Viele der Berlinerinnen und Berliner sind zugezogen, auch viele von uns hier in diesem Saal. Wir haben uns bewusst für Berlin entschieden. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, hier in Berlin ein Leben zu haben. Viele Menschen kommen hierher, um zu studieren, zu arbeiten, eine Familie oder ein Start-up zu gründen. Als politisch Verantwortliche ist es unsere Aufgabe, allen Neuberlinerinnen und Neuberlinern das Ankommen in und das Teilhaben an unserer Stadt schnell und umfassend zu ermöglichen. Das bedeutet eine Abkehr von einer Migrations- und Fluchtpolitik, die sich viel zu lange darauf konzentriert hat, Antworten auf die Sicherheitsfragen zu finden und von einem verkrampften Integrationskonzept auszugehen, das Menschen unter Generalverdacht stellt.
In der Fluchtbewegung aus der Ukraine hat Berlin in den letzten Monaten mal wieder gezeigt, dass wir eine weltoffene Stadt sind und denen Schutz bieten, die ihn brauchen. Hunderte Verwaltungsmitarbeiterinnen und Verwaltungsmitarbeiter und Tausende Ehrenamtliche haben schnell und umfassend die Versorgung von über 50 000 Geflüchteten aus der Ukraine sichergestellt. Das ist eine großartige Leistung, auf die wir stolz sein können.
Wir sehen, wenn alle an einem Strang ziehen, können wir auch historische Herausforderungen meistern, dann können wir auch auf historische Fluchtbewegungen wie diese gut reagieren. – Danke an dieser Stelle an alle, die seit Monaten mit Herzblut daran arbeiten!
Nach dieser schnellen Reaktion der letzten Monate geht es nun darum, langfristig Regelstrukturen für Geflüchtete zu verbessern. Unsere Ideen haben wir als Grünenfraktion in einem Masterplan „Ankommen und Teilhaben“ zusammengetragen. Wir wollen die Bedürfnisse der Geflüchteten in Zukunft deutlicher in den Mittelpunkt stellen und das Ankommen und Teilhaben in Berlin somit auch ermöglichen. Es geht uns hierbei um einen Paradigmenwechsel in der Flucht- und Migrationspolitik, wie Kollege Raed auch sagte. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Wir wollen nicht mehr in erster Linie Fragen der Sicherheit diskutieren. Wir wollen keinen sogenannten Integrationsansatz mehr, in dem noch eine Idee von Assimilation mitschwingt. Stattdessen wollen wir unsere Politik so gestalten, dass Geflüchtete in Berlin so schnell wie möglich in unserer Stadtgesellschaft ankommen können.
Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Freymark von der CDU-Fraktion zulassen.
So wollen wir – vielleicht das nächste Mal – Zugänge zur gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung von Tag eins an sicherstellen, ausreichend Bildungs- und Ausbildungsangebote schaffen und eine schnellere Anerkennung von Berufsabschlüssen, aber auch von Lebensleistungen. Nicht alle Bildungssysteme sind identisch mit unserem Bildungssystem. Nur so ist auch ein schneller Zugang zum Arbeitsmarkt möglich. An der Unterbringung von Geflüchteten muss nach wie vor gearbeitet werden. Unser Ziel ist eine dezentrale und in die Kiezstrukturen integrierte Unterbringung und ein vereinfachter Zugang zum Wohnberechtigungsschein für Geflüchtete,
Viele von Ihnen werden in den letzten Tagen schon der Presse entnommen haben: Ja, wir schlagen vor, dass wir den 24. August, den Unabhängigkeitstag der Ukraine, in diesem Jahr als einmaligen Feiertag auch in Berlin feiern. Rund um dieses Datum finden zudem Angebote für einen ukrainischen Kultursommer statt. Damit machen wir klar und deutlich: Wir zeigen unsere Solidarität mit der Ukraine, auch mit den Geflüchteten, die hier sind, denn we stand with Ukraine.
Nun sind unter den Menschen, die zu uns flüchten, auch viele besonders schutzbedürftige, die sogenannten vulnerablen Gruppen, Geflüchtete mit Behinderungen, mit Vorerkrankungen, ältere Menschen mit chronischen Krankheiten, Geflüchtete, die aufgrund ihrer Hautfarbe oder Sexualität Diskriminierung erfahren. Auch ihnen gilt unsere uneingeschränkte Solidarität. Wir wollen ihnen in Berlin und auch in anderen Bundesländern gute Startchancen bieten, sofern es dort gute Unterstützungsstrukturen gibt.
