Ich eröffne die erste Lesung des Gesetzesantrags. In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP. – Herr Kollege Rogat, bitte schön, Sie haben das Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die ersten sechs Monate der neuen/alten Landesregierung sind nun fast vorüber, und trotzdem blieb ein Thema leider noch auf der Strecke. Es handelt sich um ein Thema, das eigentlich bereits in der letzten Legislaturperiode gelöst und auch schon ins Abgeordnetenhaus eingebracht werden sollte. Es ist nicht irgendein Thema, das einer exklusiven Idee der FDP, Grünen, Linken, CDU oder SPD entspricht, sondern ein Thema, das dem Willen der Berlinerinnen und Berliner entspricht und welches wir gerne noch einmal herzlich unterstützen und voranbringen wollen.
Es geht um die Einführung eines Berliner Transparenzgesetzes, dessen Umsetzung die FDP-Fraktion hiermit erneut einfordert. Obwohl sich die Koalition im letzten Koalitionsvertrag bereits einig war, solch ein Gesetz auf den Weg zu bringen, und es in diesem Koalitionsvertrag auch noch für dieses Jahr steht, ist bis heute nichts passiert. Das ist eine traurige Wahrheit und wird den Ansprüchen dieser Stadt nicht gerecht.
Wenn sich elf Personen an einen Baum ketten, um den Bau von barrierefreien, sozial geförderten Wohnungen zu verhindern, dann ist die Koalition in Windeseile zur Stelle. Wenn jedoch 32 000 Berlinerinnen und Berliner Unterschriften für eine transparente, effiziente und bürgerfreundliche Verwaltung abgeben, dann passiert nichts, und das ist eine Unverschämtheit. Das ist kein gutes Regieren, und das muss man mal festhalten.
Nachdem der Volksentscheid Transparenz anlief – und an dieser Stelle möchte ich noch einmal allen Beteiligten
ausdrücklich dafür danken, dass sie sich dafür eingesetzt haben, dass sie Unterschriften gesammelt haben, dass sie auf die Straße gegangen sind und wirklich viele Menschen in ihrem Einsatz für Transparenz und Informationsfreiheit hinter sich versammelt haben –, hat die Senatsverwaltung sage und schreibe 20 Monate gebraucht, um diesen Volksentscheid zu überprüfen. 20 Monate, sogar länger als für den Volksentscheid Enteignung, obwohl ich zumindest eine klare Präferenz gehabt hätte, was rechtlich möglich ist und was nicht. Der Senat hat damit sein Ziel erreicht: Die Initiative hat ihre Bemühungen eingestellt.
Das soll es aber nicht gewesen sein, und deswegen legen wir Ihnen erneut einen Entwurf vor, um Ihnen damit zu zeigen: Das Thema Transparenz ist kein Nischenthema. Das Thema Transparenz ist ein Thema, das die Berlinerinnen und Berliner bewegt und wo Sie sich bitte zu bewegen haben.
Ich habe es schon erwähnt und von „erneut“ gesprochen: Genau an dieser Stelle hat die FDP-Fraktion, der Kollege Bernd Schlömer, in der letzten Legislaturperiode einen Entwurf vorgelegt, den wir nun aber auch noch mal verbessert und nachgeschärft haben. Wir haben dabei den Input der Anzuhörenden aus der letzten Legislaturperiode einfließen lassen, um das Transparenzgesetz auch wirklich rund zu machen und Ihnen die Arbeit zu erleichtern, hier tätig zu werden. Denn für uns und unsere Fraktion ist es eine absolute Notwendigkeit, dass die Berlinerinnen und Berliner dauerhaft und zu jeder Zeit in der Lage sind, sich zu informieren, sich über Verwaltungshandeln niedrigschwellig und vor allem kostenfrei in Kenntnis zu setzen, zu kontrollieren, die Arbeitsweise der öffentlichen Verwaltung und der öffentlich finanzierten Stellen zu durchdringen und im Detail zu verstehen und schließlich auch bewerten zu können. Es ist das zentrale Anliegen der Informationsfreiheit, dass wir Freien Demokraten sicherstellen wollen, dass alle Berlinerinnen und Berliner das Recht haben, diese Informationen in Anspruch zu nehmen. Denn das Einzige, was im Verborgenen bleiben und intransparent sein sollte, ist die Türpolitik vom „Berghain“. Die Politik der Senatsverwaltungen sollte nicht dahinter verborgen sein.
