Herr Goiny! Vielleicht noch zwei, drei Worte zu Ihren Ausführungen zu den Hilfen: Sie haben gesagt, man dürfe sich nicht auf den Bund verlassen. – Da haben Sie recht. Wer sich auf den Bund und diese Bundesregierung verlässt, der ist in der Tat verloren.
Deswegen gab es eine Berliner Soforthilfe I, II, II, IV, V, und deswegen schaffen wir jetzt auch Vorsorge.
Aber, Herr Goiny, nach mehreren Monaten Debatte müssten auch Sie eines verstanden haben: Die Überbrückungshilfen sind nicht additiv zu Landeshilfen, sondern sie werden angerechnet. Das heißt, die Betreffenden haben nicht einen Cent mehr, sondern der einzige Effekt ist, dass wir mit Berliner Steuermitteln das bezahlen, was sonst der Bund bezahlen würde – und das können selbst Sie nicht wollen, Herr Goiny.
[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Steffen Zillich (LINKE) – Bürgermeister Dr. Klaus Lederer: So ist es! – Christian Goiny (CDU): Da haben Sie mich falsch verstanden!]
Herr Kollege Wesener! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gräff von der CDUFraktion zulassen.
Nein! – Wir bilden eine Rücklage für den Ausgleich der vorhersehbaren Mindereinnahmen der öffentlichen Hand in 2021 und 2022, damit der Staat eben nicht auch noch in die Krise hineinspart, denn das würde den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Flurschaden nur vergrößern und die konjunkturelle Erholung deutlich erschweren. Deshalb refinanzieren wir einen großen Teil der Mehrausgaben und Mindereinnahmen, die unmittelbar auf die Coronakrise zurückgehen durch notfallbedingte Kreditaufnahme und das in einer Höhe, die sich im Vergleich zu anderen Bundesländern ebenso maßvoll wir haushaltspolitisch seriös darstellt – oder, um es in Richtung der Opposition noch einmal etwas deutlicher zu sagen: Die deutschen Coronaschuldenkönige sitzen nicht in diesem Saal, sondern in den Landtagen in Düsseldorf oder München mit ihren schwarz-gelben und schwarz-orangenen Landesregierungen.
Wir sorgen dafür, dass Land und Bezirke in 2021 politisch wie finanziell handlungsfähig bleiben, durch die Neutralstellung der Bezirkshaushalte und durch zusätzliche Mittel für den Kitaausbau, die Wahrnehmung der bezirklichen Vorkaufsrechte, die Fortsetzung des Semestertickets, das wichtige Verkehrsprojekt i2030 und die coronabedingten Mehrbedarfe bei der Wohnungslosen- und Suchthilfe. Und wir ziehen erste Konsequenzen aus dem, was uns die Coronakrise gelehrt hat, etwa durch die Beschleunigung der Digitalisierung der Berliner Schulen und die Festlegung der dafür notwendigen administrativen Zielstruktur.
Last but not least stellen wir als Koalitionsfraktionen sicher, dass nahezu alle diese Maßnahmen und Entscheidungen nur unter der Einbeziehung und politischen Mitwirkung des Parlaments stattfinden. Das gilt auch und gerade für die geplanten Konjunkturmaßnahmen, denn so notwendig diese aus grüner Sicht für die wirtschaftliche Erholung Berlins 2022 ff. sind, kann das nicht die Subventionierung eines bloßen Weiter-so bedeuten. Wenn uns die Coronakrise etwas gelehrt hat, dann das, was uns die Klimakrise eigentlich schon längst hätte lehren müssen, nämlich dass die Krisenresilienz unserer Gesellschaft und unseres Wirtschaftssystems davon abhängt, ob ihre ökologische, soziale und digitale Transformation wirklich gelingt.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Frank Zimmermann (SPD) und Dr. Susanne Kitschun (SPD)]
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das nächste Jahr wird nicht weniger anstrengend als das, das in wenigen Wochen zu Ende geht. Ich wünsche allen, die sich faktisch seit diesem Frühjahr in Haushaltsberatungen befinden, eine erholsame Verschnaufpause über die nahenden Feiertage. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, Nachtragshaushalt Corona: Natürlich war es richtig, noch mal Schulden aufzunehmen. Es ist völlig klar, dass wir uns in einer Situation befunden haben, in der sozusagen die Schuldenbremse von einer klassischen Notlage spricht. Am Mittwochabend waren es unter dem Strich, wenn man alles zusammenzählte, 7,3 Milliarden Euro, die das Land Berlin jetzt an neuen Schulden aufgenommen hat. 7,3 Milliarden Euro, das ist so viel Geld, wie wir in Berlin für unser gesamtes Personal ausgeben. Das heißt, das ist nicht ganz wenig. Wir haben damit einen Schuldenstand, der so hoch ist, wie er noch nie war, auch nicht in den Nullerjahren – dass uns das nur einmal klar ist! Insofern hätten wir gerne schon bei 5 Milliarden Euro Stopp gesagt und hätten dann einmal angefangen, diese Gelder so auszugeben, dass wir die Folgen der Coronapandemie mildern können.
