Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.
[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Roman-Francesco Rogat (FDP), Sebastian Czaja (FDP) und Paul Fresdorf (FDP)]
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber für mich sieht eine gelungene Integration in Übereinstimmung mit Goethe anders aus als eine Duldung. Diese Menschen, die seit
Jahren hier leben und arbeiten, gut integriert und nicht straffällig geworden sind, müssen endlich eine gesicherte und dauerhafte Bleibeperspektive bekommen. Ich will keinen Wettstreit um Abschiebungen, sondern einen um die beste Integration.
[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Sebastian Czaja (FDP), Paul Fresdorf (FDP) und Sibylle Meister (FDP)]
In Berlin haben wir rund 6 000 Einbürgerungen im Jahr. Das ist für eine multikulturelle Metropole in einem modernen Einwanderungsland mit enormem Fachkräftebedarf viel zu wenig, zumal die Prognosen von etwa 450 000 Menschen sprechen, die potenziell die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen können. Das ambitionierte Ziel der Koalition sind 20 000 Einbürgerungen jährlich. Um das zu erreichen, müssen wir die Strukturen ändern und Wartezeiten von zwei Jahren bei den Einbürgerungen in den Bezirken beheben, indem wir die Einbürgerung zentralisieren und eine zentrale Einbürgerungsstelle als eine neue Abteilung des Landesamtes für Einwanderung schaffen und das auch im Haushalt finanziell abdecken.
Das ist der Weg, den wir gehen müssen. Integration groß zu denken, bedeutet auch, die notwendigen finanziellen Mittel und Strukturen zu schaffen.
Noch in diesem Jahr werden wir das Wahlrecht ab 16 Jahren in der Landesverfassung verankern. Gemeinsam mit der FDP schaffen wir damit als Koalition ein Mehr an Teilhabe und Chancen.
Lieber Sebastian Czaja! Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP! Das zeigt doch, wenn Demokratinnen und Demokraten zusammen anpacken, können wir unsere Gesellschaft von heute zum Guten gestalten. Denken Sie doch mal ein paar Jahre zurück. Damals redeten wir über Residenzpflicht, Sachmittel statt Geld und darüber, dass sich Menschen in unserem Land nicht frei bewegen können. Noch etwas früher gab es eine Regel, dass ein Job nur von einem Migranten angenommen werden darf, wenn kein Deutscher zur Verfügung stand. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, als mein älterer Bruder einmal freudestrahlend nach Hause kam und sagte, dass sich noch kein Deutscher für die Stelle gemeldet hat. Heute klingt diese Sache wie eine Geschichte aus einer lange vergangenen Zeit. So ist es ja auch zum Glück. Sie sehen: Wandel zum Guten braucht seine Zeit und engagierte Demokratinnen und Demokraten. Wollen wir Berlin zu einer echten Einwanderungs- und Zukunftshauptstadt machen, wie es hier oben auf der Tafel steht? – Dann lassen Sie uns Integration wirklich groß denken – gemeinsam, die Koalition und der demokratische Teil der Opposition.
Der Wandel wird immer kommen, denn Migration ist historisch betrachtet der Normalfall. Die lange Geschichte Berlins verdeutlicht, dass europäische Metropolen ohne Zuwanderung schlichtweg nicht existieren würden. Berlin ist eine Einwanderungsstadt, eine Zufluchtsstadt. Dies klar zu sagen, ist ein Bekenntnis zur Normalität. Berlin ist die Stadt der Vielen: der vielen Kulturen, der vielen Sprachen, der vielen Religionen und der Menschen. Das ist die Realität. Das ist Berlin. Alle Menschen, die hier leben, sind Berlinerinnen und Berliner, so wie du und ich.
[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Roman-Francesco Rogat (FDP) und Dr. Maren Jasper-Winter (FDP)]
[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Martin Trefzer (AfD): Sie verwechseln Flucht mit Einwanderung, Herr Saleh!]
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Abgeordnetenhaus! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Berlin ist eine weltoffene und vielfältige Metropole. Hier leben Menschen aus 190 Ländern meist friedlich zusammen. Berlin muss unabhängig von der Herkunft der Menschen Heimat für alle sein, die sich in unsere Gesellschaft einbringen und integrieren wollen, unseren uneingeschränkten Schutz und unsere Unterstützung verdienen und die hier tatsächlich bleibeberechtigt sind.
