Protocol of the Session on May 9, 2019

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Für die FPD-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Förster das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Mein Kollege Paul Fresdorf

sagte gerade neben mir: Wie schön, dass wir heute bei einer Debatte zur Wissenschaftspolitik schon so viele Vorlesungen gehört haben! – Das ist vielleicht auch ganz passend.

[Beifall bei der FDP – Regierender Bürgermeister Michael Müller: Jetzt kommt noch einer!]

In der Tat: Aktuelle Stunden sind meist kontrovers und das rhetorische Klingenkreuzen zwischen Regierung und Opposition vor den interessierten Augen der Weltöffentlichkeit – na ja, fast Weltöffentlichkeit.

[Heiterkeit bei der FDP]

Um die Erwartungen diesbezüglich etwas zu dämpfen: Eine Blut-, Schweiß- und Tränenrede ist auch von mir diesbezüglich nicht zu erwarten, denn Wissenschaft und Forschung, das ist, zugegeben, ein Bereich, der doch ganz gut läuft, auch und gerade deswegen, weil in hoher Kontinuität zu den Vorgängersenaten gearbeitet wird und nicht alles bei jedem Regierungswechsel über Bord geworfen wird. Auch das ist manchmal ganz wohltuend.

[Beifall bei der FDP]

Nun ist das Thema seit dieser Wahlperiode Chefsache und direkt bei Ihnen, Herr Regierender Bürgermeister, im Roten Rathaus angesiedelt. Da Sie in Aktuellen Stunden von der Opposition immer viel Kritik für das erhalten, was in dieser Stadt nicht funktioniert, will ich an der Stelle einmal anerkennen, dass Sie neben anderen Verpflichtungen als Senator für Wissenschaft und Forschung in hohem Maße Termine wahrnehmen und Präsenz zeigen. Auch das, das will ich ausdrücklich sagen, fällt positiv auf.

[Beifall bei der FDP, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Martin Trefzer (AfD)]

Gleiches, auch wenn er jetzt nicht da ist, gilt in besonderem Maße für Herrn Staatssekretär Krach, der mit großer Detailkenntnis, mit einer sachlichen Diskussionskultur und auch mit Respekt vor Fragen und Themen, die die Opposition setzt, agiert. Auch das sei an der Stelle lobend erwähnt.

[Beifall von Marcel Luthe (FDP)]

Liebe Koalition! Nehmen Sie das bitte als Hinweis mit, da Sie ja mittlerweile monatlich einen Staatssekretär auswechseln: Der Krach darf gerne bleiben!

[Beifall und Heiterkeit bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Ansonsten will ich auch darauf verweisen, und da beziehe ich ausdrücklich das gesamte Haus mit ein, dass wir eine gute und überparteiliche Zusammenarbeit im zuständigen Fachausschuss für Wissenschaft und Forschung pflegen, wo wir gegenseitig von Themen profitieren, die andere setzen, wo wir voneinander lernen und Dinge so diskutieren, dass am Ende nicht immer die eigene Meinung recht

(Catherina Pieroth-Manelli)

bekommen muss. Ich erinnere mich zum Beispiel an das Thema Künstliche Intelligenz, das Adrian Grasse beigesteuert hat. Ina Czyborra hat die Folgen des Brexit für die Berliner Wissenschaft auf die Tagesordnung gesetzt. Nicole Ludwig hat uns über grüne Chemie schlauer gemacht, Martin Trefzer über Plagiate, und Tobias Schulze über die Einrichtung eines Mittelbaus an Fachhochschulen. Das ist eine große und gute Bandbreite, die wir da bearbeiten, und ich glaube, die Anhörungen sind wirklich immer zielführend und für uns alle gewinnbringend. Das ist nicht in allen Ausschüssen so der Fall, ich bin ja auch noch in einigen anderen Mitglied, insofern ist das etwas, was man mal hervorheben kann.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Nun zu den Herausforderungen für die Zukunft: Ich habe das in acht Punkte gegliedert, und bevor Sie jetzt fragen: Warum macht der Förster jetzt acht und nicht sieben oder neun Punkte? –, sage ich Ihnen: Ich habe einfach gedacht, nach dem ersten Teil hast du noch in etwa sieben Minuten, mehr als acht Punkte schaffst du nicht. Es hätte auch einer mehr oder weniger sein können; bei dem Thema kann man ja jede Menge unterbringen.

