Protocol of the Session on April 4, 2019

[Sebastian Czaja (FDP): Nächstes Mal mit Anspruch! Machen Sie mich mal neugierig!]

Um es noch mal klar zu sagen: Es geht mir überhaupt nicht darum zu sagen, wir sind jetzt gegen Eigentumsbildung, ganz im Gegenteil. Ich finde Eigentumsbildungsformen, zum Beispiel Genossenschaften, total sinnvoll, und das müssen wir noch viel mehr fördern.

[Sibylle Meister (FDP): So ein Quatsch!]

Doch ich habe etwas gegen eine undifferenzierte, allgemeine Eigentumsförderung, wie Sie sie einführen wollen, die den Immobilienmarkt sogar noch weiter anheizt und kaum jemandem da draußen helfen wird.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Ich will der FDP einen gewissen Erkenntnisgewinn zugestehen, und ich finde, da bin ich schon sehr großzügig – wer mich kennt –, weil Sie immerhin heute in Ihrem Antrag mal feststellen, dass die bisherigen Regelungen zur Ausübung des individuellen Vorkaufsrechts durch die Mieter nicht funktionieren. Eine Hürde sei insbesondere der hohe Kaufpreis. Also, in Ihrem Antrag klingt das jetzt ein bisschen so, als sei das jetzt eine neue Erkenntnis und als wäre das erst seit gestern so. Die Stadt da draußen beklagt das Problem schon seit Jahren, aber ich finde es gut, dass Sie es jetzt endlich mal anerkennen, dass wir ein Problem mit zu hohen Kauf- und Mietpreisen in der Stadt haben.

Es hapert allerdings dann an der Fehleranalyse. Statt dass Sie sich fragen, warum die Preise immer weiter spekulativ steigen dürfen, schlägt die FDP jetzt staatliche Kredite für die Bildung von privatem Eigentum vor. Sorry – Sie, die Sie ja immer sagen Sie seien hier die Wirtschaftspartei, und ich weiß, wie sie im Hauptausschuss auch immer agieren – ich finde es sehr unseriös, wenn Sie schreiben bzw. auch sagen, es gehe um die Förderung von Wohneigentum für alle. Super! Wie viele Berlinerinnen und Berliner, das habe ich Sie vorhin ja auch schon gefragt, sollen denn bitte in diesen Genuss kommen, eine Förderung zu bekommen?

[Zuruf von AfD): Alle!]

Und nach welchen Kriterien überhaupt? Sie schreiben in Ihrem Antrag gerade mal etwas von jungen Menschen. Sollen die Förderung auch Menschen bekommen, die gut verdienen, die das überhaupt nicht brauchen, die das vielleicht auch gar nicht nötig hätten?

[Sebastian Czaja (FDP): Also Ihre Klientel dann!]

Und wie viel Geld wollen Sie denn überhaupt aus dem Landeshaushalt da hineininvestieren? Ich meine, beim kommunalen Vorkaufsrecht werfen Sie uns immer vor, wir würden Gießkannenpolitik betreiben. Das, was Sie mit diesem Antrag hier heute vorschlagen, das ist Gießkannenpolitik, und es ist vor allem haushaltspolitischer Wahnsinn.

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD]

An dieser Stelle übrigens auch schöne Grüße von meiner haushaltspolitischen Sprecherin. – Schauen Sie sich doch als Beispiel das Jahr 2008 noch mal an. Auch wenn Ihnen das nicht gefällt, Herr Czaja, die Finanzkrise ist vor allem deshalb entstanden, weil Banken und Staaten ohne Ende faule Kredite im Immobilienbereich verteilt und die Leute in Kredite gedrängt haben, ihnen erklärt haben, das sei das absolute Allheilmittel, sie müssten jetzt unbedingt in Eigenheime investieren. Was ist dann passiert? – Die Leute waren extrem schnell überfordert, das ist alles ziemlich gekippt. Und wenn Sie sich mal mit Leuten aus dem Bankenbereich auch gerade hier in Berlin unterhalten: Wir haben einen überhitzten Immobilienmarkt.

[Sibylle Meister (FDP): Ja!]

