Die repräsentative Demokratie mit ihren Kernelementen des Parlamentarismus und des parlamentarischen Systems insgesamt ist die Basis für die politische Entscheidungsfindung hier, im Bund, im Land und auch in den Kommunen. Das hat sich über viele Jahrzehnte in dieser Form außerordentlich bewährt. Sie ist inzwischen bereichert durch die plebiszitären Elemente, das steht insgesamt vollkommen außer Frage, und wir wollen diese weiter fördern und stärken.
Herr Kollege Schlömer! Sie haben zu Recht gesagt, dass der Inhalt Ihres Antrags im Wesentlichen auf den Koalitionsvertrag zurückgeht. Ich finde es auch vernünftig, dass Sie das so gemacht haben. Ich habe mir nämlich mal angeschaut, was von Ihrer Seite und Ihrer Partei dazu in der Vergangenheit geschrieben wurde. Das jüngste Werk dürfte wohl das Wahlprogramm gewesen sein, und darin findet sich dazu leider nicht viel. Insofern finde ich es gut, dass Sie sich den Koalitionsvertrag genommen und sich daran abgearbeitet haben.
Wir können die einzelnen Punkte kurz durchgehen, denn die vier Änderungen, die Sie vorschlagen, sind nur zum Teil in dieser Form unterstützbar. § 9 – das haben Sie gesagt –, die Änderung mit dem Nachbesserungsrecht ist wichtig. Es ist gut, wenn die Initiativen die Möglichkeit haben – da sie ja nicht über die gleiche Professionalität wie ein parlamentarischer Betrieb verfügen –, ihr Anliegen noch einmal anhören lassen und nachbessern zu können.
Die Unterschriftenprüfung ist ein Anliegen, das ebenfalls unbedingt unterstützungswert ist. Man soll sich erläutern lassen, warum etwas nicht zugelassen werden kann, und man muss auch die Möglichkeit haben, das infrage zu stellen.
Anders als Sie es dargestellt haben, Herr Kollege Schlömer, sind allerdings die Regelungen des § 15, so, wie Sie sie ausgestalten wollen, nicht sinnvoll. Eine Frist von
einem Monat zur Prüfung komplexer Sachverhalte im Hinblick auf die Kostenauswirkung ist schlicht zu kurz, das haben wir in der Vergangenheit gesehen. Die Beispiele, auf die Sie abgestellt haben, haben sogar nahegelegt, dass diese Fristen länger sein müssen. Einig sind wir uns allerdings in einem anderen Punkt: Eine Frist muss sein, um Verlässlichkeit für die Initiativen zu schaffen.
Ich komme zum letzten Punkt, nämlich zur Änderung des § 29, wie Sie sie angesprochen haben, und da kommt es schon auf das Detail an. Ich habe gesehen, dass Sie die Achtmonatsfrist für bindend erklären, so, wie wir das auch wollen. Es ist nämlich sinnvoll, diese Sachen zusammenzulegen, wenn sie vom Termin her dicht beieinander liegen. Eine Achtmonatsfrist garantiert auch eine ökonomische Verbesserung, das stimmt. Allerdings kann ich bei Ihrem Antrag nicht unterstützen, dass nur der Initiator an dieser Stelle ein Wahlrecht haben soll, ob die Zusammenlegung innerhalb der Achtmonatsfrist geschieht oder nicht. Wir sind der Meinung, diese Achtmonatsfrist soll gerade der Einhaltung von Verbindlichkeit dienen. Das heißt, nur einvernehmlich – Senat und Initiatoren stimmen überein – kann von diesem verbindlichen Termin auf den Wahltag abgewichen werden. Dann macht die ganze Sache Sinn, und solange das nicht so ist, werden wir Ihrem Antrag in dieser Form nicht zustimmen können. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eingang muss man vielleicht daran erinnern und darauf hinweisen, dass die FDP-Fraktion diesen Antrag wohl auch im Zusammenhang mit dem laufenden Volksbegehren „Berlin braucht Tegel“ zur Offenhaltung des Flughafens Tegel gestellt hat.
Ich muss die These wagen, dass die derzeitige Schwierigkeit, ausreichend viele Unterstützerunterschriften für dieses Begehren zu erhalten, wohl weniger an den etwaigen Unzulänglichkeiten der derzeitigen gesetzlichen Regelungen liegen wird als womöglich an Ihren Organisationsstrukturen.
Da Sie sich auch hier gerade neu strukturieren, will ich nur zurückhaltend auf einige handwerkliche Fehler hinweisen, die schon beim ersten Lesen, bei der ersten Beschäftigung mit Ihrem Antrag, auffallen. Eine Erklärungsmöglichkeit dafür habe ich gerade gehört. Der ge
schätzte Kollege Dörstelmann hat herausgearbeitet, dass Sie von der Koalition abgeschrieben haben sollen. Das wäre vielleicht eine Erklärung für folgende Ungenauigkeiten.
