Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1877
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Im Dunkeln sitzen, nicht kochen können, elektrische Geräte nicht mehr verwenden können und vielleicht sogar die Wohnung nicht mehr beheizen können, damit mussten im letzten Jahr über 20 000 Berliner und über 100 000 bundesweit zumindest eine Zeit lang klarkommen, denn sie waren von einer Strom- oder Gassperre betroffen. Ich glaube, die wenigsten von uns machen sich wirklich klar, was das bedeutet. Die einzige, die da vielleicht ein bisschen genauer Bescheid weiß, was das bedeutet, ist die Kollegin Stefanie Fuchs, denn sie hatte im schönen Köpenick einen Stromausfall zu erleiden, mit Kindern im Haushalt. Nur ist ein Stromausfall meistens schneller repariert, als eine Stromsperre dauert.
Hatten Sie auch einen Stromausfall? Dann können Sie das durchaus nachvollziehen. – Aber auch nach der Entsperrung ist das Problem nicht immer behoben. Durch hohe Gebühren für die Wiederherstellung der Versorgung geraten manche in einen Schuldenkreislauf, aus dem sie ohne fremde Hilfe nicht mehr herauskommen. Deswegen ist für uns als Koalition völlig klar: Die Versorgung mit Energie ist ein grundlegendes Element der Daseinsvorsorge, und wir wollen Menschen aus dem Teufelskreis der Energiearmut herausholen.
Elektrizität und Wärme gehören zu den existenziellen Bedürfnissen und sind Voraussetzung für menschenwürdiges Wohnen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Um das Problem zu lösen, müssten wir eigentlich auf Bundesebene einige Veränderungen vornehmen. Wir müssten natürlich über Strompreise reden. Wir müssten auch über die Regelsätze für Energie bei Transferleistungen reden. Aber das hilft den Betroffenen nicht weiter. Deswegen wollen wir das tun, was wir auf Landesebene tun können, um die Energiearmut wirklich anzugehen. Wir legen Ihnen mit diesem Antrag ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Energiearmut vor, und ich möchte dafür werben und einige Punkte aus diesem Paket hervorheben.
Der erste Punkt ist, wir wollen direkt die Grundversorger für Strom und Gas adressieren. Man kann hier mit ganz einfachen Maßnahmen große Effekte erzielen, denn häufig ist es so, dass eine Sperrandrohung oder eine Sperrankündigung im Paragrafendeutsch untergeht. Es ist schlicht und ergreifend schwer zu verstehen. Es wird häufig überlesen. Das wird immer wieder auch von Beratungsstellen und Betroffenen zurückgespiegelt. Deswegen gehen andere Kommunen und Versorger dazu über, schlicht Rechnungen und Sperrankündigungen anders aufzubereiten, mit optischen Hervorhebungen zu arbeiten,
und schon hat man dort eine Menge erreicht. Da will ich ausnahmsweise sogar einmal der Firma Vattenfall, zu der ich nicht immer ein unkritisches Verhältnis habe, danken, denn sie ist dabei, hier einiges zu verbessern, was dann hoffentlich auch vielen Menschen helfen wird. Wir werden aber kontrollieren, ob das auch umgesetzt wird.
Wir wollen, dass auch Netzbetreiber ihren Beitrag leisten. Es soll keine Sperren mehr vor dem Wochenende und vor Feiertagen geben. Ich glaube, das muss man auch nicht extra betonen, was das für eine Bedeutung hat, eine Stromsperre auch noch bei solchen besonderen Anlässen zu haben. Andere Länder sind da schon weiter und verbieten sogar entsprechende Sperren an Feiertagen.
Dann ist es häufig so, dass gerade bei einkommensschwachen Haushalten auch kaum energieeffiziente Haushaltsgeräte da sind, was natürlich erstens klimapolitisch ein Problem ist und zweitens die Energieschulden potenzieren kann. Deswegen wollen wir einkommensschwache Haushalte bei der Anschaffung energiesparender Haushaltsgeräte unterstützen, wir wollen dazu eine freiwillige Vereinbarung mit dem Handel treffen, um so zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Denn es ist doch wirklich klar: Wenn wir es schaffen, dass modernere Geräte angeschafft werden, dann ist es auch viel weniger wahrscheinlich, dass Energieschulden überhaupt entstehen.
