Protocol of the Session on January 16, 2020

Wer dem geänderten Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Linksfraktion, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die SPD-Fraktion und die FDP-Fraktion. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Bei Enthaltung der CDU-Fraktion, der AfD-Fraktion und eines fraktionslosen Abgeordneten ist der Antrag damit so angenommen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.3:

Priorität der Fraktion der CDU

Tagesordnungspunkt 16

Wiedereinführung der Verbeamtung von Lehrkräften

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 21. November 2019 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 29. November 2019 Drucksache 18/2350

zum Antrag der CDU-Fraktion Drucksache 18/1323 Neu

hierzu:

Änderungsantrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/1323 Neu-2

In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU, und hier der Kollege Stettner. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute über eine sehr wichtige Frage für unsere Kinder und unsere Jugendlichen, und ich befürchte, dass Sie aus ideologischen Hemmungen heraus und aus Angst um den Erhalt der rot-rot-grünen Koalition gegen die Chancengleichheit stimmen werden. Ich bitte Sie, sich einen Ruck zu geben. Katrin Seidel hat im Bildungsausschuss gesagt, man müsste sich auch mal einen Ruck geben können, um richtige Entscheidungen treffen zu können.

[Regina Kittler (LINKE): Die Ruck-Seele von Herrn Stettner!]

Bei der Abstimmung zur Wiedereinführung der Verbeamtung hat bei Ihnen leider gar nichts geruckt. Sie haben alle dagegen gestimmt, also müssen wir den Status quo betrachten: Bildung Berlin 2020 – wo stehen wir heute?

Berlin ist Bildungsschlusslicht in Deutschland. Unsere Kinder haben in Berlin schlechtere Chancen als alle anderen Kinder in Deutschland, weil sie eine schlechtere Ausbildung genießen. Berliner Kinder sind aber nicht dümmer. Berliner Lehrerinnen und Lehrer sind auch nicht

weniger motiviert. Berliner Eltern wollen auch die beste Bildung für ihre Kinder haben.

[Torsten Schneider (SPD): Woran denkt man jetzt? Da bin ich gespannt!]

Darauf komme ich gleich, keine Frage, einfach weiter zuhören. – Berlin gibt am meisten Geld pro Schulplatz aus. Daneben leistet es sich ganz viele Sozialprojekte und hofft, dass sich irgendetwas bewegt. Am Geld liegt es also offenbar nicht, Herr Schneider.

[Beifall bei der CDU]

Nein, über 10 Prozent aller Schulstunden fallen aus und werden fachfremd vertreten. Viel zu viel Video und zu wenig Fachunterricht. Jedes Jahr verlassen Berlin Hunderte qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Zwei Drittel der Neueinstellungen sind keine Pädagogen. Schulleitungen sind in Berlin mit einer Mischung aus Pädagoge, Motivator, Verwaltungsleiter und Hausmeister besetzt. Jahrelang sind Schulleiterstellen nicht besetzt, oft sogar Schulleiter- und stellvertretende Schulleiterstellen nicht. Fehlende Schulplätze, Container auf den Schulhöfen, oft eine katastrophale IT-Ausstattung, davon will ich gar nicht reden, denn das ist heute nicht unser Thema. Heute geht es um unsere Lehrkräfte und um die Wertschätzung für unsere Lehrkräfte. Wir fordern viel von unseren Pädagogen. Berlin hat anspruchsvolle Aufgaben für Pädagogen. Wir brauchen dafür hochmotivierte, hart arbeitende Pädagogen. Ich habe davon viele kennengelernt, aber auch die brennen irgendwann aus, trotz aller Motivation. Wir haben verschiedenste Bezahlungen in den Kollegien für gleiche Arbeit. Wir haben keinerlei Leistungsbelohnung. Wir haben keine faire Bezahlung und Behandlung bei einer kommissarischen Besetzung beispielsweise von Schulleiterstellen. Wir haben eine strukturelle Unterbesetzung und eine schlechtere Absicherung als in allen anderen Bundesländern. Ich kann es Ihnen nicht ersparen, Frau Senatorin, mit der Fehlersuche beginnt jede Heilung. Das ist das katastrophale Ergebnis von 23 Jahren roter Bildungspolitik und acht Jahren Bildungssenatorin Scheeres.

[Beifall bei der CDU – Regina Kittler (LINKE): Nach jahrzehntelanger CDU-Bildungspolitik!]

Sie glauben, dass viel Geld möglichst breit geschmissen viel hilft. – Das ist falsch. Sie glauben, dass Leistung und Wissen nicht wichtig sind. – Das ist falsch. Das ist der Status quo: Berlin, Bildung, SPD 2020.

[Stefan Evers (CDU): Traurig!]

Fehler erkannt. Berliner Bildung ist krank. Die Symptome habe ich beschrieben, die Krankheitsverursacher dargestellt. Jetzt müssen wir heilen. Das können wir nur alle zusammen. Fangen wir bei der Wertschätzung für unsere Lehrkräfte an. Behandeln wir sie genauso gut wie

(Vizepräsidentin Cornelia Seibeld)

in allen anderen Bundesländern. Verbeamten wir unsere Lehrerinnen und Lehrer jetzt und sofort.

