Protocol of the Session on December 10, 2020

[Beifall von Dr. Michael Efler (LINKE) und Katalin Gennburg (LINKE)]

Der Clou an der ganzen Sache wäre – das möchte ich der AfD mit auf den Weg geben, weil Sie sich hier aufspielen, als würden Sie hundertprozentig hinter den Beschäftigten stehen –, dass wir damit einen Weg offerieren, künftig auf Ausschreibungen zu verzichten und den Be

trieb direkt an das kommunale Unternehmen zu vergeben – wie bei der BVG.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD]

Aber zurück zum Gesetz: Neu zu beschaffende Fahrzeuge für die S-Bahn wird künftig das Land als Eigentum erwerben und die Finanzierung aus Haushaltsmitteln leisten. Die finanziellen Grundlagen dafür haben wir in dieser Legislaturperiode bereits geschaffen. Ich kann mich im Übrigen nicht daran erinnern, dass das im Verkehrsausschuss großartig eine Rolle gespielt hätte; es wurde nicht problematisiert. Insofern wachen Sie aufseiten der AfD-Fraktion alle relativ spät auf im Verkehrsbereich.

Ziel des Ganzen war und ist es, dass wir die finanziellen Auswendungen für die Länder reduzieren; das wurde schon ausgeführt. Künftig machen wir uns damit auch unabhängig von Dritten. Wir stärken damit die Position der öffentlichen Hand. Wir werden unabhängig vom bisherigen Eigentümer der Fahrzeuge. Wir werden dann auch einen direkten Einblick haben in den Zustand der Wagen und in die Instandsetzung. Wir erinnern uns alle noch an die S-Bahnkrise und an die Nachwirkungen für die Stadt und die Fahrgäste. Damit wollen wir Schluss machen.

Ich möchte noch Folgendes erwähnen: Begrüßen würden wir es auch, wenn sich Brandenburg an der Fahrzeuggesellschaft beteiligen würde. Schließlich stehen beide Bundesländer in der Verantwortung, ausreichend und funktionstüchtige Wagen für den S-Bahnverkehr sicherzustellen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Zur Ausschreibung der S-Bahn Nord-Süd und Stadtbahn: Ich darf an der Stelle einmal anmerken – ich glaube, das verzeihen mir die Kollegen der SPD –, dass wir durchaus kritisiert haben, dass das Netz in der letzten Legislaturperiode zerschlagen wurde. Man hat versucht, es vermeintlich wettbewerbsfähig zu machen im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Diese Entscheidung kann nicht einfach revidiert werden. Das Teilnetz Ring/Süd-Ost ist, wie bereits erwähnt, ausgeschrieben worden. Es geht jetzt nur um Nord-Süd und Stadtbahn. Das sind zwei Drittel des S-Bahnverkehrs. Natürlich müssen wir die Verkehre massiv verstärken. Es sollen mindestens 1 308 und bis zu 2 160 neue S-Bahnwagen erworben werden. Da sage ich ganz klar: Dieser oberen Zahl müssen wir uns annähern, denn wir haben einen wachsenden Pendlerverkehr, die Herausforderungen der wachsenden Stadt, Klimaschutzziele, und wir müssen natürlich dafür sorgen, dass die Menschen Abstand halten können. Wir haben massive Anforderungen an eine sozial gerechte Verkehrswende.

Deswegen möchte ich zuletzt auf einige Punkte aus der Ausschreibung und auch auf die Diskussion, auf die hier angespielt wurde, eingehen. Denn für die Koalition ist

(Gunnar Lindemann)

das ein Riesenthema. Um es noch einmal klar zu sagen: Wir brauchen die Landesanstalt, aber die hier getroffenen Entscheidungen sind in keinster Weise ein Präjudiz dafür, welches Unternehmen auch immer am Ende den Zuschlag für die Netze Nord-Süd und Stadtbahn bekommen wird.

Wir haben bereits vor Veröffentlichung der Ausschreibung geklärt, dass die Loslimitierung vom Tisch ist – ein Kombinationsangebot auf alle Teilnetzlose ist möglich, das hat Herr Heinemann ausgeführt; das war eine richtige Entscheidung –; das hätte es mit uns oder auch mit der SPD nicht gegeben.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall bei der SPD]

Die Gründe dafür wurden genannt.

Ich will noch auf die Werkstätten eingehen. Die Landesanstalt soll auch die Aufgabe haben, entsprechende Flächen bereitzustellen, wenn diese von dem erfolgreichen Bieter benötigt werden. Da gab es im ursprünglichen Entwurf den verpflichtenden zusätzlichen Werkstattstandort, weil nur die S-Bahn Werkstätten besitzt und es andere Anbieter damit schwerer hätten. – Diese Regelung ist raus. Auch das haben wir begrüßt.

[Beifall von Tino Schopf (SPD)]

Denn es ist nun so, dass potenzielle Werkstattstandorte an beiden Teilnetzen zur freiwilligen Nutzung angeboten werden sollen, aber nicht mehr verpflichtend, was zur Auflösung bestehender Standorte geführt hätte.