Der nächste Punkt – und da bin ich froh, dass das auch schon auf dem Weg ist –: Wir schlagen einen Runden Tisch vor, unter Beteiligung der zuständigen Senatsverwaltung, der Grundversorger, der Netzbetreiber, Mieterorganisationen, Jobcenter und Verbraucherzentralen, um alle betroffenen Institutionen in Berlin an einen Tisch zu bringen, damit sie sich alle mal zusammensetzen und überlegen, welchen Teil kann ich beitragen, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Das gibt es auch in anderen Städten, das läuft soweit ziemlich gut. Ich bin sehr froh, dass die Verbraucherzentrale unter der Schirmherrschaft des Verbraucherschutzsenators Dirk Behrendt hierfür die Initiative ergriffen hat, dafür will ich mich beim Senator explizit bedanken, dass wir hier am 20. Juni wirklich die Auftaktveranstaltungen haben und hoffentlich dazu kommen, dass wir einen runden Tisch haben, der das Problem tatsächlich in den Griff bekommt.
Zwei Punkte noch: Ich will auf die Energieschuldenberatung des Landes Berlin hinweisen. Wir haben diese mit dem letzten Doppelhaushalt eingerichtet, und ich habe mir das für die heutige Rede noch mal aktuell geben lassen: Sie hat bisher ungefähr 500 Menschen beraten, und von diesen sind ca. 400, 480 Menschen erfolgreich beraten worden in dem Sinne, dass eine drohende Stromsperre abgewendet werden konnte. Wir haben also eine Erfolgsquote von 90 bis fast 95 Prozent. Ich glaube, das ist ein Erfolgsmodell, das man im Land Berlin so häufig
nicht findet – deswegen ein ganz, ganz großer Dank von meiner Seite, und, ich denke mal, auch von der gesamten Koalition für die Energieschuldenberatungsstelle der Verbraucherzentrale, für die tolle Arbeit, die vielen, vielen Menschen geholfen hat,
mit einem ganz, ganz kleinen Team mit ganz wenig Geld, und sie sind jetzt schon an der Kapazitätsgrenze und kommen nicht mehr hinterher. Deswegen ist es uns ein großes Anliegen, das haben wir in den Antrag auch hineingeschrieben: Wir wollen diese Beratung weiter ausbauen, wir wollen das stärken, was Erfolg hat, was erwiesenermaßen Menschen geholfen hat.
Ich werbe dafür, dass wir bei diesem Thema vielleicht auch mal aus den politischen Grabenkämpfen herauskommen und versuchen, hier eine breite Mehrheit der demokratischen Fraktionen zu finden, und ich schaue da so ein bisschen die CDU an. Herr Trapp ist leider heute nicht da –
ach, da ist er – Entschuldigung! – Vielleicht schaffen wir es ja, hier zusammenzukommen; ich glaube, hier ist es wirklich wichtiger, den Menschen zu helfen, als parteipolitische Spielchen zu betreiben. Deswegen freue ich mich sehr auf die Beratung in den Ausschüssen. – Danke!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank für Ihren Vortrag, Herr Dr. Efler! In der Tat haben wir hier ein Antrag, der ein Sammelsurium – positiv –, eine Zusammenstellung von vielen konstruktiven, kreativen Ideen ist, um einen Themenkomplex abzubilden und einer Problemlösung zuzuführen, der tatsächlich in anderen Städten, in anderen Ländern anders gehandhabt wird als in Berlin. Insofern haben wir dort vieles, was wir verbessern können.
Warum rede ich hier? – Ich war Mitglied des Beirats der Stadtwerke Berlin. Die Stadtwerke Berlin sind vom Land Berlin gegründet worden, um Energie zu vertreiben und ein bisschen auch zu produzieren. Dort gibt es einen Beirat, der sich mit den gesellschaftspolitischen Themen beschäftigt und diese in das Unternehmen hineintragen soll, und dieser Beirat hat dann ein Symposium veranstaltet, bei dem es um Energiearmut geht – also nicht um den Mangel an Energie, sondern um Stromsperren als Folge nicht bezahlter Rechnungen. Das ist das Thema, über das
wir reden, und das war auch Gegenstand der Diskussion im Symposium. Viele von den Ideen, um nicht zu sagen, alle Ideen, die wir hier in dem Antrag vor uns haben, sind genau dort von den Experten diskutiert worden.