[Beifall bei der CDU]

Jetzt werden wir gleich viele vermeintliche Gründe hören, warum das so nicht geht. In aller Kürze und mithilfe Ihrer Kollegen, vielleicht glauben Sie denen mehr als mir: Angeblich ist das zu teuer. Mit Genehmigung des Präsidiums darf ich Finanzsenator Kollatz zitieren: Die bislang erstellten und bekannten Berechnungen lassen insgesamt keine gravierenden Kostenunterschiede zwischen beamteten und tarifbeschäftigten Dienstkräften erwarten. – Angeblich bringt das auch keine neuen Lehrkräfte nach Berlin. Mit Erlaubnis zitiere ich den nicht anwesenden Regierenden Bürgermeister Michael Müller: Inzwischen sind wir das einzige Bundesland, das nicht mehr verbeamtet. – Ich glaube, wir können uns diesen Wettbewerbsnachteil im Interesse unserer Kinder und Jugendlichen nicht länger leisten.

[Oliver Friederici (CDU): Was? – Beifall bei der CDU]

Angeblich haben die anderen Bundesländer genauso viele Quer- und Seiteneinsteiger. Das ist immer ein schönes Argument der Frau Senatorin. Anteil der Neueinstellungen für das Schuljahr 2019/2020 von MecklenburgVorpommern mit 33,8 Prozent über NRW 9,8 Prozent und Bayern immerhin noch 0,4 Prozent.

[Franz Kerker (AfD): Aha!]

Berlin hat – wer weiß es? – 61,1 Prozent. Mittlerweile haben wir an manchen Schulen über 30 Prozent Quereinsteiger. Über 60 Prozent der Quereinsteiger arbeiten in unseren Grundschulen. Ihre Brennpunktzulage funktioniert nicht, das wissen Sie. Jetzt schicken Sie auch noch die meisten Quereinsteiger in die Brennpunkte und in die Grundschulen hinein. Sie tun so sozial, aber Sie fördern damit die soziale Trennung.

[Beifall bei der CDU – Stefan Evers (CDU): Pfui!]

Wir müssen diese schlimmen Zustände gemeinsam ändern. Die Lösung liegt auf dem Tisch. Ich berufe mich wirklich selten auf die Linken, aber in diesem Fall hilft es Ihnen vielleicht, Ihre ideologischen Hemmungen zu überwinden. Mit Erlaubnis der Präsidentin – Bodo Ramelow, Die Linke, Ministerpräsident von Thüringen: Ich habe meine prinzipielle Haltung aus dem Weg geräumt. Ich bin über meinen eigenen Schatten gesprungen und habe gesagt: Dann verbeamten wir. – In diesem Sinne: Lasst uns verbeamten! – Danke schön!

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Dr. Lasić das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir heute über den Antrag der CDU reden, kommt nicht unerwartet. Der Antrag dümpelte ein Jahr im Bildungsausschuss herum, um – was für ein Zufall – direkt nach dem Landesparteitag der SPD herausgeholt zu werden.

[Stefan Evers (CDU): Wir geben euch die Zeit, die ihr braucht!]

Das Ziel dieses Antrags kann nur sein, im Plenum zu zeigen, dass die Koalition in dieser Frage uneins ist.

[Stefan Evers (CDU): Das weisen wir mit Abscheu und Empörung zurück!]

Nun, das haben wir schon ausführlich alle in der Presse festgehalten und brauchen bestimmt nicht die CDU dafür. Aber okay, wir machen es an dieser Stelle auch für Sie. – Worum geht es? – Es geht darum, dass wir als SPD, die die Abkehr von der Verbeamtung der Lehrkräfte in den Nullerjahren beschlossen und umgesetzt hat, auf unserem letzten Parteitag für uns festgehalten haben, dass wir nicht mehr glauben, dass diese Position haltbar ist.

[Stefan Evers (CDU): Zeit läuft!]

Alle anderen 15 Länder verbeamten wieder. Die glauben nicht, dass wir die Position des letzten gallischen Dorfs weiterhin aufrecht erhalten können.

[Beifall bei der CDU – Stefan Evers (CDU): Halleluja! – Dirk Stettner (CDU): Sehr gut!]

Damit weichen wir nicht von unserer grundsätzlichen Skepsis gegenüber der Verbeamtung ab, wir blicken nur der Realität des Fachkräftemangels und des hohen Konkurrenzdrucks der Länder mit aller Klarheit ins Auge.

[Stefan Evers (CDU): Realität ist mal ein Anfang!]

Fakt ist: Unsere Lehrkräfte verdienen gut. Dennoch gibt es 15 Länder, in denen sie bessergestellt sind. Überall in Deutschland sind Lehrkräfte bessergestellt bei der Krankenversorgung, zum Teil bei der Altersvorsorge und vor allen Dingen beim Nettoeinkommen selbst.

[Stefanie Remlinger (GRÜNE): Nicht in der Oberschule!]

Bis zu 180 000 Euro mehr hat eine verheiratete Lehrkraft auf der Hand im Laufe ihres Berufslebens. Die zahlreichen Nachteile lassen sich im Angestelltenverhältnis auf Grund der TdL-Zwänge nicht ausgleichen. Wenn man will, dass Berlin bei der Bezahlung der Lehrkräfte mit anderen Ländern konkurrenzfähig ist, bleibt nur die Rückkehr zur Verbeamtung.