Was viele Menschen nicht erst nach der Ankunft von Tausenden Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine für unsere Stadt leisten, ist unglaublich. Ohne den Einsatz von Freiwilligen und ehrenamtlich engagierten Menschen hätte Berlin es nicht geschafft, alle Flüchtlinge aufzunehmen, unterzubringen und zu versorgen. Wir können stolz und dankbar auf und für die Bewohner unserer Stadt sein – eine starke Zivilgesellschaft mit Herz.
Aber die letzten Wochen sollten auch eine Mahnung sein: Freie Träger dürfen nicht nur als Dienstleister für den Staat in Krisenzeiten behandelt werden – so leider oft bei ihnen der Eindruck. Sie sind vielmehr unsere festen und nachhaltigen Partner für den sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt. Dieser Grundgedanke muss bei der
Vergabe und Qualitätssicherung von Unterkünften, dem Ausbau der sozialen Infrastruktur, der psychosozialen Betreuung, der Vernetzung der Beratungsangebote in allen Kiezen sowie der langfristigeren Förderung von Projekten stärker berücksichtigt werden.
Wenn Berlin ein echter Zufluchtsort mit Herz sein will, dann müssen wir auch eine Weltmetropole sein, die sich weiterentwickelt, die funktioniert und die für alle Menschen lebenswert ist. Dafür müssen wir dringend zusätzliche Schul- und Kitaplätze schaffen. Die Schulbauoffensive darf nicht weiter verschleppt und vertagt werden, sondern muss endlich konsequent und pragmatisch angepackt werden.
Wir brauchen auch dringend zusätzlichen Wohnraum. Dafür müssen neue Wohnungen gebaut werden, aber auch alle freien Kapazitäten genutzt und landeseigner Leerstand beendet werden.
Wir wollen aber keine neuen modularen Unterkünfte, in denen Flüchtlinge nur unter sich leben, schaffen, sondern mehr regulären, bezahlbaren Wohnraum für alle Menschen, die hier leben. Nur das wäre auch im Sinne der Integration der tatsächlich bleibeberechtigten Flüchtlinge. Wer sich gegen Wohnungsbau stellt und sich vorrangig mit der Frage von Enteignung beschäftigt, stellt sich am Ende des Tages auch gegen die Flüchtlinge und ihre Bedürfnisse.
Herr Saleh, Sie haben es angesprochen: Die Kettenduldung in Berlin muss beendet werden. Dazu gehört nicht nur, dass wir Flüchtlinge schneller anerkennen, versorgen, aufnehmen und unterbringen, sondern dazu gehört auch, dass wir dort, wo es nötig ist, die Ausreisepflicht im Land Berlin durchsetzen. Beides gehört dazu, wenn man das Ziel erreichen will, die Kettenduldung in Berlin zu beenden.
Wir müssen auch den Fachkräftemangel in unserer Stadt anpacken. Wir müssen mehr Berufsbilder anerkennen, damit soziale Träger auch Fachkräfte einstellen können. Wir müssen berufliche Qualifikationen mehr berücksichtigen. Und wir müssen die Menschen, die gut ausgebildet sind und darauf brennen, hier einen Beitrag zu leisten, schnell in den Arbeitsmarkt integrieren. Wir haben es hier im Plenum schon oft gesagt, aber es bleibt weiterhin richtig: Ausländische Bildungs- und Berufsabschlüsse müssen endlich schnell und unkompliziert anerkannt werden. Dort müssen wir auch fraktionsübergreifend gemeinsam Lösungen schaffen.
Ich bin überzeugt, dass die Integration der Flüchtlinge aus der Ukraine, die hier in den kommenden Monaten oder Jahren bleiben wollen oder müssen, gelingen wird. Wir
sollten in diesem Zusammenhang viel häufiger und selbstbewusster über die bereits gelungene Integration der Menschen, die hier länger leben, sprechen. Diese Vorbildfunktion ist wichtig für den sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt. Deshalb sollten wir Menschen und ihre Geschichten bekannter machen. Wir sollten der Integration Gesichter geben.
