Protocol of the Session on December 10, 2020

Sie spielen sich hier als Retter des Berliner Sports auf, aber Sie sind keine Retter, sondern in diesem Fall sind Sie die Totengräber von großen Teilen des Berliner Sports.

[Beifall bei der AfD]

Mit Ihren Maßnahmen treiben sie die Vereine in die Abhängigkeit und machen sie zu Bittstellern, während die anderen am langen Arm verhungern. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schäden werden immer katastrophaler. In der Sonderplenarsitzung am 1.11.2020 haben

alle Fraktionen, außer der Fraktion der AfD, diese wissenschaftlich unbegründeten und unverhältnismäßigen Beschränkungen für den Sport akzeptiert. Ganz abgesehen von den erheblichen Verletzungen des Gleichstellungsgebots des Grundgesetzes.

Weiter schreiben Sie in Ihrer Begründung, dass sich der Berliner Sport als verlässlicher Partner erwiesen hätte und mit hohem Einsatz die Hygienekonzepte verantwortungsvoll umgesetzt hat. – Selbst der Senator, der gerade an seinem Handy spielt, sagte in der Sportausschusssitzung am 6.11.2020, dass die Hygienekonzepte funktioniert haben. Sie haben funktioniert. Warum stellt man denn jetzt alles wieder ein, Herr Senator? – Trotz Ihrer ganzen Verbote steigen die Infektionszahlen. Dass es Wege und Mittel gibt, zeigt Ihnen Ihr Kollege Boris Palmer in Tübingen, der sich um die wirklichen Hotspots kümmert.

Hier in Berlin interessiert es den Senator nicht einmal, auf welcher Grundlage und wo genau ausgearbeitete Konzepte funktioniert haben. Er lehnte die statistische Erfassung sämtlicher Sonderöffnungsanträge im Bereich Sport im Zusammenhang mit Pandemieausbrüchen ab, obwohl sie zur Transparenz und zum Erkenntnisgewinn beitragen würden.

[Beifall bei der AfD]

Aber auch generell hat der Senator zum Bereich Sport ein etwas eigenartiges Verhältnis. Er sagte in der schon zitierten Ausschusssitzung, dass Profisport Arbeit ist und diese Arbeit zugelassen wird. – So war es, nicht? – Ja! – Profisportvereine sind also Wirtschaftsunternehmen und gehören zum Sport, außerdem werden sie durch den Rettungsschirm unterstützt. Andere Sportanbieter, wie Fitnessstudios, Tanzschulen, Kampfsportschulen usw., sind auch Wirtschaftsunternehmen, die einer Arbeit nachgehen, Herr Senator, und zwar im Bereich Sport, aber die gehen leer aus. Das kommt einem Berufsverbot gleich. Wo ist denn da die Logik, Herr Senator?

[Beifall bei der AfD – Senator Andreas Geisel: Außer, dass es nicht stimmt!]

Daher lehnen wir die Aufstockung und zeitliche Verlängerung der Berliner Rettungsschirme für Sport ab. Die finanziellen Mittel, die dafür vorgesehen sind, sollten in die Erhöhung der Testkapazitäten und für die Durchsetzung tauglicher Hygienekonzepte, die den Sportbetrieb ermöglichen und infektionssicherer machen, fließen. Die Berliner Rettungsschirme Sport sollen langsam heruntergefahren werden und durch eine Normalisierung des Profi- und Amateursportbetriebs ersetzt werden.

Dieser Antrag, den Sie dem Berliner Sport unter den Weihnachtsbaum legen, ist die reinste Heuchelei gegenüber den vielen, um ihre Existenz kämpfenden Berliner Sportlern.

(Philipp Bertram)

[Beifall bei der AfD – Sven Kohlmeier (SPD): Du erzählst einen Unsinn!]

Ich kann nur hoffen, dass alle die, die diesen Wahnsinn hier mitgetragen haben, in naher Zukunft zur Verantwortung gezogen werden. – Danke!

[Beifall bei der AfD – Philipp Bertram (LINKE): Wie soll das denn aussehen? Einmal an die Wand stellen, oder was? – Zuruf von Sven Kohlmeier (SPD)]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat dann Frau Ludwig das Wort. – So, meine Herren! Jetzt wieder die Zwiegespräche einstellen, hier vorne spielt die Musik! – Bitte schön, Frau Kollegin!

Danke, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Rund 700 000 Berlinerinnen und Berliner sind Mitglied in einem Sportverein, und ein Großteil von ihnen treibt in normalen Zeiten auch regelmäßig Sport. Hinzu kommen mehrere Hunderttausende, die individuell ihrem Sport nachgehen, ob im Yoga- und Kampfsportstudio, beim Schwimmen oder auf dem Skateboard. An jedem normalen Wochenende, sommers wie winters, locken zahlreiche attraktive Sportevents in die Eissporthallen, Fußballstadien und Laufstrecken. Berlin ist Sportstadt, eine der bewegungsaktivsten Städte überhaupt. Da fällt es natürlich ganz besonders schwer, über so lange Zeit wortwörtlich die Füße still halten zu müssen.

