Mit diesem Begriff „kriminelle Clans“ aber ganze Familien für kriminell zu erklären – das ist stigmatisierend und hilft auch sicherheitspolitisch nicht weiter.
Das führt auch dazu, dass bestimmte Menschen aus bestimmten Familien eine Wohnung nicht anmieten können oder einen Job nicht bekommen oder schon in der Schule den Stempel „kriminell“ bekommen, weil sie den falschen Namen tragen, und das kann in einem Rechtsstaat nicht sein.
Dass es in einigen Familien, die in den Achtzigerjahren aus dem Libanon nach Deutschland gekommen sind, Mitglieder gibt, die abgedriftet sind und ihr Geld mit Straftaten verdienen, ist ja nicht vom Himmel gefallen.
Daran hat die deutsche Politik einen Anteil. Von Anfang an hat der Staat klargemacht, dass diese Menschen hier keinen Fuß auf die Erde bekommen: befristete Duldungen, keine Arbeitserlaubnis, null Unterstützung, hier anzukommen. Das ist Integrationsverweigerung durch den Staat.
Das, liebe CDU-Fraktion, ist eine Entwicklung, die Sie mitgetragen und begünstigt haben. Sie sind die Letzten, die hier nach Maßnahmen wie Abschiebungen rufen sollten.
[Thorsten Weiß (AfD): Was für ein Geschwafel! – Burkard Dregger (CDU): Reden Sie nur weiter so! Gut, dass es alle hören!]
Da kommt es auch 30 Jahre zu spät, dass man sich jetzt Gedanken macht, wie man Menschen aus diesen Familien Alternativen aufzeigt.
[Frank-Christian Hansel (AfD): Das ist eine Ohrfeige an die SPD, was er erzählt! Dann müsst ihr raus aus der Koalition!]
Ich will noch auf die großen Verbundeinsätze zu sprechen kommen, die in den letzten Monaten so eine große Aufmerksamkeit bekommen haben. Ich habe dazu einige Anfragen gestellt, und finde es auch erst einmal eine gute Sache, wenn die verschiedenen Behörden beim Kampf gegen organisierte Kriminalität so gut zusammenarbeiten. In den Antworten auf meine Anfragen, muss ich sagen, wurden mir bislang kaum konkrete Ansatzpunkte zur organisierten Kriminalität genannt. Ich bin ja Neuköllner, und ich muss sagen, diese Einsätze treffen richtig viele Menschen und auch viele, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen. Ich bekomme auch Berichte von – sagen wir einmal vorsichtig – etwas ruppigem Auftreten der Polizei
und nicht immer nachvollziehbaren Maßnahmen bei Gewerbetreibenden, auch bei Shisha-Bars, die sich nicht erklären können, warum ihr Laden dichtgemacht wird und dann wieder öffnen darf, ohne dass irgendwie klar war, was sie falsch gemacht haben.
[Georg Pazderski (AfD): Sie reden sich um Kopf und Kragen! – Heiko Melzer (CDU): Linke Polizistenschelte! – Weitere Zurufe von der CDU, der AfD und der FDP]
Deswegen will ich noch einmal betonen: Gezielte Einsätze gegen organisierte Kriminalität, ja! Verbundeinsätze, ja! Einsätze aber nach dem Motto: „Wir gehen jetzt einmal flächendeckend überall ganz massiv hinein und schauen, was dort so ins Netz kommt“, finde ich problematisch.
[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Marcel Luthe (FDP) – Georg Pazderski (AfD): So ein Geschwätz! – Holger Krestel (FDP): Liebe SPD! Wer solche Koalitionspartner hat, braucht keine Feinde mehr!]
Ich warne auch davor, sich ausschließlich auf die sogenannten Clans zu konzentrieren. Nach dem Lagebericht des BKA gab es 2018 – –
[Georg Pazderski (AfD): Schluss mit den zweistelligen Ergebnissen bei der SPD! – Weitere Zurufe von der CDU, der AfD und der FDP]
Ich warne davor. – Im Lagebericht 2018 des BKA sind 59 Verfahren im Bereich OK in Berlin aufgeführt. Davon sind fünf der sogenannten Clankriminalität zugeordnet, und deshalb haben auch andere Schwerpunkte mindestens genauso eine Berechtigung.
Wir haben zum Beispiel steigende Zahlen im Bereich Betrug im Internet, insbesondere beim Onlineshopping und Kreditkartenbetrug. Das ist besorgniserregend, und das muss ein Schwerpunkt werden bei der Polizeiarbeit. Wir haben Fälle von dreistem Abrechnungsbetrug in der Pflege. Dabei ging es nicht nur um Millionenbeträge, sondern auch um die Gesundheit der Menschen. Nicht zuletzt der ganze Bereich Finanzkriminalität von CumEx-Geschäften bis hin zu den Panama Papers! Da würde ich mir einmal solch eine öffentliche Empörung und Aufmerksamkeit wünschen wie bei den Clans – mit Schlagzeilen, mit Talkshows –,
Zu guter Letzt will ich noch einmal anregen, dass wir zusammen über den Tellerrand schauen. Der Drogenhandel macht laut BKA ungefähr 30 Prozent aller Verfahren im Bereich OK aus, gut zehn Prozent allein Cannabis.
Wir müssen so weit kommen, dass dieser ganze Schwarzmarkt keine Grundlage mehr hat, kein Geschäftsmodell mehr ist.
[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Georg Pazderski (AfD): Die Polizei geht schon! Zuruf von der CDU: Die können es auch nicht mehr ertragen!]
Wir müssen zwangsläufig darüber reden und darüber nachdenken, wie wir die kontrollierte Abgabe von bestimmten Drogen regeln.
Cannabis wäre schon einmal ein erster Schritt. R2G ist da ja mit dem Modellprojekt auf dem richtigen Weg. Ich finde aber, mittelfristig müssen wir weiterdenken. Kontrollierte Abgabe heißt nicht Freigabe, das will ich auch klar sagen – im Gegenteil: Es heißt Regulierung, es heißt Kontrolle, es heißt besserer Gesundheitsschutz. Und wenn es so was gibt, dann lässt sich auf dem Schwarzmarkt auch kein größeres Geld mehr verdienen.
Deswegen brauchen wir endlich eine neue Drogenpolitik auf Bundesebene. Das wäre ein richtiger Schlag gegen die organisierte Kriminalität.
[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Franz Kerker (AfD): Knallharte Strafen brauchen wir für Drogendealer!]
Denken Sie mal darüber nach! Das muss nicht heute sein, aber vielleicht morgen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gehört schon einiges an Chuzpe dazu, dass ausgerechnet diese Koalition versucht, das Thema Innere Sicherheit positiv für sich zu vereinnahmen. Denn angesichts dessen, was Sie auf diesem Feld leisten, wäre betretenes Schweigen das einzig angemessene Verhalten Ihrerseits.
Offensichtlich spekulieren Sie darauf, mit öffentlichkeitswirksamem Aktionismus die unverändert fortbestehenden strukturellen Defizite zu übertünchen. Allein, das wird Ihnen nicht gelingen. Ihr Politikmarketing ist das eine, die Realität ist etwas völlig anderes.
Der Vorsitzende der Vereinigung Berliner Staatsanwälte Herr Knispel beschreibt die reale Situation wie folgt: Aufklärung und Strafverfolgung sind, so Knispel, in einem erschreckenden Ausmaß nicht mehr sichergestellt und Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte nicht mehr in der Lage, ihrem verfassungsmäßigen Auftrag zu entsprechen. – Vernichtender kann ein Befund aus dem Mund eines Praktikers kaum ausfallen.