Protocol of the Session on January 26, 2017

Es gibt drei wesentliche Schlüssel zur Integration: Sprache, Wohnen sowie Bildung und Erwerbsarbeit. – Völlig unabhängig von Bleibeperspektiven im Aufenthaltsrecht brauchen Geflüchtete mit ihrer Ankunft hier die Chance auf Teilhabe. Deshalb ist es so wichtig, dass sie Zugang zu Sprachkursen bekommen, auch jenseits der BAMFKurse, so, wie wir es vereinbart haben, dass sie vernünftig untergebracht sind, dass sie sich selbst versorgen können und schnell eine Erst- und dann Folgeberatungen bekommen.

All das haben wir uns als rot-rot-grüne Koalition vorgenommen, und das werden wir in ressortübergreifender Zusammenarbeit sowohl auf der Ebene der Senatsverwaltungen als auch auf der Ebene der Fraktionen hinbekommen. Dabei wissen wir, dass wir gegen den Mainstream schwimmen, dass wir die Hoffnung auf die Seite der Geflüchteten ziehen wollen, statt auf Ausgrenzung, Abwertung und auf Rassismus zu setzen. Berlin kann der Trendsetter und ein Vorbild für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik sein, was nach dem LAGeSo-Chaos von 2015 ein notwendiger und guter Wechsel im Bild und Image der Stadt wäre.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Berlin ist international, Berlin ist weltoffen, und deswegen werden wir alles daransetzen, ausreichend Wohnraum für alle zu schaffen, es nicht zulassen, dass die geflüchteten Menschen gegen andere Menschen mit niedrigen Einkommen ausgespielt werden, dass Neid und Konkurrenz gegen die sozial Benachteiligten geschürt werden. Der Freizug der Turnhallen war erst der Anfang eines langen und sicher auch schwierigen Prozesses, in dem wir die Berlinerinnen und Berliner bestmöglich mitnehmen müssen. Er war ein guter Anfang. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt die Frau Kollegin Seibeld das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn ist es mir wichtig, deutlich zu machen, dass es im Interesse aller in Berlin lebenden Menschen wäre, wenn der Senat in Gänze in der Integrationsfrage handeln würde. Das hatte der Regierende Bürgermeister hier in der letzten Legislaturperiode schon angekündigt. Es bleibt zu hoffen, dass der Ankündigung nun auch Taten folgen werden. Damit meine ich keinen teuren Masterplan, der jetzt schon wieder passé ist, und ich hoffe, dass diesmal auch kein Genosse profitiert.

[Heiterkeit bei Heiko Melzer (CDU)]

Die Koalition hat bisher viel Zeit mit eigener Problembewältigung verbraucht, beispielsweise mit der Causa Holm, dem Versagen bei der Durchsetzung der Ausweitung der Videoüberwachung und dem Streit innerhalb der Koalition. Das alles zeigt, dass sie mehr mit sich selbst beschäftigt ist als mit der Lösung der Probleme der Stadt.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Zurufe von den GRÜNEN]

Nun soll mit diesem Thema von einem wirklich tagesaktuellen Problem wie der BER-Eröffnung bzw. -Nichteröffnung abgelenkt und auf den vermeintlichen Minierfolg der Flüchtlingsunterbringung, nämlich die Eröffnung eines einzigen MUF hingewiesen werden.

[Carsten Schatz (LINKE): Unverschämtheit! – Weitere Zurufe von den GRÜNEN]

Die Berliner Verwaltung und die Berliner Stadtgesellschaft haben auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise Bemerkenswertes geleistet. In der gemeinsamen Verantwortung von SPD und CDU wurden 100 000 Flüchtlinge in Berlin untergebracht; dies in einer ohnehin schwierigen Zeit, in der Berlin auch ohne Flüchtlingsansturm enorm wächst und grundsätzlich zu wenig günstigen Wohnraum zur Verfügung hat. Wir mussten diese Aufgabe bewältigen in einer Zeit, in der wir die Konsequenzen der harten und nachhaltigen Sparpolitik des rot-roten Senats vor uns zu spüren bekamen.

