Protocol of the Session on January 16, 2020

Herr Czaja, der Antrag Ihrer Fraktion macht den Staat effizienter, aber es ist der falsche Staat, für den Sie sich einsetzen. Deshalb stimme ich gegen den Antrag der FDP. – Danke!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz sowie mitberatend an den Ausschuss für Kommunikationstechnologie und Datenschutz. – Widerspruch hierzu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf die

lfd. Nr. 3.2:

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 21

Neuvergabe des Kultur-Ticketing

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten vom 6. Januar 2020 Drucksache 18/2397

zum Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1946

In der Beratung beginnt die Fraktion der SPD und hier der Kollege Daniel Buchholz. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Dieses Thema ist nicht nur mir, sondern unserer SPD-Fraktion eine Herzensangelegenheit. Es geht darum, dass wir dringend mehr Transparenz brauchen darüber, was wir eigentlich so alle zahlen, wenn wir eine öffentlich geförderte Kulturinstitution des Landes Berlin betreten. Es wird oftmals übersehen, dass Sie eben nicht nur den eigentlichen Eintrittspreis zahlen, wenn Sie vorher über das Internet die Karte buchen – ein FDP-Kollege hat das im Kulturausschuss noch einmal sehr drastisch und plastisch geschildert –, sondern Sie zahlen darüber noch hinausgehende Gebühren, und zwar nicht nur für das Zahlungssystem, dass Sie vielleicht nutzen, sondern eben auch Vermittlungsgebühren, also Systemgebühren für den Tickethändler – andere sprechen etwas despektierlich von dem Ticketdealer –.

Ich will es hier einmal etwas übergreifender darstellen. Es sollte uns allen klar sein, dass sehr viel Geld im System

(Georg Kössler)

ist. Viele merken erst, wenn sie versuchen, eine Karte umzutauschen oder wenn sie versuchen, etwas zu ändern, dass die privaten Ticketvertreiber eben einen ganz erheblichen Teil des Geldes dort einnehmen und dabei eben auch die ganzen personenbezogenen Daten nicht bloß erfassen, sondern auch für andere Dinge nutzen. Das sieht man sehr schnell, wenn man woanders hinklickt und dann entsprechende Hinweise und Werbevorschläge erhält.

Daraus folgern wir, die Koalition, dass wir das KulturTicketing, also den Verkauf von Eintrittskarten für Kultureinrichtungen im Land Berlin, die öffentlich gefördert sind, vom Kopf auf die Füße und das, was bisher im Land Berlin passiert, auf den Prüfstand stellen sollten. Wir haben schon Ende der letzten Legislaturperiode – ja, da gab es noch eine rot-schwarze Landesregierung – zusammen mit der CDU, mit den Kollegen dort, festgestellt dass es eigentlich nicht sein kann, dass die Systemkosten oftmals, das haben wir dann in der Anhörung im Kulturausschuss gemerkt, für viele Nutzerinnen und Nutzer nicht transparent sind und auch für die öffentliche Hand wenig bis gar nicht transparent ist. Es hat sich gezeigt, dass einige Kulturinstitutionen gar nicht wussten, was sie wirklich für versteckte Systemgebühren durch Verträge haben, durch Vertriebsverträge, durch Marketingverträge und dass nur ein Teil davon transparent ist, zumal eben ein Großteil durch die Nutzerinnen und Nutzer, also die Gäste, der Kultureinrichtungen gezahlt wird. Das sollte ein Ende haben.

Darum fordern wir mit diesem Antrag hier zu eruieren und zu untersuchen, durch den Senat, durch eine Beauftragung, wie bisher die Vertragsstrukturen sind, die dort alle bestehen. Ist es eigentlich gut, dass die ganz wenigen privaten Betreiber, die man als Oligopol, vielleicht schon als Monopol bezeichnen kann und bezeichnen muss, dort natürlich umfangreiche Umsätze machen, und ist das, was dort an Daten erfasst wird, eigentlich vertretbar? Die Stichworte Datensicherheit und Datensparsamkeit, die wir sonst immer bei öffentlichen Institutionen ganz groß schreiben, sind natürlich durch private Ticketdealer nicht gegeben. Darum gibt es unsere Bitte und den Auftrag an Sie, an den Kultursenator und die Kulturverwaltung, das entsprechend zu untersuchen und in einem zweiten Schritt zu untersuchen und zu prüfen, ob es nicht sinnvoll ist, Stichwort: Vorbild Dänemark mit Kopenhagen, wo man damit klein angefangen das immer weiter ausgeweitet hat, dass wir in ein öffentliches Ticketing-System einsteigen, das vom Land Berlin oder einem Beauftragten des Landes betrieben wird? Das soll kein Zwangssystem sein.