Im Gegensatz zum Shoppen, über das heute Vormittag schon gestritten wurde, dient der Sport auch dem mentalen Ausgleich, hilft den Körper fit zu halten, und damit auch die Abwehrkräfte zu stärken. Daher klingt es für manche absurd, dass ausgerechnet der gesundheits- und stimmungsfördernde Sport wieder so stark eingeschränkt werden musste.

Es ist aber unumgänglich. Wenn wir eine Chance haben wollen, die Pandemie einzugrenzen, müssen jegliche Kontakte nicht nur verringert, sondern soweit irgendwie möglich komplett vermieden werden.

[Beifall von Silke Gebel (GRÜNE)]

Die aktuellen Entwicklungen zwingen uns dazu, wenn uns irgendetwas am Leben unserer Mitmenschen liegt – und ich habe das Gefühl, manchen hier im Raum liegt nichts am Leben ihrer Mitmenschen.

[Christian Buchholz (AfD): Ja, den Grünen! – Zuruf von Sven Kohlmeier (SPD)]

Ja, aber uns liegt etwas am Leben unserer Mitmenschen, und zwar aller, egal wie alt diese sind. – Der Regierende hat dies heute schon sehr eindrücklich bekräftigt und dargestellt, und dem können wir uns hier nur an

schließen. Dies trifft natürlich die Sportreibenden hart – gar keine Frage. Die meisten von ihnen zeigen sich dennoch solidarisch, und das hat unser aller Dank verdient.

Haupt- wie Ehrenamtliche tun alles, um noch so viel Vereinsleben wie möglich zu bieten: sei es durch Einkaufshilfen für ältere, gefährdete Mitglieder, durch Online-Athletik-Training für ambitionierte Liga- und Freizeitspielerinnen und -spieler und natürlich das Trainingsangebot für die Kinder bis zwölf Jahre. Gut, dass Berlin diesen etwa 150 000 Berliner Kindern, die regelmäßig außerhalb des Schulunterrichts Sport treiben, das Training weiter ermöglicht.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Anne Helm (LINKE) und Franziska Becker (SPD)]

Natürlich, das ist klar: nur in einem eingeschränkten Umfang und ausschließlich im Freien, aber immerhin. Gerade in der dunklen Jahreszeit ist dieser Ausgleich, die Bewegung und der Kontakt mit Gleichaltrigen so wichtig. Danke an unseren Berliner Sportsenator, dass Sie dies ermöglicht haben. Berlin ist hier mit einem guten Beispiel vorangegangen, andere Bundesländer haben da nachgezogen.

Frau Kollegin, ich darf fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit von der AfD-Fraktion zulassen.

Nein, keine Lust. – Dennoch: Die andauernde Pandemie geht langsam an die Substanz. Vor allem fehlen die Einnahmen aus Veranstaltungen, Spenden verringern sich, gleichzeitig steigen auch Aufwendungen durch Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens.

Übungsleiterinnen und Übungsleitern fehlen Einnahmen – besonders, wenn sie auch sonst nicht gut abgesichert sind.

Nachdem in den ersten Monaten der Pandemie noch viele Vereine zuversichtlich waren, die Krise glimpflich zu überstehen, mehrt sich insbesondere in der zweiten Welle, bei aller Solidarität, die Besorgnis. Ja, auch bei den privaten Anbietern, da haben Sie recht, Herr Scheermesser, aber diese werden durch die Wirtschaftshilfen – Soforthilfe II, Novemberhilfe, Dezemberhilfe – unterstützt. Ja, da mag man natürlich über die Auszahlung vom Bund stöhnen, dass die lange dauert, aber diese werden da abgedeckt. Das ist nicht Sache des Rettungsschirms Sport. Der Rettungsschirm Sport ist für die Vereine. Da müssen Sie abgrenzen.

[Zuruf von der AfD]

Das tun Sie nicht, Herr Scheermesser, Sie bringen hier immer alles durcheinander. – Mit unserem hier vorlie

(Frank Scheermesser)

genden Antrag, den Rettungsschirm Sport zu öffnen, also auch Mehrkosten, die durch die Pandemie eintreten, zu ersetzen, liegen wir daher absolut richtig. Um den Trainingsbetrieb für die Kinder aufrechtzuerhalten sind ebenso wie für ein professionelles Online-Athletik-Training zusätzliche Aufwendungen notwendig, mit denen wir die Vereine nicht alleine lassen wollen. Unser Dank gilt besonders – das wurde schon gesagt – dem Landessportbund, der hier sehr transparent informiert und auch eine schnelle Auszahlung gewährleistet. Gut, wenn man so starke Partner hat!

