Protocol of the Session on January 16, 2020

Bis zu 180 000 Euro mehr hat eine verheiratete Lehrkraft auf der Hand im Laufe ihres Berufslebens. Die zahlreichen Nachteile lassen sich im Angestelltenverhältnis auf Grund der TdL-Zwänge nicht ausgleichen. Wenn man will, dass Berlin bei der Bezahlung der Lehrkräfte mit anderen Ländern konkurrenzfähig ist, bleibt nur die Rückkehr zur Verbeamtung.

[Beifall bei der CDU – Dirk Stettner (CDU): Bravo!]

Dies sind alles Ergebnisse der Prüfaufträge, die wir gemeinsam als Koalition an die zuständige Verwaltung

(Dirk Stettner)

gestellt haben. An dieser Faktenlage kommt niemand vorbei, und es leugnet sie auch keiner. Die politische Bewertung aber, also die Frage: Will man die Rückkehr zur Verbeamtung, oder nicht? – muss jede Fraktion und jede Partei für sich machen und auch Rede und Antwort stehen für die jeweilige Position. Wir als SPD haben ein Jahr lang mit uns gerungen, das haben Sie alle ausführlich in der Presse verfolgen können. Und wir haben eine Positionierung erreicht. Die gerade geschilderte finanzielle Benachteiligung führt zur Abwanderung von Lehrkräften. Lehrkräfte wandern uns nach dem Studium ab. Wir haben immer weniger Bewerber um Referendariatsplätze und können nicht alle Stellen besetzen. Lehrkräfte wandern uns ab nachdem sie das Referendariat abgeschlossen haben. Am meisten tun die Zahlen der Abwanderung aus dem Angestelltenverhältnis weh.

Wir haben von Jahr zu Jahr steigende Kündigungszahlen. 2019 hatten wir fast 1 000 Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis, die aufgegeben haben und in andere Länder ausgewandert sind. Diese Zahl muss man in aller Klarheit festhalten. Wir hätten 1 000 Seiteneinsteiger im System nicht gebraucht, wenn wir allein die Kündigung der Lehrkräfte in den Griff bekommen würden.

Eine Debatte darüber, dass es immer schon Abwanderungen gegeben habe und dass dafür vielleicht ganz andere Gründe die Ursache seien, empfinde ich, wenn ich ganz ehrlich bin, als Hohn. Solche Argumente machen mich wütend.

[Beifall bei der CDU – Stefan Evers (CDU): Uns auch!]

Entweder wollen wir uns der Tatsache stellen, dass wir einen Teil des Mangels abwenden können oder wir wollen es nicht. Wir haben es nach wie vor in der Hand und können uns anders entscheiden. Wir als SPD sagen in aller Klarheit, dass wir die Rückkehr zur Verbeamtung wollen. Wir haben uns nicht umsonst den schwierigen Prozess bis zur parteilichen Festlegung angetan. Wir haben es getan, weil es sein muss – die Zahlen sprechen für sich.

Mir ist absolut klar, was im Koalitionsvertrag steht, und selbstverständlich werden wir den Vertrag nicht brechen. Wir können nur an Sie als unsere Koalitionspartner appellieren. – Ja, ich appelliere an Sie, dass Sie sich diesem schwierigen Prozess ebenfalls stellen und die „heilige Kuh der Nichtverbeamtung“ möglichst noch in dieser Legislaturperiode opfern. Unsere Lehrkräfte und die Stadt würden es uns danken.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU]

Ansonsten sieht man sich bei den nächsten Koalitionsverhandlungen wieder – ich weiß, was auf dem SPDTicket steht.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Paul Fresdorf (FDP): Ui, ui, ui!]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Kerker das Wort!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Berlinerinnen und Berliner! – Wir haben heute schon wieder häufig diesen Begriff der Klimakrise gehört. Ich glaube, es ist jetzt an der Zeit, wieder über echte Probleme zu reden. Berlin hat keine Klimakrise, aber wir haben eine waschechte Bildungskrise in dieser Stadt, meine Damen und Herren!

[Beifall bei der AfD – Regina Kittler (LINKE): Oh nein!]

Laut einer jüngst erhobenen Umfrage des Instituts INSA bewerten über 70 Prozent der Berliner die Situation an den Berliner Schulen als schlecht. Ein schlimmeres Zeugnis hätten die Berliner diesem Senat in Sachen Bildungspolitik wohl kaum mehr ausstellen können. Die sich zunehmend grün färbende CDU, die seit über zehn Jahren das politische Handeln ihrer Kanzlerin, egal ob legal oder quasi illegal, ohne Widerspruch mitträgt, zeigt nun, zumindest auf Berliner Landesebene, erste Anzeichen einer wiedereinkehrenden Vernunft – herzlichen Glückwunsch!

