Protocol of the Session on August 15, 2019

in Verbindung mit

lfd. Nr. 57:

Einberufung eines „Zukunftsgipfels Bildung“ zur Lösung der Berliner Schulkrise

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/2071

Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. In der Runde der Fraktionen beginnt die FDP, und Herr Kollege Fresdorf, Sie haben das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister Müller! Wenn Sie morgens die Zeitung aufschlagen und nach den Erfolgen Ihrer Regierung suchen, sind Sie wahrlich nicht zu beneiden.

[Heiterkeit bei der FDP und der AfD]

Was bleibt übrig von der großen Mobilitätsinitiative, die Ihr Senat der Stadt versprochen hat? – Das sind 750 Meter Radstreifen, der grün angestrichen ist und bei Regen weggespült wird. Beim Bauen erreichen Sie nicht einmal die niedrigen, von Ihnen selbst gesteckten Bauziele, weil Frau Lompscher es nicht kann und wahrscheinlich auch nicht will. Und bei der Bildung geht ein Riesenweckruf durch die Stadt. Der Landeselternausschuss Schule und die Gewerkschaften schlagen Alarm. Es geht so nicht mehr weiter. Die zuständige Senatorin zuckt kurz hoch, beruft eine Kommission ein und drückt die Schlummertaste auf dem Wecker.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Herr Regierender Bürgermeister! Alles, was Sie mit Ihrer Koalition vereinbart haben unter „gutes Regieren“, wird von einem Bermudadreieck aus Inkompetenz, bestehend aus den Senatorinnen Scheeres, Günther und Lompscher, aufgesogen und auf den Grund der Spree gezogen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der AfD]

Ihr Senat ist gescheitert, und es wird Zeit, dass er Platz macht für eine Regierung, die für diese Stadt das macht, was notwendig ist: Wohnungen zu bauen, die Mobilität seiner Einwohner zu sichern und diese Stadt zur Hauptstadt der weltbesten Bildung zu machen. Herr Müller! Am Ende des Tages müssen Sie sich fragen: Scheitert dieser Senat an den Senatorinnen Scheeres, Günther und Lompscher oder daran, dass Sie so verzagt sind und die Richtlinienkompetenz nicht ausüben und endlich Platz machen für eine Regierung, die es kann?

[Beifall bei der FDP und der CDU – Udo Wolf (LINKE): Mit 5 Prozent Regierungsauftrag! – Antje Kapek (GRÜNE): Nein, ganz klar nein!]

(Präsident Ralf Wieland)

Kommen wir zum Thema dieser Aktuellen Stunde: 23 Jahre Regierungsversagen in der Bildung – Zeit, dass sich was dreht. Lassen Sie mich mit einer persönlichen Bemerkung beginnen: Am letzten Wochenende war die Einschulung meines kleinen Sohnes, der jetzt ein großer Junge ist.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Oh! von der SPD]

Ich habe jetzt also zwei Kinder in der Berliner Schule.

[Zuruf von der CDU: Bisschen wenig! – Antje Kapek (GRÜNE): Ich auch! – Georg Pazderski (AfD): Wie die Grünen in die Privatschule schicken!]

Das mag für den einen oder anderen besorgniserregend klingen, aber wir haben großes Glück. Wir sind an einer Schule mit unseren Kindern, wo wir ein besonders engagiertes Kollegium haben, wo die Lehrerinnen und Lehrer jeden Tag, trotz aller Widrigkeiten, das Beste geben, um Bildung zu vermitteln, jeden Knüppel, der ihnen von der Senatsbildungsverwaltung zwischen die Füße geworfen wird, überspringen und mit viel Engagement und Herzblut sich den Kindern mit einer hervorragenden Haltung nähern.

[Beifall bei der FDP]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Genau das, was ich gerade beschrieben habe, ist das große Glück dieser Stadt im Bildungsbereich. Die engagierten Lehrerinnen und Lehrer, die mit Herzblut trotz aller Widrigkeiten dieses marode System mit aller Kraft am Leben erhalten. Ich denke, wir sollten ihnen heute einmal Danke sagen. Danke, dass Sie dies trotz aller Widrigkeiten jeden Tag aufs Neue versuchen!

