Protocol of the Session on May 19, 2022

Wir haben aber auch – der Kollege Schulze wird sich vielleicht daran erinnern –, als wir über das Thema Heb

ammenausbildung im Wissenschaftsausschuss diskutiert haben, darüber gesprochen, dass da auch eine Akademisierung stattfindet bzw. eingeleitet ist und verbindlich wird. Bisher war das noch ein Nebeneinander; in den kommenden Jahren wird es verbindlich. Da ist seitens erfahrener Hebammen, die in der Anhörung waren, gesagt worden, dass das für diejenigen, die sich bewusst für diesen Beruf entscheiden, sinnvoll sein möge, aber möglicherweise Leute abgeschreckt würden, die nur eine Ausbildung hätten machen wollen, denen das Studium irgendwie zu theorielastig erscheint und die dann von dem Beruf Abstand nehmen.

Ich will nur darauf hinweisen, dass das auch ein Problem ist, mit dem man sich beschäftigen muss. Meine Uroma war vor 100 Jahren auf dem Land Hebamme, hat über 1 000 Kinder gesund zur Welt gebracht und hatte nicht studiert. Die war ein Jahr in Leipzig zur Hebammenausbildung, das war es, und dann musste sie in der Praxis ran. Das würde man heute nicht mehr so empfehlen, das ist auch nicht mehr der Maßstab, aber ich will sagen, dass damals auch unter sehr einfachen Bedingungen gute Arbeit geleistet worden ist. Deswegen ist der Spagat zwischen Akademisierung und Ausbildung genau abzuwägen. Wir gehen den Weg der Akademisierung, da muss man gut bezahlen, aber ich will auch sagen, dass man die Ausbildung nicht geringschätzen darf, auch die kann einen wertvollen Beitrag leisten.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Beifall von Lars Düsterhöft (SPD) und Steffen Zillich (LINKE)]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung sowie mitberatend an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung. – Widerspruch höre ich dazu nicht. Dann verfahren wir so.

Die laufende Nummer 4.4 – das ist die Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – wurde bereits unter Tagesordnungspunkt 4.3 behandelt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.5:

Priorität der Fraktion der CDU

Tagesordnungspunkt 30

Energiepreispauschale auch für Studenten sowie Rentner und Ruheständler

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 19/0350

In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU, und das macht der Kollege Evers.

(Stefan Förster)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mal eins vorwegschicken: Ich glaube, jeder von uns hier im Saal ist Gutverdiener, ist Besserverdiener, wir sind ausgesprochen privilegiert, und niemand von uns muss um seine Existenz kämpfen, der eine oder andere vielleicht politisch, aber jedenfalls nicht materiell. Das ist ein Zustand, für den wir uns glücklich schätzen dürfen, ein Zustand, um den uns viele beneiden, erst recht in Zeiten wie diesen, in denen ein Thema zunehmend alles andere überlagert, nämlich die steigenden Preise des täglichen Lebens. Jeder von uns spürt es seit Monaten. Vieles wird teurer. Der Gang in den Supermarkt, beim Heizen und Tanken: Überall dann merken wir es, die Preise werden höher, der Geldschein ist weniger wert, das, was wir nach Hause bringen, ist deutlich weniger in der Einkaufstüte, als es noch vor wenigen Monaten der Fall war. Das ist für viele schmerzhaft, und es geht zum Teil an die Existenz, denn die Löhne, die Gehälter, die Renten halten nicht Schritt. Das können sie gar nicht in der aktuellen Entwicklung. Deswegen ist die Inflation in meinen Augen die soziale Frage, nicht nur, aber gerade auch hier in Berlin.

Die Preise steigen in Deutschland so stark wie seit 40 Jahren nicht mehr. Die Inflationsrate lag zuletzt bei 7,5 Prozent, für das ganze Jahr wird auf jeden Fall mit mehr als 6 Prozent gerechnet, womöglich 7 bis 8 Prozent. Das wäre der höchste Wert in der Geschichte der Bundesrepublik. Ich finde, es ist deshalb die Pflicht und Schuldigkeit von uns allen, in dieser Situation vor allem die in den Blick zu nehmen, die es nicht so gut haben wie wir, diejenigen, die besonders von den hohen Preisen betroffen sind, und das sind gerade in Berlin, gerade in dieser Armutshauptstadt Deutschlands viel zu viele.