Die Kaufpreise laufen sogar den Mietpreisen schon davon. Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass es mittlerweile günstiger ist, die Miete zu bezahlen, als in Kaufpreise zu investieren. Und ich finde es auch lustig, dass Herr Gräff hier von 3 000 Euro pro Quadratmeter redet. Dann schauen Sie doch mal bitte in die Angebote hinein, reden Sie mal mit Mietern, denen zur Zeit eine Wohnung angeboten wird, da sind wir bei 4 000 bis 4 600 Euro pro Quadratmeter. Wer kann sich denn bitte so etwas leisten? Das ist auch finanzpolitisch totaler Wahnsinn, und deswegen werden wir Ihr Modell sicherlich nicht unterstützen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

(Harald Laatsch)

Es ist sinnvoll und auch viel nachhaltiger, mit öffentlichem Geld auch öffentliches Eigentum zu fördern und in den gemeinwohlorientierten Immobilienbereich zu investieren. Wir wollen ja auch eine Neuausrichtung des Wohnungsmarkts erreichen, und deswegen ist das ein wichtiger Baustein.

[Zuruf von Holger Krestel (FDP)]

Ich finde es interessant, dass Sie jetzt auch nach staatlichen Eingriffen in den Wohnungsmarkt rufen, wenn es darum geht, dass der Immobilienwirtschaft wieder Geld zugeschustert wird. Da rufen Sie dann eben nach einer landeseigenen Bank, weil private Banken es nicht hinbekommen. Sonst darf der Staat sich ja nie einmischen. Jetzt stellen Sie aber Marktversagen fest, finde ich sehr interessant, hätte ich nicht von Ihnen erwartet – also auch hier: Kompliment! Aber Sie ziehen wieder die falschen Schlüsse daraus. Denn wir müssen uns doch fragen: Wie helfen wir den Menschen am besten, die von Verdrängung bedroht sind, weil ihre Mietwohnung zum Spekulationsobjekt geworden ist? – Sie sagen, Kredite verteilen, damit möglichst alle auf dem Immobilienmarkt mitmischen, wir sagen: Mieterschutz ausbauen, Umwandlungen effektiv verhindern und die gemeinwohlorientierte Ausrichtung des Wohnungsmarkts voranbringen. Denn im Gegensatz zu Ihnen ist für uns Wohnen ein Grundrecht und keine Spekulationsmasse.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Zur Karl-Marx-Allee noch ein letzter Punkt: Dass Mieterinnen und Mieter auch lieber Mieterinnen und Mieter bleiben, wenn sie einen sozialen Vermieter bekommen, zeigt das Beispiel der Karl-Marx-Allee. Nach meinen Informationen haben das IBB-Programm nicht viele Mieterinnen und Mieter genutzt, das können Sie auch selber noch mal recherchieren.

[Sibylle Meister (FDP): Sie haben es ja angeboten!]

Und anders als Ihre Forderung, eben dieses individuelle Vorkaufsrecht und die individuelle Eigentumsbildung mit staatlicher Unterstützung zu fördern, funktionierte das Senats- und Bezirksmodell für die Karl-Marx-Allee genau andersherum. Es wurde zusammen mit einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft ein Weg gefunden, um mit staatlicher Unterstützung eine Überführung des individuellen Vorkaufsrechts auf eine kommunale Eigentümerschaft zu ermöglichen – und das zum Glück auch mit Erfolg. Hier ging es also nicht um eine Eigentumsförderung Einzelner, sondern um die Erweiterung des kommunalen Bestandes und somit um den dauerhaften Schutz vor Spekulation und Verdrängung. Ich glaube, das ist genau der richtige Weg, und den werden wir auch weitergehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Für eine Zwischenbemerkung hat jetzt Frau Meister von der FDP das Wort!

