Protocol of the Session on May 19, 2022

Es geht um Wege, Pflegekräfte zurückzugewinnen oder neu zu gewinnen. Der Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung ist uns auch ein wichtiges Anliegen. Das sieht man daran, dass wir in der zweiten Lesung einen Antrag gestellt haben, die Mittel für diesen Bereich aufzustocken. Der Antrag ist leider abgelehnt worden.

Lassen Sie mich zusätzlich zu den Punkten, die von der FDP genannt wurden und die alle gut und richtig waren – ich hoffe, Herr Fresdorf, Sie sehen mir nach, dass ich positiv darüber spreche und den Antrag verstanden habe, das habe ich Sie vorhin murmeln gehört –, noch weitere Aspekte nennen, die auch noch ein Problem im Bereich der Pflege sind. Da ist zum einen die schleppende Bearbeitung in den Sozialämtern der Bezirke bei den Leistungen, wenn Hilfe zur Pflege beantragt wird. Das ist ein

(Lars Düsterhöft)

Problem, weil es teilweise sechs bis zu neun Monate dauert, bis die Anträge bearbeitet werden und die Leistungen an die Pflegeunternehmen bezahlt werden, die so lange in Vorleistung gehen.

Im Bereich der ambulanten Pflege, das ist vielleicht ein kleines Problem, denken Sie, schafft die Verkehrswende Probleme, die man lösen muss. Bei größeren Pflegefirmen ist zum Teil eine volle Stelle damit beschäftigt, sich mit der Beantragung der Befreiung von der Parkraumbewirtschaftung zu beschäftigen, eine ganze Stelle, die das macht, weil in jedem Bezirk alles neu beantragt werden muss. Es muss nachgewiesen werden, dass die Bedarfe bestehen, ein enormer Aufwand, den man eigentlich vermeiden könnte. Dann wären das Geld und die Personalkraft dort besser angelegt. Außerdem ist es leider so, dass das bei freigemeinnützigen Trägern – – Eine Firma hat mir erzählt, die liefern Mittagessen und haben sich jetzt aus einigen Bereichen zurückgezogen, weil sie das nicht mehr leisten können, weil sie nicht mehr die Zeit und den Platz haben, um dort das Essen hinzufahren, sodass diese Bereiche nicht mehr bedient werden. Sie können nicht parken, und sie werden nicht einen halben Kilometer laufen, sonst wird das Mittagessen irgendwann schnell zum Abendessen.

Ich möchte noch ein paar Worte zum Bereich der stationären Pflege sagen. Dort wird beklagt, dass es eine Stagnation bei den Plätzen gibt, in der Innenstadt sogar einen leichten Rückgang. Es ist keine Strategie erkennbar, wie der künftig steigende Bedarf ermittelt wird und befriedigt werden soll.

Stichwort Pflegekammer: Diese wird von vielen gefordert, weil sie einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung der Situation leisten könnte. Und als allergrößte Herausforderung wird von allen die Personalausstattung genannt.

Stichwort Leasingkräfte: Wie geht man mit den Leasingfirmen um? Wie kann man die Ausbildung verbessern und die Ausbildungskapazitäten erhöhen? Und wie kann man allgemein die Anzahl der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte erhöhen?

Das sind alles wichtige Punkte. Lassen Sie uns diese gemeinsam und konstruktiv angehen. Wir beraten das im Ausschuss, aber unsere Unterstützung haben Sie. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Suka jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Erst einmal freut es mich natürlich, dass die FDP mit diesem Antrag scheinbar endlich die Pflege für sich als Thema entdeckt hat. Wenn ich in einem Punkt mit Ihnen übereinstimme, dann ist es, dass die Pflege für die Gesundheitsversorgung aller Berlinerinnen essenziell ist. Berlin braucht bessere Arbeitsbedingungen für Pflegende und mehr bedarfsgerechte Kurzzeitpflegeplätze. Digitale Lösungen für Pflegeempfängerinnen sind gerade auch in Coronazeiten ein wichtiges Tool. Alles wichtig, alles richtig.