Wir müssen feststellen, dass das Berliner Informationsfreiheitsgesetz, das wir derzeit in Berlin haben, nicht mehr den Ansprüchen des 21. Jahrhunderts genügt. Als das Berliner Informationsfreiheitsgesetz im Jahre 1999 eingeführt wurde, war das meistverkaufte Handy das Nokia 3210. Das iPhone ließ noch sechs Jahre auf sich warten. Nicht nur die Technik hat sich weiterentwickelt, sondern auch Entscheidungsprozesse, Informationsflüsse, Anträge, Aufträge, Ansprüche an die Verwaltung, und während sich die Gesellschaft immer weiter entwickelt hat, digitaler, vernetzter, individueller, fortschrittlicher
wurde, blieb die Gesetzgebung dabei auf der Strecke. Gerade heute ist es wichtig, dass wir das Recht auf Informationsfreiheit weiter stärken, denn sie ist eine unserer Grundlagen der Demokratie.
Deswegen fordern wir mit unserem Gesetzesvorschlag, dass alle Daten, Entscheidungen und Prozesse des Landes, der landeseigenen Unternehmen auf einer leicht zugänglichen, öffentlichen Plattform bereitgestellt werden, wo diese Informationen jederzeit ungefragt, kostenlos bereitstehen und vom Staat, vom Senat, von den Verwaltungseinheiten proaktiv zur Verfügung gestellt werden. Das ist ein klares Bekenntnis zu einer Verwaltung, die sich nicht versteckt. Das ist ein klares Bekenntnis zu einem Vertrauen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt, dass sie Prozesse nachvollziehen können, dass sie dadurch die Verwaltung individuell kontrollieren können sowie dafür, dass Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wissen, wofür ihr Geld ausgegeben wird, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Unternehmer, Gründerinnen, Gründer und Start-upMitarbeiter gewährleisten können, dass sie dort innovative Ideen bekommen, dass die Wirtschaftlichkeit gestärkt wird und dadurch auch die Demokratie. Effizienz und Leistungsfähigkeit in unserer Verwaltung ist strukturell definitiv zu verbessern, und das wäre ein Gesetz, das hier mal den Schalter umgelegt.
Wenn wir darüber sprechen, dass wir nicht nur effizienter und leistungsgerechter werden, sondern dass wir auch Druck aufbauen wollen, dass alle Entscheidungen vorgelegt werden, dann ist das kein Misstrauen gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Verwaltung. Das soll gar nicht in dem Sinne negativ ausgelegt werden, dass wir sagen: Oh, da könnte noch etwas verborgen sein. – Für uns gilt: Lieber gläserner Staat, statt gläserner Bürger, und das konsequent auf allen Ebenen.
Dieses Gesetz soll nicht nur ein Kontroll- oder Nachverfolgungsgesetz sein, nein, Wissenschaft und Unternehmen können davon profitieren, können dadurch innovative Dienstleistungen entwickeln, damit Arbeitsplätze schaffen, Innovation und Fortschritt voranbringen, und damit profitiert am Ende die gesamte Stadt und die gesamte Stadtgesellschaft, auch wenn es sich auf den ersten Blick nur um einen nüchternen Gesetzesentwurf handelt.
Für uns ist klar: Es darf nicht nur eine Frage sein, was die Bürgerinnen und Bürger an Informationen des Landes erfahren dürfen, sondern die Frage muss immer lauten: Wo kann es Berlin den Bürgerinnen und Bürgern ehrlich begründen, weshalb es vielleicht einige Informationen vorenthält? Für uns muss immer klar sein: Grundsätzlich gilt die Informationsfreiheit, und erst dann, wenn es einschlägige Begründungen gibt, die es natürlich auch gibt, dass einige Informationen nicht zu veröffentlichen sind,
Wir sehen im Land Hamburg, dass wir dort bereits ein Transparenzgesetz vorliegen haben, und das Land Hamburg, müssen wir sagen, hat damit durchweg positive Erfahrungen gemacht. Daran können wir uns wie in vielen anderen Gebieten durchaus ein gutes Beispiel nehmen.
