Protocol of the Session on November 28, 2019

Gucken wir uns das insgesamt an. Das haben meine beiden Vorredner ja auch getan. Die berufliche Bildung ist Teil der Gesamtbildung. Wir wollen, dass unsere Kinder, bestmöglich ausgebildet, von der Kita über die berufliche Ausbildung zu einem guten Job kommen. Wenn wir uns diesen Gesamtvorgang in Berlin anschauen, stellen wir fest, dass wir massive Probleme haben, denn wir sind leider in fast allen Bereichen ganz hinten. Das betrifft den Bereich der Bildung. Wir haben das in den letzten Wochen eingehend diskutiert. Wir, das Land Berlin, sind in jedem Monitoring, in allen Ergebnissen, in allen Bewertungen ganz hinten. Wir haben große Probleme, unsere Lehrer in Berlin zu halten, und wir haben im Bereich der beruflichen Bildung eine Vielfalt und einen Beginn der Ausbildung mit dem höchsten Stand in ganz Deutschland – wir haben also auch dort Zeiten, die wir verlieren für unsere Kinder.

Wenn wir also hier nur ein Vollzugsproblem hätten, wäre es ja an dem Senat gewesen, in den letzten 24 Monaten damit zu beginnen, etwas umzusetzen. Das hat er aber nicht getan, und deswegen ist es vollkommen richtig, noch einmal genau zu evaluieren, wo wir ansetzen müssen, damit wir eventuelle Warteschleifen verhindern und überhaupt erst einmal die Entscheidung finden, wann eine vollschulische Ausbildung und wann eine duale Ausbildung sinnvoll ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass der

(Dennis Buchner)

Schatz, den wir in Deutschland im Bereich der beruflichen Ausbildung haben, die duale Ausbildung ist, und das sollte immer die Priorität sein.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Tommy Tabor (AfD)]

Vielen Dank! – Wir sollten auch mal darüber nachdenken, wann eine vollschulische Ausbildung überhaupt sinnvoll ist, welche genau sinnvoll ist und in welchem Alter diese sinnvoll ist. Das alles wissen wir momentan noch nicht, und das ist auch – ich darf die Schriftliche Anfrage von Frau Dr. Jasper-Winter zitieren – bekannt. Es gibt Handlungsnotwendigkeiten, das weiß der Senat, und er hat auch entsprechend geantwortet – ich darf mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren –:

Fokussierung auf marktrelevante Berufsausbildungen

Es wäre schön, wenn wir das schon geschafft hätten, uns auf die marktrelevanten Berufsausbildungen zu fokussieren. –

Anpassung der Aufnahmevoraussetzungen, … – Ausbau der Kooperation mit Betrieben

Auch das wäre schön, wenn wir schon dabei wären, den Ausbau der Kooperation mit Betrieben zu intensivieren. –

Erhöhung des Zeitumfangs von verpflichtenden Praktika

Das brauche ich dann nicht, wenn ich dual ausbilde. –

Überarbeitung der curricularen Passungen …

Das ist bekannt, aber umgesetzt worden ist das alles noch nicht. Deswegen fordert der jetzige Antrag eine Evaluierung der Anschlussquoten und der Anschlussfähigkeit der verschiedenen beruflichen Bildungsgänge. Es soll untersucht werden, ob potenzielle Doppelstrukturen vorhanden sind, und danach geschaut werden, warum das Durchschnittsalter in Berlin so hoch ist. Aus meiner Sicht kann uns das nur helfen, dazu beizutragen, dass wir auch in diesem Teil der Bildung, nämlich der beruflichen Bildung, besser werden. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat die Kollegin Brychcy jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Dr. Jasper-Winter! Bevor ich zu Ihrem Antrag komme, eine kleine Vorbemerkung: Am 7. November haben wir im Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales die aktuelle Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt in Berlin diskutiert und festgestellt, dass die Zahl der gemeldeten betrieblichen Ausbildungsstellen bei ca. 16 000 stagniert. Dem stehen knapp 22 000 gemeldete

