Protocol of the Session on September 12, 2019

Dann haben wir die zweite Phase. Diese Phase bedeutet: Akuter Wohnraumverlust steht bevor. – Hier muss eine direkte Kontaktaufnahme erfolgen, um konkrete Maßnahmen abzustimmen. Verhandlungen mit Vermietern müssen stattfinden, und im schlimmsten Fall, dem Wohnraumverlust, müssen das Hilfesystem und alle Beteiligten vorbereitet sein, um die betroffenen Menschen aufzufangen und schnell wieder in eigenen Wohnraum zu bringen. Für all diese Maßnahmen in den zwei Phasen sind die entsprechenden Adressaten aufgeführt. Das sind zum einen die Senatsverwaltungen, die entsprechende Voraussetzungen und Vernetzungswege schaffen müssen, es sind aber auch die Bezirke und die Jobcenter.

Mein zweiter Punkt sind die Fachstellen. Schon lange fordern Expertinnen und Experten die Schaffung von Fachstellen für Wohnungsnotfälle. In den neuen Leitlinien sind sie nun enthalten. Hier sollen alle Teilkonzepte, die für die Bearbeitung von Wohnungsnotfällen erforderlich und ansonsten über verschiedene Ressorts verteilt sind, zusammengeführt werden. Auch hier sind die Adressaten für die Umsetzung aufgeführt und die Aufgaben explizit dargestellt.

Als letzten Punkt möchte ich die Wohnungsnotfallstatistik und die gesamtstädtische Steuerung nennen. Auch die gesamtstädtische Steuerung ist ein dickes Brett, das wir in Berlin bohren wollen. Alle Unterkünfte sollen nach und nach erfasst und in ein berlinweites System eingetragen werden. Es sollen einheitliche Standards für die Unterbringung definiert und festgeschrieben werden. Ergebnis muss sein, dass die Bezirke in einem System nach Unterbringungsmöglichkeiten suchen können – zum Beispiel nach Plätzen für Menschen mit Behinderung oder für Familien – und das im gesamten Stadtgebiet.

Um zu wissen, wer wo in welcher Form untergebracht werden muss, brauchen wir dringend eine Wohnungsnotfallstatistik als Datengrundlage. Grundsätzlich soll sich eine Wohnungsnotfallstatistik in drei Punkte gliedern. Erstens – akut wohnungslose Menschen, zweitens – von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen, drittens – die Menschen auf der Straße. Als erster wichtiger Schritt sei hier die Bündelung der bereits vorhandenen Statistiken zu nennen. Wenn an unterschiedlichen Stellen unterschiedliche Zahlen verwaltet werden, hilft das niemandem. Natürlich ist hier auch die Zählung der Menschen auf der Straße nötig. Es kursieren die unterschiedlichsten Zahlen, und wir müssen uns hier Klarheit verschaffen. Wir alle wissen, dass diese Zählung bereits für dieses Jahr geplant war, und ja, es ärgert uns alle, dass es jetzt erst Januar 2020 sein wird. Die Zählung kommt aber, und wir werden dann auf Grundlage der Wohnungsnotfallstatistik in der Lage sein, kurz-, mittel- und langfristige Wohnungsnotfallstrategien zu erarbeiten, die sich am tatsächlichen Bedarf orientieren.

Das waren nur drei der elf im Papier aufgeführten Handlungsfelder und Maßnahmen. Zu jedem Punkt könnte man etwas sagen, sei es das Hilfesystem, die Kältehilfe, junge wohnungslose Menschen auf der Straße oder auch die gesundheitlichen Versorgung. Gerade in diesem Bereich zeigt sich die Wirkung der Strategiekonferenz und der entsprechenden Arbeitsgruppe. Im vorliegenden Haushaltsplanentwurf mit den eingestellten Geldern für die Versorgung wohnungsloser Menschen stellt sich auch die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung ihrer Verantwortung für die obdachlosen Menschen in Berlin.

Natürlich führen auch diese Leitlinien nicht dazu, dass ab sofort alle Probleme im Bereich Obdach- und Wohnungslosigkeit geklärt sind. Es muss auch weiterhin in alle Richtungen gearbeitet werden. Die Prävention muss weiter ausgebaut werden, und wir müssen auch weiterhin die akute Situation der wohnungslosen Menschen in der Stadt verbessern. Das Projekt Housing First muss weitergeführt werden. Bisher sind ca. 30 Menschen über dieses vom Land Berlin geförderte Projekt wieder in eine eigene Wohnung gezogen. Wir müssen weiter über Safe Places nachdenken und Lösungsansätze mit der Stadtgesellschaft, den Bezirken und natürlich den Betroffenen diskutieren.