Wir sollten auch für den deutschen Pass werben, aber unter klaren Voraussetzungen. Sprache, Arbeit, freiheitliche Werte und auch die Akzeptanz unserer Art zu leben – wer diese Voraussetzungen erfüllt, kann als Ergebnis gelungener Integration eingebürgert werden. Aber – und das ist auch wichtig – eine Aufweichung der Kriterien darf es nicht geben.
Zehntausende Menschen in Berlin erfüllen die Voraussetzungen für die Einbürgerung, müssen aber teils Monate auf Termine warten. Verfahren ziehen sich teilweise über Jahre hin. Das frustriert die Menschen zu Recht. In einer Einwanderungshauptstadt mit Herz brauchen wir keine neuen kostenintensiven Verwaltungsstrukturen mit einem Landeszentrum. Was wir für die einbürgerungswilligen Menschen in unserer Stadt vor allem benötigen, ist mehr Personal in den Ämtern, schnellere digitalisierte Verfahren und mehr Sprechstunden zu berufsfreundlichen Zeiten. Wir dürfen die Menschen nicht alleinlassen, sondern müssen sie bei ihrem bedeutenden und großen Integrationsschritt unterstützen. Berlin muss hier Herz zeigen.
Während sich erfolgreich integrierte Menschen sogar für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden, müssen wir aber auch ehrlich über große Herausforderungen in unserer Stadt sprechen: Problemkieze, Clankriminalität, abgeschottete Milieus auf der einen Seite, aber auch Rassismus und Vorurteile auf der anderen Seite. Nur, wenn wir uns nicht wegducken, sondern diese Probleme laut und ehrlich benennen, können wir sie auch gemeinsam lösen. Egal, ob Antisemiten, religiöse Fanatiker, rechtsextreme Fremdenfeinde oder Linksextremisten, die Verfassungsfeinde aller Couleur brauchen ein klares Stoppschild: Wir sind tolerant, aber wir tolerieren keine Intoleranz.
Vielfalt sichern wir mit einem klaren Wertefundament, das wir einfordern und durchsetzen müssen und das nicht verhandelbar sein darf. Gemeinsam müssen wir täglich Flagge zeigen für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat. Dazu darf auch die ukrainische Flagge in unserem Stadtbild gehören, und das an jedem Tag. Täter und Opfer des russischen Angriffskriegs dürfen aus keinem Grund und zu keinem Zeitpunkt gleichgesetzt werden.
Berlin ist die Stadt der Freiheit, der Vielfalt und der Chancen. In Berlin ist so viel möglich, wenn wir ge
meinsam als Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Es ist höchste Zeit, dass unsere Stadt wieder richtig funktioniert. Das ist gut für die anerkannten Flüchtlinge. Das ist gut für die Fachkräfte, die zu uns kommen. Das ist gut für die Berlinerinnen und Berliner, die schon lange hier ihre Heimat haben. Machen Sie also endlich Schluss mit Ideologie, mit Streit und Kompromissen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner! Lassen Sie uns die enormen Chancen dieser Stadt endlich entschlossen nutzen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berlin ist eine Einwanderungs- und Zufluchtsstadt. Berlin ist ein Zuhause für Sie, für mich, für alle Berlinerinnen und Berliner, ob sie nun ursprünglich aus Kolumbien, dem Kosovo, der Türkei, China, Israel, Syrien, Afghanistan oder aus Bielefeld oder Baden-Württemberg stammen. Berlin ist ein Zuhause für uns alle. Diese Stadt ist vielfältig und vielseitig. Genau das macht sie aus. Genau deswegen kommen Menschen zu uns und bleiben hier in Berlin.
Viele der Berlinerinnen und Berliner sind zugezogen, auch viele von uns hier in diesem Saal. Wir haben uns bewusst für Berlin entschieden. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, hier in Berlin ein Leben zu haben. Viele Menschen kommen hierher, um zu studieren, zu arbeiten, eine Familie oder ein Start-up zu gründen. Als politisch Verantwortliche ist es unsere Aufgabe, allen Neuberlinerinnen und Neuberlinern das Ankommen in und das Teilhaben an unserer Stadt schnell und umfassend zu ermöglichen. Das bedeutet eine Abkehr von einer Migrations- und Fluchtpolitik, die sich viel zu lange darauf konzentriert hat, Antworten auf die Sicherheitsfragen zu finden und von einem verkrampften Integrationskonzept auszugehen, das Menschen unter Generalverdacht stellt.