Ich kann auch feststellen, dass wir die leichte und schwere Instandhaltung der Fahrzeuge unbedingt weiterhin in der Region brauchen. – Lassen Sie mich zuletzt sagen: Wie es tatsächlich mit der S-Bahn weitergehen wird, und ob wir als Koalition über andere Optionen als Ausschreibungen nicht ernsthafter nachdenken müssen – die Möglichkeiten habe ich zu Beginn meiner Rede genannt –, das wird sich 2021 auf jeden Fall entscheiden. Ich sehe der Ausschussberatung entgegen und sehe, dass wir dort eine sicherlich komfortable Mehrheit mit der CDU haben werden. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN und der SPD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der FDP hat der Kollege Schmidt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die S-Bahnvergabe ist ein Thema, das sich bisher durch die gesamte Legislaturperiode gezogen hat. Es hat sehr lange gedauert; darauf hat Kollege Friederici zu Recht hingewiesen. Das Thema ist aber auch ausgespro

chen komplex. Wir haben heute bei den Reden der drei Koalitionspartner gehört, dass diese da ganz unterschiedliche Vorstellungen haben und in das, was Sie gemeinsam entschieden haben, jeweils andere Dinge hineininterpretieren.

Es geht um sehr viel Geld. Es geht nicht nur um mehrere Hundert Millionen Euro für den S-Bahnbetrieb, sondern es geht beim Fahrzeugpool um fast 3 Milliarden Euro, die in den nächsten Jahren für die Wagenbeschaffung der SBahn ausgegeben werden sollen. Es geht aber – das ist mir das Wichtigste – vor allem darum, diese unsägliche Katastrophe der S-Bahnkrise von 2009 und den Folgejahren in Zukunft sicher zu verhindern.

[Beifall bei der FDP]

Wir haben es damals erlebt und erleben es auch heute, dass die linke Seite des Hauses das ganze Problem von damals der Marktwirtschaft, dem Wettbewerb und dem bösen Kapitalismus anlastet.

[Zuruf von der LINKEN]

Das ist natürlich ein Märchen. Festzuhalten ist: Die Ursache der Krise war eine wenig kontrollierte Vergabe des damaligen Senats an ein hundertprozentiges Staatsunternehmen, das gemacht hat, was es wollte, das keiner so richtig kontrolliert hat. Das Ganze ging solange, bis alles dermaßen vor die Wand fuhr, dass zum Schluss buchstäblich gar nichts mehr fuhr auf der Schiene. – Herr Lindemann! Das war das von Ihnen so geschätzte Staatsunternehmen, das Sie eben so gelobt haben.

[Beifall bei der FDP]

Dafür gab es eine politische Verantwortung, denn diese Katastrophe ist durch miserable Vertragsgestaltung, mangelnde politische Kontrolle, zu große Nähe der Politik zum Betreiber und auch durch unkoordiniertes Sparen um des Sparens willen – übrigens auch des Landes Berlin und seines damaligen SPD-Finanzsenators – entstanden. Das darf sich auf keinen Fall wiederholen.

[Beifall bei der FDP]

Die S-Bahn Berlin GmbH hat inzwischen durch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihre Geschäftsführung ganz erhebliche Anstrengungen zur Überwindung der Schäden der S-Bahnkrise unternommen und auch viel erreicht. Dafür möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der S-Bahn herzlich bedanken.

[Beifall bei der FDP]

Aber mehr als zehn Jahre nach der Krise sind die Folgen immer noch zu spüren. – Übrigens, Herr Lindemann, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrifft, finde ich es unsäglich, dass Sie versuchen, ihnen in dieser Weise Angst zu machen.

[Beifall bei der FDP und der SPD – Beifall von Oliver Friederici (CDU)]

(Kristian Ronneburg)

Jeder Senat – da bin ich mir sicher –, egal, wer hier regiert, wird Ausschreibungen zustande bringen, in die eine Arbeitsplatzgarantie, eine Gehaltszusage für die Mitarbeiter hineingeschrieben werden. Es geht hier nicht um einen Dumpingwettbewerb. Es geht darum, die Arbeitsplätze der Mitarbeiter zu sichern und diese vernünftig zu bezahlen. Aber auch dafür, dass es besser werden könnte, bietet der Wettbewerb eine Chance.

[Beifall bei der FDP]

Der Wettbewerb ist aber eben auch das einzige Mittel gegen die Wiederholung einer solchen Krise, das einzige Mittel, das eine gut funktionierende, attraktive S-Bahn sichert. Das einzige Mittel ist eben eine faire Vergabe im marktwirtschaftlichen Wettbewerb. Deshalb ist es gut, dass sich hier inzwischen eine Lösung anbietet, die wettbewerbliche Elemente enthält, und es ist – das muss man auch sagen – den Grünen zu verdanken, die schon in der Oppositionszeit damals immer wieder Ausschreibungen für die S-Bahn gefordert haben und jetzt im Senat durchgesetzt haben, während die anderen beiden Fraktionen der Koalition – das haben wir ja gehört – und auch manche Oppositionsfraktionen eher für mehr Staatswirtschaft plädiert haben.