Ich finde es gut und richtig, dass die Bundesregierung, dass die Ampelkoalition und an ihrer Seite auch die Länder sich darüber Gedanken machen, wie sie damit umgehen können, wie wir Entlastung verschaffen können in dieser Zeit, wie wir passgenau Unterstützung denjenigen geben, die sie am dringendsten brauchen. Es wird Sie aber auch nicht überraschen, dass ich das Ergebnis, das uns die Bundesregierung, das uns die Ampelkoalition vorgestellt hat, in Teilen für unausgegoren, sozial ungerecht oder sogar im Ansatz für verfehlt halte.

Um es mal für zwei Musterhaushalte zu greifen, was da an Ideen von der Energiepauschale über das 9-EuroTicket, die steuerlichen Entlastungen, Kinderbonus – alles mal zusammengenommen – finanziell wirksam wird, haben wir das mal für zwei Berliner Haushalte durchgerechnet. Im einen Fall haben wir zwei erfolgreiche Start-up-Unternehmer aus Mitte mit zwei Kindern, beide benutzen im Wesentlichen den ÖPNV, sie sind Monatsticketinhaber. Für sie beläuft sich die geplante Entlastung auf 930 Euro im Jahr. Eine Rentnerin aus Müggelheim, Rente knapp oberhalb der Grundsicherung,

sie ist gelegentliche ÖPNV-Nutzerin, sie hat nämlich vom ÖPNV am Stadtrand auch nicht besonders viel: Für sie beträgt die Entlastung im Ergebnis null Euro.

Allein dieses Beispiel macht die krasse Schieflage des Ampel-Pakets deutlich. Ich will jetzt gar nicht anfangen von all den anderen Fragen, dem Organisations- und Finanzierungschaos beim 9-Euro-Ticket. Wir wollen jetzt auch nicht über die Nullnummern beim Null-Euro-Ticket von Frau Jarasch sprechen. Wir wollen aber mal die Frage stellen, gerade an Sie, liebe SPD, wie es sein kann, dass ausgerechnet eine sozialdemokratische Bundesregierung Studierende und Rentner außen vor lässt, sie vergisst, obwohl gerade sie in ganz besonderer Weise von den steigenden Verbraucherpreisen betroffen sind. Wir brauchen gerade auch hier in Berlin kein Bürokratiemonster, sondern die Menschen brauchen schnelle und unkomplizierte Hilfe, die dort ankommt, wo sie hin muss, und zwar genau bei denen, die von Inflation, von steigenden Energiekosten am stärksten betroffen sind. Das sind vor allem Menschen, die trotz Arbeit ihren Lebensunterhalt kaum leisten können, das sind Menschen, die Rente beziehen und womöglich gar kein Einkommen haben.

Ich hätte mir gewünscht, Frau Giffey, dass Sie am 11. Mai die Gelegenheit im Bundesrat genutzt hätten, gemeinsam mit Hendrik Wüst in Nordrhein-Westfalen – an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch an ihn! –, aber auch mit anderen Bundesländern ein besseres Signal zu setzen. Wir haben versucht, mit unserem Antrag zu erreichen, dass Berlin sich im Bundesrat an die Seite der Rentner, der Studierenden stellt und die Ampelkoalition zur Fehlerkorrektur aufruft. Ich frage Sie, Frau Giffey: Wo war Berlin? Wie haben Sie gestimmt? – Ich habe im Netz noch nichts gefunden, das Abstimmungsverhalten ist nach über einer Woche noch nicht veröffentlicht – ein Schelm, wer Böses dabei denkt –, aber Sie können ja das Wort ergreifen und uns erklären, wie Berlin in dieser Frage gestimmt hat. Stand Berlin an der Seite der Rentnerinnen und Rentner, der Studierenden in Berlin? Ich hätte es mir gewünscht, selbst wenn es zur Mehrheit im Ergebnis nicht gereicht hat. Berlin hätte damit ein wichtiges Zeichen gesetzt.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Nun werden Sie argumentieren: Dieser Antrag hat durch die Abstimmung im Bundesrat seine Erledigung gefunden, das Thema ist vorbei, es wurde darüber hinweggegangen, der Bundesrat wird zwar noch entscheiden, aber unter dem Strich ist er ja nicht mehr aktuell. – Doch, das ist er. Ich glaube, wir haben noch Möglichkeiten, diesen Fehler zu korrigieren. Wir müssen es tun, und wir sollten gerade aus Berlin dieses wichtige Zeichen setzen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Es folgt dann für die SPD-Fraktion der Kollege Stroedter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Evers, das war wieder so ein typischer CDU-Auftritt.

[Beifall bei der FDP – Paul Fresdorf (FDP): Der Kollege Stroedter erklärt euch das jetzt mal!]