Ich freue mich über diese Leitlinien und nehme sie als Ansporn für die weitere Arbeit für und vor allen Dingen mit den wohnungslosen und obdachlosen Menschen in dieser Stadt. Bitte lassen Sie uns konstruktiv und gemeinsam an einer sozialen Stadt Berlin arbeiten! – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Penn das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern fand bundesweit der Tag der Wohnungslosen statt. Für die Politik, für uns sollte jeder Tag ein Tag gegen Wohnungslosigkeit sein,

[Beifall bei der CDU – Beifall von Bernd Schlömer (FDP)]

für Sozialpolitiker, für Gesundheitspolitiker und noch viel mehr für Wohnungsbaupolitiker; ganz nebenbei natürlich auch für unsere Haushälter. Gut, dass wir uns innerhalb von zehn Monaten zum zweiten Mal in der Aktuellen Stunde mit der Wohnungslosenhilfe befassen! Es sollte eine Lehrstunde insbesondere für die Baupolitiker der Koalition und Nicht-Bausenatorin Lompscher sein.

(Stefanie Fuchs)

[Beifall bei der CDU – Beifall von Sebastian Czaja (FDP)]

Die Aktuelle Stunde zum gleichen Thema im November 2018 ist im Bauressort offenbar wirkungslos geblieben. Die beste Wohnungslosenhilfe nebst allen sozialpolitischen Instrumenten besteht im Wohnungsneubau. – Frau Senatorin Breitenbach! Sie können goldene Türklinken in der Wohnungslosenpolitik schaffen – solange Ihre für das Bauen zuständige Kollegin Lompscher versagt, ackern Sie redlich, das gestehe ich Ihnen ausdrücklich zu, an Symptomen; Ursachen bekämpft dieser Senat in Summe so jedoch nicht.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Carsten Ubbelohde (AfD) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Jede zusätzlich geschaffene Wohnung, egal ob zur Miete oder als Eigentum, entlastet den Wohnungsmarkt. Jede zusätzliche Wohnung hilft – was auch sonst? –, auch und gerade im Hinblick auf Zehntausende Neuberliner Jahr für Jahr.

[Zuruf von Katalin Gennburg (LINKE)]

Diese entsprechen alle fünf bis sechs Jahre der Einwohnerzahl eines ganzen Bezirks.

Die Verhinderung und die Bekämpfung von Wohnungslosigkeit ist Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden respektive den Bezirken, von städtischen Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und privaten Investoren. Ja, Artikel 14 Grundgesetz gilt auch in dieser Stadt:

Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Eigentum muss aber eben auch erst einmal geschaffen werden. Es muss gebaut werden, und genau das hemmen und verhindern Sie.

[Zuruf von Katalin Gennburg (LINKE)]

Ein absoluter Irrweg sind Enteignungen und der sogenannte Mietendeckel.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen.

Nein! – Vielen Dank, können wir gerne im Anschluss intensivieren. – Die Begriffe klingen maximal süßlich, aber sie sind eben ein Gift. Der schäbige, asoziale Vermieter ist die Ausnahme, nicht die Regel. Die Regel ist leider die versagende Wohnungsbaupolitik dieses Senats.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Die aktuellen Mieterhöhungen sind auf Ihre unverantwortlichen Ankündigungen zurückzuführen. Sie bewirken nicht mehr, sondern weniger bitter nötige Investitionen. Kommen Sie zur Vernunft! Der Sozialismus ist weltweit gescheitert, auch 1989 in dieser Stadt.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Lassen Sie mich auf die einzelnen Ebenen näher eingehen: Was tut die Bundesebene? – Mit einer Grundgesetzänderung wird dafür gesorgt, dass ab 2020 eine unmittelbare Wohnungsbauförderung der Länder möglich wird. Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau sind in den letzten Jahren in Milliardenhöhe aufgestockt worden. Wir haben eine Mietpreisbremse eingeführt; diese wurde aktuell vor dem Bundesverfassungsgericht beklagt und dort bestätigt. Hierbei wurden allerdings Grenzen mietrechtlicher Regulierung aufgezeigt, insbesondere bundesweite Mietpreisobergrenzen faktisch abgelehnt.

[Zuruf von der LINKEN]

Die Einführung des Baukindergeldes ist sehr sozial. Es gibt kaum etwas Sozialeres, als im Berufsleben einen Kredit abzuzahlen und im Alter weder Kredit- noch Mietbelastungen zu haben.

