Protocol of the Session on February 16, 2017

Jenseits der Durchlässigkeit glauben wir auch, dass die MSA-Prüfungen ein wichtiger Baustein im Reifungsprozess der Jugendlichen sind. Nicht nur, dass sie zu einem frühen Zeitpunkt einen richtigen Abschluss erreichen, das Erlernen des Umgangs mit einem komplexen Prüfungsformat ist in der 10. Klasse auch als Vorbereitung auf spätere Herausforderungen richtig platziert.

Beim zweiten Antrag der CDU erschließt sich mir ehrlicherweise die Dringlichkeit nicht ganz. Die Debatte rund um die Vereinheitlichung des Prüfungsstandards zwischen den Ländern ist nicht neu, und hier erfolgt ein Schritt nach dem anderen. Berlin wird sich dieses Jahr am gemeinsamen Aufgabenpool der Länder bedienen und den gemeinsamen Pool auch mit weiterentwickeln. Über

(Hildegard Bentele)

weitere Schritte können wir gerne nach der Überweisung im Ausschuss diskutieren.

Ganz grundsätzlich finde ich jedoch die immer wieder in die Öffentlichkeit getragene Debatte rund um das angeblich so schlechte Berliner Abitur etwas überflüssig. Unser Abitur ist gut und kann sich sehr wohl mit den anderen Ländern messen lassen. Lassen Sie uns ruhig ein bisschen stolz darauf sein!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete! – Für die Fraktion der AfD hat jetzt Herr Kerker das Wort! – Herr Abgeordneter – bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Eine geeignete Prüfung zur Stärkung der Vergleichbarkeit der Bildungsstandards der Berliner Sekundarschüler sowie der Abiturienten tut dringend not. Berlin leidet aber nicht nur in diesem Zusammenhang massiv unter mangelhafter Bildungsqualität. Sie, der Senat, haben ein Jahrzehnt der Investitionen angekündigt. Nun, ob der Souverän, sprich die Bürgerinnen und Bürger, Ihnen hierfür tatsächlich fünf weitere Jahre zur Verfügung stellt, sei mal dahingestellt. Fakt ist aber, dass die Berliner Bildungspolitik einer Großbaustelle gleicht, ähnlich dem BER: Man doktert stetig an ihm herum, es werden regelmäßig neue Experimente gestartet mit der Folge, dass stets neue Probleme entstehen. Und letztlich kommen Sie mit der Verbesserung des Bildungssystems keinen Schritt voran. Das ist leider Tatsache.

[Beifall bei der AfD]

Erst vor wenigen Tagen musste ich mir einen bösen Witz eines bayerischen Freundes anhören, der mich fragte: „Sag mal, Franz, was passiert eigentlich, wenn ein bayerischer Depp von Bayern nach Berlin geht?“ Ich zuckte mit den Achseln, ich wusste es nicht. Seine Antwort: „Dann hat Bayern einen Depp weniger und Berlin einen Ingenieur mehr.“

[Beifall und Heiterkeit bei der AfD]

Nun, ganz so schlimm mag es noch nicht sein, aber dass Berlin seit einer gefühlten Ewigkeit das Schlusslicht im Bildungsvergleich ist, ist einfach nicht mehr tragbar. Und es wundert mich, dass das von vielen so hingenommen wird, sogar noch schöngeredet wird, wie wir es eben gerade erlebt haben.

Die Ergebnisse der vergangenen Untersuchung VERA 3 zeigen Unsägliches auf. Die Berliner Kinder werden systematisch von Bildung ferngehalten.

[Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]

In Mathematik und Deutsch liegen viele Kinder unterhalb des Bildungsstandards. Teilweise sind 50 Prozent aller Kinder einer Risikogruppe zuzurechnen. Besonders erschreckend – Sie können verstehen, dass mich als Weddinger das besonders berührt – sind dabei die Ergebnisse der Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache. Hier sind es bis zu zwei Drittel aller Kinder, die man einer Risikogruppe zuordnen kann.

