„Die Lehre aus sechs Millionen im Holocaust ermordeten Jüdinnen und Juden muss sich durch den Schutz unserer jüdischen Mitbürger*innen im Hier und Jetzt manifestieren. Als Linke Berlin kämpfen wir gegen jede Form des Antisemitismus und sprechen unsere klare Solidarität mit allen von Judenhass betroffenen Menschen aus.“
Auch wir als Linke Berlin, als Teil der linken Community, das sage ich auch ganz klar, haben da unsere Hausaufgaben zu machen, aber es gilt, um hier Adorno zu zitieren, alles zu tun, damit Auschwitz nie wieder sei. Ich hoffe, dass eint uns hier im Haus mit Ausnahme von Ihnen da.
Die Rechtsradikalen wollen gerne auch über Besetzungen an den Unis sprechen. Na gerne! Kurze Frage: Wer aus diesem Haus war an Besetzungen in seiner Studierendenzeit beteiligt? – Mal melden!
Ja? – Im Jahr 2003 studierte ich an der Freien Universität, und der damalige Finanzsenator, der jetzt nicht mehr in der SPD ist, verlangte vom damaligen linken Wissenschaftssenator Thomas Flierl, 75 Millionen Euro an den Unis zu kürzen. Ein Sturm des Protestes zog durch die Stadt. Monatelang wurden kreative Aktionen geplant, wurde im Freien unterrichtet, und ja, es wurden auch Hörsäle und Gebäude besetzt. An meiner Freien Universität waren übrigens die Betriebswirtschaftler die Ersten, die damals Gebäude besetzt haben.
Wer hätte das gedacht? – Alle haben mit protestiert und besetzt, Professorinnen und Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und natürlich Zehntausende von Studierenden. Wir haben die Kürzungen damals letztendlich nicht verhindert, aber es sind Kürzungen, an denen die Berliner Wissenschaft bis heute zu knabbern hat, etwa mit einem Sanierungsstau in Höhe von über 8 Milliarden Euro.
Damit komme ich zu den eigentlich großen Problemen zum Start dieses Wintersemesters 2024. 10 Prozent Kürzungen soll jeder Einzelplan erbringen, um das gigantische Haushaltsloch von 3 bis 4 Milliarden Euro irgendwie zu stopfen, ein Haushaltsloch, das der Finanzsenator von Schwarz-Rot schon bei der Aufstellung dieses Haushalts vor anderthalb Jahren kannte. Aber offenbar litten Sie da an kollektiven Wahrnehmungsstörungen. Anders ist das nicht zu erklären. Nun, anderthalb Jahre später, zwei Monate vor dem Start des Haushaltsjahres 2025, brennt hier die Hütte. 10 Prozent des Wissenschaftshaus
haltes, die 2025 einzusparen sind – das wären 325 Millionen Euro. Das ist fast der Etat der gesamten Technischen Universität.
Was haben Sie von der Koalition denn gemacht, um Schaden von der Wissenschaftslandschaft Berlin abzuwenden? Konzepte gibt es. Haben Sie zum Beispiel eine kreditfähige Infrastrukturgesellschaft gegründet, um den Sanierungsstau anzugehen? Der Vorschlag liegt lange auf dem Tisch. – Nein, es liegt bis heute noch nicht einmal ein Konzept vor. Haben Sie rechtzeitig alle Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen an einen Tisch geholt? Da hätte man dann Klartext über die Haushaltslage reden und ein realistisches Zielbild für eine Berliner Wissenschaftslandschaft im Jahr 2030 entwerfen können.
Das haben Sie nicht getan. Die Öffentlichkeit erfuhr immer nur, wenn mal ein Papier vom Kopierer gefallen ist, was Berlin so bevorsteht: dass beispielsweise die BHT auf lange Sicht nicht nach Tegel umziehen wird oder dass die HTW kein Innovations- und Technologiezentrum in Schöneweide bekommt oder dass an der Humboldt-Universität weniger Lehramtsstudierende als ursprünglich geplant aufgenommen werden. Sie haben gezögert, geleugnet und geschwiegen.
Ich sage: So kann man eine Herausforderung dieser Größenordnung nicht bestehen. Sagen Sie der Wissenschaft in Berlin endlich die Wahrheit!