Und weil wir diese Punkte auch sehen, haben wir die Maßnahmen zur Lösung dieser Herausforderungen bereits sowohl in den Koalitionsvertrag als auch in den Haushaltsentwurf für die nächsten zwei Jahre geschrieben. Wir finanzieren das Kompetenzzentrum Pflege 4.0 weiter und stocken die Finanzierung sogar auf.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Raed Saleh (SPD)]

Weil uns als Koalition die Entlastung der pflegenden Angehörigen besonders wichtig ist, hat auch der Ausbau der Kurzzeitpflegeplätze Eingang in den Koalitionsvertrag explizit gefunden, sogar mit einem klaren Handlungsauftrag an den Senat, dass es hierzu bis Ende des Jahres einen Plan mit Vorschlägen, Handlungsempfehlungen, unter anderem zu Rahmenbedingungen für eine bessere Wirtschaftlichkeit der Kurzzeitpflegeplätze, geben soll, denn das ist ja der Knackpunkt.

Sie fordern die Evaluationen verschiedener Projekte, obwohl diese bereits stattfinden. Das Modell Berliner Hausbesuche wird bereits evaluiert und weiter ausgebaut. Wir wollen als Koalition die pflegerische Versorgung der Berlinerinnen nicht dem Zufall überlassen. Deswegen werden wir einen Landespflegestrukturplan etablieren. Es wird ab diesem Jahr eine Landespflegebeauftragte geben, die sich besonders für die Interessen von Pflegenden und pflegenden Angehörigen einsetzen wird. Offen gesagt: Ihr Antrag fühlt sich an mehreren Stellen so an, als ob Ihnen die Zeit zu schade gewesen wäre, sich in die Themen wirklich einzulesen. Denn selbst wenn Ihnen die Vorgänge aus der Vergangenheit nicht bekannt waren, spätestens in den Berichtsaufträgen zu den aktuellen Haushaltsberatungen hätten Sie viel zu diesen Punkten lesen können.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN –

Beifall von Sebahat Atli (SPD), Jan Lehmann (SPD)

und Raed Saleh (SPD)

Im zweiten Teil Ihres Antrags werden Sie allerdings komplett orientierungslos und ignorant. Eine separate Pflegeschule für geflüchtete Menschen aus der Ukraine und eine Strategie zur Heranführung der migrantischen Community an die Pflegeausbildung sind Ihre Lö

(Christian Zander)

sungsvorschläge für den Fachkräftemangel in der Pflege. Sie sprechen von migrantisierten und geflüchteten Menschen, als seien sie eine frei verfügbare Menschenmasse, die es in die Berufe mit Personalmangel zu leiten gilt. Geflüchtete Menschen sind aber erst mal eines: Menschen mit eigenen Wünschen und Hoffnungen für ihre Zukunft, Menschen, die uns dafür, dass sie hier sind, weder etwas schulden, noch dafür verantwortlich sind, unser politisches Fehlverhalten der letzten Jahrzehnte in Bezug auf die Pflege auszugleichen. Sie verdienen es genau wie jeder andere Mensch in diesem Land, sich frei aussuchen zu können, welchen Beruf sie ausüben wollen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Raed Saleh (SPD), Sebahat Atli (SPD), Jan Lehmann (SPD) und Christian Hochgrebe (SPD)]

Das Gleiche hätte schon vor Jahrzehnten auch für die Menschen gelten sollen, die Sie in Ihrem Antrag als „migrantische Community“ bezeichnen. Viele von ihnen hatten nicht die freie Wahl, sondern mussten Arbeitsverhältnisse unter prekären Bedingungen eingehen. Deshalb ist es umso absurder, dass Sie nun fordern, genau die Menschen, die überdurchschnittlich viel Sorgearbeit und Pflege leisten, für den Pflegeberuf begeistern zu müssen. Den Personalmangel in der Pflege lösen wir nicht, indem wir Menschen, die aktuell auf unsere Hilfe angewiesen sind, weil sie vor Krieg geflohen sind, in die Pflege abschieben. Den Personalmangel in der Pflege – und das ist mein eigentlicher Punkt – lösen wir nur mit attraktiven Arbeitsbedingungen, indem wir berufliche Perspektiven für Pflegende schaffen, indem wir in Auszubildende investieren.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Raed Saleh (SPD)]