Bewerber und Bewerberinnen auf einen Ausbildungsplatz gegenüber. Damit haben junge Menschen in Berlin weiterhin bundesweit die schlechtesten Chancen, einen dualen Ausbildungsplatz zu erhalten. … Die Ausbildungsbetriebsquote liegt in Berlin mit 11 Prozent weit unter dem Bundesdurchschnitt von 20 Prozent. Das ist die aktuelle Situation. In Ihrem Antrag, liebe Frau Dr. Jasper-Winter, geht es aber nicht etwa darum, wie Betriebe motiviert werden können, auszubilden oder noch mehr Ausbildungsplätze anzubieten als bisher, sondern um das Ziel, vollzeitschulische Bildungsgänge einzustellen. Das wird aber die grundsätzliche Schieflage auf dem Ausbildungsmarkt in Berlin nicht beheben. Ohne mehr Engagement der Betriebe bei der Ausbildung werden junge Menschen Berlin nicht die gleichen Bildungschancen haben wie in anderen Bundesländern, und das ist fatal.

Frau Kollegin! Gestatten Sie Zwischenfragen?

Nein, danke! – Nun konkret zu dem Antrag: Die breit angelegte Projektgruppe Weiterentwicklung und Stärkung der beruflichen Schulen und OSZ, kurz: ProWebeSO, hat von 2015 bis 2018 genau das getan, was Sie jetzt einfordern. Sie hat sich die unterschiedlichen Standorte und Bildungsangebote detailliert angesehen und umfangreiche Handlungsempfehlungen erarbeitet, teilweise mit wissenschaftlicher Begleitung der neuen Bildungsgänge wie IBA und dem Berliner Ausbildungsmodell – BAM –, welche schneller und erfolgreicher in die duale Ausbildung führen. Das Besondere ist hier die Bildungsgangbegleitung, die zwar ressourcenintensiv ist, aber Strukturen schafft, in denen junge Menschen sich sehr gut in Richtung betriebliche Ausbildung orientieren können.

Jedoch muss immer die oder der Jugendliche mit seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen im Mittelpunkt stehen. Es gibt Fälle, in denen eine duale Berufsausbildung aus ganz unterschiedlichen Gründen keine realistische Option ist, das Land Berlin einspringt und eine schulische Ausbildung, z. B. in einer Berufsfachschule, anbietet, damit möglichst trotzdem ein Ausbildungsabschluss erreicht werden kann. Und da finde ich es essenziell, dass die Bildungsverwaltung klar geäußert hat, dass kein Bildungsangebot abgebaut wird, wenn kein entsprechendes duales Pendant dafür geschaffen wird, und dass genau die bisherige Gruppe von Adressatinnen und Adressaten auch real dieses Angebot nutzen kann. Wenn sich Betriebe hier mehr engagieren und jungen Menschen, die diverse Förder- und Entwicklungsbedarfe haben, eine Chance auf einen dualen Ausbildungsplatz eröffnen würden, würde ich das sehr begrüßen.

(Dirk Stettner)

[Sibylle Meister (FDP): Dann fangt doch mal an! Bei den Kindern zum Beispiel!]

Für diese Koalition steht außer Frage, dass jedem jungen Menschen eine Ausbildung garantiert werden muss, auch wenn sie oder er keinen dualen Ausbildungsplatz finden. Wir haben auch Bildungsgänge, wo es schlicht kein duales Pendant gibt, z. B. Metallografie beim Lette-Verein. Eine detaillierte Bestandsaufnahme zu den Bildungsgängen hat ProWebeSO bereits geleistet. Es braucht jedoch auch eine Akzeptanz dafür, dass unterschiedliche Zielgruppen unterschiedliche Bildungsangebote benötigen. Ich bin immer dafür, die duale Ausbildung zu stärken, aber ohne mehr Engagement der Betriebe werden wir nicht auf Zuruf der Wirtschaft schulische Ausbildungsgänge einfach streichen, die im Moment die einzige Chance auf eine Ausbildung für einen Teil junger Menschen in Berlin darstellt.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Die Umsetzung einiger der Handlungsempfehlungen aus ProWebeSO ist noch nicht abgeschlossen, aber bei der Entscheidung über ganze Bildungsgänge muss es um Sorgfalt vor Schnelligkeit gehen. Wie gesagt, ohne mehr betriebliches Engagement werden junge Menschen aus Berlin nicht die gleichen Bildungschancen haben. Da freuen wir uns über jedes weitere Angebot der Betriebe. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Tabor das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Verehrte Berliner! Die bürgerliche Bildungspartei AfD