[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Dirk Stettner (CDU): Das tun wir immer!]
Die Zahl der Baustellen ist übrigens lang – oder im umgekehrten Sinne auch zu kurz. Denn Berlin wird zunehmend zu einer Stadt, die sich nur noch Studierende mit reichen Eltern leisten können. 640 Euro kostet ein WGZimmer in Berlin im Durchschnitt; das hat die Kollegin Neugebauer schon gesagt. Der BAföG-Höchstsatz liegt bei 855 Euro. Da kann sich jeder, der bei Mathe aufgepasst hat, ausrechnen: Da bleiben 215 Euro für Essen, Telefon, Semestergebühren und Lernmittel. Sie können ja mal überlegen, wie man damit leben soll in Berlin.
Kein Wunder, dass mehr als 5 000 Studierende auf der Warteliste für ein Wohnheimzimmer beim Studierendenwerk stehen. Es ist auch kein Wunder, dass immer mehr Studierende sich Berlin nicht mehr leisten können und anderswo studieren. Dabei brauchen wir so dringend junge Menschen in unserer Stadt, nicht zuletzt als Fachkräfte, ob im Lehramt, in der Verwaltung, in der IT, auch in der Wirtschaft und einigen Gesundheitsberufen. Ich kann Sie nur auffordern: Lösen Sie diese Wohnungskrise! Lassen Sie das Studierendenwerk endlich Kredite aufnehmen und bauen! Hören Sie auf, Eigentumswohnungen
zu fördern, und stecken Sie das Geld stattdessen in ein kommunales Wohnungsbauprogramm, das allen Menschen mit geringen und mittleren Einkommen zugutekommt!
Wer die Wohnungskrise in Berlin nicht mal zu lösen versucht, der versündigt sich an der Zukunft der gesamten Stadt.
In dieses Semester – und das ist mein letzter Punkt – haben aber auch viele Tausend Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler Hoffnung gesetzt, und zwar besonders die, die sich von Befristung zu Befristung hangeln. Im April kommenden Jahres sollten nun nach mehreren Verschiebungen durch die Koalition endlich die Anschlusszusagen für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesetzlich verbindlich werden; das war übrigens ein rot-rot-grünes Gesetz. Jede und jeder, der sich in Forschung und Lehre nach strengen Qualitätskriterien bewährt hat, soll dann auch unbefristet an der Hochschule in der Wissenschaft arbeiten können. Dieser § 110 Absatz 6 des Berliner Hochschulgesetzes ist auch bundesweit als Meilenstein für bessere Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft anerkannt. Es gibt viele, die ihre Hoffnung auf die Entfristung überhaupt noch in Berlin gehalten hat, sonst wären sie schon weg.
Ich höre nun beispielsweise aus den Gewerkschaften: Der Senat bereitet einen Gesetzentwurf vor, um diese Anschlusszusage, um § 110 Absatz 6 zu kippen, und zwar endgültig. Ich kann Sie vom Senat nur warnen: In Zeiten, in denen diese Größenordnungen aus den Hochschulhaushalten gekürzt werden, in denen das Geld unfassbar knapp ist, sollten Sie nicht auch noch die Arbeitsbedingungen für den Nachwuchs schreddern.
Zum guten Schluss: Ich wünsche mir, dass wir dieses Semester trotzdem noch irgendwie zu einem guten Semester machen, dass es kein dauerhaftes Wintersemester ist, sondern dass wir vielleicht nächstes Jahr auch ein Sommersemester erleben werden. – Danke schön!
Für den Senat spricht nun die Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege. – Bitte sehr, Frau Dr. Czyborra!
Sehr geehrte Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Ich bin tatsächlich sehr dankbar für das Thema dieser Aktuellen Stunde, weil wir nun zum Beginn des Winter
semesters tatsächlich die Frage zu beantworten versuchen können, die hier gestellt wird: Vor welchen Herausforderungen stehen unsere Hochschulen? – Diesem Thema widme ich mich sehr gerne.
Zunächst einmal will ich aber allen Hochschulangehörigen und ganz besonders natürlich unseren Erstis einen guten Start ins Semester wünschen und viele neue Erkenntnisse, neue Welten, gute Debatten und dass sich Berlin für alle, die hier ihr Studium antreten, als ein guter Studienort erweisen wird.
