit und das Prinzip der Wirksamkeit, wenn es darum geht, Entscheidungen über Zuwen
dungen zu treffen. Ich habe Ihnen auch ganz transparent gemacht, dass wir alle Zuwendungsempfänger unter genau diesen zwei Maßgaben überprüft und dann die Entscheidungen getroffen haben.
Was de facto eine Falschaussage ist, ist, dass wir jetzt unterjährig noch einen Zuwendungsempfänger aufgenommen haben. Das stimmt nicht, sondern wir haben ganz klar, wie es der Einzelplan und der Parlamentsbeschluss zum Doppelhaushalt 2024/25 vorsehen, Zuwendungsempfänger im System gehabt, und unter all diesen sind auch Entscheidungen getroffen worden. Wir haben übrigens auch sehr wohl Anlage 9 des Dritten Nachtragshaushaltsgesetzes berücksichtigt, das von Ihnen im Parlament hier im Dezember verabschiedet worden ist, welche Träger und damit auch Zuwendungen geschützt sind. Bei diesen sind selbstverständlich keine Kürzungen vorgenommen worden. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: Wofür und wie wurde denn der Leitfaden Lieferflächen für Berlin entwickelt?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bocian! Zu einer funktionierenden Stadt gehört der Wirtschaftsverkehr; nicht nur zu einer funktionierenden Stadt, sondern der Wirtschaftsverkehr ist erforderlich, damit diese Stadt, unsere Stadt Prosperität genießt und sich weiter entwickelt. Durch den Wirtschaftsverkehr müssen rund 4 Millionen Menschen in dieser Stadt versorgt werden. Insofern ist uns als Senat sehr daran gelegen, den Wirtschaftsverkehr zu befördern und ihm Vorrang einzuräumen. Das tun wir unter anderem durch den von Ihnen erwähnten Leitfaden für Lieferflächen für Berlin.
Liefern und Laden soll dabei flächensparsam, effizient und sicher möglich sein. Aus diesem Grund haben wir den Leitfaden für Lieferflächen für Berlin erarbeitet. Hauptziel ist es, Konflikte im Straßenraum zu reduzieren und damit die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Zudem soll natürlich der Verkehrsfluss in Berlin erhöht werden, denn gleichzeitig senkt flüssiger Verkehr auch die CO2Emissionen. Den Leitfaden haben wir zusammen mit den Berliner Bezirken erarbeitet und natürlich auch mit
wirtschaftlichen Interessenverbänden. Denn wir wollen sicherstellen, dass Liefer- und Ladeverkehrsflächen in ausreichendem Maße und in angemessener Erreichbarkeit der zu beliefernden Geschäfte eingerichtet werden können. – Vielen Dank!
Dann frage ich den Senat noch mal nach den Schwerpunkten beziehungsweise Maßnahmen, die in diesem Leitfaden verankert wurden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bocian! Kernziel des Leitfadens ist es, den Berliner Bezirken eine Hilfestellung an die Hand zu geben, und zwar eine Hilfestellung bei der Planung, Ausgestaltung und Anordnung von Lieferflächen. Zugleich soll der Leitfaden aber auch allen anderen Verkehrsteilnehmern gut und verständlich zugänglich gemacht werden, damit sie den Lieferverkehr berücksichtigen und nicht behindern, indem sie auf den Lieferzonen, die dann ausgewiesen sind, selbst parken oder sie anderweitig belagern. – Vielen Dank!
Auch die zweite Nachfrage geht in die Fraktionen, dieses Mal bei Bündnis 90/Die Grünen, und zwar an die Kollegin Hassepaß. – Bitte schön!
Herzlichen Dank! – Die Priorisierung des Wirtschaftsverkehrs zum Funktionieren der Stadt begrüßen wir sehr. Meine Nachfrage wäre: Wenn Sie sagen, Vorrang für den Wirtschaftsverkehr, dann hat das ja natürlich zur Folge, dass man auch sagt, Nachrang für den privaten ruhenden Verkehr. Ist das dann die Konsequenz, die Sie auch mittragen können?