Die Trägerin ist durch ihre benannten Vertrauenspersonen in den zuständigen Ausschüssen anzuhören und erhält hiernach ein Recht auf Nachbesserung des Volksbegehrens, dessen Kern jedoch erhalten bleiben muss.
Die Vertrauenspersonen einer Volksinitiative haben gemäß § 9 Abs. 2 des Abstimmungsgesetzes bereits jetzt ein Anhörungsrecht in den zuständigen Ausschüssen. Insofern ist hier auch keine Änderung vorgesehen. Das Recht auf Nachbesserung ist jedoch inhaltlich neu, und dabei sind zunächst zwei Punkte zu beachten. Grundsätzlich ist nämlich so ein Nachbesserungsrecht – wie ich in Abgrenzung zum Kollegen der FDP-Fraktion meine – rechtsstaatlich schon kontrovers zu diskutieren, denn zum einen ist es fraglich, ob die Personen, die die Volksinitiative einst mit ihrer Unterschrift unterstützt haben, mit einer solchen Nachbesserung wirklich einverstanden sind und die Volksinitiative bei Kenntnis der Änderung überhaupt unterstützt hätten, Stichwort: demokratische Rückkopplung. Zum anderen führt ein solches Nachbesserungsrecht zu Rechtsunsicherheit, denn: Was ist denn der Kern eines Volksbegehrens? Mögliche streitige Auseinandersetzungen auch vor unseren Gerichten sind daher klar absehbar.
Der handwerkliche Fehler wird sein, dass im Abschnitt über Volksinitiativen ein solches Nachbesserungsrecht bei Volksbegehren geregelt werden soll. Das dürfte systematisch wohl der falsche Abschnitt sein. Dadurch ist auch der Normbefehl, den Sie wohl erreichen wollen, unklar, sodass Ihre Änderung so keine rechtliche Relevanz entfalten könnte. Das wäre unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebots und der Normklarheit wohl problematisch.
Die amtliche Kostenschätzung ist innerhalb einer Frist von einem Monat durch die zuständige Senatsverwaltung vorzulegen.
Dazu hat Kollege Dörstelmann bereits Richtiges gesagt. Grundsätzlich ist eine solche Kostenschätzung notwendigerweise von einer Senatsverwaltung vorzunehmen. Die zuständigen Senatsverwaltungen haben in der Vergangenheit in der Tat häufig zu lange gebraucht. Es gibt Fälle, wenn ich mich richtig erinnere, wo bereits sechs Monate erreicht worden sind und der Fahrplan eines solchen Volksbegehrens dadurch durcheinandergeriet. Eine Fristsetzung ist deshalb sinnvoll, die muss man
machen. Allerdings ist die kurze Fristsetzung von einem Monat zu wenig. In dieser Zeit wird man keine seriöse Kostenschätzung vornehmen können. Eine längere Frist wird notwendig sein; drei Monate scheinen uns sinnvoll zu sein.
§ 29 Abs. 1 Satz 2 soll ebenfalls neu gefasst werden. Auch das scheint problematisch zu sein. Sie wollen dort festlegen, dass eine enge Verzahnung zum Wahltag erfolgt. Das kann sicherlich helfen, Volksbegehren zu ihrem Erfolg zu führen, da die Beteiligung an öffentlichen Wahlen bisher höher ausfiel als bei Volksbegehren. Auf der anderen Seite wird dieses Recht der Festlegung auf die Initiatoren des Volksbegehrens übertragen. Das ist terminologisch eine neue Gruppe von Personen, die Sie damit in das Abstimmungsgesetz einführen, die bisher nicht erwähnt wird. Im Abstimmungsgesetz gibt es nur die Träger und die Vertrauensperson eines Volksbegehrens, nicht aber die Initiatoren. Damit wäre auch unklar, wie das zu behandeln ist. Das müsste in der weiteren Gesetzesbehandlung konkretisiert werden.
Richtig ist sicherlich, dass Sie in § 24 Abs. 3 Ihres Entwurfs der Neufassung des Abstimmungsgesetzes ein Erläuterungsrecht festschreiben wollen. Das ist angemessen, da die Bezirksämter bei der Prüfung genauer sein müssen. Sie müssen damit rechnen, dass die Träger erläutert bekommen wollen, warum eine Unterschrift als ungültig gewertet werden soll.
Insgesamt ist Ihr Antrag daher so noch nicht zustimmungsreif, doch womöglich kriegt man da gemeinsam etwas hin. – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass ich meine erste Parlamentsrede damit beginne, mich bei der FDP-Fraktion zu bedanken.
Ich danke der FDP-Fraktion ausdrücklich für die Einbringung dieses Gesetzentwurfs, denn offensichtlich haben Sie jetzt auch erkannt, dass der Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün hervorragende Inhalte enthält.
