Protocol of the Session on June 4, 2020

Wir standen in den letzten Wochen als Eltern von schulpflichtigen Kindern in einer großen Verantwortung. Man musste Arbeiten und Kinderbetreuung irgendwie jonglieren. Das ist eine enorme Herausforderung. Jeder, der das gemacht hat, weiß wovon ich spreche.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Brauchst du Tipps?]

(Regina Kittler)

Wer denkt, dass man in Ruhe arbeiten kann, wenn die Kinder ruhig ihre Hausarbeiten machen, den Fernunterricht, den manche Homeschooling nennen, der irrt. Es ist eine große Herausforderung für die Erziehungsberechtigten gewesen, da auch eine gewisse Fremdautorität, die in der Schule herrscht, fehlt. Eine Distanz zu den Schülerinnen und Schülern, die dann aber die eigenen Kinder sind, baut man dann auch nicht auf.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Da haben alle viel geleistet in den letzten Monaten in dieser Stadt. Ein großes Dankeschön an die Eltern, die die Schulen unterstützt haben, diese Pläne umzusetzen. Ein großes Dankeschön an die Lehrerinnen und Lehrer, die oft versucht haben, das Beste aus den Umständen herauszuholen. Es gab unterschiedliche Ausprägungen in den Schulen, aber viele waren sehr bemüht.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Nun kommen wir zur Sommerschule: Ich teile die Ansicht von Herrn Stettner, dass es schade ist, dass das nicht für mehr Jahrgänge geöffnet ist. Was ich nicht teile, ist die Einschätzung, dass es nicht für alle Schülerinnen und Schüler geöffnet ist, denn das wurde noch mal geändert. Im Antrag der Koalition wurde viel darüber gesprochen, es geht nur um den sozialen Status.

[Stefanie Remlinger (GRÜNE): Das stimmt nicht!]

Das haben wir zu Recht auch im Ausschuss kritisiert. Das ist jetzt nicht mehr so, und das sage ich ausdrücklich, liebe Frau Kittler. Es geht eher darum, ob das Kind einer Förderung bedarf oder nicht, und das finde ich richtig. Schade ist allerdings, dass nicht alle Klassenstufen inbegriffen sind, denn so könnte man einiges nachholen.

Welchem Irrglauben wir nicht aufsitzen dürfen in diesem Haus, ist, dass wir all das, was versäumt wurde, aufholen können. Ich glaube nicht, dass das möglich ist. Das werden wir nicht schaffen, und deswegen muss man gucken: Was ist das wirklich Relevante in den Unterrichtsinhalten? Was sind Exkurse? Was kann ich wegfallen lassen? Was brauche ich aber unbedingt, um im nächsten Schuljahr den Unterricht erfolgreich zu absolvieren? Das muss zwingend nachgeholt werden. Da muss es einen Weg geben. Wir haben Ihnen Vorschläge gemacht, die wir im Bildungsausschuss noch mal diskutieren werden, was wir uns darunter vorstellen. Ich bin sehr gespannt darauf, was Sie davon übernehmen werden.

Wir werden dem Antrag der AfD-Fraktion nicht zustimmen. Wir werden uns enthalten. Es ist nicht alles falsch, was Sie geschrieben haben. Ich finde es gut, dass Sie Anregungen gegeben haben für Verwaltungshandeln. Vieles wurde im Vorfeld von der Senatsverwaltung schon umgesetzt, sodass Sie es vielleicht erst danach aufgeschrieben haben. Das weiß ich nicht. Aber das macht es dann auch nicht falsch. Wir werden uns deswegen enthalten. Wir werden unsere Vorstellungen noch einmal deutlich machen.

Das Wichtigste für meine Fraktion ist, und ich komme zum Schluss, dass wir so schnell wie möglich für die Schülerinnen und Schüler zum Regelunterricht zurückkehren in unserem Land. Ich glaube, das ist ganz entscheidend zum einen für die Familien, zum anderen aber, dass wieder Bildung stattfindet in dieser Stadt für alle Schülerinnen und Schüler, damit sie einen guten Start in ihr Leben haben trotz dieser Coronaunterbrechung, die wir bisher hatten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grüne hat die Kollegin Burkert-Eulitz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen – mit Sternchen! Eltern, Kinder und die pädagogischen Fachkräfte haben quälende Wochen hinter sich. Sie sind die Zeit der Ungewissheit leid. Das ist menschlich und nachvollziehbar, und ich habe Verständnis für die Situation, denn ich befinde mich selbst in dieser. Doch wir haben die Pandemie noch nicht überwunden. Das muss allen klar sein. Es kann jederzeit wieder zu Einschränkungen kommen. Wir können die vergangenen Wochen nicht mit einem einfachen Fingerschnips wettmachen, als wäre nichts passiert, als wären die Schulen nur zufällig mal eben für einige Wochen geschlossen gewesen. Das ist unrealistisch.