[Lachen von Joschka Langenbrinck (SPD)]

ist die einzige Partei, die sich konsequent für die duale Ausbildung einsetzt.

[Beifall bei der AfD – Paul Fresdorf (FDP): Mit einem Witz zu beginnen, ist immer gut!]

Während die Betriebe händeringend nach Auszubildenden suchen, sind die vollzeitschulischen Angebote im gleichen Fach ausgebucht. Das ist unserer Meinung nach ein völliger Irrweg. Dass viele Jugendliche, die bislang an einem Oberstufenzentrum eine vollzeitschulische Ausbildung absolvieren, auch gute Chancen auf eine reguläre betriebliche Ausbildung haben, zeigt die Bilanz des Pilotprojekts Berliner Ausbildungsmodell, kurz: BAM. Seit 2017 ist das BAM ein Erfolgsmodell. Es zeigt aber auch: In den Oberstufenzentren gibt es eine Reihe von Schülern, die ebenso gut eine betriebliche Ausbildung hätten meistern können.

Der heutige Antrag zeigt, dass die Anträge der AfD-Fraktion bereits viel weiter gehen als die der FDP. Die FDP fällt unserer Meinung nach weit hinter unsere Forderungen zurück. In der Ausschusssitzung haben Sie sich von der Senatorin blenden lassen, und jetzt laufen Sie mit Ihrem Antrag dem Thema hinterher.

[Beifall bei der AfD]

Doch zumindest haben Sie sich im Anschluss an die Ausschussberatung, in der die Anträge der AfD-Fraktion zur dualen Ausbildung behandelt wurden, hingesetzt und sich Gedanken gemacht. Sie schreiben in Ihrer Antragsbegründungen, alle Akteure seien sich über den Handlungsbedarf einig. Doch Ihr Antrag macht einen Schritt zurück: Sie möchten nach dem Projekt ProWebeSO, so wie es heute auch schon angeklungen ist, nun noch eine wissenschaftliche Studie in Auftrag geben. Ihr Antragstext bietet keine Antwort und liefert nur eine große Liste an Fragen, auf die Sie gerne eine Antwort hätten. Einige dieser Fragen ließen sich durch eine schriftliche Anfrage an den Senat beantworten oder einfach Hörer in die Hand nehmen und die Verbände anrufen. Zu anderen Punkten führt die IHK eigene Umfragen und Erhebungen durch. Da kann man auch einen ordentlichen Erkenntnisgewinn erlangen.

Für die AfD-Fraktion ist die Richtung absolut klar. Wir wollen die duale Ausbildung stärken. Die steigenden Schülerzahlen soll nicht in schulische Bildungsgänge, sondern in die duale Ausbildung gelenkt werden.

[Beifall bei der AfD]

Die FDP fordert eine wissenschaftliche Evaluation, um Handlungsempfehlungen zu entwickeln. Wenn Sie bei dem Thema erklärtermaßen noch so unwissend sind, empfehle ich Ihnen wirklich, mal bei der IHK oder Handwerkskammer vorzusprechen.

[Sibylle Meister (FDP): Wissenschaftlich!]