Ich will auch allen Jüdinnen und Juden auf der Welt und ganz besonders in dieser Stadt ein gutes Laubhüttenfest wünschen. Das ist das Fest im jüdischen Leben, das die Gemeinschaft stärkt, das die Familie stärkt. Man verbringt Zeit miteinander, um sich gegenseitig zu stärken und so auch durch schwierige Zeiten besser durchzukommen.
Ich bin dem Kollegen Marcel Hopp, aber auch anderen Rednerinnen und Rednern hier dankbar, dass sehr viel gesagt wurde zum Thema des taktischen Verhältnisses der AfD zum Antisemitismus, der Ausnutzung dieses wichtigen Themas, um eine illiberale Debatte zu führen.
Es ist eine Tatsache, dass auf völkischen Theorien, Rassismus und Verschwörungstheorien immer auch Antisemitismus den besten Nährboden hat. Das ist eine Aussage, die man in Äußerungen des Zentralrats der Juden und verschiedenster Organisationen nachlesen kann; Herr Hopp hat das schon vorgetragen.
Wir gucken natürlich intensiv auf die Entwicklung an unseren Hochschulen. Wir haben viele Herausforderungen gehabt im letzten Jahr, wir haben aber auch sehr viel gelernt, und wir sind sehr viel besser vorbereitet. Es wurde erwähnt, dass Bayern gerade einen Aktionsplan beschlossen hat. Ja, ich gratuliere dem Kollegen aus Bayern; aber auch er wird einräumen, wie viele andere Bundesländer auch, dass sie natürlich das letzte Jahr sehr intensiv auf Berlin geguckt haben und sich angeschaut haben, was wir hier erfolgreich umgesetzt haben, um das im Zweifelsfall dann auch dort umzusetzen. Wir waren diejenigen, die sich zuerst in massiver Art und Weise mit dem Thema am meisten auseinandersetzen mussten. Wir sind die Hauptstadt, wir sind Berlin, und wir sind gut vorangekommen.
Alle Hochschulen haben Ansprechpartnerinnen beziehungsweise Ansprechpartner für Antisemitismus; Notfallpläne und Sicherheitskonzepte sind aktualisiert, Meldestrukturen und Verfahren, auch schnelle Abstimmungen mit der Polizei sind etabliert. Ordnungsrecht und Hausrecht bieten Hochschulen Mittel, schwerwiegende
Verstöße gegen den Hochschulfrieden effektiver zu ahnden. Viele Anzeigen sind gestellt worden wegen Hausfriedensbruchs, auch wegen der massiven Zerstörung, die wir an der HU gesehen haben. Nun liegt es an der Justiz, diese Verfahren auch effektiv zu führen. Da bin ich zuversichtlich.
Zunächst vielleicht ein paar Zahlen zum Semesterstart: Berlin bleibt ein attraktiver Studienort für Studierende aus aller Welt. Wir haben im ersten Fachsemester zum gegenwärtigen Stand rund 36 600 Studierende, darunter etwa 23 100 Studierende in grundständigen Studiengängen und 10 000 in konsekutiven Masterstudiengängen. Das heißt, wir haben hier ein gleichbleibendes Niveau. Das ist tatsächlich insofern bemerkenswert, als dass das nicht überall so geht; wir haben es mit sehr kleinen Abiturjahrgängen zu tun. Berlin hat aber seine Attraktivität halten können. Wir gehen davon aus, dass wir nach einigen Nachimmatrikulationen das hohe Niveau von über 164 000 Studierenden an unseren staatlichen Hochschulen – mit den konfessionellen und privaten sind es dann weiterhin rund 200 000 Studierende – in unserer Stadt halten können.
Wir brauchen diese jungen Menschen, die in unsere Stadt kommen, hier dringendst. Wir haben im Studium Rechtspflege, wir haben Polizeistudierende, wir haben Juristen und Juristinnen, wir haben Radwegeplanerinnen und -planer. Wir haben ein Pflegestudium, wir haben natürlich Mediziner und Medizinerinnen; ich könnte jetzt stundenlang weitermachen. Wir sehen aber: All diese jungen Menschen werden dringend gebraucht. Sie sind unsere zukünftigen Fachkräfte, und wir wissen, in welcher Situation wir dort sind.