Damit Sie mich hier auch klar und richtig verstehen: Selbstverständlich können geflüchtete Menschen aus der Ukraine auch in der Pflege arbeiten oder eine Pflegeausbildung absolvieren, aber eben nur, wenn Sie es möchten und wenn es für sie eine Perspektive bedeutet. Dafür sind geeignete Ausbildungsangebote in bestehenden Strukturen und Projekten für Menschen mit Unterstützungsbedarf im Spracherwerb sicherlich auszuweiten. Vor allem gilt es, die Prozesse zur Anerkennung von Abschlüssen deutlich zu optimieren, ein Thema, dass Sie in Ihrem Antrag total ausblenden.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich komme auch schon zum Schluss. Während ich im ersten Teil Ihres Antrags zu einem guten Teil auch Punkte sehe, die wir als Koalition auf der Agenda haben und verfolgen, ist der zweite Teil Ihres Antrags zu den Geflüchteten in der Pflege überladen von falschen Prämissen und von Menschen- und Berufsbildern, die wir ganz sicher so nicht teilen und deshalb werden wir Ihrem Antrag auch nicht zustimmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Holger Krestel (FDP): Diese Rede hätte man ruhig zu Protokoll geben können! – Antje Kapek (GRÜNE): Sagt wer? – Der Mann, der seit Jahren nicht mehr geredet hat!]

Vielen Dank! – Dann hat der Kollege Bauschke für eine Zwischenbemerkung das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Kollegin Suka, es wundert mich, dass Sie schon wieder in die Bissigkeit eingefallen sind, die Sie auch beim pflegepolitischen Dialog gezeigt haben: Abschreiben, man hätte irgendwelche Dinge nicht gelesen. – Ich glaube, die Fraktion der Freien Demokraten hat allein in der letzten Legislatur in dem Bereich Pflege knapp 25 Punkte gebracht. Vom Kollegen Thomas Seerig war vieles dabei.

Aber was ich besonders schade finde, und das will ich hier wirklich zum Ausdruck bringen: Es ist, glaube ich, nicht der Zeitpunkt, auf Grüne, FDP, CDU oder SPD draufzuhauen – mein herzlicher Dank an alle anderen Kollegen! Es geht darum, dass wir etwas vorwärts bringen.

[Beifall bei der FDP]

Das hätte die Koalition schon fünf Jahre früher machen können. Es ist bislang noch wenig passiert, und wir müssen jetzt etwas tun. Jetzt können wir natürlich sagen: „Es ist abgeschrieben, es ist undurchdacht“, oder uns sprachlich an einer Formulierung reiben, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass etwas gemacht werden muss. Ich würde mich freuen, wenn mal die Grünen herauskämen, die parteipolitische Brille ablegten und sich mal in der Sache interessierten und keine Parteipolitik machten.

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Dann hat die Kollegin Suka die Gelegenheit zur Erwiderung.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE) – Holger Krestel (FDP): Guckt Euch mal eure Redner an! Das ist nur noch traurig!]

Dann hat für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Hansel jetzt das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Liebe Gäste! Deutschland und Berlin steuern auf eine riesige Pflegelücke zu. Was wir im Bereich der Pflege tun oder

(Aferdita Suka)

eben auch nicht tun, ist immer auch eine Antwort darauf, wie wir in unserer Gesellschaft mit Leben, Krankheit, Alter und Tod umgehen. Kollege Düsterhöft hat hier schon eindrucksvolle Beispiele genannt. Deshalb ist es gut, dass wir uns heute einmal ausführlich und differenziert mit dem Thema Pflege befassen. Mit der steigenden Anzahl alter und hochaltriger Menschen in unserer Gesellschaft rücken nicht nur reine Versorgungsfragen in den Vordergrund, sondern auch und zunehmend Fragen hinsichtlich der Möglichkeiten einer Verbesserung der Gesundheit im Alter. Es geht darum, eine möglichst gute Lebensqualität und eine selbstständige Lebensführung im Alter zu ermöglichen. Deshalb stehen wir dem Modellprojekt „Präventive Hausbesuche“ positiv gegenüber und wollten es mit unserem Änderungsantrag im Rahmen der Haushaltsberatungen stärken, was Sie bezeichnenderweise einfach abgelehnt haben. Aber den Kollegen der FDP ist es ja auch so gegangen.