Denn wir müssen uns auch über eines im Klaren sein: Diese Schulden werden wir tilgen müssen. Das ist auch richtig so. Es gibt einen Tilgungsplan von 27 Jahren, das heißt, 270 Millionen Euro pro Jahr. Das klingt jetzt nach
nicht so viel, wenn man vorher von 7,3 Milliarden gesprochen hat. Für 270 Millionen Euro pro Jahr könnten wir eine komplette Universität finanzieren – einfach nur, dass wir uns einmal die Größenordnung klarmachen.
Was ist jetzt mit dem Geld, das aufgenommen worden ist, passiert? – Natürlich ist ein Großteil davon noch nicht ausgegeben, aber man hat auch Ausgaben getätigt, die wir sehr wohl mittragen und die richtig sind. Das ist ja selbstredend. Natürlich haben wir Geld für Masken und Schutzkleidung gebraucht, für ein Coronakrankenhaus an der Messe – von dem ich immer noch hoffe, dass wir es nie brauchen werden. Das ist ganz klar, das ist richtig so. Natürlich haben wir auch Geld für die Verwaltung zur Verfügung gestellt, im Besonderen für die Gesundheitsämter. Ich erinnere mich an eine Hauptausschusssitzung, in der wir das noch einmal im Besonderen diskutiert und gesagt haben: Die Bezirke sollen die Möglichkeit haben, überall Mitarbeiter einzustellen und sogar noch einmal Räume zu finden. – Am Ende des Tages stehen wir da und müssen feststellen, dass in Berlin eines nicht geklappt hat, nämlich die Kontaktverfolgung. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich halte das wirklich für eine Katastrophe,
und ich frage mich, warum das hier in Berlin nicht möglich war mit dem Geld, das da ist, mit den Räumlichkeiten, die da sind, mit dem Personal. – Also mal ehrlich, es soll mir jetzt keiner erzählen, dass es kein Personal gegeben hat, dass es nicht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Reisebüros gegeben hat, aus Callcentern, Studenten und Studentinnen, die hätten einspringen können. Und wir kriegen es nicht hin. Am Ende des Tages steht dann noch die Frage, ob auch der Schreibtisch mitfinanziert ist. – Das kann doch nicht wahr sein. Da geht es mir gar nicht um eine politische Farbe, sondern ich glaube, dass wir hier wirklich ein Verwaltungsversagen haben,
und zwar ein Versagen, indem wir uns selbst begrenzen in unseren Möglichkeiten. Mir ist schon auch klar, dass wir natürlich einen Hauptpersonalrat haben, dass wir eine Arbeitsstättenverordnung haben, Arbeitszeitverordnung und so weiter. Aber wir schaffen es in diesem Land, das KaDeWe zu schließen, Fußball als Geisterspiele stattfinden zu lassen, aber wir schaffen es nicht, eine Kontaktverfolgung zu organisieren. Wir alle sind gefordert, darüber nachzudenken, wie das in Zukunft besser werden kann.
Frau Meister, ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit von der AfD zulassen.
