[Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Dr. Kristin Brinker und Rolf Wiedenhaupt (AfD)]
Es ist zutiefst beschämend und unerträglich, wenn Menschen in Berlin aufgrund ihrer Hautfarbe oder anderer Merkmale, die ihnen zugeschrieben werden, angegriffen, diskriminiert und benachteiligt werden. Auch das dürfen wir nicht dulden.
Um Antisemitismus, antimuslimischen Rassismus und alle Formen von Diskriminierung wirksam bekämpfen zu können, müssen wir sicherstellen, dass unsere Stadt die Rechte aller Berlinerinnen und Berliner in unserer Stadt schützt. Von der Arbeit der Kommission erwarte ich, dass wir uns für die wichtigen Fragen Zeit nehmen, die sämtliche Berlinerinnen und Berliner in unserem gemeinsamen Zusammenleben betreffen: Welche Spielregeln haben wir als Gesellschaft, die jeder und jede beachten muss und die für uns nicht verhandelbar sind? Wie übertragen wir das Grundgesetz – unsere wunderbare Verfassung, die von der riesigen Mehrheit der Bevölkerung enorm geschätzt wird, die aber erst mal nur aus Worten besteht, die mit Leben gefüllt werden müssen – in den praktischen Alltag der Menschen?
Ja, unser Grundgesetz gilt für alle und muss respektiert werden. Andersherum muss auch jeder Mensch in diesem Land vom Grundgesetz profitieren, denn die Würde des Menschen ist unantastbar, und das gilt für die Würde eines jeden Menschen in unserer Stadt und in dieser Republik.
Wenn wir uns diesen Fragen stellen, müssen wir auf die Gegenwart und Zukunft schauen, ohne jedoch unsere Geschichte zu vergessen. Denn die Fehler der Vergangenheit dürfen wir nicht wiederholen. Wenn wir wollen, dass junge Menschen mit Migrationsgeschichte unsere Geschichte zu ihrer Geschichte machen, dass sie unsere Verantwortung auch als ihre eigene Verantwortung begreifen, dann müssen wir zunächst einmal begreifen, dass diese Menschen ein Teil unseres Landes sind, und sie als Teil unserer Gesellschaft begreifen und akzeptieren. Dann sind sie bereit, das aus unserer gemeinsamen Geschichte entstandene „Nie wieder“ als ihre eigene Verantwortung zu verstehen.
Für die Kommission wünsche ich mir, dass wir bewusst vom hektischen Geschehen des politischen Tagesgeschäfts entschleunigen und dass wir Debatten versachlichen. Ich wünsche mir, dass wir unseren Teil dazu beitragen, dass wir nicht wieder erleben müssen, wie wir in einen politischen Wettbewerb verfallen, wer am besten darin ist, Menschen in Gefängnisse zu stecken, sie festzusetzen und ihnen ihre Würde zu nehmen. Gemeinsam werden wir darum Empfehlungen erarbeiten, auch über mögliche Gesetzesänderungen sprechen, und auch Änderungen an unserer Verfassung können dabei eine Rolle spielen.
Unter den Sechsjährigen in Berlin haben 60 Prozent der Berlinerinnen und Berliner einen sogenannten Migrationshintergrund. Deshalb ist die Frage nach einem friedlichen Zusammenleben in Vielfalt und Toleranz die entscheidende Zukunftsfrage für unsere Stadt Berlin. Ich möchte Ihnen daher von einer Begegnung erzählen, die ich kürzlich hier im Abgeordnetenhaus hatte. Nach einer Führung mit einer Schulklasse – eine 6. Klasse war das – kam ein Junge zu mir; er hätte eine Frage. Ich sagte: Klar. Worum geht es? Der Junge fragte mich zögerlich: Bist du für Israel oder Palästina? Ich sagte zu ihm: Ich stehe zu Israel, und ich stehe auch zu Palästina. Mein Herz ist groß genug für alle friedliebenden Menschen in Israel und in Palästina, die für ein friedliches, selbstbestimmtes, würdevolles Leben beider Völker stehen.
[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Ronald Gläser (AfD): Super Antwort!]
In diesem Moment konnte ich die Erleichterung in den Augen des Jungen sehen, und auch mir wurde wieder klar, dass es manchmal schon solche kleinen Momente und Gesten sind, die Brücken bauen und Hoffnung geben können.
Ich freue mich sehr auf die gemeinsame Arbeit in den kommenden Monaten und auf die Ideen und Vorschläge, die wir in dem Rahmen erarbeiten werden, damit Solidarität, Menschlichkeit und Empathie sowie ein Verständnis für das unterschiedliche Sein als Stärke auch für kommende Generationen das sind und das bleiben, was unsere Gesellschaft eint. Dazu will auch ich meinen Beitrag leisten und bin froh, dass wir in Berlin diesen Schritt gemeinsam mit den demokratischen Fraktionen gehen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Kollegin Jarasch das Wort.
„Ich glaube daran, dass Allah die Menschen in Vielfalt, also unterschiedlich … erschaffen hat, damit wir einander kennenlernen. Nicht damit wir uns aus dem Weg gehen, uns ausgrenzen, hassen oder“
„die Köpfe einschlagen, sind wir vielfältig. Sondern vielmehr sind wir es, damit es nicht langweilig wird, wir neugierig aufeinander bleiben und uns füreinander interessieren.“
Könnte es ein schöneres Motto für eine Enquete-Kommission geben, die Instrumente und Wege suchen soll, um den Zusammenhalt zu stärken, um Rassismus und Antisemitismus zu bekämpfen?