Liebe Frau Schmidberger! Es ist ja wirklich nicht zu glauben. Natürlich ist der Markt überhitzt. Natürlich ist dieser Wohnungsmarkt in Berlin überhitzt. Und das, was Sie machen, ist genau, ihn jeden Tag noch einmal anzuheizen, weil Sie sich hinstellen und sagen, oh, da könnten wir ja eine Wohnung bauen, und am nächsten Tag sagen, haben wir gestoppt, Gott sei Dank! Da wird nicht gebaut, hier wird nicht gebaut, weder am Westkreuz noch im Blankenburger Süden noch sonst irgendwo. Damit heizen Sie den Markt weiterhin an. Und natürlich nehmen Sie doch, genau Sie, am Ende des Tages öffentliche Gelder in die Hand, weil sie sich für 250 Millionen Euro ein zusammengefallenes Kosmosviertel um den Hals hängen lassen, und weil Sie natürlich in der Karl-Marx-Allee, weil es nämlich Ihr Klientel ist, alles Mögliche an öffentlichen Krediten ausgeben.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Und dann erzählen Sie den Leuten nicht immer, es wird alles gut, wenn es der Kommune gehört. Das ist doch einfach großer Quatsch. Und geben Sie den Teilen der Bevölkerung, die die Chance haben, ihr Vorkaufsrecht auszuüben, die Chance, es auch zu tun. Sie machen doch nichts anderes als Staat, als dass Sie sich hinstellen und sagen, da kann ich ein Vorkaufsrecht ausüben, das mache ich mal – ob ich es zahlen kann, ob ich es überhaupt brauche, fragen Sie sich ja gar nicht. Sie wissen ja immer noch nicht, was sie mit den Gewerbeobjekten machen sollen, die Sie vorgekauft haben. Also insofern: So werden Sie den Markt nie stabilisiert bekommen.

[Beifall bei der FDP]

Frau Schmidberger, Sie wollen erwidern? – Dann haben Sie das Wort!

Also, noch mal ein Tipp an die Opposition mit ihrem ständigen: Oh, ihr verhindert überall Neubau, mit euch passiert gar nichts usw. – das glauben ihn die Leute da draußen nicht!

[Holger Krestel (FDP): Stimmt aber!]

Wenn Sie uns kritisieren, dann kritisieren Sie uns endlich mal differenziert, verdammt! Es ist klar, dass wir beim Neubau ein Problem haben, das haben wir auch zugegeben.

[Holger Krestel (FDP): Dann lösen Sie es!]

Wir wissen, dass uns gerade 5 000 bis 6 000 Neubauwohnungen fehlen, die geplant sind. Und ich sage es immer wieder: Wir werden es mit den Genossenschaften und anderen gemeinwohlorientierten Bauträgern schaffen, dieses Gap zu schließen, wir arbeiten daran. Aber ich lasse mir von Ihnen nicht ständig vorwerfen, wir würden gar keine Wohnungspolitik machen.

[Holger Krestel (FDP) und Paul Fresdorf (FDP): Aber es ist doch so!]

Und ich würde Ihnen auch mal empfehlen, wenn Sie da draußen wirklich Gehör finden wollen, dann üben Sie mal eine qualifizierte und differenzierte Kritik; wir sind hier nicht auf dem Oktoberfest!

[Stefan Franz Kerker (AfD): Leider!]

Und ich muss mal sagen: Sie wollen vielleicht aus Berlin eine Stadt wie London, Frankfurt, Paris machen. Können Sie probieren. Ich kann Ihnen nur sagen, wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, um dagegen zu kämpfen – durch Neubau, durch den Mietendeckel, durch Bestandspolitik und viele andere Dinge. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Mieterstädte wie zum Beispiel Genf, wo 85 Prozent der Leute zur Miete wohnen, sozialere Städte sind, da gibt es viel weniger Wohnungslose, weniger soziale Spaltung, da gibt es eine soziale Mischung, die funktioniert, und übrigens: In Genf sind die Mieten in den letzten Jahren sogar gesunken.

[Zuruf von Stefan Franz Kerker (AfD)]

Und die Schweiz ist jetzt wirklich nicht bekannt dafür, ein sozialistisches Land zu sein.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen sowie an den Hauptausschuss. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4:

a) Funktionierende Stadt: Gesetz zur Änderung der

Verfassung von Berlin

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 18. Februar 2019 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 13. März 2019 Drucksache 18/1755

zum Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/0095

Zweite Lesung