Ach nein, darauf kann ich verzichten. Vielen Dank! – Noch mal zu den Ausgaben: Dass wir natürlich von diesen Schulden noch mal 100 Millionen Euro in den Ankaufsfonds packen, der natürlich keine wirtschaftlichen Effekte entfalten wird, ist etwas – das haben wir schon zigtausend mal erwähnt –, das uns nicht vorwärts bringen wird.
Aber natürlich werden wir Geld brauchen für Wirtschaftshilfen. Wir werden dieses Geld auch in Zukunft brauchen, weil natürlich Corona und die wirklich gemeinen, elendigen gesundheitlichen Belastungen, die damit einhergehen, die Menschen sorgen, aber auch die Frage um die Existenz.
[Paul Fresdorf (FDP): Immer wenn Frauen reden, Torsten! – Zuruf von der FDP: Das ist uns schon öfter aufgefallen!]
Reden wir noch einmal über Existenzsorgen. Das ist hier im Abgeordnetenhaus vielleicht nicht das große Thema, weil das Geld von alleine kommt, aber wenn man seinen Umsatz wirklich erwirtschaften muss, wenn man im Moment wirklich in Kurzarbeit ist, ist das nicht schön. Natürlich müssen wir hier um jeden Arbeitsplatz kämpfen.
Ich sage es an dieser Stelle noch mal, und ich sage es gern immer wieder: Ja, die Soforthilfe II hier in Berlin war richtig so, und es war richtig, dass man das Geld schnell ausgezahlt hat, denn sonst geht es nicht vorwärts. Wenn sich jemand hinstellt und sagt: Ein Soloselbstständiger kann doch in Hartz IV gehen, nur weil ich ihm seine Berufsausübung verbiete – dann hat der zumindest in meinen Augen Berlin nicht verstanden. Das muss ich Ihnen wirklich sagen.
Natürlich haben wir das auch bei anderen Soforthilfen. Auch Soforthilfe IV, hier gerade in Berlin im Besonderen für unsere Kulturlandschaft, ist ein richtiger Ansatz.
Wir hatten schon ganz früh mal auf die Möglichkeit der Umsatzausfallzahlung hingewiesen und die Einschaltung der Finanzämter. So hätte man eventuell auch schnell Hilfe leisten können, denn das, was jetzt über die Bundesebene passiert, ist, muss ich ganz ehrlich gestehen, ein Armutszeugnis. Ich weiß gar nicht, was eine Überbrückungshilfe soll, wenn sie in der Auszahlung so lange
dauert, dass sie allerhöchstens die Zeit bis zur Insolvenz überbrückt. Das kann doch überhaupt nicht richtig sein.
Eine Novemberhilfe, die im Januar kommt – sorry. Da erwarte ich, muss ich ehrlich gestehen, von den Kollegen der SPD und CDU, dass sie auf Bundesebene mit ihren Vertretern sprechen.
Wir brauchen keine Novemberhilfe, bei der wir Witze darüber reißen, dass die Bezeichnung des Jahres fehlt, in dem sie ausgezahlt wird. Das kann doch nicht wahr sein.
Natürlich gab es bei der Soforthilfe II den bösen Buben, der sich auch bedient hat. – Ja, das wird es geben, aber wir stellen doch Hartz IV auch nicht deswegen ein, weil es Missbrauch dabei gibt. Das ist doch völlig irre, was wir hier machen. Wir prüfen uns doch tot in den ganzen Hilfen.
Damit haben wir nachher nämlich eine Innenstadt, die dunkel sein wird. Das kann es ja wohl nicht sein.
Natürlich werden wir auch im nächsten Jahr noch vor neuen Herausforderungen stehen. Es ist schon angesprochen worden: Bei der BVG wird das, was bis jetzt als zusätzliche Zuführung angedacht war, für Corona nicht reichen. Die BVG hat im Moment schon einen Verschuldungsstand erreicht, bei dem ich sagen würde: Augen auf und Vorsicht, da bilden wir einen Schattenhaushalt, da bilden wir eine Kreditermächtigung, die ich so in den nächsten Jahren nicht stehen lassen möchte.