Protocol of the Session on November 14, 2019

Frau Meister! Sie haben die Möglichkeit zu erwidern.

[Steffen Zillich (LINKE): Über den Schuldenstand sagt die Schuldenbremse gar nichts!]

Ich weiß nicht ganz genau, auf was Sie sich bezogen haben, Herr Schneider! Sie haben noch mal eine Tour d’Horizon über alle Redebeiträge gemacht. Ich bleibe mal bei den Punkten, die nur die Liberalen betrafen. Über die anderen möchte ich jetzt nicht sprechen.

PPP-Modelle sind schwierig, da bin ich von Ihnen gar nicht so weit entfernt.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Es ist aber eine Frage der Verhandlung, was ich dabei verhandele. Wenn ich jede Verhandlung so mache, dass ich Verluste sozialisiere, dann sollte ich es wirklich lieber lassen.

[Zuruf von Sven Heinemann (SPD)]

Da gibt es ja noch Anlass zur Hoffnung. Jetzt noch mal zu dem Unternehmen: Natürlich macht der DAXKonzern Schulden, Sie haben ja auch Schulden gemacht, die Folge ist nur eine ganz andere.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Wenn der DAX-Konzern an die Wand geht, dann schmiert er eben ab, aber das Land Berlin schmiert nicht ab, und das ist auch gut so. Die Verantwortung ist nur eine andere, die wir damit tragen.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Das ist doch wohl zu verstehen. Es muss doch logisch sein, dass Sie den Unterschied zwischen einem Unternehmen und einem Staat verstehen können, den wir nicht einfach von der Karte wegradieren können und wollen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Carsten Ubbelohde (AfD)]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/2021-1 abstimmen. Wer dem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDPFraktion. Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen und die AfD-Fraktion. Enthaltungen? – CDU und ein fraktionsloser Abgeordneter! Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich lasse nunmehr über die Gesetzesvorlage abstimmen. Zu der Gesetzesvorlage empfiehlt der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen die Oppositionsfraktionen – die Annahme mit Änderungen. Wer die Gesetzesvorlage Drucksache 18/2021 mit den Änderungen der Beschlussempfehlung Drucksache 18/2263 annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? – Das sind die Oppositionsfraktionen und ein fraktionsloser Abgeordneter. Ersteres war die Mehrheit, dann ist das so angenommen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist das Gesetz so geschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 6:

Gesetz zur Aufhebung des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes (BerlAVG)

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/2258

Erste Lesung

in Verbindung mit

lfd. Nr. 27:

Chancen ermöglichen – öffentliche Vergabe für Innovationen öffnen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/2261

Ich eröffne die erste Lesung des Gesetzesantrags Drucksache 18/2258. In der gemeinsamen Beratung beginnt die Fraktion der FDP. – Herr Kollege Swyter, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit unserem Gesetzentwurf zur Abschaffung des Berliner Vergabegesetzes und unserem Antrag zum Vergaberecht wollen wir nicht viel weniger, als einen wesentlichen Beitrag dazu zu leisten, die Wirtschaftskraft Berlins für öffentliche Investitionen zu entfesseln. Unser Ziel mit diesem Antrag ist, Bürokratie abzubauen, die Prozesse zu beschleunigen und auch die Kosten zu senken.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Christian Buchholz (AfD)]

Diese Abschaffung ist nicht nur für kleine und mittlere Unternehmen von besonderem Gewinn, was an sich schon erfreulich wäre, sondern sie kommt insbesondere auch der Stadt, der Verwaltung und somit uns allen zugute. Mithin, das ist die weitere gute Nachricht, kommt auch niemand zu Schaden, das werde ich noch ausführen.

Wir haben heute die Situation, das ist auch anders als noch vor zehn Jahren, dass einige Ausschreibungen komplett erfolglos enden, viele müssen wiederholt werden, da zahlreiche Unternehmen, das ist der wesentliche Unterschied zu früher, nicht mehr bereit sind, diese enorme Bürokratie auf sich zu nehmen und sich um öffentliche Aufträge zu bewerben. Eine IHK-Umfrage zur Beteiligung der Unternehmen an öffentlichen Aufträgen hat zutage gefördert, dass 72 Prozent der Unternehmen ganz verzichten, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen. Bei der Angabe der Gründe, warum sie verzichten, sagen 55 Prozent: zu hoher Aufwand. Nur 17 Prozent nennen unrealistische Preisspannen. Das zeigt, allein der Aufwand ist für die Unternehmen zu hoch, um sich zu bewerben, und das führt, wie gesagt, zu erfolglosen Ausschreibungen, zu Verzögerungen und auch zu Preissteigerungen, denn wenn dann wieder ausgeschrieben werden muss, muss man auch die Preise entsprechend anpassen. Das Ganze gehört dann zusammen. Die Folge davon sind, wie gesagt, verlängerte Verfahren, und das hat ganz konkrete Ergebnisse: Reparaturen und Aufbau von Schulen, Kindergärten, Sportanlagen verzögern sich und werden teurer, und wir sind dann alle im Hauptausschuss überrascht, warum es nicht vorangeht.

