Danke, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Berliner Abgeordnetenhaus diskutiert über Europa und 70 Jahre Grundgesetz. Die AfD redet über sich selbst.
Und jetzt zum Thema: Dass auf einer Metaebene sich alle demokratischen Parteien zum Grundgesetz und zum Zukunftsprojekt Europa bekennen, ist ja erst mal gut.
Aber unterhalb der allgemeinen Bekenntnisse zu Europa gibt es ja auch starke politische Differenzen zwischen den Parteien, wie sich die Politik in Europa – Danke, keine Zwischenfragen! – und die EU weiterentwickeln sollen.
Eine der Grundfragen lautet doch: Begreifen wir Europa in erster Linie nur als gemeinsamen Wirtschaftsraum? Ist Europa nur das Kampffeld ökonomischer und nationalstaatlicher Interessen, oder sollte in Anerkenntnis leidvoller europäischer Geschichte Europa nicht in erster Linie ein demokratischer Sozialraum sein, in dem die Ökonomie der sozial-ökologischen Nachhaltigkeit verpflichtet wird. Wir sind fest davon überzeugt, dass die EU auf Dauer nur erfolgreich sein kann, wenn sie demokratischer, wenn sie sozialer, wenn sie ökologischer wird.
Die Troika-Politik der letzten Jahre dagegen, also die Machtpolitik des ökonomisch starken Kerneuropas auf Kosten der Peripherie, hat der europäischen Idee schweren Schaden zugefügt. Das europäische Erstarken des Rechtspopulismus ist ja kein Naturgesetz. Dafür gibt es ja Gründe.
Und da, Frau Bentele, Herr Dregger, Herr Czaja, schauen wir aus aktuellem Anlass mal nach Österreich! Es soll Ihnen eine Lehre sein.
Wer dem verheerenden Nationalismus, den sozialdarwinistischen Ideen und der rechtspopulistischen Hetze nicht entschieden entgegentritt,
sondern wie Ihre Schwesterpartei, Herr Dregger, Herr Wansner, die ÖVP, dafür Verständnis zeigt, so etwas befördert und obendrein mit diesen FPÖ-Leuten koaliert, der muss sich über Euro-Skeptizismus nicht wundern.
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Henner Schmidt (FDP): In Venezuela ist es besser! – Georg Pazderski (AfD): Kommen Sie zur Sache!]
Und was mich am allermeisten erschüttert, ist der Umstand, dass es erst dieses Ibiza-Video gebraucht hat, dass Kurz diese Truppe von Obskuranten, Rechtsextremen und Identitären aus der Regierung wirft.
Und wegen dieser Straches, Salvinis, Orbáns und ihren deutschen Ablegern ist es so wichtig, immer wieder und nicht nur vor Europawahlen Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus entschieden entgegenzutreten.
Es ist wichtig, das nicht nur mit Reden in diesem Parlament zu tun, sondern immer wieder auch im Alltag und auf der Straße. Nationaler Egoismus und Nationalismus sind vollkommen untauglich für die Lösung der Probleme, vor denen wir stehen. Das ist die Botschaft der Zehntausende, die am vergangenen Sonntag auf die Straße gegangen sind. Das ist die Botschaft von „Fridays for Future“. Das ist die Botschaft der Flüchtlingsinitiativen, der Gewerkschaften,
der Unteilbar-Demonstration und vieler anderer Initiativen, die aktiv an einem solidarischen Europa arbeiten.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Die Quittung kriegen Sie am Sonntag!]
Sie ist nicht nur inhuman, sie ist nicht nur unchristlich, sie wird auch nicht funktionieren. Egal, wie hoch die Mauern sind,
egal, wie gefährlich die Wege und wie abschreckend die Grenzen sind, die Menschen werden weiter vor Krieg, Verfolgung und Hunger flüchten,
[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Georg Pazderski (AfD): 4 Milliarden Menschen! – Kurt Wansner (CDU): Über Flüchtlinge wissen Sie ja Bescheid!]
Und zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes, Herr Dregger, muss eben auch gesagt werden, dass vor 27 Jahren das Grundrecht auf Asyl zum ersten Mal massiv eingeschränkt wurde. Ein sehr bitteres Kapitel der 70-jährigen Verfassungsgeschichte!
Das Grundrecht auf Asyl in der Verfassung war eine Lehre aus dem Faschismus, und die Verfassungsänderung vor 27 Jahren geschah vor dem Hintergrund rechtsextremer Wahlerfolge und Mobilisierung. Merken Sie was?
die heißen jetzt nur anders, aber Verfassung und Verfassungswirklichkeit sind dadurch deutlich ärmer geworden. Daraus sollte man lernen. Man bekämpft Rechtsextreme und Rechtspopulisten nicht dadurch, indem man einen Teil ihrer Forderungen erfüllt.
[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Marc Vallendar (AfD): Mit dem Baseballschläger, was?]
Berlin steht mit seiner Weltoffenheit, Diversität und Liberalität gegen dumpfen Nationalismus und Rechtspopulismus. Berlin steht für die Idee eines solidarischen Europa.
Und Berlin ist nicht allein. Es sind überall in Europa die großen Städte, die sich dem nationalistischen Trend in ihren Ländern in den Weg stellen und in denen Menschen für mehr Integration, für mehr Demokratie, für soziale Grundrechte und gegen nationale Abschottung eintreten, und deshalb macht es auch Sinn, dass sich die europäischen Städte in dieser Auseinandersetzung enger zusammenschließen und dass sie sich auch klar positionieren.
Berlin ist Anfang des Jahres dem Netzwerk „Solidarity Cities“ beigetreten. Berlin hat sich bereit erklärt, aus Seenot gerettete Geflüchtete aufzunehmen.
Am 13. und 14. Juni findet im Roten Rathaus der Kongress „Sichere Häfen“ statt. Ich freue mich sehr, dass der Regierende Bürgermeister die Schirmherrschaft für den Seebrücken-Kongress übernommen hat.
So traurig der Grund für dieses Treffen ist, so ermutigend ist, wie Menschen überall in Europa nicht wegschauen, sondern unter hohen persönlichen Risiken handeln und helfen. Danke dafür!
Und wir erwarten selbstverständlich, dass Seehofer endlich seine Blockade aufgibt und uns das tun lässt, wozu wir uns bereit erklärt haben, nämlich Menschen zu retten, statt sie an Europas Grenzen sterben zu lassen. Wir können uns doch gar nicht genug bedanken für die Arbeit der zivilen Seenotrettung von Sea-Watch und Seebrücke. Sie zu kriminalisieren, ist eine Schande.