Die Berliner Politik, auch im letzten Senat, hat leider in der Vergangenheit oft eine zu große Nähe zum DeutscheBahn-Konzern gehabt, und das hat dann auch zu überhöhten Preisen und einer schlechten Leistung bei der S-Bahn mit beigetragen.

Eine ganz wesentliche Frage zur Sicherung des Wettbewerbs ist nun mal die Frage der Fahrzeuge. Der aktuelle Betreiber hat einen großen Vorteil bei der nächsten Ausschreibung, da neue Betreiber einen eigenen Fahrzeugpark bereitstellen müssten.

Die Fahrzeuge der S-Bahn sind ja speziell nur für die S-Bahn brauchbar, und jeder neue Wettbewerber müsste erst mal neue Fahrzeuge kaufen und hätte damit einen großen Nachteil im Wettbewerb.

[Oliver Friederici (CDU): Aha!]

Der Senat hat sich deshalb für den landeseigenen Fahrzeugpool entschieden, der dann den Betreibern die Fahrzeuge gegen Kostenerstattung überlässt. Das hat er natürlich auch getan, um denjenigen in der Koalition entgegenzukommen – das haben wir ja gehört –, die lieber alles von der S-Bahn komplett landeseigen gehabt hätten. Es hätte auch andere Wege gegeben, zum Beispiel den Betreiber zu verpflichten, die Fahrzeuge an den nächsten Betreiber zu übergeben. Jetzt ist es aber der landeseigene Fahrzeugpool geworden. Das ist eine Lösung, die für uns als FDP-Fraktion durchaus akzeptabel ist.

[Beifall bei der FDP]

Wir hätten uns im Idealfall gewünscht, dass an den Fahrzeugpool die Instandhaltung gekoppelt wird, weil es dann noch besser koordiniert würde, dass bei der Beschaffung

von vornherein auf einen niedrigen Instandhaltungsaufwand über die gesamte Lebensdauer geachtet wird, und das würde natürlich der S-Bahn in der Qualität auch nutzen. Man kann auch darüber reden, ob das Schienennetz da nicht reingehört. Das ist ja zurzeit das Problem, dass viele der Probleme der S-Bahn vom Schienennetz kommen, was gar nicht mit der S-Bahn GmbH zu tun hat, aber dazu führt, dass die S-Bahn nicht gut betrieben werden kann. Wir wissen aber, dass das Schienennetz nicht zur Verfügung steht, weil der Betreiber das zumindest derzeit nicht hergeben will. Diese Option gibt es also nicht.

Die im Gesetzentwurf verankerte Option des Baus neuer Werkstätten wird hoffentlich nicht nötig werden. Wir reden hier dann nicht nur über neue Werkstätten, sondern auch über kilometerlange Schienenanbindungen, die dreistellige Millionensummen kosten, und ich hoffe, dass sich diese Kosten vermeiden lassen und dass wir es doch schaffen werden, die bestehenden Werkstätten zu mieten, anzukaufen oder Ähnliches.

Im Detail müssen wir bei dieser Landesanstalt auch über den Wirtschaftsplan reden. Da haben wir noch durchaus Diskussionspunkte, die wir in den Ausschüssen klären müssen. Das fängt mit den Zinsen an: Darin steht ja so schön, dass Kapitalrenditen entfallen, aber die Zinsen auf die hohe Kreditaufnahme sind ja auch Kapitalrenditen auf Fremdkapital. Sie wollen 90 Prozent der Beschaffungskosten auf Kredit machen. Das könnte bei Zinssteigerungen dann ziemlich schnell ziemlich teuer werden. 1 Prozent Zinssteigung kostet dann 27 Millionen Euro im Jahr. Das ist also gar nicht so leicht, so stark in die Kreditaufnahme zu gehen. Und diese zusätzliche Verwaltungsstufe Fahrzeugpool kostet auch für sich alleine etwas. Dafür, dass die einfach nur da ist, kostet es ungefähr eine Million Euro, steht im Wirtschaftsplan. Auch ob das gesamte Know-how dann immer an Dienstleister gegeben werden soll und nicht in der Gesellschaft ist, sollten wir noch mal hinterfragen und auch in der Praxis noch mal angucken, ob es nicht sinnvoll wäre, dass die Gesellschaft doch eigenes Wissen für die Ausschreibungen vorhält. Insbesondere, wenn sie sonst die Dienstleister involvieren würde, die genau dieses Modell gestrickt haben, wäre ich etwas skeptisch, die jedes Mal bei der Beschaffung mit einzubinden.

[Beifall bei der FDP und der SPD]

Es ist richtig, dass die Strukturentscheidung jetzt getroffen wird. Das ist ein wichtiger Schritt für die Zukunft der S-Bahn. Wir sind als FDP-Fraktion da grundsätzlich mit im Boot, aber über den Wirtschaftsplan und die Details der Ausgestaltung werden wir mit Ihnen noch diskutieren. Darauf freue ich mich. – Vielen Dank!