[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf: Er nimmt das auf sich! – Holger Krestel (FDP): Dann will ich auch gerügt werden!]
Der Kollege Rissmann, verehrter Herr Präsident, will sich Mühe geben, nicht auch noch gerügt zu werden, wobei ich mich in der Gemeinschaft der Gerügten ganz wohl fühlen würde.
Teile dieses Linksbündnisses versuchen, die Causa Holm auf eine Frage zu vereinfachen, die sich auf den Zeitraum bis 1990 bezieht. Das ist es aber eben nicht. Diese Causa, diese Personalie ist vielschichtiger, und sie ist gefährlich für unsere Demokratie und für unsere politische Kultur.
Wir müssen mehrere Fragen beantworten, neben der ersten Frage, ob wir es als zulässig erachten, dass ein hauptamtlicher Mitarbeiter der Staatssicherheit heute gerade in dieser Stadt, in Berlin, wo die Wunden der Teilung unseres Vaterlandes deutlicher und schmerzhafter waren als überall anders in Deutschland, ob es in dieser Stadt auch nach 27 Jahren wirklich als zulässig erachtet werden kann, dass ein Mitarbeiter dieses Unterdrückungsinstruments ein Staatsamt bekleiden kann. Wir müssen uns fragen, ob wir eine Person in einem Regierungsamt wollen, die mindestens viermal bei der Anstellung im öffentlichen Dienst unseres Landes gelogen hat. Der Kollege Czaja hat darauf hingewiesen. Jede andere Person hätte sich damit für eine Verwendung im öffentlichen Dienst disqualifiziert.
Und diese Person will auch heute noch die Öffentlichkeit für dumm verkaufen, indem über Erinnerungslücken philosophiert wird. Als ob man vergessen haben könnte, bei „Feliks Dzierzynski“ mit der Kalaschnikow rumgerannt zu sein!
Und die dritte Frage ist, ob wir eine Person in einem Regierungsamt unserer Stadt haben wollen, von der der Bundesgerichtshof sagt, sie habe eine linksextremistische Einstellung. Es geht nicht um demokratische Linke. Es geht nicht um demokratische Rechte, um die politische
Mitte. Es geht um Extremismus. Extremismus ist verfassungsfeindlich, egal, von welcher Seite er kommt.
Man kann über die erste Frage, wie die hauptamtliche Tätigkeit des Herrn Holm bei der Stasi, bei den StasiSpitzeln zu bewerten ist, aufgrund des damals jungen Alters des Herrn Holm und auch sicher aufgrund der Wirkungsweisen dieser Diktatur geteilt urteilen. Da ist eine einfache Antwort sicher nicht möglich. Frau Dr. West hat dazu differenziert vorgetragen. Klar und unzweideutig müssten aber jedenfalls die Antworten auf die anderen beiden Fragen sein, nämlich erstens: Nein, wir wollen keine Lügner, die eben nicht zu ihren Fehlern stehen und die sich eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst erschlichen haben. Und: Nein, wir wollen auch keine Extremisten in unseren Staatsämtern.
Und die Dimension geht für mich noch viel weiter. Mit der Ernennung des Herrn Holm hat nämlich die Linkspartei auch ihre Maske fallen lassen. Sie ist bis heute die umbenannte SED,
und sie ist es eben nicht nur de jure, sie ist es auch de facto. Und sie ist die Staatspartei der zweiten deutschen Diktatur. Sie ist die Staatspartei des Unterdrückungsapparats. Sie ist die Partei der Stasi, die Partei dieser Unterdrückungseinrichtung, die sich als Schwert und Schild begriffen hat und damit Millionen Deutsche über 40 Jahre lang unterdrückt hat.
Und diese Personalie ist ein Geschenk, das Sie Ihren alten Genossen machen wollen. Das zeigt, dass das Gerede von Einsicht und Läuterung eben doch nicht so ehrlich gemeint war.
Ich sehe darin darüber hinaus einen Brückenschlag dieser Partei in die linksextremistische Szene unserer Stadt. Hier wird offenbar bewusst versucht, Gegner unserer Demokratie anzusprechen und ihnen ein Gesicht zu geben.
Frau Dr. West hat mich heute berührt, und das meine ich vollen Herzens. Es kommt selten vor, dass aus den politischen, festgelegten Verfahrensabläufen ausgebrochen wird und hier tatsächlich jemand etwas sagt, mit dem nicht gerechnet wurde. Das ist heute so geschehen.