Man kann das Vergaberecht auch abschaffen, denn die Regelungen im nationalen und europäischen Vergaberecht reichen völlig aus. Ich möchte das deutlich machen und auf die verkürzte Formel von Frau Senatorin Günther bringen, die jetzt nicht da ist, sie hat das vor einigen Tagen in der Abendschau so schön gesagt, wozu Vergaberecht da sein sollte, so habe ich sie verstanden: Es geht darum, zum günstigsten Preis das qualitativ beste Angebot zu bekommen. – Dann reduzieren wir doch das Vergabeverfahren genau auf diesen Zweck!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Jürn Jakob Schultze-Berndt (CDU) und Christian Buchholz (AfD)]

Da ist das wesentliche Thema Schwellenwerte. Das ist ein ganz wesentliches Thema für kleine und mittlere Unternehmen, ab wann dann der große Aufwand beginnen muss oder ob man sich bei höheren Schwellenwerten mit weniger Bürokratie bewerben kann. Insbesondere die vergabefremden Kriterien sind der eigentliche Grund, warum das Berliner Vergabegesetz mal erschaffen wurde. Dazu gehören ökologische Standards, soziale Standards, ILO-Vorgaben, Mindestlohn usw. Lassen Sie mich kurz auf diese Kriterien eingehen, warum die entbehrlich sind!

Jedes dieser Anliegen, Mindestlohn, Frauenförderung, ILO-Kriterien, ökologische Vorgaben, ist für sich durchaus berechtigt, sie haben nur im Vergaberecht nichts verloren, denn da halten sie die Verfahren auf, da sind sie so, dass sie die Verfahren überkompliziert machen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Jürn Jakob Schultze-Berndt (CDU), Christian Buchholz (AfD) und Carsten Ubbelohde (AfD)]

Diese Anliegen müssen dort geregelt werden, wo sie hingehören, nicht im Vergaberecht. Wir können es auch auf die verkürzte Formel bringen: Sie werden die Welt nicht mit dem Vergaberecht verbessern, Sie machen es den Berliner Unternehmen und den Bürgerinnen und Bürgern nur schwerer. Nehmen wir mal das Thema Frauenförderung! Es ist überhaupt nichts gegen Frauenförderung zu sagen, aber wenn im Vergabegesetz hochkomplexe Regelungen dafür geschaffen werden, dass ein Frauenförderplan geschaffen werden muss, dass der Bewerber um Aufträge eine Frauenbeauftragte ernennen muss, und dann gibt es sogar noch eine Extraverordnung, die das regelt, dann ist das ein Aufwand, den viele Unternehmen scheuen. Es ist einfach einem Gerüstbauer nicht zu vermitteln, warum er ein solches Konvolut abliefern muss. Es ist auch den Frauen überhaupt nicht damit geholfen. Dieser Gerüstbauer wird deswegen keine Frau mehr einstellen, sondern er wird von der Teilnahme an öffentlichen Aufträgen absehen. Das ist das Ergebnis.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Roman Simon (CDU)]

Besser wäre, Frauen zu helfen, wie wir es auch vorgeschlagen haben. Frau Jasper-Winter hat einen Antrag vorgelegt und auch begründet, wie man z. B. bei der Ausbildung an den Schulen mit Ausbilderbotschafterinnen dafür sorgen kann, dass MINT-Berufe stärker in den Fokus von Frauen geraten. Sehr viel mehr ist damit geholfen!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Roman Simon (CDU) und Dr. Hans-Christian Hausmann (CDU)]

