Ja, und der Mietendeckel hilft auch, dass eine Wohnung, nur weil sie neu vermietet wird, eben nicht mehr automatisch um 30 Prozent teurer wird. Und zweitens sorgt er auch dafür, dass viele Menschen endlich keine Angst mehr haben müssen, dass bald die nächste Mieterhöhung ins Haus flattert bzw. sie morgen ihre Mieten nicht mehr bezahlen können, weil sie sowieso schon die Hälfte ihres Einkommens dafür ausgeben müssen. Ja, ich habe viele Menschen in den letzten Jahren erlebt, die den Glauben an die Politik verloren hatten, weil wir ihnen als Landesgesetzgeberinnen und Landesgesetzgeber oft nicht helfen konnten. Der Mietendeckel verschafft den Menschen nicht nur eine Atempause, nein, er trägt auch zum sozialen Frieden in unserer Stadt bei,
Auch bei den Bodenpreisen entfaltet der Deckel bereits seine Wirkung, auch wenn zugegebenermaßen noch keine abschließende Beurteilung möglich ist. Der Immobilienmarktbericht des Gutachterausschusses stellt für das erste Halbjahr 2020 fest, dass der durchschnittliche Kaufpreis für Mehrfamilienhäuser um 11 Prozent zurückgegangen ist. Das ist nicht nur wichtig für die Mietenentwicklung, nein, das ist auch zentral für die Bodenwerte, denn die Verkaufspreise fließen in die Berechnung der Bodenwerte mit ein, und die wiederum sind in den letzten Jahren so stark gestiegen, dass sie den Neubau an vielen Stellen unserer Stadt unmöglich gemacht haben.
[Sebastian Czaja (FDP): Sie haben das unmöglich gemacht mit Ihrer Politik! – Sibylle Meister (FDP): Bei der Berlinovo anfangen!]
Solange der Bundesgesetzgeber die Bodenwertberechnung nicht ändert und die Spekulation aus den Preisen nicht herausnimmt, ist es unsere Pflicht, zu versuchen auch diese Preisspirale landespolitisch zu stoppen.
[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Dr. Kristin Brinker (AfD)]
Auch wenn es Klagen gibt, und das ist bei neuen Gesetzen nicht unüblich, sollten wir nicht vergessen: In den allermeisten Fällen wird der Mietendeckel von den Vermieterinnen und Vermietern eingehalten. Die allermeisten Vermieterinnen und Vermieter gehen unseren Weg mit. Und um die Vermieterinnen und Vermieter, die auf Mietererhöhungen wirklich angewiesen sind, zu schützen, gibt es auch eine Härtefallregelung. Bis heute gingen 600 Anträge mit 5 120 Wohnungen ein, und davon wurden bereits 165 positiv beschieden. Aber wichtig ist auch: Wer es sich leisten kann, Wohnungen aus Protest oder zur Spekulation leerstehen zu lassen, der ist sicherlich kein Härtefall.
[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Sebastian Czaja (FDP): Es gibt ja kaum mehr Härtefälle!]
Ja, was man auch nicht verschweigen darf, ist, Genossenschaften und landeseigene Wohnungsunternehmen haben weniger Einnahmen, die gerade sie für den Neubau brauchen. Ich finde auch, hier stehen wir als Koalition in der Pflicht, unseren wohnungspolitisch Verbündeten Kompensationsangebote zu machen. Der Mietendeckel eröffnet uns neuen Spielraum, ist aber Verpflichtung zugleich: Die Förderprogramme für den sozialen Wohnungsbau auszuweiten, voll auszuschöpfen sowie den Genossenschaften gute Kreditkonditionen und Grundstücke zur Verfügung zu stellen.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]
Aber wer sagt und behauptet, wie Sie hier immer aus der Koalition, in Berlin würde nicht neu gebaut werden, liegt falsch. Allein im letzten Jahr wurden 17 Prozent mehr Neubauwohnungen errichtet als im Jahr davor.
[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Sebastian Czaja (FDP): Ja, gut, dass SPD und CDU das alles genehmigt haben in der letzten Legislatur! Das hat nichts mit Ihnen zu tun!]
Da reden wir noch mal im Detail drüber. Das klären wir gerne noch mal, Herr Czaja! – Warum der Mietendeckel nicht nur wohnungspolitisch, sondern volkswirtschaftlich notwendig ist, erkläre ich vor allem den Herren von der Opposition gerne noch mal.
[Steffen Zillich (LINKE): Baugenehmigungen sind in der letzten Legislatur genehmigt worden? Wie geht das denn?]
Wie gesagt, das mit den Baugenehmigungen erkläre ich gerne noch mal. Da können wir gerne noch mal sprechen, aber, ich glaube, da haben Sie etwas nicht verstanden.
Ich würde gerne noch mal auf einen ganz wichtigen Aspekt kommen, und den lasse ich mir hier auch nicht versauen.
Es geht darum, dass Sie mal kapieren müssen, dass es hier nicht nur wohnungspolitisch sinnvoll ist, den Mietendeckel einzuführen, nein, er ist auch volkswirtschaftlich sinnvoll für unsere Stadt.