[Heiterkeit bei der FDP]

Erstens – Verzahnung von Wissenschaft und Forschung: Ich bin froh darüber, und ich glaube, mittlerweile ist es auch das ganze Haus, auch der Senat, dass Wissenschaft und Forschung wieder eine Einheit bilden. Das war unter der CDU-Senatorin auseinandergerissen worden. Forschung war da bei Wirtschaft, und Wissenschaft war alleine. Ich glaube aber auch, dass beides zusammengehört und heute kaum noch voneinander zu trennen ist. Die Universitäten machen neben klassischer Lehre auch zunehmend Forschung auf hohem Niveau. Die Fachhochschulen kommen auch nicht umhin, neben der praxisbezogenen Ausbildung diese mit wissenschaftlichem Arbeiten zu verzahnen. Das Institut für angewandte Forschung, das IFAF, sei genannt, und auch die außeruniversitären Forschungseinrichtungen leisten eine großartige Arbeit. Wenn wir in Berlin also weiterhin Erfolg haben wollen, dann bitte Wissenschaft und Forschung gemeinsam denken!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Tobias Schulze (LINKE)]

Zweitens – die baulichen Voraussetzungen für inhaltliche Erweiterungen. Klingt banal, ist aber so: Das Wachstum der Einrichtungen wird nur funktionieren, wenn bauliche Erweiterungen wesentlich schneller vorankommen und wenn nicht zehn Jahre von der Planung bis zur Fertigstellung eines Gebäudes vergehen. Und ja, die Universitäten, Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen dürfen auch gerne die Bauträgerschaft übernehmen,

[Sibylle Meister (FDP): Ja!]

müssen dann aber auch geeignetes Personal haben, um diesen Spagat neben ihren eigentlichen Aufgaben meis

tern zu können, oder sie müssen gegebenenfalls geeignete Büros beauftragen können. Wir haben hier einen erheblichen Sanierungsrückstau, der angegangen und abgearbeitet werden muss. Wissenschaftler und Forscher kommen nur in ein Arbeitsumfeld, in dem man sich wohlfühlt, wo man auch modern arbeiten kann. Es ist nicht nur der Putz, der von der Decke fällt, auch die Infrastruktur muss stimmen. Wenn sich die Steckdose für das Ladekabel im Nebenraum befindet, wird es nicht funktionieren. Deswegen besteht da auch Investitionsbedarf.

[Beifall bei der FDP]

Drittens – Hausaufgaben rechtzeitig machen, dann Schwerpunkte setzen! Wir müssen natürlich auch in der Politik unsere Hausaufgaben machen und dürfen die Hochschulen mit unseren Forderungen nicht überrennen. Als uns einfiel, wir brauchen mehrere Tausend Lehrerinnen und Lehrer, musste die Humboldt-Universität einspringen. Als die HWR die Polizeiausbildung deutlich erhöhen sollte, war es in der Kürze der Zeit auch schwer, das auf den Weg zu bringen. Gleiches gilt für die Pflege bei der ASH. Es ist gar nicht so schwer, ein paar Tausend Studienplätze mehr zu schaffen, sie müssen aber auch mit geeigneten Menschen gefüllt werden. Vor allem auch in der Lehre müssen geeignete Personen vorhanden sein. Einfach mal ein paar Tausend Plätze mehr auszufüllen, klappt eben so nicht. Hier hat die Politik über viele Jahre leider gepennt, rechtzeitig Voraussetzungen zu schaffen. Die Hochschulen müssen es jetzt ausbaden. Wir sollten künftig frühzeitiger anzeigen, welche Bedarfe wir haben, damit sie entsprechend erfüllt und gedeckt werden können.

[Beifall bei der FDP]

Viertens – Einrichtungen an einem Standort bündeln! Das ist bei Universitäten aufgrund der Größe natürlich nicht machbar, bei den Fachhochschulen klappt es zum Teil. Die ASH in Hellersdorf ist so ein Beispiel, sie nutzt einen Campus. HTW in Schöneweide – HTW an die Spree, das ist ja auch ein Konzept, das wir, glaube ich, parteiübergreifend unterstützen, das jetzt aber auch auf den Weg gebracht werden muss. Da gibt es ein Zeitfenster, das sich irgendwann schließt, um den Peter-Behrens-Bau nutzen zu können. Auch das ist etwas, was dem Standort Oberschöneweide gut tut. Aber: Oberschöneweide tut auch der HTW gut, denn dort gibt es kein Unternehmen, das nicht mit der HTW kooperiert – also eine Win-win-Situation für beide Bereiche.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Dr. Ina Maria Czyborra (SPD), Lars Düsterhöft (SPD) und Tobias Schulze (LINKE)]

Fünftens – Universitätsmedizin stärken! Damit meine ich auch, die Charité nicht mit Aufgaben zu überfrachten, sondern Schwerpunkte zu setzen. Ich will ausdrücklich sagen, auch wenn es dafür noch ein paar Monate zu früh ist: Auch der scheidende Vorstandsvorsitzende Herr Einhäupl hat in den zwölf Jahren wirklich Großartiges

geleistet. Die Charité hat auch schwierige Aufgaben erhalten: Sie sollte eine schwarze Null schreiben, sie sollte Geld verdienen, sollte sich konsolidieren. Da hat nicht immer alles zu hundert Prozent funktionieren können bei dem, was wir heute für Anforderungen haben. Heute dann aber zu sagen, dass bestimmte Dinge eben nicht so sind, wie man sie haben wollte: Das waren die Vorgaben der Politik an die Charité! Und wenn die Charité auch für jede Schürfwunde zuständig sein soll, wir heute dann aber sagen: Wenn sie sich auf die universitäre Forschung konzentrieren soll, ist das auch wieder falsch –, dann kann das auch nicht gehen. Wir wollen Spitzenmedizin in dieser Stadt, und die leistet die Charité in herausragendem Maße. Sie braucht aber auch all unsere Unterstützung, um diesen Weg weiterzugehen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Florian Graf (CDU)]

