Protocol of the Session on June 9, 2022

Die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden ist die große Herausforderung bei der Einsparung von CO2Emissionen. Das kann das Land nicht alleine schaffen.

[Beifall von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Die Änderungen des Energiewendegesetzes, die das Volksbegehren vorschlägt, sind zur Erreichung der Klimaschutzziele nicht geeignet. Sie geben zum Beispiel keine Antworten auf die Fragen der Sozialverträglichkeit, auf den Fachkräftemangel oder auf die Zielkonflikte bei der Sanierung von Bestandsgebäuden. So sehr wir als SPD-Fraktion das Anliegen teilen, werden wir das Volksbegehren ablehnen. Falsche Hoffnungen zu wecken, die wir am Ende nicht einlösen können, erscheint uns an dieser Stelle nicht zielführend. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Sebastian Czaja (FDP): Es kann sein, dass ich aus diesem Redebeitrag noch einmal zitieren werde! – Torsten Schneider (SPD): Ich weiß nicht, ob mir das gefällt!]

Als Nächstes hat der Abgeordnete Freymark für die CDU-Fraktion das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal ein ganz herzliches Dankeschön an die Initiative Klimaneustart, die dieses Engagement, diese Leidenschaft für unsere Umwelt, für die Klimaneutralität Berlins an den Tag gelegt hat, Zehntausende Unterschriften gesammelt hat, diverse Gespräche mit – ich glaube – allen Fraktionen geführt hat, im Versuch, vielleicht auf diplomatischem Wege schon einen Einfluss geltend zu machen, dass wir vielleicht ein bisschen schneller werden.

[Beifall bei der CDU und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die Themen sind offensichtlich. Wir haben das Pariser Klimaabkommen seit dem Jahr 2015, das ist in Deutschland absoluter Konsens.

[Ronald Gläser (AfD): Ne!]

Sie sind auch kein Konsens. –

[Lachen – Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Ronald Gläser (AfD): Wir sind die Alternative!]

Seitdem haben wir erlebt, wie wir viele Pläne aufgeschrieben haben. In der letzten Wahlperiode sind viele Gesetze auf den Weg gebracht worden. Gesetze, die wir brauchen, die Rahmen setzen, die Struktur geben. Zugleich gibt es eine große Sehnsucht nach mehr Tempo, nach mehr Budget, nach der Frage von personellen Ressourcen und Ausstattungen. Ich habe das während der Haushaltsberatungen gespürt. Wir geben bei 37 Milliarden Euro Landesbudget nur 2,5 Milliarden Euro in den Verkehr, in den Klimaschutz, in den Umweltschutz und in den Verbraucherschutz. Das sind round about 7 bis 8 Prozent. Ich glaube, wir brauchen eine größere Kraftanstrengung als das. Deswegen sind die Klimaaktivisten vielleicht etwas ungeduldiger, als wir es manchmal verstehen wollen, aber ich unterstütze, dass wir mehr tun müssen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Turgut Altuğ (GRÜNE) und Tobias Schulze (LINKE)]

Die Frage der partnerschaftlichen Beziehungen innerhalb Deutschlands, insbesondere zum Beispiel Berlin

Brandenburg, sollten wir etwas konkreter ins Auge fassen. Wir als CDU-Fraktion hatten in vielen Diskussionen vorgeschlagen, eine Enquete-Kommission auf den Weg zu bringen, vielleicht sogar mit Brandenburg. Wir hatten schon vor längerer Zeit in der letzten Wahlperiode angeregt, einen gemeinsamen Landesfachausschuss mit den Brandenburger Kollegen auf den Weg zu bringen. Es gibt kein Gutachten, in dem die Klimaneutralität Berlins ohne Brandenburger Flächen realisierbar ist. Wir reden nicht nur über die paar Stadtgüter, die uns zur Verfügung stehen, sondern über Brandenburg als Kooperationspartner. Deswegen brauchen wir gute partnerschaftliche Lösungen, und wir können Sie, lieber Senat, nur eindringlich bitten, diese Gespräche schneller zu vollziehen und die Zusammenarbeit endlich auf festere, stabilere Füße zu stellen.