Auch wenn Berlin in den letzten Monaten deutlich bewiesen hat, dass wir dank der Zusammenarbeit der Senatsverwaltungen schnell gute Strukturen für die Geflüchteten hinbekommen, langfristig geht es nicht allein, alle anderen Bundesländer müssen das mittragen. Ja, viele dieser Ideen zu einem verbesserten Ankommen und Teilhaben bedeuten, dass wir zunächst viel Geld in die Hand nehmen müssen, wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass eine schnelle Teilhabe und ein Ankommen in diesem Land nicht nur den Geflüchteten viel Frustration, sondern auch dem Staat viele Folgekosten ersparen. Dazu muss sich auch der Bund bekennen.
Die Politik der letzten Jahrzehnte hat dazu geführt, dass sowohl Zugewanderte als auch Geflüchtete über Jahre in prekären Verhältnissen arbeiten und leben mussten. Fragen Sie mal die Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter der ersten Generation! Sie werden Ihnen ein Lied davon singen. Wir haben in Berlin aus diesen Versäumnissen gelernt und wollen eine Politik machen, die diesen Menschen Chancen und Teilhabe bietet statt Hürden und Frustration.
Bereits in der letzten Legislaturperiode hat diese Koalition damit angefangen. Mit der Novellierung des Partizipa
tionsgesetzes haben wir den Weg für eine verbesserte Repräsentation und Teilhabe in der Berliner Verwaltung geebnet. Für diese Legislaturperiode haben wir uns als rot-grün-rote Koalition vorgenommen, die Einbürgerungszahlen deutlich zu steigern. Es ist höchste Zeit, denn ein bis zwei Jahre Wartezeit auf einen Erstberatungstermin ist aktuell Alltag in Berlin, und das darf nicht sein. Eine einfachere Einbürgerung ist wichtig, um die Teilhabe so vieler in dieser Stadt zu verbessern. Wir wollen mehr Einbürgerungen pro Jahr. Und ja, wir wollen auch ein Einwanderungszentrum noch in dieser Legislaturperiode umsetzen. Doch für uns ist auch klar, eine Überschrift ist noch lange kein funktionierendes Konzept, und daran gilt es jetzt in dieser Koalition zu arbeiten.
Wir wollen Berlin als Einwanderungsstadt attraktiver machen, doch wir dürfen nicht vergessen, wir sind ebenso Zufluchtsort für Menschen, die Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen. Im Kontext der Fluchtbewegung aus der Ukraine haben wir gesehen, dass rechtliche und administrative Hürden schnell abgebaut werden, wenn der politische Wille da ist. Und weil das auch eine bessere Antwort auf diese Frage ist, wollen wir diese Standards künftig zum Standard für alle Geflüchteten machen, egal ob sie aus Charkiw oder Aleppo flüchten.
Denn die Verbesserungen und die neuen Standards, die wir anstreben, sollen für alle Geflüchteten gelten. Es ist klar, dass es bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine Herausforderungen bei der Versorgung Geflüchteter in Berlin gab. Ob psychosoziale Beratung, ob die dringend notwendige Sprachmittlung bei Arzt- und Krankenhausbesuchen, die Bedarfe sind in vielen Bereichen seit Jahren gestiegen und sehr hoch. Es geht nun darum, die Versorgungssituation generell zu verbessern und diesen Mehrbedarfen gerecht zu werden, auch in finanzieller Hinsicht. Doch einige Verbesserungen in der Migrations- und Flüchtlingspolitik gehen darüber hinaus, was wir als Land Berlin in unserer Macht haben.
Zentral ist hier auch das im Ampelkoalitionsvertrag beschlossene Chancenaufenthaltsrecht, das Kettenduldungen ein Ende setzen soll. Das Chancenaufenthaltsrecht muss so schnell wie möglich umgesetzt werden, denn Kettenduldungen nehmen Menschen, die schon lange hier leben und Teil unserer Gesellschaft sind, die Möglichkeit, hier langfristig anzukommen und teilzuhaben. Bis zu einer entsprechenden Regelung auf Bundesebene müssen wir in Berlin eine Vorgriffsregelung einführen. Andere Bundesländer haben gezeigt, man kann als Land Berlin dieses Chancenaufenthaltsrecht mit einer Vorgriffsregelung umsetzen.