Eigentlich ist das aber gar kein energiepolitisches Thema, eigentlich ist es ein sozialpolitisches Thema. Es geht darum, dass Menschen ihre Stromrechnung nicht bezahlen. Sie stehen vor den elektrischen Geräten, und nichts funktioniert. Das ist eine Krisensituation. Das heißt, irgendjemand hat seine Rechnung für dieses wichtige Element Energie, das er zum Leben braucht, nicht bezahlt. Dieselben Menschen sind üblicherweise auch nicht in der Lage, ihr BVG-Ticket zu bezahlen, oder sie bezahlen ihre Wohnung nicht, oder ihre Versicherung, oder haben nicht das Geld, das sie ihren Kindern geben müssten, damit die in der Schule irgendetwas kaufen können.
Das sind häufig Menschen – es sind fast ausnahmslos Menschen –, die eben nicht die Kapazität haben, sich selbst zu administrieren und zu organisieren. Deswegen ist es nicht die Frage, ob sie Strom haben, sondern es ist die Frage, ob sie genug Hilfe haben, die sie benötigen, um ihren Lebensalltag zu bewältigen; und das ist häufig nicht der Fall. Für diese Menschen gibt es entweder Unterstützung innerhalb der Sozialstruktur, oder man braucht für sie eine Schuldnerberatung. Deswegen ist es nicht die Frage, bekommen die Leute eine Beratung für energiesparendes Kochen, sondern es geht um die Frage, bekommen sie schnell eine professionelle Begleitung, die sie bei der Lösung ihrer finanziellen und alltagsorganisatorischen Probleme unterstützt.
Da brauchen wir eine performante Schuldenberatung in Berlin, und da passt es eben nicht, dass wir im Land Berlin mehrere Monate warten müssen, bis eine solche Schuldenberatung zur Verfügung gestellt wird. Deswegen bin ich ganz gespannt, was Rot-Rot-Grün hier jetzt an strukturellen Veränderungen im Doppelhaushalt vorschlagen wird und ob dabei mehr als Rhetorik herauskommt, denn wir brauchen eine weiter reichende, aufsuchende Beratung als zusätzliches Instrument.
Wir reden hier aber über Energiepolitik, deswegen reden nach mir auch ausschließlich Energiepolitiker; so nutze ich die Zeit, um ein bisschen über die Energiepolitik zu sprechen, die wir uns in der CDU vorstellen. Wir waren vor Kurzem unter Leitung von Burkard Dregger auf einer Klausurtagung im Weimarer Land, da gab es einen Arbeitskreis Energiewirtschaft mit Christian Gräff und Frank Henkel als energiepolitischen Sprechern und anderen, und wir haben uns mit der Thematik beschäftigt: Berlin 2030, Visionen für eine Wirtschaftsmetropole.
Für uns als CDU ist klar, dass eine schnelle und unbürokratische Schaffung von Ladeinfrastruktur eine Voraussetzung für die Erfolge der E-Mobilität als Bestandteil der Energiewende ist. Wir sind der festen Überzeugung,
dass erstens alle Laternen auf Antrag von Anwohnern und zweitens alle Parkscheinautomaten als Ladepunkte für E-Fahrzeuge eingerichtet werden sollen. Und jetzt kommt‘s: Gestern kam im Inforadio ein Bericht über Elektromobilität als ein Bestandteil der Energiewende in Berlin. Dort wurde berichtet, dass jede Privatperson und jeder Gewerbetreibende einen Antrag stellen könne, wenn er denn ein Auto hat. Also, wenn man ein Auto hat, dann kann man einen Antrag stellen, dass eine Ladesäuleninfrastruktur errichtet wird. Da habe ich gedacht, Mensch, den Antrag schaust du dir noch mal an, gehe ins Internet und stelle fest: Bei der Umweltverwaltung gibt es eine Internetseite, auf der steht, es werden keine Anträge auf Ladesäuleninfrastruktur mehr entgegengenommen.