[Beifall bei der AfD]

Nachdem Sie in den letzten Legislaturperioden viele der linken Attentate auf die Berliner Bildung tolerierten, zum Teil sogar mittrugen, ist bei Ihnen offensichtlich ein Stück weit die Erkenntnis gereift, dass man politische Fehler besser korrigiert, statt an ihnen wider besseren Wissens festzuhalten. Wir wollen hoffen, dass diese Erkenntnis auch in Ihrer Bundestagsfraktion in Sachen Eurorettung und illegale Immigration möglichst schnell reift.

[Stefan Evers (CDU): Ach! – Beifall bei der AfD]

Es ist bereits gesagt worden: Nachdem Sachsen die Verbeamtung beschlossen hat, ist Berlin das einzige Bundesland, in welchem Lehrer keine Beamten sind. Die Verbeamtung der Lehrer ist ein wesentlicher Aspekt, um nicht einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den anderen 15 Bundesländern zu erleiden, aber nicht nur gegenüber den anderen Bundesländern, sondern auch gegenüber der Privatwirtschaft.

Ich kann Ihnen hierzu ein gutes Beispiel aus meinem privaten Umkreis benennen. Mein Bundesbruder Christian – und wenn Bundesbruder Frank Henkel jetzt hier im Raum wäre, würde er es bestätigen, er kennt ihn ja auch – entschied sich, trotz erfolgreich absolviertem Ingenieursstudium, nicht für einen Job in der freien Wirtschaft,

(Dr. Maja Lasić)

sondern für den Job eines Berufsschullehrers – leider nicht in Berlin, sondern in Baden-Württemberg, seine Begründung: Die Verbeamtung sei ihm an der Stelle zu attraktiv.

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Diese Verbeamtung wird also von den Lehrern gewünscht und sie steigert die Attraktivität des Lehrerberufs. – Sie sehen, meine Damen und Herren von der Union, uns eint das gemeinsame Ziel der Verbeamtung. Allerdings, das muss man auch klar sagen, ist uns Ihr Antrag etwas zu unausgereift. Die AfD ist im Gegensatz zu Ihnen die Partei des politischen Realismus aus der Mitte der Gesellschaft.

[Zuruf von Stefan Evers (CDU) – Beifall bei der AfD]

Wir wollen nicht einfach nur einen solchen Beschluss fassen, wir wollen vorab auch die Folgen einer solchen Entscheidung analysieren, sprich: die zukünftigen Kosten für die Stadt kennen. Ich möchte hier insbesondere unserer finanzpolitische Sprecherin Dr. Kristin Brinker danken, die dieses Thema der Pensionsverpflichtungen auf die Agenda gehoben hat. – Vielen Dank, Kristin, das ist großartig!

[Beifall bei der AfD – Torsten Schneider (SPD): Wer dankt, erhebt sich!]

[Torsten Schneider (SPD): Danke!]

Bitte! Immer wieder gern für Sie, Herr Schneider! Ich freue mich doch, wenn Sie hier etwas lernen können! –

Wenn wir aus der Kanzlerschaft von Angela Merkel etwas gelernt haben, dann dass man die Folgen des eigenen politischen Handelns unbedingt vorab reflektieren sollte.

[Oliver Friederici (CDU): Na, das merken Sie sich mal! – Lachen bei der CDU]

Nein, das müssen Sie sich merken! Das ist das Problem! – Genau das Ausbleiben dieser Folgenabwägung hat Deutschland in den letzten Jahren massiv destabilisiert und uns an den Rand von Weimarer Verhältnissen getrieben. Lernen Sie daraus, meine Damen und Herren!

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Wir dürfen den zukünftigen Generationen keine weiteren Altlasten schaffen. Wir brauchen die Verbeamtung, aber wir müssen die Kosten kennen. Stimmen Sie deshalb bitte unserem Änderungsantrag zu, vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Oliver Friederici (CDU): Lieber nicht!]

Für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Kittler das Wort. – Bitte schön!

[Stefan Evers (CDU) Jetzt kommt der Ruck! Nur Mut, Frau Kittler, wir sind bei Ihnen! – Oliver Friederici (CDU): Und wenn Sie wieder etwas gegen Autos sagen, wissen Sie ja, was passiert!]