Lesen Sie mal Ihren eigenen Antrag! Die CDU legt uns einen Antrag vor, der den Senat auffordert, eine Bundesratsinitiative von Nordrhein-Westfalen zu unterstützen, die es gar nicht gibt. Im Nachhinein Ihrer Rede sind Sie dann selbst zu dem Thema gekommen. Deshalb ist der Antrag einfach gegenstandslos und muss schon deshalb abgelehnt werden. Wir haben uns mal die Mühe gemacht, einfach mal nachzuprüfen – vor Ihrer Rede –, was Sie eigentlich wollten. Wir haben mit dem Bundesrat telefoniert, um das mal festzustellen, und zum Bundeshaushalt gab es einen Antrag der CDU, der aber bereits am 11. Mai – und das haben Sie ja eben gestehen müssen – abschließend beraten worden ist. Der Senat kann sich jetzt gar nicht mehr verhalten, und ich denke, die CDU sollte erst mal den vorliegenden Antrag heute und hier zurückziehen, weil er einfach keine Geschäftsgrundlage mehr hat.

[Beifall bei der SPD und der FDP]

Aber dem Ernst der Sache – und dem will ich gar nicht ausweichen, Herr Kollege Evers – sind wir es denn doch schuldig, uns bei den Bundeshilfen auszutauschen, die der Bund zum Abfangen der Energiekostensteigerung auf den Weg gebracht hat. Da gibt es verschiedene Instrumente – und die will ich jetzt mal ansprechen –, die wir zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger aufgestellt haben, die sich aus meiner Sicht alle sehen lassen können. Wir hatten übrigens hierzu auch schon ausführliche Debatten im Plenum. Auch Rentnerinnen und Rentner und Studierende profitieren ja von den Maßnahmen. Ich will hier nicht alles wiederholen, aber nicht alle Hilfsangebote gibt es für jede Gruppe. Das kann auch gar nicht so sein, weil das ganze Paket ja letzten Endes auch noch bezahlbar sein muss. Das wissen Sie auch. Es ist leicht, aus der Opposition Forderungen zu stellen, wenn man sie anschließend nicht bezahlen muss.

Einkommensschwache Rentnerinnen und Rentner, die auf Grundsicherung angewiesen sind, bekommen einen Zuschlag von 200 Euro. Punkt 1! – Wohngeldbeziehende Rentnerinnen und Rentner bekommen einen Heizkostenzuschuss von 270 Euro. Punkt 2! – Und sie profitieren natürlich von den allgemeinen Entlastungsmaßnahmen, etwa von der Abschaffung der EEG-Umlage, die den Strom billiger macht.

[Heiko Melzer (CDU): Die stehen ja auch 40-Jährigen zur Verfügung!]

Auch die Entlastung bei der Mobilität – das 9-EuroTicket, was Sie jetzt hier einfach mal diffamiert haben – wird helfen und steht Rentnerinnen und Rentnern zur Verfügung. Von der dreimonatigen Senkung der Energiesteuern auf Kraftstoffe profitieren auch Ruheständler und Studierende. Weil auch Menschen, die im Ruhestand sind, und junge Leute im Studium unter den gleichen Energiekostensteigerungen leiden wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger, hat der Bund ein so weit gefächertes Entlastungsprogramm auf den Weg gebracht. Nun muss am Freitag der Bundesrat – und darauf kommt es jetzt an – diesem Steuerentlastungsgesetz zustimmen, und ich hoffe, die CDU-regierten Länder werden es auch tun, damit die Entlastung auf den Weg gebracht wird, denn das hilft den Leuten vor Ort und nicht irgendwelche Reden, die hier im Parlament gehalten werden.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von der CDU]

Bei mir trudelten auch Hinweise, Beschwerden und Sorgen von älteren Menschen ein, und ich kenne auch die Situation vieler Studenten und Studentinnen; die haben meist nicht viel Spielraum im Portemonnaie. Deshalb bin ich froh, dass der Bund ein so weitreichendes Instrumentarium geschaffen hat. Wenn das Gesetz in Kraft ist – das entscheidet sich, wie gesagt, am Freitag –, sollte man sich die Wirkung genau anschauen, und gegebenenfalls muss man dann noch mal nachsteuern, wenn es nicht ausreicht. Soweit ich hörte, gibt es auch schon Gespräche, bekannte Wirtschaftsforscherinnen und -forscher haben sich eingebracht. Ich bin zuversichtlich, dass der Bund bei Bedarf nachbessert. Aber der Antrag, den Sie hier einbracht haben, ist, wie gesagt, nicht das richtige Instrument.