Auch Ihr Antrag von der AfD ist unrealistisch. Mit Ihren hier vorgetragenen Maßnahmen werden die vergangenen Monate und die noch kommenden Wochen und vielleicht sogar Monate sich nicht einfach aufholen lassen. Hier macht es sich die AfD zu einfach. Auch der Übergang zum Normalbetrieb wird mit hohen Hürden verbunden sein, die eine kluge Politik beachten muss. Vielmehr darf die Schule in Zukunft nicht mehr nur Schule von vor der Pandemie mit Händewaschen sein.

Wir müssen unseren Kindern den Raum geben, das Erlebte zu verarbeiten. Ihre sozialen Kontakte in der Schule sind für viele Kinder und Jugendliche erst einmal wichtiger, als in einem Schnellprogramm den verpassten Stoff nachzuarbeiten. Unsere Kinder sind keine Roboter, die ein Lernprogramm nach dem anderen abspulen können. Unsere Kinder lernen gerade, wie ungewiss das Leben an sich ist. Darauf müssen sich die Schulen einstellen. Die Kinder werden aufgrund ihrer Erfahrung viele Fragen haben. Dies bestätigen die Gespräche, die ich mit Lehrerinnen und Lehrer führe, die ihre Kinder jetzt wieder live erleben. Sie schildern, dass die Wissensvermittlung aktuell erst einmal zweitrangig ist. Die Kinder haben ein großes Bedürfnis, sich auszutauschen. Dafür muss genügend Raum sein.

(Paul Fresdorf)

Aber der Diskurs über anderes Lernen, eigenes Lernen, Zeit für eigene Projekte hat begonnen. Welche Rolle wird die Schule in Zukunft dabei spielen? – Die Schule wird in Zukunft sehr viel weniger als jetzt nur eine Anstalt zur Wissensvermittlung sein, auf die sie die AfD versucht zu reduzieren. Ein Blick in unser Schulgesetz würde da helfen, denn dort steht in § 1: Ziel ist die Heranbildung von Persönlichkeiten, die lernen, Verantwortung zu übernehmen und Haltung einzunehmen. Das ist aber nur möglich, wenn sie selber erfahren, dass sich die Schule auch um das Wohlergehen unserer Kinder und Jugendlichen und der für sie Verantwortlichen kümmert.

[Zuruf von Franz Kerker (AfD)]

Dies sollten wir, wie in Kanada, stärker neben Leistung und sozialer Gerechtigkeit in Zukunft betonen.

[Beifall von Regina Kittler (LINKE)]

Wir brauchen Kinder, die ihre Welt mit Mut in die Zukunft verantwortlich gestalten wollen. Computer und das Digitale werden sehr viel mehr als in der Vergangenheit eine Rolle dabei spielen. Das haben die letzten Wochen gezeigt. Deshalb ist es wichtig, die entsprechenden Kompetenzen in den Blick zu nehmen. Die Schulen haben einen großen Schritt in Richtung 21. Jahrhundert gemacht. Bei den weiteren Schritten müssen wir sie jetzt noch mehr unterstützen. Wir brauchen sofort ein Konzept dafür, dabei müssen wir die Schulen unterstützen. Wir müssen gemeinsam mit Eltern, Kindern, Jugendlichen und Forscherinnen und Forschern über die Schule der nächsten Zukunft in und nach Corona diskutieren. Einfach abzuschreiben, was längst getan wird, brauchen wir nicht. Der AfD-Antrag ist daher überflüssig; mehr ist er nicht.

Klar ist aber auch: Einfach weiter auf Sicht fahren können wir nicht mehr. Das können wir den Familien nicht mehr zumuten, das können wir den Fachkräften nicht mehr zumuten. Die Karten müssen offen auf den Tisch gelegt werden, damit wir wissen, wie es im nächsten Schuljahr mit Schulen, Kitas, beruflicher Bildung, Jugendhilfe, geflüchteten Minderjährigen, Sommerschulen und Digitalisierung weitergeht.

Unsere Fragen an den Senat sind daher: Mit welchen Szenarien rechnet der Senat für den Schulstart 2021? Wie bereitet der Senat die einzelnen Szenarien vor, und das für alle Varianten, wie sollen Kompetenz und Bildungsziele gewährleistet werden? Wir werden den Senat dabei selbstverständlich unterstützen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, und wir kommen zu den Abstimmungen. Zunächst lasse ich über den Änderungsantrag der AfD-Fraktion auf

Drucksache 18/2635-1 abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der AfD-Fraktion zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die AfD-Fraktion und ein fraktionsloser Abgeordneter. Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? – Enthaltungen bei der CDU-Fraktion sowie der FDP-Fraktion. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Nun lasse ich über den Antrag der AfD-Fraktion auf Drucksache 18/2635 abstimmen. Zu diesem Antrag empfehlen die Ausschüsse gemäß Beschussempfehlung auf Drucksache 18/2688 mehrheitlich – gegen die AfDFraktion bei Enthaltung der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die AfD-Fraktion sowie ein fraktionsloser Abgeordneter. Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? – Bei Enthaltung der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.5:

Priorität der Fraktion der FDP

Tagesordnungspunkt 57

Ausbildung trotz Corona sicherstellen!