Und wir Christdemokraten zollen Ihnen, verehrte Frau Dr. West, dafür unsere Anerkennung und unseren Respekt, genauso wie den vielen anderen Sozialdemokraten,
Am Ende liegt es eben an Ihnen, verehrte Sozialdemokraten, und ich meine diesen Appell reinen Herzens. Bei allem, was uns politisch trennt, sind Sie die älteste deutsche Partei, und Sie haben meinen ehrlichen Respekt dafür, dass Sie unser Land in besonderer Weise demokratisch gefestigt haben und dass unser Land in dieser Form so nicht denkbar wäre ohne die Sozialdemokratie. Und es gereicht den Sozialdemokraten zur besonderen Ehre, dass sie beiden deutschen Diktaturen widerstanden haben, dass sie Widerstand geleistet haben und dass sie unsere Bundesrepublik Deutschland, das freieste und beste Deutschland, das es je gab, so mit aufgebaut haben. Gerade darum dürfen Sie, verehrte Sozialdemokraten, das hier nicht geschehen lassen. Es ist eine Frage der Moral, es ist eine Frage des Anstandes, und es ist eine Frage des demokratischen Konsenses. Knechte von Diktaturen und Feinde unserer Verfassung gehören nicht in Staatsämter!
[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Beifall von Sven Kohlmeier (SPD), Joschka Langenbrinck (SPD) und Robert Schaddach (SPD)]
Bevor jetzt Frau Schubert das Wort für die Fraktion Die Linke nimmt, noch ein Hinweis: Das Fotografieren von Abgeordneten und das Veröffentlichen anderer Abgeordneter entspricht nicht unseren Regelungen. Deswegen bitte ich Sie noch einmal eindringlich, davon Abstand zu nehmen! – Frau Schubert, bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines vorweg: Die Linke hat die Rechtsnachfolge der PDS angetreten. Die PDS hat die Rechtsnachfolge der SED angetreten. Die Linke hat sich dieser Vergangenheit gestellt, hat sich damit auseinandergesetzt – sehr intensiv, das können Sie glauben oder nicht, die Dokumente kann ich Ihnen gerne zur Verfügung stellen. Die Linke ist nicht die StasiPartei, und ich bitte, diese Form der Denunziation hier auch zu unterlassen!
ein profunder Kenner der Berliner Wohnungswirtschaft und ein Kritiker der Gentrifizierungsprozesse in Berlin.
Ja, es gibt Vertreter der Immobilienwirtschaft und andere, die eine soziale Umstrukturierung der Berliner Wohn-
und Mietenpolitik ablehnen. Rot-Rot-Grün hat sich mit dem Koalitionsvertrag dazu bekannt, die Wohnungspolitik sozial zu gestalten, die Berliner Mischung in den Kiezen zu erhalten, Banlieues in Berlin zu verhindern. Deshalb haben wir Andrej Holm als Parteilosen gebeten, die Seiten von der Wissenschaft in die praktische Politik zu wechseln.
In der Öffentlichkeit geht es jetzt um die Stasi-Vergangenheit von Andrej Holm und um den Fragebogen bei der HU. Andrej Holm hat sich 2007 offenbart. Es war der Öffentlichkeit bekannt, dass er Offiziersschüler bei der Staatssicherheit war – von September 1989 bis zum 31. Januar 1990, fünf Monate während der Auflösung des MfS/AfNS. Er war zunächst beim Wachdienst und ging dann in die Bezirksverwaltung Berlin. Zu der geplanten Karriere beim MfS kam es nicht mehr. Und Andrej Holm hat mehrfach gesagt, dass er dankbar dafür ist. Er hat immer wieder gesagt, dass er dankbar für die Wende ist und dass er die Freiheit einer demokratischen Gesellschaft nach Kräften unterstützt. Da frage ich mich: Das soll 27 Jahre später verhindern, dass er ein öffentliches Amt bekleidet?
Als ich 18 Jahre alt war, war ich Juso, eine in Ihren Augen vermutlich lässliche Jugendsünde. Und nach dem Nato-Doppelbeschluss habe ich die SPD verlassen und war viele Jahre in antirassistischen Gruppen der undogmatischen Linken, übrigens nicht bei den Autonomen. Wenn mir damals mal jemand gesagt hätte, Sie werden mal Mitglied eines Parlaments oder Vorsitzende einer Regierungspartei sein, hätte ich das nicht geglaubt, hätte ich ihn ausgelacht.
Selbstverständlich müssen Politikerinnen und Politiker sorgfältig mit ihren Biografien umgehen. Das haben Mitglieder dieses Hauses auch schon schmerzvoll erfahren und ihre Fehler eingestanden. Und das ist okay. Wir brauchen auch Fehlertoleranz, damit wir um den richtigen Weg für diese Stadt ringen können. Auch Andrej Holm hat seinen Fehler zugegeben, den Personalfragebogen bei der HU nicht richtig ausgefüllt zu haben,
aus einer falschen Einschätzung seines damaligen Status heraus. Schaut man sich die Stasi-Akte genau an, war er damals mit ganz unterschiedlichen Statusangaben versehen. Sie können das nachlesen; die Akte ist ja öffentlich. Er kannte seine Akte nicht, damals, als er den Fragebogen der HU ausfüllte. Aber er hat zugestimmt, dass sein Arbeitgeber seine Akte bei der Stasi-Unterlagen-Behörde anfordert. Tut das jemand, der absichtlich täuschen wollte?