[Beifall bei der CDU – Unruhe]

Was tat und tut die Landesregierung? Was tut der Berliner Senat? –

[Weitere Zurufe von der LINKEN – Antje Kapek (GRÜNE): Zur Sache!]

In der vergangenen Legislaturperiode unter Senator Czaja wurden erstens die Ansätze zur Wohnungslosenhilfe über die ISP-Mittel wurden deutlich erhöht. Zweitens: Jahr für Jahr wurden die Plätze der Kältehilfe deutlich erhöht. Drittens: Die Finanzierung der Hygienestation am Bahnhof Zoo wurde gesichert. Viertens: Die Notübernachtung für Frauen und Familien wurde sichergestellt, wobei die Umsetzung länger dauerte, aber die Grundlagen wurden gelegt. Fünftens: Der Prozess zu den Leitlinien der Wohnungslosenhilfe wurde gestartet – leider erst zum Ende des dritten Jahres Ihrer Amtszeit, Frau Senatorin Breitenbach, abgeschlossen. Sechstens: Die gesamtstädtische Steuerung wurde bereits in diesen Prozess eingebracht. Und einige andere Punkte mehr nebst Bewältigung bekannter Herausforderungen ab 2015, bei denen man sich ebenso mehr ressortübergreifende Unterstützung erhofft hätte.

Nun zur aktuellen Wohnungslosenpolitik des Senats:

[Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN: Oh!]

Frau Senatorin Breitenbach! Sie haben zwei Wohnungslosenkonferenzen initiiert, an denen ich selbst für die CDU-Fraktion teilgenommen habe.

[Unruhe – Franziska Becker (SPD): Sprechen Sie doch mal zum Thema!]

Kommen Sie doch mal wieder zur Ruhe! Ich weiß ja, dass es schmerzt! – Mein ausdrücklicher Dank – –

Ich bitte jetzt mal wieder um ein bisschen mehr Ruhe. Der Redner ist nicht zu verstehen.

[Antje Kapek (GRÜNE): Nee, ist er auch nicht!]

Ich bitte um Ruhe!

Ich weiß, dass es schmerzt, aber hören Sie doch einfach mal zu; vielleicht lernen Sie ein wenig!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Mein ausdrücklicher Dank für diese Wohnungslosenkonferenzen gilt der Senatssozialverwaltung, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen dieses Hauses. Es ist immer gut, wenn alle Akteure an einen Tisch kommen. Genau jenen Akteuren müssen wir ebenso danken, welche fachliches Input in den Arbeitsgruppen geliefert haben.

Doch wo war eigentlich Ihr Input, Frau Sozialsenatorin Breitenbach? Welche fünf oder gar zehn konkreten Vorschläge haben Sie gemacht? – Von verschiedenen Teilnehmern der Wohnungslosenkonferenz gab es Kritik, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Arbeitsgruppen der Wohnungslosenkonferenz selbst gar keinen Input geliefert haben. Ich habe dies in der Sozialausschusssitzung hier im Haus hinterfragt. Die Antwort von Frau Senatorin Breitenbach: Ja, dies trifft zu. Wir wollten nicht beeinflussen oder die Wohnungslosenkonferenz mit unseren Inhalten dominieren. – Was ist das für ein Anspruch, Frau Sozialsenatorin?

Weil ich gerade bei Ansprüchen bin: Ich habe mehrfach im Sozialausschuss nach seniorengerechtem, barrierefreien und bezahlbaren Wohnraum gefragt, also jener Wohnraum genau für Ihre Klientel, Frau Sozialsenatorin Breitenbach. Die Antwort: Sie selbst bauen ja nicht, sie sind nicht zuständig. – Klar, aber was ist mit dem Bauressort vereinbart? Was haben Sie als Sozialsenatorin für Ihre Klientel mit dem Bauressort vereinbart? Haben Sie eine Zwischenbilanz nach drei Jahren gezogen? Welche konkreten Pläne haben Sie? Wie sehen Sie die Zahlen und die Entwicklungen in den letzten Jahren? – Bis heute

keine Antwort, auch in mehreren Schriftlichen Anfragen nicht, und dann wundert sich der Senat über die Vielzahl von Anfragen und Nachfragen! Wenn Sie im Senat schon nicht miteinander reden und der Regierende Bürgermeister hier nicht koordinierend eingreift, dann laden Sie mich, Frau Sozialsenatorin und Frau Bausenatorin, zum Kaffee ein, ich bringe Kuchen mit und konkrete Vorschläge meiner Fraktion gleich noch dazu.