Das war auch die Frage im Ausschuss, wo wir insbesondere die CDU noch einmal bitten würden, noch einmal kritisch zu reflektieren, warum sie diesem Antrag nicht zustimmen kann. Wir wollen hier Transparenz. Wir wollen Daten darüber: Was kosten die bisherigen Verträge, und zwar dieser Vertrags-Wirrwarr, dieser Dschungel an

Verträgen, und wie kann man dort auch Änderungen vornehmen? Das ist ganz marktwirtschaftlich gedacht. Es soll keine Zwangsverpflichtung geben. Wir wollen wissen, wer welche Wege nutzt, wer wofür zahlt und was es für versteckte Systemgebühren gibt und wie man das Ganze mit neuen CRM, also Customer-Relationship- Management-Systemen, mit offenen Schnittstellen auch für andere Anbieter verknüpfen kann.

Es muss wirklich klar sein, dass es hier um Datensparsamkeit, um Datensicherheit geht. Es geht auch darum zu schauen, wer verdient wie viel. Dann sehen wir eben auch, wenn wir uns das ehrlich anschauen, dass eben bei öffentlich geförderten Kulturinstitutionen leider mitunter der Blick ein bisschen eingeschränkt ist. Sie schauen sich an, was Sie selbst für Kosten haben. Aber das, was nachher die Gäste, die Nutzerinnen und Nutzer der Kulturinstitutionen tragen, ist wenig transparent und, unter uns, interessiert manche auch gar nicht. Das müssen wir ändern, denn es kann nicht sein, dass wir das aus der öffentlichen Hand subventionieren, erst recht bei landeseigenen Theatern, bei Orchestern und vielen anderen öffentlich geförderten Kultureinrichtungen und dass sie eben sagen, es interessiert uns nicht so. Es hat vielleicht auch etwas damit zu tun, dass nicht jede kleine Kulturinstitution im Land Berlin einen eigenen PR- und Vertriebsmanager oder eine Managerin hat. Genau deswegen ist die Transparenz notwendig zu schauen, ob das vom Land Berlin zentral unterstützt werden kann, was der Spaß kostet und wie wir das effizienter im Sinne der Nutzerinnen und Nutzer im Land Berlin, der Begeisterten, die Kultureinrichtungen nutzen, aber auch zum Vorteil für die Landeskasse hoffentlich zukünftig anders aufstellen können. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Dr. Juhnke das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eben war sehr viel von Transparenz die Rede, und das sollte hier natürlich auch für den vorliegenden Antrag gelten, der in der Endkonsequenz das Ziel hat, den Kartenverkauf selbst zu organisieren und damit vielleicht auch die Gelegenheit schafft, diese Marge, die sich jetzt andere einstecken, für die Kultur Berlins zu verwenden. Das klingt natürlich gut. Der Teufel steckt aber im Detail, darauf möchte ich hinweisen, und das sollte man auch vorher wissen, bevor man mit Begeisterung vielleicht zustimmt. Worum es geht, ist letztendlich, dass wir einen hart umkämpften Markt haben, wo es eine hohe Spezialisierung bei den bestehenden Anbietern gibt. Die kosten auch Geld. Das ist klar. Sie ziehen auch den Gewinn ab.

(Daniel Buchholz)

Sie können aber auch etwas und haben auch funktionierende Programme. Wenn man selbst etwas erstellen will, muss man auch wissen, dass man das vermutlich nicht mit einer kleinen Bude hinbekommt und es durchaus auch einen größeren Betrag kosten wird, das gegebenenfalls umzusetzen, vielleicht auch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird. Das wird eine Sache sein, die Jahre dauern kann.

Voraussetzung ist überhaupt, dass man ein vernünftiges Pflichtenheft hat, dass man weiß, welche Anforderungen gestellt sind. Die sind bei den Häusern komplett unterschiedlich. Dann müssen wir uns die Frage stellen, wer überhaupt dabei sein soll. Im Antrag steht: öffentlich geförderte Kultureinrichtungen in Berlin. Gut! Da denkt man vielleicht erst einmal an Theater oder Opern. Es sind aber auch Museen und Schlösser. Es sind total unterschiedliche Ansprüche, die diese Häuser haben,

[Daniel Buchholz (SPD): Es ist doch ganz offen formuliert, Herr Kollege!]

von kleinen Tanzvorstellungen mit freier Platzwahl bis zu großen Häusern wie der Staatsoper. Daraus ergibt sich durchaus ein ganz unterschiedliches Anforderungsprofil. Auch rechtlich ist es durchaus nicht unproblematisch. Es ist die Frage, wer mitmachen soll, wer vielleicht sogar mitmachen muss. Muss der Staat etwas machen, was Private auch tun können? Es gibt viele Fragen, die durchaus geklärt werden müssen. Es muss auch rechtssicher sein. Die Schnittstelle zur Finanzbuchhaltung muss stimmen. Wenn es da Fehler gibt, ist das ein Riesenärger. Dann gibt es ein Risiko für Prozesse, Einnahmeausfälle usw. Das muss man bei der Sache durchaus bedenken. Man kann darüber nachdenken und sollte erst mal bestimmen: Wer soll da mitmachen? Wer kann sich dem entziehen? Das ist nicht für alle sinnvoll oder hilfreich.