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Beifall von Antje Kapek (GRÜNE)]

Aber neben dem Thema Bildung vermitteln dürfen die Lehrerinnen und Lehrer in dieser Stadt noch viele andere Sachen tun. Sie müssen die Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger und Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger in dieser Stadt anleiten. Sie müssen ihnen beibringen, was es heißt, gute Lehrer zu sein. Und wenn wir ehrlich sind, es sind 61 Prozent in diesem Jahr Quer- und Seiteneinsteiger, die die Berliner Schule nun besuchen und die Schülerinnen und Schüler betreuen. Das ist eine Herkulesaufgabe, die unsere Lehrerinnen und Lehrer nebenbei zu stemmen haben für wenige Ermäßigungsstunden, die in der Regel nicht mal dafür eingesetzt werden können, weil sie dann für Vertretungen und anderes eingesetzt werden. Das ist ein Zustand, der unhaltbar ist.

Und was machen Sie? – Sie geben diesen Quer- und Seiteneinsteigern nicht mal das minimale Werkzeug zu Beginn an die Hand. Sie kommen am ersten Tag in die Schule und standen noch nie vor einer Klasse, haben noch nie einen Unterricht konzipiert, kennen die Grund

züge von Didaktik nicht, wissen nicht: Wie gehe ich mit schwierigen Schülerinnen und Schülern um? – und davon haben wir einige in der Stadt. Und wovon wir noch wesentlich mehr haben, sind schwierige Eltern, und diese Elterngespräche können sie auch nicht führen. Wir frustrieren die Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger vom ersten Tag an.

[Zuruf von Katalin Gennburg (LINKE)]

Wir müssen ihnen helfen, die Probleme zu lösen. Wir müssen ihnen das Handwerkszeug an die Hand geben. Wir haben ihnen vorgeschlagen, vor Beginn der Schule, vor dem ersten Schultag vier Wochen diese Quer- und Seiteneinsteiger zu qualifizieren, ihnen zu helfen, das Handwerkszeug an die Hand zu bekommen. Es wird höchste Zeit, dass das passiert.

[Beifall bei der FDP]

Aber warum haben wir dieses Problem? – Weil wir viel zu spät darauf reagiert haben, dass es zu einem Lehrermangel in dieser Stadt kommen wird. Weil wir viel zu spät die Ausbildungskapazitäten erhöht haben in diesem Bereich. Da könnte man sagen: Damit hat Frau Scheeres nichts zu tun. Das war die Wissenschaftssenatorin. Sie merken es? – Frau Scheeres war in der letzten Wahlperiode die Wissenschaftssenatorin, hat das Problem gesehen, ist kurz aufgeschreckt, hat die Schlummertaste gedrückt,

[Heiterkeit bei der FDP und der CDU]

und wir haben immer noch nicht die ausreichende Anzahl von Ausbildungsplätzen für Lehrerinnen und Lehrer in dieser Stadt. Nun steht die Frage im Raum: Hätte uns das überhaupt geholfen? – denn die qualifizierten Lehrerinnen und Lehrer gehen ja nach Brandenburg, also hätten wir sie wahrscheinlich gar nicht zur Verfügung, weil es einfach nicht attraktiv ist, in dieser Stadt Lehrer zu sein. Auch hier müssen wir deutlich nachlegen.

Ein weiterer Weckruf geht durch diese Stadt, und Sie haben es alle gelesen. Wir haben einen unerwarteten Schulplatzmangel. 9 600 bis 26 000 Plätze fehlen uns. Diesen Weckruf hört Frau Scheeres, schiebt ihn noch Frau Lompscher in die Schuhe, weil sie ja nicht schnell genug gebaut hat und darum die Maximalzahlen gar nicht kommen, und dann: Schlummertaste. So kann es einfach nicht weitergehen. Schulen und Schulplätze, das ist mehr als Gebäude, Stühle, Tische, Stein und Holz, es ist Zukunft von Kindern, und hier müssen wir wirklich schnell handeln,

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

abgesehen davon, dass die Kommunikation eine Riesenkatastrophe war, denn es kann nicht sein, dass ein so immenser Schulplatzmangel in einem 800-Seiten-Papier in das Haus geschoben und das in keinem einzigen Ausschuss von der Senatorin thematisiert wird. Das ist eine Kommunikationspolitik, Frau Scheeres, die diesem Hohen Hause nicht gerecht wird.