[Beifall bei der CDU]

Partnerschaft bedeutet für uns im Parlament aber auch, dass wir sehen, dass die Koalition bei diesem Thema zusammenarbeitet. Es ist nicht per se für Parteien- oder Fraktionsstreit geeignet. Es deutet sich aber an, dass in der Koalition offensichtlich sehr unterschiedliche Kräfte unterwegs sind, denn in der Diskussion im Fachausschuss

(Nina Lerch)

hat der Abgeordnete Koçak für die Linke erklärt, dass wir nur eine Lösung hätten: Nicht Klimaneutralität sei als Schwerpunkt zu sehen, sondern der Systemwechsel. Ein Systemwechsel – Sie werden ja gleich noch Gelegenheit haben, das auszuführen, ich bin sehr gespannt –, der Grundlage dafür ist, Klimaneutralität zu erreichen. Da sehe ich einen erheblichen Widerspruch. Und ich glaube und hoffe auch, dass auch der Senat einen erheblichen Widerspruch sieht. Sie haben konkret vorgeschlagen – und das finde ich bedenklich –, dass Sie die Klimaneutralität schneller über das Thema der Enteignung organisiert bekommen. Sie kennen ja womöglich Ihre eigenen Zahlen: Sie haben 57 landeseigene Gesellschaften und eine Sanierungsquote im öffentlichen Gebäudebestand von unter 1 Prozent.

[Paul Fresdorf (FDP): Mann, Mann, Mann!]

Man muss nicht besonders gelehrt sein, um zu wissen, dass 2, 3 oder 4 Prozent notwendig wären, um überhaupt die Ziele zu erreichen, die wir benötigen, um eine Klimaneutralität 2045 sicherzustellen. Die Initiative wünscht sich 2030. Wie gehen wir mit diesem Gap um? – Ist das die Zeit, die Sie zur Enteignung brauchen? Oder ist das die Zeit, die der Senat braucht, um zu erkennen, dass im Parlament womöglich konstruktivere Kräfte verfügbar wären, die die Klimaneutralität Berlins besser und schneller organisiert bekommen würden? – Dafür steht die CDU-Fraktion zur Verfügung. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Anne Helm (LINKE): Es ist ein bisschen traurig, da zuzugucken!]

Als Nächster hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Dr. Taschner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Namen meiner Fraktion möchte ich mich insbesondere bei „Klimaneustart“ und ihrer erneuten Initiative in Sachen Klimaschutz bedanken.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Anne Helm (LINKE) – Zuruf von Oliver Friederici (CDU)]

Mein Dank gilt aber auch allen Berlinerinnen und Berlinern, die dieses Volksbegehren bisher unterstützt haben, denn mit ihrer Unterschrift machen sie deutlich, wie wichtig ihnen das Thema Klimaschutz ist und welche Anforderungen sie an uns, an das Abgeordnetenhaus stellen.

Mit den beiden bisherigen Anliegen von „Klimaneustart Berlin“ haben sie zumindest bei uns Grünen offene Türen eingerannt, und wir haben gern diese Initiative umgesetzt. Als erstes Bundesland haben wir deswegen den Klima

notstand ausgerufen, und auf die Ergebnisse des Klimabürgerinnenrats, die demnächst vorliegen, sind wir schon alle sehr gespannt.

[Torsten Schneider (SPD): Ja, ja!]

Mit dem nun vorliegenden Volksbegehren „Berlin 2030“ macht es uns die Initiative allerdings nicht ganz so leicht. Natürlich begrüßen und unterstützen wir Grüne die Ziele des Volksbegehrens. Auch wir wollen, dass Berlin so schnell wie möglich klimaneutral wird, auch deutlich vor dem gesetzlich festgelegten Ziel 2045, und zwar in allen Sektoren. Wir teilen dieses Ziel ausdrücklich mit der Initiative und arbeiten daran jeden Tag mit voller Kraft. Wir prüfen immer wieder intensiv, wie das im hohem Tempo, aber trotzdem sozialgerecht gelingen kann.

Dafür haben wir in der letzten Legislaturperiode einiges auf den Weg gebracht. Wir Grünen haben mit dafür gesorgt, dass das Land Berlin seine Klimaschutzziele nachgeschärft hat. Wir sind in anderen Themenfeldern mutig vorangegangen und haben neue Zeichen gesetzt, waren Taktgeber und Vorbild für andere Bundesländer, sogar teilweise für den Bund. Wir haben als erstes Bundesland den Kohleausstieg gesetzlich festgelegt, und das schon für 2030. Wir haben erstmals in Deutschland eine Regulierung der Fernwärme eingeführt und dabei den Anteil erneuerbarer Energien im Fernwärmenetz festgesetzt und die Solarpflicht für Neubau- und Bestandsgebäude sowie für Wohn- und Nichtwohngebäude eingeführt. All das hatte Vorbildcharakter.

[Zuruf von Oliver Friederici (CDU)]

Dabei war es uns aber immer wichtig, dass unsere Ziele nicht nur auf dem Papier gut ausschauen, sondern wir sie auch realistisch erreichen können. In Zeiten stark steigender Energiepreise bekennen wir Grüne uns ausdrücklich und im besonderen Maße zu einer sozial verantwortlichen Klimapolitik. Wir müssen den Umbau so gestalten, dass wir dabei die Leute nicht verlieren und der Umbau sozialgerecht abgefedert wird.