Sechstens – Spitze braucht Breite, aber Breite braucht auch Spitze! Damit meine ich, dass wir jetzt schon eine große Bandbreite haben, aber auch aufpassen müssen, dass diese nicht verloren geht. Wir haben auf der einen Seite auch über die Exzellenzstrategie bewiesen und werden es künftig hoffentlich in verstärktem Maße tun können, dass wir in der Lage sind, herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Europa und der ganzen Welt zu uns zu holen. Das ist ein wichtiger Baustein, den wir auch brauchen. Universitäre Bildung und Fachhochschulen stellen aber auch einen Bereich dar, bei dem man in der Breite entsprechende Angebote machen sollte und wo man weiterhin die Kooperation mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Ähnlichem suchen sollte.

Wo ich gerade bei dem Thema außeruniversitäre Einrichtungen bin: Wir haben so viele tolle Institute in der Stadt. Bei mir am Müggelsee gibt es das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Das kennt kaum einer, die sind aber in bestimmten Bereichen der Gewässerforschung weltweit führend, gerade auch – wenn ich mal in Richtung Robert Schaddach gucke, der immer fragt, wie es dem Stör geht –, was den Stör und dessen Wiederansiedlung betrifft. Das ist ein weltweit führendes Projekt. Ich will damit sagen: Das ist alles Nische, aber wir haben Gott sei Dank auch diese wunderbaren Nischen in der Stadt. Auch das ist Spitzenforschung, die wir in der Stadt haben.

[Beifall bei der FDP]

Siebtens – Citizen Science, Bürgerwissenschaften stärken: Gerade die Bürgerschaft stärker in Forschung und Wissensvermittlung einzubeziehen, ist etwas Wunderbares. Ich hatte vorgestern Nacht mit dem Kollegen Heinemann im Volkspark Friedrichshain auf Einladung des Naturkundemuseums die Möglichkeit, auf den Spuren der Nachtigall unterwegs zu sein und den Forschungsfall Nachtigall zu sehen. Das ist eines von 13 Projekten in Deutschland zum Thema Citizen Science, wo Natur und Wissensvermittlung zur Natur auf eine breite Basis ge

stellt werden. Die Leute können auch selber ihre Nachtigallstimmen einschicken und kartografieren; können auch mitmachen. Das führt zu einem Naturverständnis, das notwendig ist.

Wir geben so viel Geld in Wissenschaft und Forschung, und wenn wir hundert Leute auf der Straße befragen, was damit passiert, wissen die allerwenigsten eine Antwort. Also ist doch der beste Weg, die Leute einzubeziehen, sie mitmachen zu lassen! Dann lernen sie auch, worum es geht, und wir profitieren alle davon.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Tobias Schulze (LINKE)]

Achtens: Berlin muss ein attraktiver Standort sein. Die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Dazu gehört bezahlbarer Wohnraum, dazu gehören funktionierende Verkehrssysteme und ausreichend Kita- und Schulplätze und eine funktionierende Verwaltung, damit die Leute, die hierherkommen, nicht ein halbes Jahr im Bürgeramt warten, ehe sie sich anmelden können. – Das sind alles die Rahmenbedingungen, die Berlin leisten muss. Dann ist mir um die Zukunft der Stadt auch nicht bange. Ich sage einmal: Wissenschaft und Forschung sind für Berlin künftig und jetzt das, was für Baden-Württemberg noch die Automobilindustrie ist.

[Zuruf]

Welchen Weg sie einschlägt, wissen wir nicht. Dass Wissenschaft und Forschung attraktiv für die Stadt bleiben, ist, glaube ich, keine Prophezeiung, sondern eine Tatsache. Insofern sollten wir gemeinsam daran arbeiten, dass das Wirklichkeit wird.

Ich sehe gerade: noch zwölf Sekunden. Dann war es gut, die acht Punkte gewählt zu haben und nicht sieben oder neun. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Tobias Schulze (LINKE)]

Vielen Dank! – Für den Senat spricht der Regierende Bürgermeister Müller. – Bitte schön, Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube erst einmal eins: Alle Wissenschaftspolitikerinnen und Wissenschaftspolitiker freuen sich darüber, dass wir heute die Aktuelle Stunde zu diesem Thema haben und wir uns hier mit einem Thema auseinandersetzen können – eigentlich ohne große Auseinandersetzung jenseits von Detailfragen, wo man auch einmal unterschiedliche Positionen hat – und uns einem Thema widmen können, das sich leider nicht selbstverständlich jeden Tag auf den

(Stefan Förster)

Titelseiten wiederfindet, aber tatsächlich von herausragender Bedeutung für unsere Stadt ist.