Nehmen wir das zweite Beispiel: Vergabemindestlohn. Das ist das politische Beispiel. Das ist so eine Spirale, die sich nach oben dreht. Das ist ein merkwürdiger Wettlauf, und das ist auch das, was wir bei den ganzen Mindestlohndebatten befürchten, einen Wettlauf nach oben zulasten Dritter. Jetzt sind wir schon bei 12,50 Euro. Lassen Sie uns den Mindestlohn nehmen, der bereits bundesgesetzlich seit 2014 gilt! Dieser Mindestlohn wird nach sehr ausdifferenzierten Verfahren mit den Sozialpartnern festgelegt, und zwar mit dem Ziel, dass er angemessen ist, aber auch nicht die Tarifautonomie schädigt. Und er ist derzeit bei 9,19 Euro. Es gibt keine Veranlassung mehr, einen weiteren Vergabemindestlohn dazuzusetzen, der gewissermaßen willkürlich gewählt wird – Hauptsache nach oben.

Es führt übrigens nicht dazu – jetzt ist Herr Schneider nicht da; er wollte heute Morgen noch wissen, wie das zusammenhängt –, dass nun zwingend Löhne angehoben werden – 90 Prozent der Aufträge sind schon längst nicht mehr mindestlohnrelevant, sondern werden natürlich höher vergütet –, sondern im Zweifel sehen Unternehmen von Bewerbungen um öffentliche Aufträge ab. Das ist das Ergebnis bei solchem Vergabemindestlohn.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Dr. Hans-Christian Hausmann (CDU)]

Das Gleiche gilt auch für Nachweise, komplizierte Nachweise von ökologischen Mindeststandards, wo man nachweisen soll, woher man die ganzen Gegenstände bezogen hat. Das ist auch unnötige Bürokratie – kann man gegebenenfalls bei einzelnen Aufträgen anfordern, man sollte sie aber nicht generell anfordern. Wir schlagen stattdessen ein unbürokratischeres Lebenszyklusmodell vor. Das ist wesentlich effektiver und vermeidet diese Nachweisbürokratie; die muss und kann man auch vermeiden, ohne dass dort irgendjemand – auch auf der ganzen Welt – geschadet wird.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Die Welt werden wir nicht mit dem Vergaberecht verbessern, sondern wir müssen dafür sorgen, dass das Vergaberecht handhabbar ist. Auch dann ist das Ziel des Vergaberechts anspruchsvoll genug, nämlich angemessene Preise und Transparenz zu erzielen, andererseits Diskriminierung und Korruption zu vermeiden. Das ist anspruchsvoll, aber wir haben bundesdeutsche Vorgaben, die genau das regeln. Man sieht es beispielsweise auch in Bundesländern wie Bayern und Baden-Württemberg, die haben auch kein eigenes Vergaberecht, und ich habe mir sagen lassen, die kommen ganz gut zurecht und haben weniger Investitionsstau als wir.

[Beifall bei der FDP]

Also, lassen Sie uns dort – das war auch heute Morgen schon der Fall – nicht hämisch oder sogar selbstgerecht auf diese Bundesländer schauen, sondern vielleicht können wir uns auch etwas abschauen.

Wenn wir – und das wäre das gute Ergebnis – ein einfaches Vergaberecht hätten, hätten wir mehr Bewerbungen um öffentliche Aufträge. Die Prozesse würden schneller gehen, auch die Verwaltung wäre entlastet, ohne ein solch komplexes Vergabeverfahren.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Dr. Hans-Christian Hausmann (CDU)]

Und das schöne Ergebnis: Wir würden schneller Straßen sanieren. Wir könnten schneller Schwimmbäder bauen. Wir könnten Spielplätze errichten, ohne dass die Bezirksämter sagen, diese Ausschreibung dauert wieder so lange. Es wäre nicht nur für kleine und mittlere Unternehmen spürbar, sondern für jedermann.

Ein letzter Aspekt noch, den wir auch in unserem Antrag eingebracht haben: Die Vergabepraxis muss tatsächlich reformiert werden. Das kann man untergesetzlich machen. Die Ausführungsvorschriften für die Vergabeverfahren kann man anpassen. Wir haben in unserem Antrag auch dafür Vorschläge unterbreitet; einen möchte ich herausgreifen, und zwar dass wir für neue Unternehmen am Markt, beispielsweise Start-up-Unternehmen, die Vergabe vereinfachen, insbesondere, wenn es darum geht, Referenzen nachweisen zu müssen, dass sie sich am Markt schon bewährt haben.

[Beifall von Stefan Förster (FDP) und – Henner Schmidt (FDP)]