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Nicht nur die CDU ist ja jetzt offensichtlich der Meinung, dass wir den Lehrkräftemangel damit lösen, dass wir Lehrkräfte verbeamten. Nebenbei gesagt bleibt auch bei Herrn Stettner unklar, warum Sie das nicht auch zum Beispiel für Erzieherinnen und Erzieher oder für das Pflegepersonal fordern, denn auch hier haben wir ähnliche Personalprobleme. Aber so kurzsichtig wie Sie, Damen und Herren der CDU, in Berlin mit der Verbeamtung als Allheilmittel für Lehrkräftemangel denken, denken und handeln Sie ja auch im Bund, wo Sie seit 2005 ununterbrochen, und davor auch immer wieder mal im Wechsel mit SPD und FDP, die zuständigen Ministerinnen und Minister stellen und sich trotz der gravierenden Probleme, auch im Zusammenhang mit dem Lehrkräftemangel, vehement für das Kooperationsverbot aussprechen.

[Oliver Friederici (CDU): Und so wird es auch bleiben!]

Wie armselig ist es eigentlich, dass sich die Bundesländer in einen harten Konkurrenzkampf begeben sollen, damit sie sich gegenseitig die Lehrkräfte abjagen, um Kindern und Jugendlichen das Recht auf Bildung gewähren zu können?

[Beifall von Stefanie Remlinger (GRÜNE) – Oliver Friederici (CDU): Es gibt eben keine staatliche Plankommission!]

Nun einmal zurück zu Ihrer Verbeamtungsdebatte: Es sind mittlerweile alle Bundesländer vom Lehrkräftemangel betroffen. In Bayern eskaliert die Situation in den Grundschulen so, dass die Grundschullehrkräfte jetzt für zunächst fünf Jahre eine Arbeitszeitverlängerung bekommen haben. In Brandenburg finden manche Landkreise keine einzige ausgebildete Lehrkraft. In Mecklenburg-Vorpommern stimmen die Lehrkräfte mit den Füßen ab und verlassen, wie gestern im Bildungsausschuss des Landtags berichtet wurde, in großer Zahl das Land wegen schlechter Arbeitsbedingungen.

[Zurufe von Stefan Förster (FDP) und Stefan Evers (CDU)]

In Nordrhein-Westfalen waren noch zum ersten Schultag über 3 000 Stellen in den Schulen unbesetzt. In Niedersachen gehen die Grund-, Haupt-, Real- und Berufsschulen auf den Lehrkräfte-Crash zu. Ich könnte Ähnliches aus allen Bundesländern berichten, auch aus Sachsen, wo die Wiederverbeamtung nicht viel hilft.

Laut Prognosen der Bertelsmann Stiftung fehlen bis 2015 in Deutschland 26 300 Grundschullehrkräfte, dieser Zahl

(Franz Kerker)

nähert sich übrigens seit Dezember auch die KMK an. Dass die Verbeamtung die Lehrkräftenotlage beenden würde, ist ein Mythos.

Die Antragssteller stellen sich hier nicht den wirklichen Ursachen, sondern verbreiten eben lieber Mythen. Dazu gehört auch, dass Masterabsolventinnen und Masterabsolventen oder Referendarinnen und Referendare in Scharen Berlin verlassen. – Stimmt nicht! Sie gehen einfach wieder nach Hause, nachdem sie hier studiert haben. Zwischen 20 Prozent und 28 Prozent haben das auch getan, als Berlin noch verbeamtet hat. Wir sind in der gleichen Range. Verbeamtung löst die grundsätzlichen Probleme nicht. Diese liegen – und das ist kein Hohn, Maja, sondern wurde jüngst auch in einer Studie der Universität Göttingen nachgewiesen – erstens in einer strukturellen und permanenten Überlastung der Kolleginnen und Kollegen in den Schulen, die viele krank macht und zu hoher Teilzeit oder Frühberentung führt, und zweitens in einer für viele zutreffende Unvereinbarkeit von Vollbeschäftigung und Familie. Drittens liegen die Probleme im über Jahre betriebenen Studienplatzabbau bundesweit und darin, dass auch bei stark wachsender Kinderschar in Deutschland bisher nur Berlin und Bayern hier, wenn auch spät, umgesteuert haben, nicht aber die Universitäten und Hochschulen der anderen Bundesländer; darin, dass die Grundschullehrkräfte solange so schlecht bezahlt wurden, bis Rot-Rot in Brandenburg und Rot-Rot-Grün in Berlin beschlossen haben, das zu ändern.