Wir brauchen eine Reform der beruflichen Bildung, so übertitelt die FDP ihren Antrag. Was Berlin allerdings braucht, ist endlich eine Weiterentwicklung der beruflichen Bildung durch eine Gesamtstrategie für eine zukunftsfeste und qualitativ hochwertige Ausbildung, so wie wir das auch im Ausschuss mit mehreren Anträgen bereits dargelegt und besprochen haben. Leider wurden unsere Anträge abgelehnt.

Über ProWebeSO II hinaus müssen Ziele festgesetzt werden, die dem Gesamtprozess eine klare Richtung geben. Die berufsbildenden Angebote müssen hinsichtlich Struktur und Wirksamkeit einer fortlaufenden Überprüfung unterzogen werden. Zur Qualität der beruflichen Ausbildung sind verbindliche Qualitätsstandards und Qualitätskontrollen selbstverständlich nötig. Den dualen Angeboten gebührt gegenüber vollzeitschulischen Angeboten nach unserer Meinung der Vorrang. Konsequenterweise bedeutet dies, dass vollzeitschulische Bildungsgänge, die über ein duales Gegenstück verfügen, gest

(Franziska Brychcy)

richen oder zumindest zweitrangig behandelt werden müssen. Die Platzzahl der vollzeitschulischen Ausbildung sollte orientiert an der Zahl unbesetzter Ausbildungsplätze reduziert werden, um die duale Ausbildung eindeutig zu stärken.

Ergänzend brauchen wir mehr Initiativen für die duale Ausbildung sowie eine intensivierte Zusammenarbeit zwischen Schulen und Betrieben, die hinreichend früh vor dem jeweiligen Schulabschluss ansetzt, damit die jungen Leute wirklich genau wissen, was sie möchten und was sie in der Ausbildung erwartet, damit die Abbruchquote rückläufig wird.

Das spezifisch deutsche System – das habe ich schon in anderen Reden erwähnt – der dualen Ausbildung ist weltweit anerkannt, beliebt und überall Vorbild, doch in Deutschland selbst ist es gefährdet. Ich nenne hier noch einmal den Kopenhagen-Prozess analog zu dem BolognaProzess, also der Vereinheitlichung der Berufsausbildung in der EU. Das System der dualen Ausbildung schützt man nicht durch eine Studie zu nachlässig formulierten Fragestellungen, aber wir freuen uns dennoch, diesen Antrag im Ausschuss zu behandeln. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Remlinger jetzt das Wort.

Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor einigen Jahren hat das Oberstufenzentrum Elinor Ostrom – sie bilden Kaufleute aus – vollschulisch evaluieren lassen, wie gut die Anschlüsse klappen, wie die Übergänge in den Beruf an der ersten und zweiten Schwelle sind, einmal direkt nach Abschluss der Ausbildung und zum Zweiten dann an der zweiten Schwelle: Einstellung in den zweiten Betrieb, also nach dem ersten Wechsel eines Betriebes. Sie konnten für ihre Absolventinnen und Absolventen zeigen, dass beim zweiten Übergang, also beim ersten Übergang tatsächlich die duale Ausbildung nachvollziehbarerweise bessere Erfolge hatte, weil die Jugendlichen ja schon in Betrieben waren, dass aber an der zweiten Schwelle die OSZ-Ausgebildeten denen in der dualen Ausbildung nicht nur ebenbürtig, sondern sogar überlegen waren.

Nun ist das Oberstufenzentrum „Elinor Ostrom“ immer schon eine sehr gute Schule. Es ist ein sehr lebensnah operierendes vollschulisches Bildungskonzept. Sie haben Lernbüros, sie kooperieren mit SAP, sie arbeiten in digital-analoger Fiktion einer Unternehmensstrategie. Das heißt, es geht schon auch immer um die Qualität dessen,

was irgendwo stattfindet. Ich hatte gehofft, so hatten wir bei den Haushaltsberatungen, als Sie die Idee zum ersten Mal formulierten, dass wir uns vollschulische Ausbildungsgänge anschauen, dass wir dem nachgehen würden, weil ich die Fragen – ich sage gleich mehr dazu – aus bestimmten Gründen hochspannend finde.