Wir müssen heute aber auch noch weiter in die Zukunft blicken: Vermehrt erreichen uns besorgte Anrufe von Vereinen, die um die Existenz ihrer Übungsleiterinnen und Übungsleiter und Trainerinnen und Trainer bangen, denn für viele von ihnen steht die November- oder Dezemberhilfe nicht zur Verfügung, da sie ihre Selbstständigkeit als Übungsleiterin und Übungsleiter oder Trainerin und Trainer nur als Nebentätigkeit ausüben. Es geht hier um einzelne Existenzen genauso wie um lange und mühevoll aufgebaute Strukturen im Sport – im Verein ebenso wie bei privaten Sportanbietern. Hier müssen wir verstärkt an den Bund appellieren, seine Hilfen zu modifizieren, damit auch bei Nebentätigkeit in der Selbstständigkeit die Einnahmeausfälle ersetzt werden.

Bei allen Bemühungen, um die Ausbreitung der Pandemie schnell in den Griff zu bekommen, müssen wir schon heute einen Blick in die Zukunft richten. Die Solidarität der Sportlerinnen und Sportler ist uns auf Dauer nur sicher, wenn wir ihnen auch weiterhin als verlässlicher Partner zur Seite stehen. Daher ist es neben allen finanziellen Hilfen auch notwendig, ihnen im neuen Jahr, wenn wir hoffentlich den Höhepunkt dieser Infektionswelle hinter uns haben, einen transparenten und nachvollziehbaren Stufenplan zurück aus der Pandemie vorzulegen. Prioritär ist für uns Grüne der Kinder- und Jugendsport, dem zuallererst Kapazitäten eingeräumt werden muss. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Dann haben wir jetzt noch Herrn Förster von der FDPFraktion. – Bitte schön, Herr Kollege!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Buchner hat mir auf den Weg gegeben, ich solle am Anfang etwas Nettes über ihn sagen, das hätte ich aber ohnehin getan; auch ohne diese Aufforderung hätte ich damit begonnen.

[Beifall von Bernd Schlömer (FDP)]

Nicht nur, weil wir die letzte Sitzung vor Weihnachten haben, sondern weil ich die Gelegenheit auch gerne nutzen will, mich bei Dennis Buchner, aber auch bei Philipp Bertram, Nicole Ludwig und Stephan Standfuß dafür zu bedanken, dass gerade in diesem Jahr, wo es für den Sport nicht einfach war, doch parteiübergreifend versucht wurde, das Beste unter nicht einfachen Bedingungen herauszuholen. Das hat aber ganz gut funktioniert, und das zeigt eben auch, dass Sportpolitik mehr ist, als dass jeder nur sein eigenes Ding macht – insofern einen herzlichen Dank dafür!

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, der LINKEN und den GRÜNEN]

Ich will an der Stelle auch sagen, dass es am Ende – und das sage ich auch in Richtung von Herrn Scheermesser – gar nicht darum ging und jetzt an der Stelle auch gar nicht darum geht, ob man zu anderen Lösungen hätte kommen können. Das hätte man im Einzelfall sicherlich tun können, und ich habe auch vor den Schließungen darauf hingewiesen, dass der Sport sicherlich nicht der Pandemietreiber sein wird. Das gilt im Übrigen auch für die Kultur und galt auch für die Gaststätten.

Wenn wir uns jetzt die Zahlen anschauen, die nicht signifikant gesunken sind, zeigt das, dass das nicht die Hauptbereiche gewesen sind, sondern der Hauptbereich des Infektionsgeschehens ist immer der private Bereich. Meine große Befürchtung ist, dass diejenigen, die jetzt zum Beispiel keinen Sport mehr treiben, sich ins Private zurückziehen und dort in engen Räumen aufhalten, anstatt sich an der frischen Luft zu beschäftigen. Wir können auch besichtigen, was die Kinder und Jugendlichen am Nachmittag machen: Die fahren mangels anderer Alternativen in der Mall of Berlin die Rolltreppe hoch und runter.

[Katalin Gennburg (LINKE): Na, na, na! Also!]

Das ist am Ende auch nicht das, was zählt und was sinnvoll wäre. Insofern hätte man schon maßvoll mit den Sportvereinen umgehen und gerade individuelle Öffnungen im Außenbereich zulassen können. Das wäre sicherlich vernünftiger gewesen; das ist vorher auch diskutiert worden. Das will ich an der Stelle ganz klar sagen: Man hätte individuell zugeschnittene Konzepte machen können.

[Zuruf von Florian Kluckert (FDP)]

Aber – jetzt komme ich zum Aber – es ist nun bundesweit entschieden worden, diesen Weg zu gehen und den Vereinen noch einmal große Zumutungen abzuverlangen.

Das ist auch etwas, was wir nicht sofort zurückdrehen können und was die meisten Vereine auch nicht zurückdrehen wollen, weil gerade die Vereine, wenn man mit ihnen spricht, zum Teil auch sagen: Wir hätten in diesen Zeiten sowieso nichts gemacht –, oder: Unsere Mitglieder haben Angst. Wir haben viele ältere Mitglieder, auch darauf muss ich Rücksicht nehmen. – Es gibt natürlich

(Nicole Ludwig)