Das Zitat stammt von Derviş Hızarcı, dem muslimischen Gründer der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus KIgA, den wir als einen der Sachverständigen für die Enquete-Kommission benannt haben. Der Berliner Senat hat angekündigt, dass der Kampf gegen Antisemitismus oberste Priorität genießt. In der Enquete-Kommission werden wir darüber diskutieren, ob dieser Kampf sogar in die Landesverfassung aufgenommen wird, genauso wie der Kampf gegen antimuslimischen Rassismus – leider bitter nötig, haben doch seit dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel antisemitische Übergriffe in der Stadt massiv zugenommen. Das dürfen wir nicht dulden, und wir müssen auch auf antimuslimische Vorfälle in der Stadt reagieren.
Die KIgA allerdings wird derzeit abgewickelt, genauso wie die Bildungsarbeit von meet2respect, die Imame und Rabbiner gemeinsam in Schulen schickt. Am 19. Februar 2025 hat die Senatsverwaltung für Bildung diversen Projekten aus der Antisemitismusprävention, der Arbeit mit Geflüchteten, der politischen, queeren, intersektionalen und kulturellen Bildung sowie der Präventionsarbeit gegen häusliche Gewalt die Mittel zum 1. April 2025 stark gekürzt oder komplett gestrichen, ohne Begründung, ohne vorherige Gespräche und im kompletten Widerspruch zu den Versprechungen aus dem schwarz-roten Koalitionsvertrag. „Nie wieder“ gilt offenbar nicht für die Bildungsarbeit.
Der Eindruck drängt sich auf, dass Schwarz-Rot hier eine Doppelstrategie fährt. Die Enquete-Kommission dient als Ablenkungsmanöver, wo wir über Zusammenhalt diskutieren, während der Senat zugleich die Strukturen in der Zivilgesellschaft gezielt schwächt; Strukturen, die seit Jahren gegen Antisemitismus und Rassismus, gegen Diskriminierung und damit gegen die Spaltung in der Gesellschaft arbeiten. Die Haushaltslage dient dabei als Vorwand für einen Kulturkampf, der immer offener vorangetrieben wird. Nicht nur unliebsamen Projekten wird der Geldhahn zugedreht, auch den Hochschulen droht die CDU unverhohlen mit finanziellen Konsequenzen. So beenden wir aber nicht die antisemitischen Umtriebe an unseren Hochschulen, und so schaffen wir nicht die Orte,
Der vielfältigen Berliner Kulturszene wird buchstäblich der Boden unter den Füßen weggerissen. Wissenschafts- und Kunstfreiheit geraten zunehmend unter Druck. Und gegen diesen Eindruck – entschuldige, lieber Raed Saleh! – hilft dann auch das Rettungsmanöver der SPD-Sozialsenatorin wenig, die jetzt einen Notfallfonds für einige der bedrohten Projekte einrichten will. Die KIgA jedenfalls schickt ihre Mitarbeiter jetzt zum Jobcenter. Auf den Notfallfonds will sie sich nicht verlassen, denn dafür hat die Koalition bereits zu viel Vertrauen verspielt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt werden Sie abwiegeln: Irgendwo muss ja gespart werden, und wozu braucht es überhaupt so viele Projekte, die alle gegen Rassismus, Antisemitismus und Queerfeindlichkeit arbeiten? – Aber Friedrich Merz hat im Bund die Blaupause für diesen Kulturkampf doch längst vorgelegt. Wenn die Koalition hier in Berlin sich das zum Vorbild nimmt, dann wird die Enquete-Kommission zur Farce.
Am Vorabend der Bundestagswahl hat Friedrich Merz letzten Samstag in München bei der CDU gesprochen, oder eher gebrüllt. Wo waren diese Leute da draußen, als Walter Lübcke in Kassel von einem Rechtsradikalen ermordet wurde? –, so schrie Merz ins johlende Publikum. Wo waren diese Leute, als nach dem 7. Oktober 2023 auf unseren Straßen Parolen skandiert wurden, „From the River to the Sea“? – Und dann drohte Merz unverhohlen, dass er keine Politik für „diese Leute“ – Zitat – machen werde. Gemeint waren Hunderttausende von Menschen, die überall in Deutschland gegen rechts auf die Straße gegangen sind, nachdem Merz einen demokratischen Tabubruch begangen und sich im Bundestag mit der AfD verbündet hatte.
Wir hier drinnen und die da draußen, die nicht mehr dazugehören – was Merz da abgeliefert hat, hat mich zutiefst schockiert.
getrieben von den Rachegelüsten eines Mannes, der sich anschickt, zum Kanzler aller Deutschen zu werden. Das ist der Bruch mit der bundesdeutschen demokratischen Kultur, die unsere Vorväter und -mütter nach dem Ende des Dritten Reichs aufgebaut haben.
Allererste Pflicht nach einem Wahlkampf, egal wie zugespitzt er geführt worden ist: Der Wahlsieger und künftige Regierungschef dankt allen, die ihn gewählt haben, und er verspricht allen, die ihn nicht gewählt haben, dass er auch ihr Regierungschef sein wird,
dass er sich auch um ihre Belange und Nöte kümmern wird. Können Sie sich vorstellen, wie sehr es ein Land spaltet, wenn das aufgekündigt wird, wenn Menschen sich nicht mehr nur nicht vertreten, sondern sogar bekämpft fühlen,