Werter Senat, was ist Ihre Reaktion auf dieses Debakel? – Nun, es ist das, was Sie am besten können: Aktionismus, frei nach dem Motto – und jetzt versuche ich mal so ein bisschen, den Herrn Förster zu imitieren –:

[Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]

Man muss es nicht können, man muss es nur machen, auch wenn alle anderen Bundesländer mittlerweile über uns lachen.

[Beifall bei der AfD]

Und das wird vor allen Dingen an zwei Maßnahmen deutlich. Erstens haben Sie verordnet, dass diese Vergleichbarkeitsprüfung erst in der vierten Klasse durchgeführt werden soll. Na, meinen herzlichen Glückwunsch zu dieser mutigen Maßnahme! Da kann man Ihnen nur gratulieren! Wenn Sie ein Leck in der Wasserleitung haben, warten Sie dann auch, bis sich das Problem von selbst löst? Gehen Sie vielleicht noch eine Runde spazieren, oder rufen Sie einen Klempner? Ich glaube, die Antwort liegt auf der Hand.

Lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Gelbhaar zu?

Ich brauche meine Zeit, aber ich stehe danach gerne für Fragen zur Verfügung. Das mache ich gerne für Sie.

[Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]

Zweitens haben Sie verordnet, dass Kinder nichtdeutscher Herkunft für zwei Jahre nicht in ihren Fähigkeiten in Deutsch beurteilt werden dürfen. Ebenso dürfen die Kinder keine schlechteren Noten durch ihre mangelnden Deutschkenntnisse erhalten. Noten gibt es oftmals erst ab der 5. Klasse, wodurch ein Kind ohne Deutschkenntnisse quasi unbesehen durch die Grundschule gemogelt werden kann. Halten Sie das für klug? Halten Sie es für klug, wenn ein zwölf Jahre altes Kind kein Deutsch spricht und damit aus der Grundschule entlassen wird? – Die offensichtliche Antwort von Ihnen ist: Ja. – Ich will Ihnen gar nicht unterstellen, dass Sie ihr bildungspolitisches Versagen in ihren Fraktionsräumen abfeiern. Aber ich unterstelle Ihnen etwas viel Schlimmeres: Ich glaube, dass Ihnen dieser Sachverhalt einfach egal ist; denn die meisten von Ihnen wohnen ja gar nicht in den Vierteln, wo sie

(Dr. Maja Lasić)

die Risikoschüler antreffen. Ihre Kinder besuchen oftmals Privatschulen oder Internate.

[Lachen bei der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von der SPD und der LINKEN]

Und außerhalb des Wahlkampfes waren viele von ihnen in Wedding nicht anzutreffen.

Der von der CDU formulierte Antrag war die gut vergleichbare Endprüfung zur Schulpflicht. Den Mittelschulabschluss und auch das Abitur halten wir für sinnvoll. Es ist ein erster Schritt, die große Baustelle Bildung anzugehen, die uns Jahrzehnte der Misswirtschaft und linken Bildungsfantasien eingebracht haben.

Es geht aber auch darum, die Eignung der Schüler zum Abitur zu überprüfen, das wurde auch schon angesprochen. Denn wer dazu nicht geeignet ist, der sollte Alternativen für sich suchen. Eine Ausbildung ist eine große Chance. Handwerker, Facharbeiter, aber auch Fachkräfte im Dienstleistungsbereich werden dringend und in großer Zahl gesucht. In Berlin sind es aktuell 35 000 Fachkräfte, die da fehlen, und das lässt sich nun mal nicht nur durch Abbrecher aus den Laberfächern wie Gender Studies auffüllen und schon gar nicht durch den massenhaften Zuzug von Armutsmigranten mit geringem Bildungsstandard.

