Eine weitere Frage, in diesem Fall nur an die CDU, die auf der Hand liegt, ist natürlich: Warum verschwenden Sie Ihre politische Arbeits- und Lebenszeit mit einem Untersuchungsausschuss, dessen Primärziel Sie längst erreicht haben? Oder glaubt auch nur irgendjemand in diesem Saal, dass es Ihnen jemals um etwas anderes als um den perfekten Anlass ging, Ihre Landesvorsitzende, Monika Grütters, loszuwerden? Bei Ihnen, Herr Wansner, mache ich eine Ausnahme, aber das spricht auch nicht für Sie.
Das Problem an diesem Untersuchungsausschuss ist aber nicht das Offensichtliche, nämlich seine komplette Überflüssigkeit. Das Problem ist, dass CDU und FDP dafür wissentlich und willentlich einen Flurschaden in Kauf nehmen, der weit über den eigentlichen Ausschuss hinausgehen könnte. Da ist zum einen das Signal an die Berlinerinnen, insbesondere Mitarbeiterinnen von öffentlichen Kultureinrichtungen oder sonstigen staatlichen Institutionen, dass ein relevanter Teil dieses Parlaments offenbar der Meinung ist, dass Belästigung, sexualisierte Übergriffe oder gar Gewalt gegenüber Frauen Bagatellen sind, bei denen Vorgesetzte einfach mal wegsehen oder sogar mittun dürfen.
Schlimmer noch, Herr Fresdorf: CDU und FDP machen mit diesem Untersuchungsausschuss an alle Frauen, die im Arbeitsalltag Sexismus und Übergriffen ausgesetzt sind, eine klare Ansage: Wenn ihr euch in dieser Sache eurer Frauenvertretung, der Dienstaufsicht oder einer Betriebsrätin anvertraut, müsst ihr damit rechnen, vor einen Untersuchungsausschuss zitiert zu werden. – Wie verheerend ist das denn?
Überhaupt stellt sich die Frage, nach wessen Applaus CDU und FDP mit dem ganzen Projekt Untersuchungsausschuss eigentlich heischen. Sind das die Verschwörungstheoretiker von der Aluhut-Fraktion, die hinter den Vorgängen in Hohenschönhausen ehemalige KGBSchläfer und einen aus Nordkorea gesteuerten kommunistischen Rachefeldzug vermuten,
[Paul Fresdorf (FDP): Schämen Sie sich, Herr Wesener! Es ist peinlich, was Sie da machen! – Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]
oder geht es Ihnen um etwas viel Banaleres, aber auch viel Gefährlicheres, nämlich den Applaus vom rechten Rand, von den ewig Gestrigen und Populisten, den Hetzern und Hatern, welche die Causa Hohenschönhausen in der üblichen Art und Weise instrumentalisieren, um ihren Kulturkampf zu befeuern? Eine Fraktion, Herr Fresdorf, in diesem Haus haben Sie schon auf Ihre Seite gebracht, die AfD-Fraktion. Na, herzlichen Glückwunsch!
Hier in Berlin werden CDU und FDP die braun-blaue Suppe, die Sie mit diesem Untersuchungsausschuss angerührt haben, auslöffeln müssen.
Diese Koalition wird es jedenfalls nicht zulassen, dass in diesem Untersuchungsausschuss Opfer zu Täterinnen und Täter zu Opfern gemacht werden.
Es ist nun an CDU und FDP, dem Eindruck entgegenzutreten, dass ihnen Sexismus und sexualisierte Gewalt immer noch als Kavaliersdelikte gelten, und es ist an CDU und FDP zu beweisen, dass die klare Abgrenzung aller Demokratinnen und Demokraten gegen rechts eben kein reines Lippenbekenntnis ist, sondern auch in der Sache Hohenschönhausen gilt. – Vielen Dank!
[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Carsten Ubbelohde (AfD): Mach erst mal eine Ausbildung! Setz dich hin, Schüler! So sehen die Grünen aus – große Klappe, nichts dahinter!]
Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Fresdorf jetzt die Möglichkeit zu einer Zwischenbemerkung. – Bitte schön!
Wie man den Anspruch auf parlamentarische Kontrolle in einem Vorgang so durch den Dreck ziehen kann, wie Sie es eben gemacht haben, macht mich fast sprachlos.
Es gibt in der Stadt – und das jenseits der von Ihnen angeführten Aluhut-Fraktion, sondern in der breiten Stadtgesellschaft – Fragen zu den Vorgängen um die Gedenkstätte Hohenschönhausen, Fragen darum, wie mit einem verdienten Mann wie Hubertus Knabe umgegangen wurde, Fragen darum, wie im Beirat dieser Stiftung gehandelt wurde, Fragen darum, wie Senator Lederer sich hier be
nommen hat, wie er sein Amt ausgeführt hat, wie er gehandelt hat. Das sind Fragen, die dieses Parlament stellen darf, und das sind Fragen, die dieses Parlament stellen muss, wenn es seine Aufgabe ernst nimmt.
Ich verwahre mich dagegen, Herr Wesener, dass Sie uns unterstellen, es wäre uns egal, wie es den betroffenen Frauen dabei ging. Jeder sexuelle Übergriff, jede Belästigung ist eine zu viel, und wir werden gegen jede einstehen und jedem sagen: So geht es nicht.