Es tut weh, immer wieder zu hören, dass sich jüdische Studierende an den Unis nicht sicher fühlen, dass sie da Angsträume sehen, dass sie Opfer werden von Aggressionen und Übergriffen. In einer Stadt, die so viele Stolpersteine zu verlegen hat, die ungefähr 50 000 Berlinerinnen und Berliner in der Shoah verloren hat – eine Wunde, die uns heute noch schmerzt –, einer Stadt, die sich darüber freut, dass wir wieder so viel jüdisches Leben in dieser Stadt haben, dass wir attraktiv sind, auch für Austauschstudierende aus Israel, dass wir hier nach wie vor diese Hochschulkooperationen ganz wesentlich aufrechterhalten, in einer Stadt, die das alles braucht – dass in dieser Stadt jüdische Studierende sagen, sie fühlen sich nicht sicher, schmerzt ungemein. Und auch jedes jüdisches Restaurant, das in dieser Stadt, wegen Übergriffen oder weil eine Existenz nicht mehr weiter möglich zu sein scheint, schließt, ist ein Verlust für uns alle, für unsere Gesellschaft, für unsere Kultur.
Ich kann an dieser Stelle wieder nur die inständige Bitte an alle, die Opfer von Übergriffen, Anfeindungen, Ag
gressionen werden, aussprechen, sich an die entsprechenden Antisemitismusbeauftragten der Hochschulen zu wenden, das offenzulegen, transparent zu machen. Nur wenn wir es wissen, können wir unsere Konzepte gegen Antisemitismus an den Hochschulen weiter schärfen und dafür sorgen, dass sie sichere Räume der Debatte für alle Studierenden, aber eben ganz besonders auch für die jüdischen Studierenden sind. Bislang ist der Semesterstart reibungslos und friedlich verlaufen. Wir freuen uns, dass der Campus sich wieder belebt. Wir freuen uns darauf, dass hier gelehrt, gelernt wird und dass sich viele Forschende an die großen Fragen machen – die haben natürlich die ganze Zeit geforscht –, dass sich das Leben intensiviert.
Da sind einige Herausforderungen zu bewältigen und einige Dinge, die uns weit über Berlin hinaus durchaus Sorgen machen. Im Augenblick tagt in Berlin das ERC Council Meeting. Viele werden nicht wissen, was das ist. ERC ist die europäische Forschungsförderung. Es geht darum, wie das erfolgreiche Programm Horizon 2020, das Forschung in Europa gefördert hat, fortgesetzt wird. Es geht um die Frage, wie zukünftige Forschungsförderungsprogramme ausgestaltet werden; FB 10 ist das Zauberwort. Da laufen große europäische Debatten. Manche haben vielleicht schon mal etwas vom Draghi-Report gelesen, der darauf hinweist, dass Europa wirtschaftlich massiv zurückfallen wird, wenn es nicht massiv in Forschung und Entwicklung investiert, vor allem in vielen Schlüsseltechnologien, die für die Zukunft wichtig sind.
Das ist auch ganz besonders für Berlin wichtig. Wir haben hier die Quantenforschung, wir haben hier die KIForschung. Wir haben hier das Gesundheitscluster, wir haben medizinische Forschung auf höchstem Niveau, Biotechnologie, grüne Chemie, Katalyseforschung, ganz wesentliche Dinge für die Zukunft. Hier wurde die neue Generation von Solartechnologie entwickelt, Dünnschichttechnologie. Es wäre schön, wenn sie auch in der europäischen Wirtschaft produziert würde. Hier werden bahnbrechende Entwicklungen gemacht, auch gerade in der Medizin, die das Leben von Hunderttausenden Menschen besser machen. Wir haben gerade im Bereich der Dermatologie wirklich grandiose Durchbrüche. Darum diskutieren wir in dieser Stadt. Diese Stadt ist Gastgeberin für diese Debatten. Es ist auch gut so, denn diese Stadt profitiert enorm von den vielen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, die europäisches Geld einwerben. Wir haben da wirklich tolle Leute mit tollen Themen.