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Zum Beispiel hat die Opernstiftung diese Software vor Jahren gekauft, das heißt, sie zahlen lediglich eine Gebühr für die Wartung, und da erkenne ich jetzt nicht, wie die Einführung eines landeseigenen Ticketingsystems zu einem wahnsinnigen Einsparpotenzial führen könnte. Man muss prüfen: Wer hat welche Anforderungen? Kann und will man das abbilden? Mit welchem Aufwand geht das überhaupt? Es muss nicht, aber es kann zum Schluss auch zu einem Fiasko führen, denn wir haben mit staatlicher Software nicht immer nur tolle Erfahrungen gemacht. Mir ist es wichtig, im Vorfeld darauf hinzuweisen, dass bei diesen Sachen durchaus Risiken bestehen. Das hört sich toll an, und im Grunde könnte man einem Prüfauftrag zustimmen, aber das Vertrauen in die Koalition habe ich nicht so hundertprozentig,

[Oh! von den GRÜNEN]

dass sich aus dieser Sache nicht eine Dynamik entwickelt, die dann wider bessere Einsicht, wenn die Prüfung ergeben sollte, es ist durchaus unproblematisch, dass sich

dann sozusagen ein Druck ergibt, es trotzdem zu machen. Deswegen enthalten wir uns bei der Sache.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Daniel Buchholz?

Ja, bitte!

Herr Kollege! Die Fragen, die Sie aufgeworfen haben, das ist doch völlig klar, teilen wir. Aber warum können Sie denn diesem Prüfauftrag, den wir als Koalition formuliert haben, nicht folgen, zumal wir das Thema in der letzten Legislaturperiode – der Kollege Evers ist gerade anwesend – zusammen auf den Weg gebracht haben? Warum ist die CDU jetzt, im Jahr 2020, so zurückhaltend bis ablehnend?

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Ich habe ja gerade beschrieben, warum an der Stelle nur eine Enthaltung kommt.

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Ich habe mit sehr vielen Leuten darüber gesprochen, vielen Kulturmanagern; die haben durchaus Skepsis gegenüber dieser Sache. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass man das mit großer Fulminanz unterstützen muss. Man kann dem auch ein bisschen kritischer gegenüberstehen, weil diese Fragen auch geklärt werden müssen. Das sollte in der Debatte auch klar werden. Von daher bin ich da zurückhaltend.

Sie können ja schon mit anderen Dingen anfangen, die vielleicht hilfreicher wären, z. B. einen gemeinsamen Kalender oder Veranstaltungsüberblick zu machen. Das wäre schon mal eine verdienstvolle Angelegenheit. Ich weiß, das gibt es auch zum Teil, aber das ist ausbaufähig, wenn ich an die Berliner-Bühnen-Homepage oder andere Dinge denke. Da könnte man schon einiges tun, ohne sich zu verheben mit einer solchen nicht unkritischen, ich nenne es mal, Herz-OP, die dort durchgeführt werden würde. Oder Sie können darüber nachdenken, was die einzelnen Häuser mit den Anbietern vereinbart haben. Ich glaube, da ist noch ein Potenzial drin, etwas zu verbessern und die Konditionen anders auszuhandeln. Das wäre ein verdienstvoller Weg, wo Sie ganz ohne Probleme schon mal tätig werden und sich Meriten erwerben könnten.

Bei dieser Sache bleibe ich skeptisch. Auch die Leute, mit denen ich mich unterhalten habe, sind skeptisch.

Deswegen gibt es da nur eine Enthaltung, lieber Herr Buchholz!

[Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Bravo!]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat die Kollegin Kittler jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mich würde ja mal interessieren, ob diese Rede mit Herrn Evers abgesprochen war, aber das bloß mal so.

[Beifall von Daniel Buchholz (SPD) – Stefan Evers (CDU): Immer!]

Mit diesem Antrag der Koalition soll der Senat beauftragt werden, die bisherige Praxis von öffentlich geförderten Kultureinrichtungen und die Möglichkeiten gemeinsamer Ausschreibung des Kultur-Ticketings sowie die Anforderungen an zukünftige Ticketinglösungen zu prüfen bzw. darzulegen. Herauskommen sollte, ob und unter welchen Bedingungen die Entwicklung eines integrierten Ticketingsystems in öffentlicher Trägerschaft oder öffentlicher Beauftragung – das wird man dann sehen – zur gemeinsamen Nutzung durch die Berliner Theater, Orchester und freien Gruppen möglich wäre, relevant sicher auch für Museen oder Gedenkstätten.

In der bisherigen Debatte wurde deutlich, dass es hier keine schnellen Lösungen geben soll. Dazu ist das Thema viel zu komplex, wirtschaftlich bedeutsam und wird finanzielle Auswirkungen haben, klar. Vor- und Nachteile müssen umfänglich gegeneinander abgewogen werden. Dann müssen wir gemeinsam eine Entscheidung treffen. Vorteile wären:

Erstens: Die Information und Ticketbuchung auf einer öffentlichen Plattform wären für alle beteiligten Kulturangebote möglich.

Zweitens: Datenschutz und Datensparsamkeit würden wie überall in der öffentlichen Verwaltung gelten.

Drittens: Ticketaufschläge könnten entfallen, von denen bisher private Dienstleister leben.