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Wo blieb Mario Czaja? – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Auch wenn Die Linke jetzt gern so tut, als hätte sie mit dem Ganzen nichts zu tun, muss ich Sie nachdrücklich daran erinnern: Auch sie trug und trägt Verantwortung für diese Situation, die wir im LAGeSo vorgefunden haben.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von den GRÜNEN: Wo war denn Czaja?]

(Katina Schubert)

Nur 37 Mitarbeiter waren noch Anfang 2015 für diese Aufgabe zuständig, im Stab waren es später 1 000, und heute sind von der Finanzverwaltung für das LAF 570 Stellen genehmigt. Die Personaleinsparungen der Jahre davor waren überall zu spüren, wo das Wachstum der Stadt auf eine personaleinsparungsgeplagte Verwaltung traf, wie auch bei Familienkassen, in den Bürgerämtern und erst recht beim LAGeSo.

[Zuruf von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise mussten 60 Turnhallen genutzt werden, von denen bis Oktober 2016 30 wieder geräumt werden konnten.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

In ihrer Verzweiflung sucht die Koalition nun nach etwaigen Erfolgen. Was sie dabei findet, ist das angebliche Handeln in der Frage der Flüchtlingsunterbringung. Soll ich Ihnen etwas verraten? – An diesem Dilemma zeigt sich wie an den Beispielen zu Anfang die ganze Handlungsunfähigkeit des Regierenden Bürgermeisters Müller.

[Beifall bei der CDU – Steffen Zillich (LINKE): Ah ja?]

Der Auszug der Flüchtlinge aus den Turnhallen und damit die Unterbringung der Flüchtlinge oblag seinem Staatssekretär und Flüchtlingskoordinator Dieter Glietsch. Dieser war ihm direkt zugeordnet. Herr Müller sucht wie immer andere Sündenböcke für eigenes Versagen.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Herr Czaja hat damit nichts zu tun, das können wir bestätigen! – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Sagt Ihnen der Name Czaja was? – Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Für die Errichtung der MUFs und Tempohomes war nicht Mario Czaja zuständig, sondern der damalige wie heutige Finanzsenator Kollatz-Ahnen.

[Steffen Zillich (LINKE): Ach, Kinder! – Zurufe von den GRÜNEN]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um Ruhe!

Die sechs Containerstandorte, die die Gesundheitsverwaltung entgegen dem bis dato üblichen Prozedere unter Mario Czaja gebaut hat, waren im Wesentlichen pünktlich fertig, werden genutzt und haben einen hohen Standard, den wir in den kommenden Einrichtungen erst mal suchen werden.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Die Senatsfinanzverwaltung dagegen zeichnet sich bei der Errichtung der neuen Unterkünfte durch zwei ganz besondere Talente aus: Im Rekordtempo wurden neue Standortlisten für Tempohomes und MUFs in Umlauf gebracht. Dies führte zwangsläufig zu großer Verunsicherung in weiten Teilen der Berliner Bevölkerung,

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Oh ja!]

wo es stattdessen darum gegangen wäre, Kooperation und Verständnis mit den betroffenen Anwohnern vor Ort herzustellen. Sie scheiterte mit der ihr zugewiesenen Rolle als zuständige Verwaltung für die Abstimmung mit den Bezirken auf ganzer Linie. Statt brauchbarer Vorschläge für Stadtorte kamen von der Finanzverwaltung zum Beispiel Waldgrundstücke oder Vorschläge zu Plätzen vor öffentlichen Gebäuden, die den selbstgewählten Kriterien nicht einmal im Ansatz gerecht wurden.

[Steffen Zillich (LINKE): Glauben Sie wirklich, dass Sie mit „Haltet-den-Dieb!“ durchkommen?]

Eine Vorprüfung auf Genehmigungsfähigkeit gab es offenbar nicht, lieber die schnelle Schlagzeile als die nachhaltige Lösung war hier offenbar die Überschrift. Die Inbetriebnahme der Tempohomes scheiterte neben den Grundstücken an mangelhaft qualifiziertem Personal. Dieses wollte die Senatsverwaltung zunächst nicht zur Verfügung stellen und handelte nach dem Motto: Ihr müsst sehen, wo ihr bleibt. – So geht kein Krisenmanagement.

[Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN]

An dieser Stelle möchte ich allerdings den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des LAGeSo bzw. des LAF ganz herzlich danken. Sie haben in den vergangenen anderthalb Jahren Außerordentliches gleistet.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Im Bereich der Vergabe gibt es offenkundig Probleme, die sich allerdings mangels fertiger MUFs bisher kaum ausgewirkt haben können. Wie Rot-Rot-Grün dieses Problem lösen will, darauf darf man gespannt sein. Die jetzigen Ansätze werden einer rechtlichen Überprüfung kaum standhalten.

Wie erbärmlich die Situation von Rot-Rot-Grün allerdings ist, wird vor allem dadurch klar, dass sie in einem vom alten Senat bereits im September geplanten Zeitablauf zur Freiziehung der Turnhallen jetzt ihre Handlungsfähigkeit darzustellen versucht. Wirkliche Handlungsfähigkeit würde die neue Koalition beweisen, wenn sie mit der Selbstbeschäftigung aufhört und sich mit der Flüchtlingsunterbringung und auch der daran anschließenden Integration der Flüchtlinge beschäftigt.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Der Realität in dieser Stadt laufen Sie von Rot-Rot-Grün doch mit MUFs und Tempohomes längst hinterher. Die zu uns geflüchteten Menschen sind viel weiter als Sie.

Der Umzug in Wohnungen läuft in großem Umfang. Doch auch hier: keine Initiative von Rot-Rot-Grün, vielmehr Eigeninitiative, vielen Ehrenamtlichen und vielen freien Trägern ist es zu danken, dass die Realität diese Regierung mal wieder überholt hat.

[Zuruf von Anne Helm (LINKE)]

Was kommt eigentlich nach der Unterbringung?

[Torsten Schneider (SPD): Viele alternative Wahrheiten! – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Sie haben sie im Schlamm stehen lassen!]

Viele Flüchtlinge sind seit über einem Jahr in unserer Stadt. Wo sind die Ansätze für schnelle Integration? Frau Scheeres hat Willkommensklassen eingerichtet, die Schulen mit der Organisation alleine gelassen. Pädagogisches Personal war höchstens in homöopathischen Dosen vorhanden. Jetzt sind die Kinder in den Regelklassen angekommen. Die Schulen sind wieder auf sich selbst gestellt, Personal gibt es auch nur in übersichtlicher Menge, und der Schulentwicklungsplan ist nicht angepasst worden.

Ein weiteres Beispiel: Das Lieblingsprojekt der damals zuständigen Senatorin, Frau Kolat, ARRIVO. Damit soll in kaum wahrnehmbarer Weise berufliche Integration und Ausbildung erreicht werden. Gucken Sie einmal auf die Homepage des Projekts! Dort steht: Wird zurzeit überarbeitet. – Wie viele Flüchtlinge nehmen an dem Projekt teil? Wie viele haben erfolgreich abgeschlossen? Welchen Sinn macht ARRIVO tatsächlich? Welche Vision haben Sie für die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt?

Was geschieht mit den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen? – Die zuständige Bildungsverwaltung war nicht in der Lage, den bezirklichen Jugendämtern bei der Frage der Amtsvormünder unter die Arme zu greifen. Die Ehrenamtlichen, die sich zur Verfügung gestellt haben, waren mangels Kursen zur Fortbildung und konnten nicht in die Arbeit einbezogen werden. Die bloße Umverteilung von HzE-Mitteln ist keine Lösung. Unterschiedliche Bedarfsgruppen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Integrationsleistungen dürfen nicht zulasten der Mittel für die Jugendhilfe finanziert werden, sondern müssen zusätzlich gewährleistet werden.

[Beifall bei der CDU]

Die Clearingstelle ist vollkommen überfordert, Anschlussunterbringung nach Notunterkünften ist im Wesentlichen Fehlanzeige. Ich kenne einen Fall einer 34Jährigen, die vom Jugendamt nach wie vor als Minderjährige geführt wird, weil eine ärztliche Untersuchung nicht stattfinden konnte.