Wenn das Ihre Elektromobilitätswende ist, wenn das sozusagen die Innovation ist, die die Stadt voranbringen soll, wenn Sie sich hier noch mal hinstellen und sagen, das ist ja unglaublich, dieser Verbrennungsmotor, wir müssen ganz andere Instrumente entwickeln – das ist ein Versagen der Klimapolitik, das finde ich wirklich nicht in Ordnung.
Wir haben zudem Batteriewechselsysteme als weiteren Baustein auf dem Weg in die E-Mobilität gefordert, wir haben in unserem Leitantrag gefordert, dass bei allen Neubauvorhaben der städtischen Gesellschaften Ladeinfrastruktur mit eingerichtet werden sollen. Wir wollen gerne eine Änderung der Bauordnung, bei der Errichtung von Parkplätzen und Garagen soll es bei den Neubauvorhaben eine Verpflichtung zum Einbau von Leerrohren geben, sodass dort jederzeit Ladeinfrastruktur nachgerüstet werden kann.
Ich finde, dass wir einen guten Antrag haben, ich finde, dass wir eine gute Diskussionsgrundlage haben, ich finde, dass wir einen Wettbewerb um die besten Ideen und um Ergänzungen haben sollten. Wir brauchen keine Ideologien, wir brauchen Lösungen für die Menschen, um die es geht, und da glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind. – Vielen herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das waren eine Menge interessanter Punkte, Herr Schultze-Berndt, aber sie alle haben mit dem Antrag nichts zu tun. In der Schule hätte man gesagt: Thema verfehlt, denn Sie haben nicht zum Antrag gesprochen.
Ich will das aber tun. Der Antrag heißt: Energiearmut bekämpfen, Strom- und Gassperren vermeiden. Das ist natürlich ein energiepolitisches und ein sozialpolitisches Thema, das ist unstrittig. Der Kollege Efler hat ja dazu schon das eine oder andere gesagt.
Die Koalition hat zum einen ja die Energieschuldenberatung bei der Verbraucherzentrale gestärkt, und zusätzlich wollen wir, dass der Senat verstärkt gegen Strom- und Gassperren vorgeht, denn da gibt es leider dringenden Bedarf. Der Senat soll auf die Energieversorger einwirken, damit diese ihrer großen Verantwortung gerecht werden und unzumutbare Härten durch Strom- und Gassperren vermeiden. Das ist übrigens auch ein Punkt, warum es vielleicht ganz gut ist, wenn auf Dauer Berlin-Energie der Versorger ist und nicht mehr Vattenfall. Das macht es dann etwas einfacher.
Die Nutzung von Strom ist ein existenzielles Bedürfnis für jeden Menschen, und es ist in unserer modernen Zeit eine Grundvoraussetzung für menschenwürdiges Wohnen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Wir wollen, dass Mahnverfahren umgestellt werden. Bevor Sperrandrohungen verschickt werden, sollen demnächst Aufforderungen zur Zahlung verwendet werden.
Wenn dann doch Sperrandrohung notwendig sind, sollen diese von den Strom- und Gaskunden schnell erfasst werden, zum Beispiel, indem die Sperrandrohung optisch hervorgehoben und mit Erläuterungen in leicht verständlicher Sprache ergänzt wird. Auch das ist ein Thema, das in diesem Zusammenhang wichtig ist. Wir wollen, dass mit der Androhung der Sperre auch auf Hilfsmöglichkeiten und Beratungsstellen hingewiesen wird. Außerdem muss Betroffenen erklärt werden, dass sie Möglichkeiten haben, eine unzumutbare Härte geltend zu machen. Die Unternehmen des Energiesektors sollen sich freiwillig verpflichten, erst ab einer Schuld, die höher als 200 Euro ist, Sperrverfahren einzuleiten.
Wir wollen, dass Mahn- bzw. Sperrverfahren ausgesetzt sind, wenn ein Antrag auf Energieschuldenübernahme beim Jobcenter eingereicht wurde. Und durch den Verzicht auf Sperren während der Bearbeitungszeit von Anträgen auf Energieschuldenübernahme des Jobcenters können nicht nur Sperren selbst, sondern auch die hohen zusätzlichen Kosten für Sperrung und Entsperrung vermieden werden – auch das ist nicht zu unterschätzen: Es entstehen in dem Zusammenhang viele Kosten.
Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Christian Buchholz von der AfD zulassen?