Was jedoch kein gutes Beispiel war, und damit möchte ich langsam zum Schluss kommen, war der Entwurf, der vom Senat kurz vor Ende der letzten Legislaturperiode vorgelegt wurde. Darin wurde ein ganz klares Misstrauen deutlich, dass man eben nicht transparent handeln möchte, dass man es den Bürgerinnen und Bürger nicht zutraut, Informationen zu hinterfragen und zu verstehen, dass man nicht zeigen möchte, wo die Entscheidungen sind, und sogar noch hinter das Berliner Informationsfreiheitsgesetz von 1999 zurückgefallen ist, vor allen Dingen im Bereich Schule, als gäbe es dort nach 20 Jahren SPDgeführter Bildungssenatsverwaltung,
nach 26 Jahren SPD-geführter Bildungsverwaltung irgendetwas zu verstecken. Das Einzige, das beim letzten Senatsentwurf transparent gemacht wurde, war die Unlust des Senats, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Deswegen braucht es hier einen kompletten Neuanfang.
Gote –, ich nehme Sie einfach mal als Beispiel, weil Sie noch da sind, das finde ich gut, liefern wir jetzt einen Entwurf, der auf die Zukunft ausgerichtet ist, der die Interessen der Berlinerinnen und Berliner berücksichtigt, der die Verwaltung effizient und modern aufstellt, die öffentliche Kontrolle für Journalistinnen und Journalisten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, für Unternehmer, für Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verbessert, Ausnahmen zur Einsicht zur Ausnahme macht und Wirtschaftsinnovationen fördert. Deswegen bitte ich Sie: Setzen Sie Ihren Koalitionsvertrag um! Treten Sie mit uns in den Austausch. Lassen Sie uns dieses Gesetz auf den Weg bringen. Warten Sie nicht länger. Nicht nur zwölf Freie Demokraten zählen auf Sie, sondern 30 000 Berlinerinnen und Berliner. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Beim Transparenzgesetz offenbart sich eine doch recht bewegte Geschichte. Viele Mitglieder des Parlaments werden vieles kennen, aber lassen Sie mich daran erinnern, genau wie der Kollege Rogat eben: 1999, als das aktuelle Informationsfreiheitsgesetz, das IFG, in Berlin eingeführt wurde, war es deutschlandweit führend und fortschrittlich. Dahin werden wir mit der Koalition mit dem Transparenzgesetz wieder kommen. Der vorliegende FDP-Antrag hilft jedoch wenig.
Bereits in der letzten Legislaturperiode gab es drei Vorschläge für ein Transparenzgesetz, das ist eben angeklungen: ein Vorschlag der FDP, ein Vorschlag der Initiative „Volksentscheid Transparenzgesetz“ und ein Vorschlag des Senats –, und auch in dieser Legislaturperiode werden wir uns wieder ausführlich mit dem Thema beschäftigen. Den Anfang macht der neue, nein, eigentlich nicht neue, sondern genau der alte Vorschlag der FDP aus der letzten Legislaturperiode, denn dieser Entwurf war hier schon mal eingebracht,
um es mit den Worten meiner Kollegin Nina Lerch zu zitieren: „Falsche Hoffnungen zu wecken, ist einfach nicht zielführend“.
Ich verstehe die Ungeduld der FDP beim Thema, aber ich halte den Vorschlag, kurz bevor wir uns in der Koalition mit dem richtigen Gesetzentwurf befassen wollen, für überflüssig.
Wie angedeutet: Es wird einen Vorschlag der Koalition geben, und ich bin mir sicher, dass wir uns im Zuge dessen nah am Vorschlag der Initiative „Volksentscheid Transparenzgesetz“ bewegen werden.
Wir werden uns nah am Initiativvorschlag bewegen, denn nichts ist uns, der SPD und der gesamten Koalition, wichtiger als die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt.
Die Koalition wird nach der Sommerpause einen Entwurf für ein neues Transparenzgesetz vorlegen, das den Interessen der Verwaltung, der Regierung und auch der Wirtschaft entspricht, aber auch den Interessen der Bevölkerung, der Zivilgesellschaft und der Unternehmen entgegenkommt. Am Ende werden wir über einen Gesetzentwurf diskutieren, der neben den Interessen der Öffentlichkeit auch die Interessen der Verwaltung berücksichtigt. Damit kann das Berliner Transparenzgesetz dann auch wieder Vorbild sein wie damals das IFG 1999. Für mich gilt: Ein demokratischer Staat dient den Bürgerinnen und Bürgern und muss für diese transparent sein. Das wird auch das geplante neue Transparenzgesetz berücksichtigen, unter anderem mit dem Ansatz „open by default“. Das heißt, standardmäßig soll das gesamte Verwaltungshandeln für die Öffentlichkeit transparent gemacht werden.