Sie sehen, es gibt viele Punkte, an denen wir ansetzen müssen, damit wir das Ankommen und Teilhaben in Berlin für Menschen erleichtern, die Berlin bereits ihr Zuhause nennen, und alle, die in Berlin ihr Zuhause suchen werden. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass Berlin weiterhin solidarisch, bunt und vielfältig bleibt! Lassen Sie uns Berlin für Menschen, die zu uns kommen, zu dem Zuhause machen, das wir hier auch gefunden haben! – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Berliner haben in der Tat ein großes Herz. 60 000 Flüchtlinge aus der Ukraine haben in unserer Stadt Zuflucht gefunden, Kriegsflüchtlinge, darunter vor allem Frauen und Kinder. Wir versorgen sie medizinisch. Wir geben diesen Menschen ein Zuhause. Wir helfen ihnen, weil in ihrer Heimat Krieg ist.
Berlin ist immer so gewesen. Berlin ist immer eine Einwanderungsstadt gewesen. Denken wir nur an die Hugenotten, die im 17. Jahrhundert aus Frankreich vertrieben wurden! Mit ihrem Wissen und ihrem Fleiß haben sie maßgeblich zum Aufschwung Preußens beigetragen. Denken wir an die Russen, die Anfang des 20. Jahrhunderts vor den Kommunisten geflohen sind! 300 000 russische Bürgerkriegsflüchtlinge kamen in den Zwanzigerjahren nach Berlin, Intellektuelle und Schriftsteller wie Maxim Gorki, Vladimir Nabokov oder Ilja Ehrenburg fanden am Ku’damm ein neues Zuhause im sogenannten Charlottengrad. Zwischen 1918 und 1924 wurden in Berlin mehr russische Bücher gedruckt als in Moskau und Sankt Petersburg zusammen. Für diese Weltoffenheit unserer Stadt finden sich viele Beispiele.
Einwanderer aus vielen Ländern haben Berlin geprägt. Sie haben hier Unternehmen gegründet. Sie haben an unseren Universitäten geforscht. Sie haben mit Verlagen, Zeitschriften und Theatern unsere Kultur bereichert. Auch heute suchen Oppositionelle aus autoritären Staaten Zuflucht in Berlin,
etwa die russische Schriftstellerin Olga Romanowa, der türkische Journalist Can Dündar oder der chinesische Künstler Ai Weiwei. Berlin war und ist die Hauptstadt der Freiheit.
Es ist daher nichts Neues, Herr Saleh, wenn Sie ankündigen, dass Berlin Einwanderungs- und Zufluchtshauptstadt mit Herz sein soll. Aber was genau stellt sich der rotgrün-rote Senat unter einer Einwanderungs- und Zufluchtshauptstadt mit Herz vor?
Wie sieht denn die Realität aus? – Jeder fünfte Berliner ist Ausländer. Jeder dritte Berliner hat einen Migrationshintergrund. Im vergangenen Jahr sind über 80 000 Ausländer neu nach Berlin gekommen. Ein großer Teil der neu nach Berlin gekommenen Menschen kommt illegal in unsere Stadt. 15 000 Asylbewerber sind nachvollziehbar ausreisepflichtig. Diese Menschen müssten nach Rechtsstaatsprinzip eigentlich das Land verlassen, aber der Senat handelt nicht.
Warum nicht? Warum müssen Berliner jeden Monat für die Unterbringung, Verpflegung und Versorgung illegaler Migranten Geld in Millionenhöhe aufbringen? Der Senat muss diese Fragen beantworten, tut er aber nicht. Im Gegenteil! Rot-Grün-Rot will sogar noch mehr Migranten nach Berlin lotsen, denn der Senat hat sich vorgenommen, illegale Schlepperbanden im Mittelmeer zu unterstützen. Dazu heißt es nämlich im Koalitionsvertrag, ich zitiere: Berlin wird einen Beitrag zur Seenotrettung leisten. – Mit Verlaub, ist das Ihre Vorstellung von der Zufluchtshauptstadt Berlin?
aber viele dieser Migranten setzen sich nicht in ein wackliges Schlauchboot, weil sie einfach in Not sind, sondern weil sie oft nach der Abfahrt wissen, dass ihnen Schiffe der Flüchtlingshelfer helfen und sie darauf umsteigen können.
[Beifall bei der AfD – Gunnar Lindemann (AfD): Bravo! – Katrin Schmidberger (GRÜNE): So ein Quatsch!]
Ohne diesen Fahrdienst würde kaum jemand von Libyen in ein wackliges Schlauchboot in See stechen. Wer das unterstützt, mit Verlaub, macht sich mitschuldig.