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/2734

In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP und hier die Kollegin Dr. Jasper-Winter. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Viele junge Menschen schauen in diesen Tagen einer unsicheren Zukunft entgegen. Eine Umfrage des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks hat ergeben, dass jeder vierte Ausbildungsbetrieb im kommenden Jahr nicht dieselbe Anzahl Auszubildende im Betrieb aufnehmen kann – heißt: jedes vierte Friseurgeschäft, jede vierte Kfz-Werkstatt, jede vierte Bäckerei. Auch die betrieblichen Ausbildungsplätze sind in Berlin jetzt schon rückläufig.

Der Senat spricht oft davon, dass die berufliche Bildung und die Ausbildung mehr wertgeschätzt werden sollen. – Sehr geehrte Koalitionsfraktionen! Jetzt können Sie zeigen, wie ernst es Ihnen wirklich damit ist, denn wer jetzt nicht handelt und es versäumt, junge Menschen in Ausbildung zu bringen, der legt das Schwert an die Zukunftschancen einer ganzen Generation.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Arbeitsmarktforscher befürchten langfristige Nachteile für die jetzigen Absolventen. Sie befürchten, dass die

(Marianne Burkert-Eulitz)

Arbeitslosigkeit dieses Coronakrisenjahrgangs auch dauerhaft deutlich höher sein kann als in den vergangenen Jahren. Das gilt es unbedingt zu vermeiden. Das müssen wir jetzt besprechen, vor der Sommerpause, denn wir wollen wissen, wie es mit unseren Azubis in dieser Stadt im August, wenn sie starten sollen, weitergeht. Leider kann ich nicht erkennen, dass der Senat diesen Blick für morgen hat, und das ist nicht zu verantworten.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Burkard Dregger (CDU) und Carsten Ubbelohde (AfD)]

Ehrlich gesagt gibt das, was wir heute Morgen von Senatorin Breitenbach zu diesem Thema gehört haben, auch nicht gerade Anlass zur Hoffnung. Sie sagt, wir sind nicht zuständig – der Bund! Wir müssen abwarten, wir haben noch nicht genug Zahlen. Und dann kommt sie mit der Idee einer Ausbildungsplatzumlage. Die schafft nun wirklich keine neuen Plätze und ist in der jetzigen Situation für die Wirtschaft nicht tragbar. Das hilft überhaupt nicht weiter.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Heiko Melzer (CDU) und Stephan Standfuß (CDU)]

Was uns Freien Demokraten wichtig ist: Wir brauchen jetzt flexible Lösungen gemeinsam mit den Ausbildungsbetrieben, um duale Ausbildungsplätze zu sichern. Wenn der Senat den Blick auf die Förderung von staatlichen vollzeitschulischen Ausbildungsplätzen verengt, dann ist das unseres Erachtens die falsche und vollkommen unzureichende Antwort. Wir sind uns darüber einig, dass dort, wo auch eine betriebliche Ausbildung möglich ist, sie der bessere Weg ist. Sie ist praxisnah, sie ist im Betrieb, und sie ist nah am Arbeitsmarkt. Wir sollten deshalb gemeinsam alles daransetzen, den jungen Menschen diesen Weg offenzuhalten.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Franz Kerker (AfD) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Deshalb schlagen wir Ihnen in unserem Antrag vor, den Berufsschulstart in den Branchen, die besonders von der Pandemie betroffen sind, auf Februar zu verschieben. So geben wir den Ausbildungsbetrieben Luft zum Atmen. Die Unternehmen können jetzt in dieser schwierigen Situation nicht unmittelbar entscheiden, ob sie junge Menschen ausbilden können. Der Senat hat letzte Woche im Bildungsausschuss gesagt, das sei organisatorisch nicht möglich. Ehrlich gesagt: In der Pandemiesituation haben wir uns alle, jeder und jede von uns, im Alltag organisatorisch umgestellt. Wir haben das alle gemacht, und ich erwarte auch vom Senat, dass er diese organisatorische Änderung vornimmt, um mehr duale Ausbildungsplätze zu schaffen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Tommy Tabor (AfD)]

Nicht nur sinkende Ausbildungsplatzzahlen sind ein Problem für die Berlinerinnen und Berliner, auch umgekehrt ist das der Fall, denn gleichzeitig haben wir in Berlin zurzeit noch 7 359 offene Lehrstellen. Ich kann also nur alle jungen – oder auch älteren – Leute auffordern, sich zu bewerben – es gibt noch freie Stellen – und dies wirklich in Betracht zu ziehen. Leider sehen zu wenig junge Leute eine berufliche Ausbildung für sich als Chance.