Wir haben in den Ausschüssen Zeit, über die Energiekosten zu sprechen. Die Koalition hat für den 15. Juni die gesamte Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Betriebe und Energie zu einem Schwerpunkt zu diesem Thema gemacht. Da ist auf Anregung der Linken extra noch mal ein Besprechungspunkt formuliert worden, den wir gemeinsam unterzeichnet haben. Da können Sie sich dann mit Ihrem Anliegen einbringen. Was ich dann aber überhaupt nicht verstehe – und das ist die typische Schaufensterpolitik der CDU –, Herr Evers: Wir hatten doch gerade die zweite Lesung des Haushalts. Gab es zu diesem Thema einen Antrag der CDU?

[Benedikt Lux (GRÜNE): Nein, gab es nicht!]

Nein! Natürlich nicht. Stattdessen gab es einen Antrag der Koalition, nämlich: Härtefallfonds Energie. Und raten Sie mal, wie die CDU abgestimmt hat. – Natürlich mit Nein. Das ist Schaufensterpolitik à la CDU. Es ist immer das Gleiche: eine große Rede, und wenn es darauf ankommt, den Leuten zu helfen, kommt von Ihnen nur heiße Luft. Das ist zu bedauern.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Martin Trefzer (AfD)]

Dann will ich auch noch etwas zu dem Thema Embargo sagen.

[Sebastian Czaja (FDP): Herr Stroedter, wo ist eigentlich Herr Evers?]

Der ist natürlich wieder draußen, gibt wahrscheinlich schon das nächste Interview. Aber das ist bei der CDU immer so: viel Show und wenig Substanz. Tut mir leid, Herr Wegner, das muss ich leider so deutlich sagen. Gräff ist heute wieder nicht da; der hätte die Rede ja normalerweise halten sollen. – Das ist also das Grundproblem.

[Zuruf von Kai Wegner (CDU)]

Sie wollen jetzt ein Embargo für Öl und Gas haben, das ist eine große Forderung der CDU. Ich teile da ausdrücklich die Meinung von Ministerpräsident Woidke: Ein Embargo geht zulasten der Betriebe im Osten und der Bürgerinnen und Bürger. Außerdem würde ein Embargo die Inflation weiter antreiben, und das geht stärker zulasten der schwächeren Einkommen als der Besserverdiener.

Wir brauchen dringend ein Programm des Bundes für besonders energieabhängige Unternehmen, das wir mit einem Landesprogramm ergänzen können. Hier erwarte ich mir vom Bund noch Entgegenkommen. Das kann nicht zulasten einzelner Regionen gehen; das Thema Schwedt ist da bekanntermaßen angesprochen, und der Ministerpräsident von Brandenburg hat dieses Thema zu Recht angesprochen. Daher erwarte ich mir Solidarität und Verständnis für die Situation in den Regionen und die hundertprozentige Solidarität des Bundes für die betroffenen Arbeitsplätze. Wir werden uns das jedenfalls als Koalition alles genau anschauen, und wenn wir Möglichkeiten sehen, mit Landesprogrammen nachzusteuern, werden wir es tun. Da würde ich mich freuen, wenn die CDU zustimmt, und nicht nur heiße Luft hier im Parlament verbreitet. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Es folgt für die AfD-Fraktion Kollege Trefzer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ob an der Tankstelle, im Supermarkt oder bei der Stromrechnung – überall galoppieren die Preise. In Berlin stiegen die Verbraucherpreise im April mit 7,9 Prozent noch einmal um 0,5 Prozent schneller als im Bundesdurchschnitt. Mittlerweile hat die Teuerung fast alle Produktgruppen und Dienstleistungen erfasst. Allein die Lebensmittelpreise in Berlin stiegen innerhalb eines Jahres um satte 9 Prozent, die Energiepreise um über 30 Prozent. Da Löhne, Gehälter, Renten und Sozialleistungen bei Weitem hinter die

sen Teuerungsraten zurückbleiben, schmilzt die Kaufkraft der Berliner wie Butter in der Sonne.

[Beifall bei der AfD]

Inzwischen ist für 40 Prozent der Bevölkerung die Inflation die größte Sorge, noch vor dem Krieg in der Ukraine und mit weitem Abstand vor der Coronapandemie, wie Umfragezahlen von McKinsey vom Montag zeigen. Fast ein Drittel der Befragten rechnet mit einem Verlust an Kaufkraft und an Lebensstandard in naher Zukunft.