Es wird Zeit, dass wir den Schulbauturbo einschalten. Wir haben Ihnen schon vor zwei Jahren Vorschläge dazu gemacht. Sie haben sich entschieden, einen anderen Weg zu gehen, wollen kein Kompetenz- und Synergiezentrum, das zentral die Schulen baut, sondern haben sich von den Bezirksbürgermeistern und Stadträten dieser Stadt am Nasenring durch die Stadt ziehen lassen. Nun haben wir das Chaos, das wir haben. Wir haben weiterhin drei bis vier Behörden, die zuständig sind, um ein Schulklo zu sanieren. Das kann so nicht funktionieren. Daher sagen wir: Lassen Sie uns jetzt schnell Schulen bauen und die Entbürokratisierung beim Schulbau vorantreiben.

[Beifall bei der FDP– Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Welche Maßnahmen haben Sie denn bildungspolitisch ergriffen? – Da kann man mal nachschauen. Dann sieht man: kostenloses Schulessen, kostenlose Hortjahre, kostenloses Schülerticket, Lehr- und Lernmittelfreiheit. Bald haben wir auch eine Fachkräftefreiheit in dem Bereich. Das sind die Maßnahmen, die Sie erreichen, um die Schulqualität in der Stadt zu erhöhen. Merken Sie was? – Sie verwechseln Sozialpolitik mit Bildungspolitik. Das sind alles soziale Maßnahmen, die auch alle, für sich genommen, durchaus erstrebenswert sind,

[Torsten Schneider (SPD): Aha, das ist ja erstaunlich! – Zuruf von Sven Heinemann (SPD)]

aber sie steigern um keinen Deut die Schulqualität, und das ist das große Problem.

[Torsten Schneider (SPD): Das hat doch mit Schule nichts zu tun!]

Wir sind das Schlusslicht in allen Bildungsvergleichen. Wir kommen einfach nicht vom Fleck seit vielen Jahren, und zwar seit 23 Jahren hat die SPD die Verantwortung für dieses Ressort, und seit 23 Jahren dümpeln wir in Berlin im Bildungsbereich herum. Seit 23 Jahren ist die Herkunft immer noch entscheidend über den Bildungserfolg. Das ist doch eine Schande für sozialdemokratische Bildungspolitik!

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Wir haben Ihnen Vorschläge gemacht, wie man das steigern kann. Wir haben mit Ihnen über die verpflichtende Vorschule gesprochen. Dann haben Sie gesagt: Das ist Quatsch! Dann war Ihr Fraktionsvorsitzender in London. Dann finden Sie es auf einmal toll,

[Heiko Melzer (CDU): Sie setzen das trotzdem nicht durch!]

aber es kommt keine Initiative in diese Richtung, und Sie setzen nach sieben Jahren im Amt, Frau Scheeres, und das ist das, was man Ihnen wirklich vorwerfen kann, eine Kommission zur Steigerung der Qualität ein. Das ist sieben Jahre zu spät.

[Zuruf von Sven Heinemann (SPD)]

Sie haben das Problem von Anfang an gekannt. Die Bildungsvergleiche waren in dieser Stadt bekannt, wurden durch diese Stadt getragen, und es wurde nicht gehandelt. Es wurde verschlafen, die Schlummertaste gedrückt und einfach weitergewurschtelt, so wie bisher.

Was wir heute von Ihnen erwarten, Frau Senatorin, ist Transparenz bezüglich der Zahlen. Wir möchten von Ihnen heute genau hören: Wie viele Schulplätze fehlen im nächsten Schuljahr und im übernächsten Schuljahr? Wo kommen diese Zahlen her, und was ist Ihr Plan, das große Ding zu drehen?

Und wenn Sie, Frau Senatorin Scheeres, keine Lust darauf haben, Berlin zur Hauptstadt der weltbesten Bildung zu machen, dann tun Sie uns allen einen Gefallen, dann lassen Sie den Wecker morgen einfach aus!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Dr. Hugh Bronson (AfD) – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Dr. Lasić das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!