Der Antrag der CDU ist unterstützenswert, aber eben ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Diese Transparenz muss bereits in der Grundschule beginnen, und sie muss sich bis zum Abitur fortsetzen. Die Generation meiner Großeltern hat dieses Land nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges wieder aufgebaut. Es waren Trümmerfrauen wie meine Großmütter Isolde Steininger und Gertrud Kerker, die ihren persönlichen Beitrag geleistet haben, um den zukünftigen Generationen ein gut bestelltes Haus zu hinterlassen. Das dürfen wir nicht riskieren. Wir haben die Pflicht, dieses gut bestellte Haus auch an die nächsten Generationen weiterzugeben und nicht für bildungspolitische Experimente – –

Herr Abgeordneter! Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede!

Ich komme zum Ende. – Dann möchte ich meine erste Rede hier im Abgeordnetenhaus gerne mit einem Bibelzitat beenden, mit Spruch 18, Vers 15 aus den Sprüchen Salomos

[Regina Kittler (LINKE): Oh!]

ja, da können Sie etwas lernen; das tut Ihnen hier auf der sozialistischen Seite des Hauses sicherlich gut –:

[Heiterkeit und vereinzelter Beifall bei der AfD]

Ein verständiges Herz erwirbt Einsicht, und das Ohr der Weisen sucht Erkenntnis.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie diese Erkenntnis gewinnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Zurufe von der LINKEN]

Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt die Abgeordnete Frau Kittler. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme aus dem bildungsprivilegierten Marzahn-Hellersdorf

[Heiterkeit bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

ursprünglich mal aus Prenzlauer Berg, aber schon vor langer Zeit, das gebe ich zu –, und ich glaube, dass ich keinen Wert darauf legen muss, von Ihnen Bildung zu erfahren.

[Beifall von Udo Wolf (LINKE), Tom Schreiber (SPD) und Tino Schopf (SPD)]

So, jetzt mal zu dem Antrag der CDU! Da kann ich mich bloß meiner Kollegin von der SPD anschließen und ausrufen: Rettet das Gymnasium, auch wenn es gar nicht in Gefahr ist! – Hier findet die Panikmache aus den Zeiten vor der Abgeordnetenhauswahl und während der Koalitionsgespräche ihre Fortsetzung, frei nach dem Motto: Ein Gespenst geht um in den Schulen, das Gespenst von R2G. Der vorliegende Antrag trägt mal wieder den Mief voriger Jahrhunderte in den Raum und versucht, die Schulreform von 2009 zurückzudrehen.

[Zuruf von Hildegard Bentele (CDU)]

Was Sie in Punkt 1 vorschlagen, riecht nach qualifiziertem Hauptschulmodell, tut mir leid. Und so soll wahrscheinlich auch der MSA angepasst werden, das fordern Sie dann ja gleich mit. Und da haben dann auch alle die Teilnahmepflicht. Wieso das denn? – frage ich mich da erschrocken. Gälte dann nicht der Gleichheitsgrundsatz für die, die dann an der ISS ihr Abitur machen? Da soll schön säuberlich geklärt werden, dass die an der ISS doch bitte unter sich bleiben und den Weg in die Berufswelt einschlagen sollen. Als Brosamen wird den ISS noch maximal das berufliche Gymnasium rübergeschoben, damit sie Ruhe geben. Falls es Ihnen entgangen ist: Alle Schularten in Berlin führen bis zum Abitur. Das ist Gesetz.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Unter Punkt 2 des Antrages wollen Sie dann, dass die Eliten im Gymnasium nur so was wie eine Prüfungs

(Stefan Franz Kerker)

klausur im ersten Halbjahr schreiben, und dann kriegen die Schülerinnen und Schüler den MSA mit Halbjahresabschluss verliehen – wenn es die Halbjahresnoten hergeben. Und wenn nicht, dann sollen diese Schülerinnen und Schüler in einer ISS extern wieder den MSA ablegen.