Die Linke hat sich schon immer konsequent für mehr direkte Demokratie eingesetzt, unabhängig davon, ob wir in der Opposition oder in der Regierung waren. Wir greifen dabei das Grundgesetz selbst auf:
Dieses Prinzip der Volkssouveränität, das wir im Übrigen im Unterschied zu anderen nicht ethnisch auf das deutsche Volk einschränken wollen, ist die Grundlage jeder modernen demokratischen Verfassung. Ohne funktionierende direktdemokratische Verfahren kann dieses Prinzip nicht umgesetzt werden. Nicht nur, dass Wahlen viel zu selten stattfinden, als dass Bürgerinnen und Bürger effektiv Einfluss auf politische Sachentscheidungen nehmen könnten, es braucht nach der Wahl auch ein Korrektivinstrument, und zwar für den Fall, dass eine Regierung bestimmte Themen nicht anpackt oder kontroverse Entscheidungen trifft. Das gilt für alle Regierungen, unabhängig von ihrer Zusammensetzung.
Direkte Demokratie hat Berlin gutgetan und belebt, auch wenn es natürlich Probleme gab und gibt. Die bisherigen Volksbegehren und Volksentscheide haben die Stadt verändert. Das heißt nicht, dass ich mit allen Ergebnissen einverstanden wäre, ich habe mich auch über den Ausgang zumindest eines Volksentscheides geärgert. Darum geht es aber nicht. Es geht darum, dass direkte Demokratie zahlreiche wichtige und teilweise grundsätzliche politische Debatten und Diskurse ausgelöst hat – zur Mietenpolitik, zur Stadtentwicklung, zur Energie- und Verkehrspolitik, zu Fragen von Privatisierung und Rekommunalisierung bis hin zu Fragen von Religion und Ethik. Ganz wichtig in der heutigen Zeit: Die Menschen, die bei einer dieser Initiativen ein positives Selbstermächtigungserlebnis gemacht haben, gehen für die Demokratie nicht mehr verloren. Sie bleiben erhalten, und das sollte uns allen gemeinsam ein Anliegen sein.
Nun hat die FDP also einen Gesetzentwurf eingebracht. Mich wundert dabei allerdings ein bisschen, dass Sie das in einem Schnellverfahren und ohne vorherige Absprache mit anderen Fraktionen gemacht haben, obwohl es um eine Spielregel der Demokratie geht. Wenige Stunden zuvor haben Sie uns bei mehreren Anträgen noch dafür kritisiert, dass wir nicht den ganz großen interfraktionellen Konsens gesucht haben. Hier sind Sie nun ganz schnell quasi in die Bütt gegangen, und das finde ich ein bisschen widersprüchlich.
Kollege Rissmann hat schon darauf hingewiesen, dass die FDP – und das hat, finde ich, auch ein kleines Geschmäckle – Profiteur dieses Gesetzentwurfs wäre, denn das durch die FDP zentral getragene Volksbegehren zur Offenhaltung Tegels würde durch die Zusammenlegung von Wahlen und Abstimmungen profitieren. Ob das praxisrelevant sein wird, werden wir sehen. Ich finde aber, dass es der Sache nicht guttut, wenn man da gewissermaßen in eigener Angelegenheit agiert.
Zum Gesetzentwurf selbst. Der ist erkennbar mit der heißen Nadel gestrickt worden. Einige Punkte sind schon angesprochen worden. Was aber noch niemand gesagt hat: Einer der zentralen Punkte, über den wir bereits öffentlich diskutiert haben, fehlt komplett, nämlich die Fristsetzung für die Zulässigkeitsprüfung. Die ist nicht drin. Sie haben nur eine Fristsetzung für die Kostenschätzung. Ich gehe zu Ihren Gunsten mal davon aus, dass Sie das einfach übersehen haben, jedoch ist das ein ganz großes Manko; dieses Problem haben wir gerade beim Volksentscheid Fahrrad oder auch bei „Volksentscheid retten!“. Das ist schade, lässt sich aber natürlich korrigieren.
Einen richtigen Bock haben Sie aber gleich beim ersten Punkt Ihres Gesetzentwurfs geschossen, und zwar in § 9 – Herr Rissmann hat schon darauf hingewiesen. Sie haben schlicht und ergreifend die Verfahrensstufen verwechselt. Sie haben das Volksbegehren mit der Volksinitiative verwechselt.
In unserem Koalitionsvertrag, aus dem Sie sich ja bedient haben, steht drin, dass wir ein Anhörungs- und Nachbesserungsrecht zwischen der ersten und zweiten Stufe eines Volksbegehrens haben wollen. Sie haben dieses Anhörungsrecht bei der Volksinitiative geregelt. Da macht es jedoch keinen Sinn, weil da das Abgeordnetenhaus abschließend entscheidet. Das kommt leider dabei heraus, wenn man möglichst schnell sein will und nicht gründlich arbeitet. Hätten Sie doch vorher mit jemand gesprochen, der sich mit der Materie auskennt, oder hätten Sie vielleicht etwas mehr den Konsens mit anderen Fraktionen gesucht, dann wäre das nicht passiert.