[Zuruf von Lars Düsterhöft (SPD)]

Wir halten es für erforderlich, dass die Evaluierungsverfahren im Hinblick auf die methodische Qualität und die Ergebnisse so angelegt sein müssten, dass daraus konkrete und verlässliche Umsetzungsempfehlungen für Berlin ableitbar sind, die insbesondere wirksame Inhalte von präventiven Hausbesuchen, aber auch notwendige Qualifizierungsmaßnahmen aufzeigen – übrigens in Abgrenzung zu bestehenden Leistungen wie Pflegeberatung nach § 7a Sozialgesetzbuch XI.

Angesichts der angespannten Personalsituationen in der Pflege ist es umso wichtiger, die Potenziale der Digitalisierung zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung zu nutzen. In diesem Kontext hätten Sie im Übrigen auch in der Haushaltsberatung unserem Änderungsantrag zum Ausbau von Palliativ- und Hospizversorgung im Gesundheitsausschuss zustimmen können, wenn es Ihnen tatsächlich um ein konstruktives Miteinander in der Sache in diesem Haus ginge. Der Kollege von der FDP hat ja gerade in Richtung der Grünen darauf hingewiesen, dass das nicht immer so ist und leider taktische Spielchen hier zu viel Wichtigkeit haben.

[Beifall bei der AfD]

Es ist zwar schön, dass die FDP die Handlungsempfehlungen des Bundesverbands „wir pflegen e. V.“ übernimmt, der sich als Stimme der pflegenden und sorgenden Angehörigen versteht. Ich muss es aber leider noch einmal sagen: Beim Abschreiben ist Ihnen aber offenbar entgangen, dass sich die Forderungen beziehungsweise Handlungsempfehlungen eigentlich an die Bundesregierung richten. Ob das so eins zu eins auf die Berliner Landesebene zu übertragen ist, müssen wir noch einmal gucken.

Nichtsdestotrotz befinden wir uns auch im Bereich der Kurzzeitpflege, die insbesondere für eine Unterstützung bzw. Entlastung der pflegenden Angehörigen von großer Bedeutung ist, in einer brenzligen Lage. Die Anzahl der

Kurzzeitpflegeeinrichtungen hat sich in den letzten zehn Jahren in Berlin fast halbiert. Die bereits 2017 veröffentlichte Untersuchung des IGES-Instituts „Wissenschaftliche Studie zum Stand und zu den Bedarfen der Kurzzeitpflege in NRW“ belegt, dass vorhandene Kurzzeitpflegeplätze nicht den vorherrschenden Bedarf decken können, und leider müssen wir das auch für Berlin feststellen. Als Grund für diesen Mangel nennt die Studie insbesondere Schwierigkeiten, solitäre Kurzzeitpflegeeinrichtungen

wirtschaftlich zu betreiben. Das liegt daran, dass die Gäste häufig wechseln, meist einen höheren Pflegebedarf aufweisen und die Auslastung schwankte. Dazu kommt, dass die Leistungen unzureichend vergütet werden. Auch angesichts der aktuellen allgemeinen Kostensteigerungsdynamik ist nicht damit zu rechnen, dass Bundesmaßnahmen mit dem Ziel, die Kurzzeitpflege wirtschaftlich tragfähig finanzieren zu wollen, ausreichend sind. Vielmehr müssen die strukturellen Probleme in der Kurzzeitpflege angegangen werden, denn nur so können auch die strukturellen Defizite in der pflegerischen Versorgung aufgedeckt und behoben werden. Wir sollten daher hinsichtlich des dritten Punktes Ihres Antrags nicht lediglich den rein quantitativen Ausbau von Kurzzeitpflegeplätzen forcieren, sondern genauso qualitative und inhaltliche Aspekte der Angebote berücksichtigen, um den besonderen medizinischen Versorgungslagen der einzelnen Menschen, insbesondere den präventiven und rehabilitativen Bedarfen, zu entsprechen.

Zu Punkt 4 Ihres Antrags möchte ich ergänzen, dass die Investitionen in die Mitarbeitergesundheit im Gesundheitswesen besonders wichtig ist. Ein betriebliches Gesundheitsmanagement, bessere Arbeitsbedingungen, eine bessere Personalausstattung, mehr Wertschätzung und Entlastung wären das Geld wert. Sie wären dort besser investiert als in repräsentative Studien, deren Ergebnisse wir schon kennen.

[Beifall bei der AfD]