Ja, hören Sie zu! Ich erkläre es Ihnen. Dafür müssen wir gut ein Jahrzehnt zurückgehen, denn seit der Finanzkrise wird Berlin immer mehr zu Betongold gemacht. Auch die Eigentümerstruktur am Wohnungsmarkt hat sich massiv verändert: weg von den ansprechbaren Kleineigentümern,
hin zu Immobilienfonds, börsennotierten Aktiengesellschaften, Kapitalgesellschaften usw. Deren Geschäftsmodelle setzen nur auf Profitmaximierung und auf die Ausschüttung von Dividenden. Die versprechen Renditen von 10 Prozent und mehr.
Hinzu kommt, das müssen Sie auch mal zur Kenntnis nehmen, dass sich mindestens seit 2012 die Kaufpreise für Wohnimmobilien von den Mieten immer mehr entkoppeln. Anders ausgedrückt: Die Kaufpreise für Immobilien und Grundstücke laufen den Mieten davon. Leidtragende dieser Spirale waren und sind die Mieterinnen und Mieter unserer Stadt, denn die hohen Kaufpreise und der daraus entstehende Renditedruck wurden meist einfach über Mietsteigerungen an die Menschen weitergegeben. Hier ziehen wir mit dem Mietendeckel eine Notbremse, und das war verdammt wichtig.
[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Sebastian Czaja (FDP): Also ich habe erst einmal eine Mieterhöhung bekommen, Frau Schmidberger!]
Wie heiß es hier abgeht, sieht man an der Entwicklung des Umsatzes der Immobilienbranche. Zu Beginn der Immobilienrallye im Jahr 2009 lag dieser bei 6,5 Milliarden Euro. Jetzt, zehn Jahre später, 2019, lag er bereits bei 21 Milliarden Euro. Jetzt werden alle in der Opposition sagen: Oh, seht ihr, das ist ein ganz wichtiger Wirtschaftszweig, und R2G beschädigt den total schlimm. – Ja, meine Damen und Herren, aber das ist nicht der Punkt, denn diese Summen haben mit der realen wirtschaftlichen Leistung unserer Stadt überhaupt nichts zu tun.
Im Gegenteil, der größte Teil dieser Summen fließt oft sogar an der Steuer vorbei, aus der Stadt heraus in Offshore-Standorte, also auf Konten in Luxemburg, Zypern oder Panama. Das ist das Gegenteil von Investitionen. Nicht die Steueroasen brauchen unser Geld, nein, wir brauchen die Kaufkraft in Berlin.
Deshalb ist es unsere verdammte Pflicht, als Staat regulierend einzugreifen, damit für die Haushalte, die nicht mehr als 2 000 Euro netto im Monat zur Verfügung haben, und das sind übrigens 50 Prozent der Haushalte in Berlin, ausreichend bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht. Dazu gehören 600 000 Haushalte, die auf staatliche Transfers angewiesen sind. Wir müssen das Marktversagen für diese Menschen doch beseitigen. Der Mietendeckel ist nur ein Instrument hierfür.
Er ist zugleich der Auftakt hin zu einer gemeinwohlorientierten Wohnungspolitik, denn um eine soziale Wohnraumversorgung für alle Berlinerinnen und Berliner zu
gewährleisten, gehören mindestens 50 Prozent des Bestandes in öffentliche und genossenschaftliche Hand. Mit dem Vorkaufsrecht, der Rekommunalisierung und gezielten Ankäufen haben wir schon einiges geschafft.
Wir brauchen beim Bestandsschutz von Wohnraum auch ein Miet- und Wohnungskataster, damit wir endlich die Blackbox Wohnungsmarkt transparenter machen und wissen, wem die Stadt eigentlich gehört.
Dass der Mietendeckel aber keine Wunderwaffe sein kann und nicht allein reicht, zeigt das Beispiel Heimstaden. 3 800 Wohnungen will der schwedische Fusionsfonds kaufen und weigert sich bisher, die Abwendungsvereinbarung zu unterschreiben, weil er eben nicht auf die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verzichten will. Hier muss Rot-Rot-Grün gemeinsam deutlich machen: Eigentum verpflichtet. Wer in Berlin kauft, muss auch bereit sein zu sozialem Handeln. Ansonsten machen wir von unserem Vorkaufsrecht Gebrauch.
[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Paul Fresdorf (FDP): Der kauft gar nicht in Berlin!]
Mit dem Mietendeckel haben wir einen Meilenstein gesetzt und viele ziehen nach. Gerade vor zwei Monaten hat die Regierung in Katalonien ein ähnliches Gesetz verabschiedet, und die kanadische Region Ontario könnte bald folgen. Auch London plant infolge der Covid-Pandemie ein Einfrieren der Mieten für zwei Jahre.
Ich gehe fest davon aus, dass nach der Bestätigung durch das Bundesverfassungsgericht viele Städte und viele Landesregierungen nachziehen werden und der Mietendeckel dann zum Exportschlager wird. – Vielen Dank!