Aber dennoch müssen Vorwürfe aufgeklärt werden – das werden wir tun. Wir haben gute Leute, die in der Untersuchungsausschussarbeit erfahren sind, in diesen Ausschuss geschickt, die die richtigen Fragen stellen werden und die mit Fingerspitzengefühl – und das kann ich Ihnen versichern: mit großem Fingerspitzengefühl – die Vorwürfe aufklären werden. Wir werden nicht eine der betroffenen Frauen bloßstellen, wir werden nur sachorientierte Fragen stellen. Darum geht es uns: alles rund um dieses Thema aufzuklären. – Und Herr Wesener, ich habe Sie eigentlich immer als einen sachorientierten Mann wahrgenommen, dem es um eine gute parlamentarische Debatte geht. Darum: Einmal ausrutschen darf wohl jeder – das haben Sie gerade gemacht.
[Zuruf von der AfD: Es kann nicht besser werden! – Kurt Wansner (CDU): Jetzt ist Zeit für eine Entschuldigung! – Lachen bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]
Frau Präsidentin! Das mit dem Ausrutschen, Herr Fresdorf, ist eine Frage der Perspektive; ich würde sagen, bei dem Thema rutschen Sie seit einem Jahr im politischen Raum herum. Und Sie haben mir offenbar nicht zugehört: Selbstverständlich ist es legitim, Fragen zu stellen. Die sind meines Erachtens schon alle beantwortet, aber Sie haben auch das Recht, diese Fragen zum zweiten und zum dritten Mal zu stellen.
Und selbstverständlich ist es das Recht einer parlamentarischen Minderheit, einen solchen Untersuchungsausschuss einzurichten.
Und die Tatsache, dass weder Sie noch die CDU als antragstellende Fraktion diese Debatte überhaupt angemeldet haben, zeigt doch, worum es Ihnen geht.
Sie haben damals mit großem Tamtam einen Untersuchungsausschuss auf den Weg gebracht, haben dann ein Jahr diskutiert, ob Sie ihn wirklich noch wollen – bei der CDU bin ich mir da bis heute nicht so ganz sicher. Da gibt es, glaube ich, Genügende im Raum, die sagen: Seinen Zweck hat er eigentlich erledigt, Frau Grütters ist gegangen. – Man ist aber aus der Situation auch nicht mehr richtig rausgekommen. Und, Herr Fresdorf, eine Frage müssen Sie sich nach wie vor gefallen lassen: Wenn Sie, wie hier gerade auch behauptet, der Meinung sind, dass es falsch war, die Konsequenz aus einem eklatanten Führungsversagen in dieser Gedenkstätte zu ziehen – ein Führungsversagen, das von einer Person bereits eingestanden wurde, und ein Führungsversagen von einer anderen Person, die als Direktor die Verantwortung für all das trägt –, dann müssen Sie umgekehrt den betroffenen Frauen sehr wohl erklären, wie Sie eigentlich zu Fragen von sexualisierter Gewalt, Belästigung etc. stehen.
Das haben Sie bis heute nicht gekonnt. Wir sind sehr gespannt, Herr Fresdorf, ob Sie das im Untersuchungsausschuss können. Ich glaube, dieser Untersuchungsausschuss wird einer sein, wo weniger der Senator, weniger der Stiftungsrat, sondern vielmehr Sie sich viele Fragen werden gefallen lassen müssen.
[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Paul Fresdorf (FDP): Das ist Ihre Hoffnung! – Franz Kerker (AfD): Kinder sexuell missbrauchen, aber keine Moral!]
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Geschätzter Kollege Wesener! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal darf ich zu Ihrer Beruhigung darauf hinweisen, dass Monika Grütters nicht nur immer noch da ist, sondern dass wir nach wie vor sehr stolz darauf sind, mit ihr eine Spitzenfrau als Staatsministerin für Kultur im Bundespräsidium der CDU Deutschlands, um Präsidium der CDU Berlin und damit in sämtlichen Führungsgremien zu haben, in denen die CDU Berlin vertreten ist.
Zweitens: Dass wir nicht über diesen Ausschuss hier reden wollten, ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten.
Wir haben es schon verschiedene Male getan; mein Eindruck ist nur, dass bereits alles gesagt ist. Und mit Verlaub, wir haben schon zu viel Zeit damit verloren, uns mit all den Rechtsfragen auseinanderzusetzen, mit denen Sie dieses Haus belegt haben. Wochen über Wochen gingen darüber verloren; unser Interesse war es, nicht noch mehr Zeit zu verlieren auf dem Weg zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses.
[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Torsten Schneider (SPD): Sie haben viermal so lange wie wir gebraucht, diesen Antrag zu schreiben! – Hört, hört! von der SPD]
Den Eindruck, dass dieser Ausschuss so unnötig ist, erweckt Ihr Agieren in den vergangenen Monaten mit Verlaub nicht gerade. Denn sonst hätten Sie nicht alles unternommen, um seine Einsetzung zu sabotieren. Ich will noch mal daran erinnern, dass wir uns in der Tat – der Kollege Schneider weist gerade dankenswerterweise darauf hin – sehr viel Mühe mit der Formulierung dieses Untersuchungsauftrags gegeben haben.
[Lachen bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Torsten Schneider (SPD): Wir waren uns nicht einig, weil wir bemüht waren?]
Diese Mühe haben wir uns ja nicht zuletzt gemacht, um die im Raum stehenden Rechtsfragen solide und im Vorfeld des von uns vorgelegten Antrags auszuräumen.