Also schauen wir uns mal die Forderungen des Volksbegehrens genauer an. Bei einigen Punkten sehe ich da durchaus eine Art Einigungskorridor, zum Beispiel beim Flughafen. Dass wir die Emissionen nicht Brandenburg überlassen, ist doch klar. Deswegen findet sich in der Novellierung auch bereits ein entsprechender Absatz, der das letztendlich erfüllt. Über die Berücksichtigung aller Treibhausgase, nicht nur von CO2, lässt sich reden, und wir Grünen sind natürlich mit dabei, dass Reduktion vor Kompensation gilt.

Bei der Kernforderung wird es problematischer. In zweieinhalb Jahren sollen die Emissionen um 70 Prozent, in fünf Jahren sogar um 95 Prozent gesenkt werden. Leider hat die Initiative bisher nicht aufgezeigt, mit welchen Maßnahmen wir das erreichen können. Wir stehen bei der energetischen Modernisierung oder der Umstellung des Verkehrs hin zu einer gänzlich verbrennerfreien Mobilität

(Danny Freymark)

vor großen Aufgaben und Herausforderungen, die wir insbesondere nach jahrelanger falscher Politik im Bund nicht von heute auf morgen beheben können.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Dabei stellt insbesondere der Fachkräftemangel ein großes Nadelöhr dar. Ohne Fachkräfte, die unsere Häuser sanieren oder die Solaranlage auf das Dach schrauben, geht es einfach nicht. Diese Fachkräfte lassen sich nicht einfach auf die Schnelle ausbilden, so wie es der Zeitplan des Volksbegehrens vorsieht. Als Land Berlin sind wir zudem von Möglichkeiten, die wir abgekoppelt vom Bund und anderen Bundesländern nicht haben, extrem eingeschränkt. So sind wir im hohen Maße auf die Versorgung mit erneuerbaren Energien aus anderen Bundesländern und auf deren Ausbaugeschwindigkeit angewiesen. Bei der energetischen Sanierung sind wir auf die Rahmengesetzgebung des Bundes, aber auch insbesondere auf Fördermittel des Bundes und der EU angewiesen.

Auch wenn wir Grünen gerade nicht sehen, wie wir es technisch schaffen können, Berlin bis 2030 klimaneutral zu machen, freuen wir uns dennoch über den Rückenwind und vor allem über die Debatten, die das Volksbegehren in den nächsten Wochen auslösen wird, denn eins ist klar: Wir müssen, wollen und werden schneller werden, am liebsten zusammen mit den Leuten der Initiative. Daher suchen wir das Gespräch. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Jan Lehmann (SPD)]

Für die AfD-Fraktion hat als Nächster der Abgeordnete Hansel das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Über 30 Initiativen von Fridays for Future, Autofreiberlin, Extinction Rebellion bis zur Grünen Jugend stehen hinter der fixen Idee, Berlin von CO2-Emissionen um mehr als 70 Prozent bis 2025 im Vergleich zu 1990 zu reduzieren.

[Tom Schreiber (SPD): Bisschen lauter!]

Hört man das? Ist das Mikro noch nicht an?

[Zurufe: Nee!]

Das Mikro ist an.

2030 soll es dann praktisch gar keine Emissionen mehr geben. Die Pariser Klimaziele sollen 20 Jahre früher durchgesetzt werden.

[Zuruf von Paul Fresdorf (FDP)]

Das ist natürlich, Herr Kollege Fresdorf, völlig utopisch, ja abwegig. Was steckt also dahinter? – Die Initiative will zunächst einmal massiven öffentlichen Druck aufbauen, um eine Unterwerfungserklärung bezüglich des Pariser Klimaabkommens zu erzwingen. Wenn das dann erreicht wird, wird geklagt, wie zum Beispiel zuletzt beim Bundesverfassungsgericht. Das fällt dann ein entsprechendes politisches Urteil, um so den lästigen Umweg über demokratische Wahlen bei unsicheren Mehrheiten zu vermeiden. Den Klimaaktivisten ist natürlich bewusst, dass auf Bundesebene keine grüne 50-Prozent-Mehrheit erreichbar ist, durchaus aber in urbanen Großstadtmilieus wie Berlin mit einer linken Medienlandschaft, Schulen und Hochschulen.

Würde Ihre fixe Idee umgesetzt, bedeutete das Kosten in Höhe etwa eines Drittels des gesamten Landeshaushalts, also 12,5 Milliarden Euro jährlich in den nächsten Jahren. Summa summarum müsste der Berliner Steuerzahler 100 Milliarden Euro berappen, um alle 1,9 Millionen Wohnungen, sämtlichen Verkehr, die gesamte Industrie in Berlin CO2-emissionsfrei zu machen – vollkommen absurd.